Begriff und Bedeutung des Mindestlohngesetzes
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) ist ein zentrales Regelwerk des deutschen Arbeitsrechts, das die Zahlung eines verbindlichen Mindestlohns für nahezu sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland vorschreibt. Mit Inkrafttreten am 1. Januar 2015 wurde durch das Mindestlohngesetz erstmals eine allgemeine gesetzliche Lohnuntergrenze eingeführt. Ziel ist die Sicherstellung eines existenzsichernden Einkommens sowie die Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping.
Gesetzliche Grundlagen und Entstehung
Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG) wurde am 11. August 2014 verkündet (BGBl. I S. 1348). Die gesetzliche Grundlage findet sich im Bundesgesetzblatt und regelt im Wesentlichen die Anspruchsvoraussetzungen, Ausnahmen, Kontrollmechanismen und Rechtsfolgen bei Verstößen.
Historische Entwicklung
Vor Einführung des MiLoG existierten in Deutschland vereinzelte Branchenmindestlöhne auf Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns war das Ergebnis sozial- und wirtschaftspolitischer Debatten sowie europäischer Einflüsse.
Regelungsbereich und Persönlicher Anwendungsbereich
Geltungsbereich
Das MiLoG gilt grundsätzlich für alle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Sitz des Arbeitgebers.
Ausnahmen
Vom Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes ausgenommen sind insbesondere:
- Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Auszubildende im Sinne des Berufsbildungsgesetzes
- Pflichtpraktikanten und Praktikanten im Rahmen einer Ausbildung bis zu drei Monate
- Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung
- Ehrenamtlich Tätige
Sonderregelungen können sich zudem aus Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz ergeben.
Höhe und Anpassung des Mindestlohns
Festlegung des Mindestlohns
Die Höhe des Mindestlohns wird vom Gesetzgeber auf Vorschlag der Mindestlohnkommission festgelegt. Die erstmalige Höhe betrug zum Gesetzesstart 8,50 Euro brutto pro Stunde und wird seitdem regelmäßig angepasst.
Mindestlohnkommission
Die Kommission ist paritätisch mit Vertretern aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden besetzt. Sie legt alle zwei Jahre eine neue Anpassung unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Lage und der Tarifentwicklung vor. Die Bundesregierung folgt in aller Regel den Empfehlungen der Kommission.
Regional- und Branchendifferenzierungen
Da das MiLoG grundsätzlich einen einheitlichen Mindestlohn vorschreibt, sind regional unterschiedliche Lohnuntergrenzen nicht zulässig. Bestehende, allgemeinverbindliche Tarifverträge nach dem AEntG können jedoch vorübergehend niedrigere Lohnuntergrenzen regeln.
Pflichten des Arbeitgebers
Zahlungspflicht und Fälligkeit
Arbeitgeber sind verpflichtet, mindestens den im MiLoG festgelegten Stundenlohn spätestens zum im Arbeitsvertrag festgelegten Fälligkeitszeitpunkt auszuzahlen. Der Arbeitnehmer hat einen unabdingbaren Rechtsanspruch auf Auszahlung des gesetzlichen Mindestlohns.
Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten
Das Mindestlohngesetz verpflichtet Arbeitgeber insbesondere in bestimmten Wirtschaftsbereichen (z. B. Baugewerbe, Gastronomie, Spedition), Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Beschäftigten spätestens sieben Tage nach Arbeitsleistung aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Ziel ist die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns.
Kontrollmechanismen und Sanktionen
Überwachungsbehörde
Die Einhaltung des Mindestlohngesetzes wird von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung überwacht. Die Behörde ist berechtigt, Kontrollen durchzuführen und Auskünfte sowie Einsicht in die Lohn- und Arbeitszeitaufzeichnungen zu verlangen.
Bußgelder und Sanktionen
Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, insbesondere durch Nichtzahlung, unzureichende Dokumentation oder Behinderung der Kontrolle, stellen Ordnungswidrigkeiten dar und können mit Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Zudem droht der Ausschluss von öffentlichen Vergaben und Förderungen.
Rechtsanspruch und Durchsetzung
Unabdingbarkeit und Ausschlussfristen
Der Anspruch auf Mindestlohn ist unabdingbar, das heißt, von den Mindestlohnvorschriften kann grundsätzlich nicht abgewichen werden, auch nicht durch vertragliche Vereinbarung. Abweichende, den Arbeitnehmer benachteiligende Regelungen sind unwirksam. Des Weiteren ist die Verjährung und etwaige Ausschlussfristen zu beachten. Der Anspruch kann innerhalb von drei Jahren gerichtlich geltend gemacht werden.
Rückforderung und Nachzahlung
Wird der Mindestlohn unterschritten, können Arbeitnehmer Rückstände gerichtlich einklagen. Der Arbeitgeber ist zur Nachzahlung verpflichtet, zudem können Auslagen und Zinsen anfallen.
Verhältnis zu anderen Gesetzen und Tarifverträgen
Tarifvorrang, Tariföffnung und Beziehung zum Tarifvertragsgesetz
Mindestlöhne nach dem MiLoG sind grundsätzlich tarifdispositiv, sofern Tarifverträge im Rahmen branchenspezifischer Gesetze (z. B. AEntG) allgemeinverbindlich erklärt werden. Der gesetzliche Mindestlohn setzt jedoch eine absolute Untergrenze, die in keinem Fall unterschritten werden darf.
Kollisionsfragen
Kommt es zu Überschneidungen mit tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelungen, gilt stets der jeweils höhere Anspruch zugunsten der Arbeitnehmer.
Sonderfälle und Sonderregelungen
Praktikanten, Minderjährige und Langzeitarbeitslose
Das Gesetz trifft für Praktikanten, Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie Langzeitarbeitslose besondere Regelungen, um den Berufseinstieg und ausbildungsbezogene Maßnahmen nicht zu erschweren.
Grenzpendler und entsandte Arbeitnehmer
Auch Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen, die für Arbeiten nach Deutschland entsandt werden, haben grundsätzlich einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für in Deutschland geleistete Arbeit.
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen
Das Mindestlohngesetz hat weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitsmarktentwicklung, Lohnstruktur und soziale Sicherung. Es wird regelmäßig im Hinblick auf die Effektivität in Bezug auf Armutsvermeidung, Beschäftigungsentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit evaluiert.
Literatur und weiterführende Quellen
- Mindestlohngesetz – MiLoG, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (bmwi.de)
- Entscheidende Rechtsprechung: Bundesarbeitsgericht, laufende Urteile und Leitsätze
Das Mindestlohngesetz bildet damit ein zentrales Regelungsinstrument zur Sicherung sozialer Mindeststandards am deutschen Arbeitsmarkt und stellt ein fundamentales Schutzrecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar. Die lückenlose Einhaltung und laufende Überprüfung sind für die Funktionstüchtigkeit des Gesetzes und den sozialen Frieden von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Welche Ausnahmen vom Mindestlohngesetz bestehen laut rechtlicher Regelung?
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) sieht verschiedene Ausnahmen vor, bei denen der gesetzliche Mindestlohn nicht zur Anwendung kommt. Zu den wichtigsten Ausnahmeregelungen zählen Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung (§ 22 Abs. 2 MiLoG), Auszubildende im Rahmen eines verpflichtenden Ausbildungsverhältnisses, ehrenamtlich Tätige sowie bestimmte Praktika. Bei Praktika betrifft dies Pflichtpraktika, die auf einer schulrechtlichen Vorschrift, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums geleistet werden, und freiwillige Praktika von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums. Weiterhin sind Langzeitarbeitslose innerhalb der ersten sechs Monate nach Wiederaufnahme einer Beschäftigung von der Mindestlohnpflicht befreit. Darüber hinaus bestehen Sonderregelungen für bestimmte Branchen, bei denen durch Tarifverträge abweichende (vorübergehend niedrigere) Lohnuntergrenzen zulässig sind, soweit diese durch Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Die konkrete Prüfung, ob eine Ausnahme greift, bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung nach den gesetzlichen Vorgaben.
Welche Pflichten ergeben sich für Arbeitgeber aus dem Mindestlohngesetz?
Arbeitgeber sind nach dem Mindestlohngesetz verpflichtet, ihren Arbeitnehmern mindestens den gesetzlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen. Neben der Zahlungspflicht bestehen umfangreiche Dokumentationspflichten, insbesondere für bestimmte Branchen, die in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) genannt sind, etwa in der Gastronomie, dem Baugewerbe oder der Pflegebranche. Hier müssen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufgezeichnet und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Weiter müssen sie sicherstellen, dass keine Umgehungen des Mindestlohns erfolgen, etwa durch Scheinform der Selbständigkeit oder unzulässige Verrechnung von Zuschlägen oder Sachleistungen. Zudem gilt eine Nachweispflicht über die Einhaltung des Mindestlohns gegenüber den Kontrollbehörden, die von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) im Auftrag des Zolls überwacht wird.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstoß gegen das Mindestlohngesetz?
Ein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz kann weitreichende rechtliche Konsequenzen für Arbeitgeber haben. Zunächst können betroffene Arbeitnehmer Lohnnachforderungen geltend machen, die sich auf den Differenzbetrag zwischen tatsächlich gezahltem und dem gesetzlichen Mindestlohn beziehen. In arbeitsrechtlicher Hinsicht kann dies teilweise auch rückwirkend für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren eingefordert werden. Darüber hinaus stellt der Verstoß gegen die Zahlungspflicht nach § 21 MiLoG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Bei Verstoß gegen Melde-, Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflichten sind Bußgelder bis zu 30.000 Euro möglich. Zudem kann der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge drohen. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit strafrechtlicher Konsequenzen, wenn weitere Straftatbestände wie Betrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) oder Steuerhinterziehung erfüllt sind.
Wie wird der Mindestlohn rechtssicher berechnet?
Die Berechnung des Mindestlohns erfolgt auf Grundlage des tatsächlich ausgezahlten Bruttolohns bezogen auf die geleistete Arbeitszeit. Nicht angerechnet werden dabei Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit, Trinkgelder, Aufwandsentschädigungen, Zulagen für besondere Arbeitserschwernisse sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld, sofern sie nicht mit der regelmäßig zu leistenden Arbeitszeit in Verbindung stehen. Kost und Logis können grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, Ausnahmefälle bedürfen einer gesonderten rechtlichen Überprüfung. Maßgeblich ist stets der im jeweiligen Kalendermonat ausgezahlte Lohn im Verhältnis zu den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Bei Teilzeit-, Minijob- oder Saisonarbeitsverhältnissen gelten die gleichen Berechnungsgrundlagen wie bei Vollzeitbeschäftigten.
Können Tarifverträge vom Mindestlohngesetz abweichen?
Das Mindestlohngesetz sieht vor, dass tarifvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich nicht zu einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns führen dürfen. Abweichende Regelungen können nur dann rechtswirksam sein, wenn ein Tarifvertrag durch Rechtsverordnung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) oder Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) für allgemeinverbindlich erklärt wurde und eine niedrigere Lohnuntergrenze enthält. Allerdings gilt dies nur für einen befristeten Zeitraum, um den betroffenen Branchen eine Übergangszeit zu gewährleisten, bis der gesetzliche Mindestlohn auch dort vollumfänglich gilt. Dies wurde beispielsweise bei der Einführung des Mindestlohns für Zeitungszusteller oder in bestimmten Sektoren der Landwirtschaft praktiziert. Nach Ablauf solcher Übergangsregelungen gilt das Mindestlohngesetz uneingeschränkt, sodass abweichende tarifliche Regelungen unwirksam werden.
Wie erfolgt die Kontrolle und Durchsetzung des Mindestlohngesetzes?
Die Einhaltung des Mindestlohngesetzes wird in Deutschland von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll überwacht. Die Kontrollbehörden prüfen sowohl die Zahlung des Mindestlohns als auch die Einhaltung der damit verbundenen Dokumentations- und Meldepflichten. Dazu können sie Betriebsprüfungen vornehmen, Einsicht in Arbeitszeitaufzeichnungen und Lohnunterlagen verlangen sowie Auskünfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einholen. Bei festgestellten Verstößen werden entsprechende Bußgeldverfahren eingeleitet und ggf. außergewöhnliche Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten oder die Ausschreibung öffentlicher Aufträge verhängt. Die Durchsetzung umfasst sowohl präventive Prüfungen als auch nachträgliche Ermittlungen bei Verdacht von Verstößen. Arbeitnehmer haben zudem die Möglichkeit, ihre Ansprüche zivilrechtlich vor den Arbeitsgerichten durchzusetzen.