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Mischgebiet


Mischgebiet – Definition, rechtliche Grundlagen und Bedeutung im Bauplanungsrecht

Begriffserklärung und Einordnung

Ein Mischgebiet ist ein bauplanungsrechtlicher Begriff, der in der Bundesrepublik Deutschland einen spezifischen Gebietstyp nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet. Mischgebiete dienen vorrangig dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Sie nehmen daher eine Mittlerrolle zwischen reinen Wohngebieten und ausschließlich gewerblich geprägten Flächen ein.

Rechtliche Grundlagen

Baunutzungsverordnung (BauNVO) – §§ 6, 1 Abs. 1 BauNVO

Die zentrale rechtliche Grundlage für das Mischgebiet bildet § 6 BauNVO. Hier werden die zulässigen Nutzungen, die Art der baulichen Nutzung sowie das Ziel der Gebietsart festgelegt. Mischgebiete zählen zu den in § 1 Abs. 2 Baunutzungsverordnung abschließend aufgeführten Baugebieten.

Ziel und Zweck

Mischgebiete sollen die Wohn- und Arbeitsfunktionen flächensparend zusammenführen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und lebendige StadtQuartiere zu fördern. Die Koexistenz unterschiedlicher Nutzungen steht im Vordergrund, wobei die gegenseitige Rücksichtnahme erforderlich ist. Störende oder emissionsintensive Nutzungen sind ausgeschlossen.

Zulässige Nutzungsarten

Wohnen

Wohnnutzungen sind in Mischgebieten in der Regel allgemein zulässig. Dazu zählen sowohl Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Appartements sowie Gemeinschaftswohnformen. Der Wohnanteil kann je nach Planungskonzept variieren, ist jedoch regelmäßig ein integraler Bestandteil des Gebiets.

Gewerbliche Nutzungen

In Mischgebieten sind Gewerbebetriebe zulässig, deren Auswirkungen auf die Wohnnutzung als geringfügig bis unwesentlich eingestuft werden. Im Einzelnen erlaubt § 6 Abs. 2 BauNVO:

  • Einzelhandelsbetriebe
  • Schank- und Speisewirtschaften
  • Betriebe des Beherbergungsgewerbes
  • Sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe

Verglichen mit allgemeinen Wohngebieten ist das Maß der zulässigen gewerblichen Nutzung hier deutlich erweitert.

Weitere zulässige Nutzungen

Darüber hinaus können in einem Mischgebiet folgende Nutzungen zulässig sein:

  • Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche Zwecke
  • Gartenbaubetriebe
  • Nicht störende Handwerksbetriebe

Im Einzelfall können im Bebauungsplan auch andere Nutzungen zugelassen oder ausgeschlossen werden.

Ausnahmeregelungen

Laut § 6 Abs. 3 BauNVO können im Mischgebiet ausnahmsweise zugelassen werden:

  • Betriebe zur Wahrung leiblicher oder geistiger Bedürfnisse (z. B. Spielhallen) unter bestimmten Voraussetzungen
  • Vergnügungsstätten, wenn sie das Wohnen nicht stören

Die Anwendung solcher Ausnahmegenehmigungen obliegt der kommunalen Ausgestaltung und ist stets einzelfallabhängig.

Maß der baulichen Nutzung

Das Mischgebiet unterliegt ebenso Regelungen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (§ 16 ff. BauNVO):

  • Die Art und das Maß der Nutzung (Bauweise, Geschosszahl, Grundflächenzahl [GRZ], Geschossflächenzahl [GFZ]) werden im Bebauungsplan festgelegt.
  • Die bauliche Dichte soll so gewählt werden, dass sich Wohnen und Gewerbe gegenseitig nicht beeinträchtigen.

Besondere Rücksicht ist auf den Immissionsschutz zu nehmen: Die vom Gewerbe ausgehende Lärm- und Geruchsbelastung darf das Wohnen nicht wesentlich stören (siehe Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG).

Immissionsschutz und Nachbarschutz

Lärmschutz

Die DIN 18005 sowie die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) sind bei der Planung von Mischgebieten maßgeblich. Der maßgebliche Grenzwert für Immissionsrichtwerte liegt für Mischgebiete tagsüber bei 60 dB(A), nachts bei 45 dB(A).

Rücksichtnahmegebot

Das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verlangt, dass die unterschiedlichen Nutzungen eines Mischgebietes sich nicht unzumutbar beeinträchtigen. Dies umfasst auch Fragen des Sicht-, Licht- sowie Geruchsemissionsschutzes.

Verhältnis zu anderen Baugebieten

Abgrenzung zum allgemeinen Wohngebiet (WA)

Allgemeine Wohngebiete sind vorrangig für das Wohnen vorgesehen und gestatten nur in sehr eingeschränktem Maße gewerbliche Nutzungen. Mischgebiete grenzen sich hiervon durch den höheren Anteil gewerblicher Nutzung ab.

Abgrenzung zum Gewerbegebiet (GE)

Im Gewerbegebiet steht die gewerbliche Nutzung im Vordergrund und Wohnnutzungen sind – von Ausnahmen abgesehen – ausgeschlossen. Mischgebiete ermöglichen ein ausgewogenes Nebeneinander von Wohn- und gewissen Gewerbenutzungen.

Bedeutung für die Stadtentwicklung

Mischgebiete sind insbesondere bei städtebaulichen Umstrukturierungen sowie Nachverdichtungen von Bedeutung. Sie tragen zur Schaffung urbaner, vielfältiger Stadtteile bei und wirken einer „Monostrukturierung“ entgegen.

Baurechtliche Zulässigkeit und Bebauungsplan

Ob eine konkrete Nutzung im Mischgebiet zulässig ist, entscheidet sich anhand der jeweiligen Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 30 BauGB). Fehlt ein Bebauungsplan, richtet sich die Zulässigkeit gemäß § 34 BauGB (Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile) nach der Eigenart der näheren Umgebung.

Rechtsprechung und Verwaltungspraxis

Die Rechtsprechung betont regelmäßig die besondere Bedeutung der gegenseitigen Rücksichtnahme der unterschiedlichen Nutzungsarten im Mischgebiet. Die Verwaltung hat im Rahmen der Baugenehmigung einen Prüfungsmaßstab zur Einhaltung des Immissionsschutzes sowie der Gebietsverträglichkeit zu beachten.

Übersicht: Wesentliche Merkmale des Mischgebiets

  • Dient dem Wohnen sowie der Unterbringung nicht erheblich störender Gewerbebetriebe
  • Vereint vielfältige Nutzungsstrukturen auf engem Raum
  • Zulässige Gewerbebetriebe dürfen das Wohnen nicht wesentlich beeinträchtigen
  • Umfassende Festlegung der zulässigen Nutzungen im Bebauungsplan möglich
  • Anforderungen an den Immissionsschutz erheblich
  • Flexible städtebauliche Steuerung durch Gemeinden möglich

Mischgebiete leisten einen wesentlichen Beitrag zur Urbanität und nachhaltigen Stadtentwicklung, indem sie verschiedene Funktionen räumlich verbinden und städtebauliche Vielfalt ermöglichen. Durch die rechtlichen Vorgaben der Baunutzungsverordnung und ergänzender Regelungen wird sichergestellt, dass das Miteinander von Wohnen und Arbeiten den Bedürfnissen der Bewohner und Gewerbetreibenden gleichermaßen Rechnung trägt.

Häufig gestellte Fragen

Dürfen im Mischgebiet lärmintensive Gewerbebetriebe errichtet werden?

Im rechtlichen Kontext regelt die Baunutzungsverordnung (BauNVO) ausdrücklich, welche Arten von Betrieben in einem Mischgebiet zulässig sind. Grundsätzlich zulässig sind im Mischgebiet kleinere, das Wohnen nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Lärmintensive oder erheblich störende Gewerbe, wie z. B. Nachtclubs, Diskotheken oder großflächige Produktionsbetriebe, sind jedoch ausgeschlossen, da sie den Charakter eines Mischgebiets, in dem Wohnen gleichberechtigt mit anderen Nutzungen existieren soll, beeinträchtigen. Die Zulässigkeit wird außerdem anhand der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) beurteilt. Dort sind Immissionsrichtwerte festgelegt, die in Mischgebieten einzuhalten sind. Diese sind strenger als in reinen Gewerbegebieten, jedoch weniger streng als in reinen Wohngebieten. Im Genehmigungsverfahren muss ein Betrieb im Mischgebiet nachweisen, dass die zu erwartenden Geräuschimmissionen die zulässigen Grenzwerte insbesondere zur Nachtzeit nicht überschreiten. Bei wiederholter Überschreitung drohen rechtliche Maßnahmen wie Untersagung des Betriebs oder nachträgliche Auflagen. Das Schutzgut „Wohnen“ hat im Mischgebiet stets ein besonderes Gewicht; Lärmkonflikte werden im Zweifel eher zulasten des Betriebs entschieden.

Welche baurechtlichen Vorgaben gelten für die Umwandlung eines Wohngebäudes in ein Büro im Mischgebiet?

Im Mischgebiet sind neben Wohnnutzungen auch gewerbliche Nutzungen wie Büros zulässig. Die Umwandlung eines Wohngebäudes in ein Büro erfordert jedoch in der Regel eine Nutzungsänderung, die gemäß § 29 ff. Baugesetzbuch (BauGB) und der jeweiligen Landesbauordnung genehmigungspflichtig ist. Im Verfahren wird geprüft, ob das Vorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplans – insbesondere Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und zulässige Geschossflächenzahl – vereinbar ist. Zudem werden Anforderungen an Stellplätze, Brandschutz, Schallschutz sowie die Erschließung geprüft. Eine besondere Beachtung findet auch das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Umgebung, etwa durch Vermeidung unzumutbarer Verkehrs- oder Lärmzunahme. Die Gemeinde hat zudem im Rahmen des § 15 BauNVO ein Eingriffsrecht, wenn das Bürovorhaben mit seinem Umfang oder seinen Auswirkungen die Eigenart des Mischgebiets gefährden würde. So kann sie eine Umnutzung ablehnen oder mit Auflagen versehen.

Welche Regelungen gelten im Mischgebiet für Gastronomiebetriebe wie Restaurants oder Cafés?

Im Mischgebiet sind laut § 6 BauNVO Gaststätten grundsätzlich zulässig, solange sie das Wohnen nicht wesentlich stören. Dies bedeutet, dass Restaurants, Cafés oder kleinere Bistros betrieben werden dürfen, solange etwaige Auswirkungen – insbesondere Geräusch-, Geruchs- oder Verkehrsbelastungen – innerhalb der zumutbaren Grenzen verbleiben. Der Betreiber eines Gastronomiebetriebs muss ein Lärmschutzkonzept vorlegen und ggf. bauliche Maßnahmen zur Schallminderung realisieren. Insbesondere Außengastronomie ist kritisch zu prüfen, da hier schnell Immissionskonflikte entstehen können. Genehmigungen werden in Abstimmung mit den Vorgaben der TA Lärm und örtlichen Lärmschutzsatzungen erteilt. Nachtbetrieb, Musikveranstaltungen oder Diskotheken sind grundsätzlich problematisch und regelmäßig nicht genehmigungsfähig, da sie typischerweise das Wohnen wesentlich stören können. Entscheidend ist stets die Einhaltung der rechtlichen Schutzstandards für Wohnbewohner.

Können im Mischgebiet Kurzzeitvermietungen wie Ferienwohnungen untersagt werden?

Die rechtliche Zulässigkeit von Kurzzeitvermietungen oder Ferienwohnungen in Mischgebieten ist umstritten und abhängig von den Festsetzungen des Bebauungsplans und der kommunalen Satzungslage. Nach § 6 Abs. 2 BauNVO sind „Wohngebäude“ im Mischgebiet zulässig. Ob dies auch Ferienwohnungen umfasst, hängt davon ab, wie eine Kommune und die Rechtsprechung das Dauerwohnbedürfnis definieren. Mehrere obergerichtliche Urteile bestätigen, dass Ferienwohnungen nicht per se als Wohnnutzung gelten, sondern je nach Ausmaß und Ausgestaltung auch als gewerbliche Nutzung oder gar Beherbergungsbetrieb einzustufen sind. Kommunen können somit die Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnungen durch Satzungen einschränken oder untersagen, insbesondere wenn dadurch das Wohnraumangebot verringert oder Belästigungen befürchtet werden. Die Entscheidung bedarf stets einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten, des Maßstabs der Vermietung und des Schutzes der Wohnfunktion im Mischgebiet.

Wie wird die zulässige Höhe und Dichte der Bebauung im Mischgebiet rechtlich festgelegt?

Die zulässige Bauhöhe, das Maß der baulichen Nutzung und die Bebauungsdichte im Mischgebiet werden durch den Bebauungsplan geregelt, der auf Gesetzesebene im Baugesetzbuch (BauGB) und der Baunutzungsverordnung (BauNVO) fußt. Insbesondere § 6 BauNVO verweist auf die zulässigen Grundflächenzahlen (GRZ), Geschossflächenzahlen (GFZ), Bauweisen sowie die maximalen Gebäudeklassen, die der Bebauungsplan konkret ausweisen kann. In Abwesenheit eines qualifizierten Bebauungsplans orientiert sich die Zulässigkeit neuer Gebäude nach § 34 BauGB an der sogenannten „Umgebungsbebauung“ hinsichtlich Höhe, Dichte und Art der Nutzung. Die Einhaltung der max. zulässigen Maßzahlen (z.B. GRZ 0,6 oder GFZ 1,2) ist obligatorisch. Darüber hinaus sind auch die Vorgaben der jeweiligen Landesbauordnung zu Gebäudehöhen, Brandwänden, Abstandsflächen und weiteren gestalterischen Auflagen zu beachten. Überschreitungen sind nur in begründeten Ausnahmefällen und ggf. mit Genehmigungen möglich.

Welche Parkanforderungen bestehen bei der Errichtung neuer Gebäude im Mischgebiet?

Die Anforderungen an Stellplätze im Mischgebiet richten sich primär nach den Vorgaben der jeweiligen Landesbauordnung und den ggf. bestehenden örtlichen Stellplatzsatzungen. Diese bestimmen die Zahl der erforderlichen Kfz- und Fahrradstellplätze in Abhängigkeit vom Gebäudetyp und der Nutzung (z.B. Wohnen, Gewerbe, Gastronomie). Bei Nutzungsänderungen oder Neubauten ist regelmäßig nachzuweisen, dass der Stellplatzbedarf auf dem Grundstück selbst oder durch Abwendungsvereinbarungen (Ablöse, Nutzung fremder Flächen) gedeckt werden kann. Besondere Anforderungen gelten, wenn mit erhöhtem Publikumsverkehr zu rechnen ist, etwa bei Gastronomie, Arztpraxen oder Einzelhandelsbetrieben. Kommunen können durch Satzung abweichende Regelungen oder Sonderregelungen für Bestandsgebäude im Mischgebiet vorsehen. Die Missachtung der Stellplatzpflicht kann zur Versagung einer Baugenehmigung oder zu nachträglichen Auflagen führen.

Unter welchen Umständen kann ein Bebauungsplan die Nutzung im Mischgebiet einschränken?

Der Bebauungsplan ist das zentrale rechtliche Steuerungsinstrument für die Nutzung eines Mischgebiets. Er kann die nach BauNVO allgemein zulässigen Nutzungen (z.B. Wohnen, bestimmte Gewerbe, Einzelhandel, Gastronomie) weiter einschränken oder spezifische Nutzungen ausschließen, um etwa negative städtebauliche Entwicklungen, Lärmkonflikte oder Verkehrsprobleme zu vermeiden. Dies geschieht regelmäßig durch textliche Festsetzungen oder Sonderregelungen im Bebauungsplan, die auf bestimmte Gewerbegruppen, Betriebsgrößen, Öffnungszeiten, Emissionen oder bauliche Ausgestaltung abheben. Bei bestandskräftigen Bebauungsplänen geht die Festsetzung nach § 30 BauGB den allgemeinen Regelungen der BauNVO vor. Änderungen oder Nachverdichtungen sind ohne Anpassung des Bebauungsplans nicht zulässig. Der Rechtsschutz gegen einschränkende Festsetzungen erfolgt über die Verwaltungsgerichtsbarkeit, allerdings mit relativ weitem Gestaltungsspielraum für die Gemeinden zur Wahrung der Gebietscharakteristik und der städtebaulichen Ordnung.