Definition und rechtliche Grundlagen der Minderjährigkeit
Der Begriff Minderjährigkeit bezeichnet im Recht den Zustand einer Person, die das gesetzlich festgelegte Volljährigkeitsalter noch nicht erreicht hat und deshalb in ihrer Geschäftsfähigkeit sowie in weiteren Rechtsbereichen beschränkt ist. Minderjährigkeit ist rechtlich relevant für zahlreiche Lebensbereiche, darunter Vertragsrecht, Strafrecht, Familienrecht sowie Jugendschutz. Die konkreten Folgen der Minderjährigkeit und deren rechtliche Behandlung richten sich nach den jeweiligen nationalen Gesetzen.
Historische Entwicklung
Die Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Volljährigen ist historisch gewachsen und basiert auf dem Schutzgedanken gegenüber Heranwachsenden, die nach allgemeinem Verständnis noch nicht über die volle Reife und Urteilskraft zur eigenständigen Rechtsausübung verfügen. Die Altersgrenzen zur Minderjährigkeit wurden über die Jahrhunderte an gesellschaftliche Veränderungen angepasst.
Altersgrenzen zur Minderjährigkeit
Volljährigkeit
In Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten setzt die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein (§ 2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Bis zu diesem Zeitpunkt gilt eine Person als minderjährig und unterliegt besonderen rechtlichen Regelungen.
Unterschiedliche Altersgrenzen im internationalen Kontext
Die gesetzliche Definition der Minderjährigkeit weicht international ab. Während das Volljährigkeitsalter in den meisten Staaten bei 18 Jahren liegt, existieren auch Ausnahmen (z. B. Schwellenvolljährigkeit ab 21 Jahren oder Minderjährigkeit bis 16 Jahren) in einzelnen Rechtsordnungen. Für bestimmte Rechtsgeschäfte oder Handlungen, wie etwa das Heiraten oder Alkoholgenuss, gelten gesonderte Mindestalter.
Rechtliche Auswirkungen der Minderjährigkeit
Geschäftsfähigkeit
Der Minderjährigkeit kommt im Vertragsrecht eine zentrale Bedeutung zu. Sie teilt sich auf in:
Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB)
Kinder unter sieben Jahren sind grundsätzlich geschäftsunfähig. Von ihnen abgeschlossene Rechtsgeschäfte sind nichtig.
Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 BGB)
Minderjährige ab dem siebten Lebensjahr bis zur Volljährigkeit sind beschränkt geschäftsfähig. Sie können Verträge nur mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertretung (in der Regel die Eltern) rechtswirksam abschließen. Eine Ausnahme bildet der sogenannte „Taschengeldparagraph“ (§ 110 BGB), wonach Verträge mit eigenen Mitteln wirksam sein können.
Volle Geschäftsfähigkeit
Mit Eintritt der Volljährigkeit erlangt eine Person die volle Geschäftsfähigkeit.
Deliktsfähigkeit
Deliktsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, für einen verursachten Schaden zivilrechtlich einzustehen:
- Kinder unter sieben Jahren sind grundsätzlich deliktsunfähig (§ 828 Abs. 1 BGB).
- Zwischen sieben und 18 Jahren besteht eine eingeschränkte Deliktsfähigkeit; bei fehlender Einsicht in das rechtswidrige Verhalten ist weiterhin keine Haftung gegeben (§ 828 Abs. 3 BGB).
Vertretung durch gesetzliche Vertreter
Minderjährige benötigen in vielen Rechtsangelegenheiten die Mitwirkung oder Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter. Diese handeln im Regelfall im Rahmen der elterlichen Sorge und vertreten das Kind in Angelegenheiten des täglichen Lebens und bei gerichtlichen sowie außergerichtlichen Verfahren (§§ 1626 ff. BGB).
Minderjährigkeit im Strafrecht
Strafmündigkeit
Abhängig vom Alter gelten im Strafrecht unterschiedliche Regelungen:
- Unter 14 Jahren: Strafunmündigkeit (§ 19 Strafgesetzbuch [StGB])
- 14 bis 18 Jahre: Strafmündig im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes (JGG); jedoch Anwendung von Erziehungsmaßregeln und Jugendstrafrecht, das vor allem auf Erziehung und Prävention abzielt.
Jugendstrafrecht
Für Minderjährige zwischen 14 und 17 Jahren sowie Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren kann das Jugendstrafrecht Anwendung finden, soweit die Reifeverzögerung im Einzelfall festgestellt wird (§ 105 JGG). Die Sanktionen zielen vorrangig auf Erziehung und weniger auf Bestrafung.
Minderjährigkeit im Familienrecht
Ehefähigkeit
Eine Eheschließung ist in Deutschland ausschließlich ab dem vollendeten 18. Lebensjahr zulässig (§ 1303 BGB). Vor dem Hintergrund des Kinderschutzes wurden frühere Ausnahmeregelungen (z. B. Heirat ab 16 Jahren mit familiengerichtlicher Genehmigung) abgeschafft.
Sorge- und Umgangsrecht
Eltern tragen für minderjährige Kinder die Personensorge und Vermögenssorge. Das bedeutet, sie treffen sämtliche grundlegenden und alltäglichen Entscheidungen für ihre minderjährigen Kinder. Mit Eintritt der Volljährigkeit endet die elterliche Sorge automatisch.
Weitere Rechtsfolgen der Minderjährigkeit
Jugendschutz
Minderjährige unterliegen zahlreichen Regelungen des Kinder- und Jugendschutzes, insbesondere im Bereich des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG) sowie des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) zum Schutz vor gefährdenden Einflüssen.
Schulpflicht
In Deutschland und vielen anderen Staaten gilt eine bis zur Volljährigkeit andauernde Schulpflicht, die die Bildungschancen und den Schutz vor Ausbeutung Minderjähriger gewährleisten soll.
Minderjährigkeit und Staatsangehörigkeitsrecht
Auch im Staatsangehörigkeitsrecht finden sich spezielle Regelungen für Minderjährige, zum Beispiel beim Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt oder durch Einbürgerung mit den Eltern.
Beendigung der Minderjährigkeit und rechtliche Folgen
Mit Erreichen der Volljährigkeit (18. Geburtstag) erlangt die Person die volle Rechtsfähigkeit, ist unbeschränkt geschäfts- und deliktsfähig, kann uneingeschränkt Verträge schließen, vor Gericht klagen und verklagt werden und eigenständig Rechte und Pflichten begründen.
Literaturhinweis: Für nähere Informationen zur Minderjährigkeit und ihren rechtlichen Folgen empfiehlt sich die Lektüre des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere §§ 104 bis 113 sowie die einschlägigen Bestimmungen aus Strafgesetzbuch (StGB) und Jugendgerichtsgesetz (JGG).
Siehe auch: Volljährigkeit, Geschäftsfähigkeit, Deliktsfähigkeit, Jugendstrafrecht, Jugendschutz, elterliche Sorge
Häufig gestellte Fragen
Ab welchem Alter ist man in Deutschland rechtsfähig und was bedeutet das für Minderjährige?
In Deutschland beginnt die Rechtsfähigkeit eines Menschen mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB). Das bedeutet, dass auch Minderjährige von Geburt an Träger von Rechten und Pflichten sind. Allerdings sind ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten durch die fehlende oder eingeschränkte Geschäftsfähigkeit begrenzt. Minderjährige können in den meisten Fällen nicht selbständig und rechtswirksam Verträge oder andere rechtserhebliche Erklärungen abgeben; hierzu bedürfen sie regelmäßig der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter (z. B. der Eltern). Die volle Geschäftsfähigkeit, also die Fähigkeit, eigenständig und ohne Zustimmung rechtliche Geschäfte abzuschließen, tritt in Deutschland erst mit der Volljährigkeit, also mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Bis dahin existieren spezielle Schutzvorschriften, die verhindern sollen, dass Minderjährige sich durch rechtsgeschäftliche Handlungen unbedacht benachteiligen.
Welche Bedeutung hat die beschränkte Geschäftsfähigkeit bei Minderjährigen?
Minderjährige, die das siebte Lebensjahr vollendet haben, gelten nach deutschem Recht als beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB). Das bedeutet, dass sie nur unter bestimmten Bedingungen wirksame Rechtsgeschäfte abschließen können. Grundsätzlich benötigen sie hierfür die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter. Ohne diese Einwilligung sind Rechtsgeschäfte schwebend unwirksam, bis die Eltern oder Sorgeberechtigten nachträglich zustimmen oder das Geschäft genehmigen. Es gibt jedoch Ausnahmen: Nach dem sogenannten Taschengeldparagraphen (§ 110 BGB) sind Rechtsgeschäfte dann sofort wirksam, wenn der Minderjährige die geschuldete Leistung mit eigenen Mitteln bewirkt, die ihm zur freien Verfügung von den Eltern oder mit deren Zustimmung von Dritten überlassen wurden. Auch im Rahmen eines selbstverdienten Einkommens bestehen ähnliche Freiräume.
Wann und in welchem Umfang ist ein Minderjähriger strafmündig?
Im deutschen Strafrecht unterscheidet man hinsichtlich der Strafmündigkeit: Nach § 19 StGB ist ein Kind unter 14 Jahren grundsätzlich nicht strafmündig und damit für strafbares Verhalten nicht verantwortlich. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren können strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wobei Besonderheiten des Jugendstrafrechts (§§ 1, 3 JGG) zur Anwendung kommen. Zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr prüft das Gericht die individuelle Einsichtsfähigkeit und Reife des Minderjährigen. Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren können in Ausnahmefällen nach Jugendstrafrecht behandelt werden, wenn die Tat noch jugendtypisch war oder eine Reifeverzögerung vorliegt (§ 105 JGG).
Was regelt das Sorgerecht für Minderjährige und welche Rechte haben Eltern?
Das Sorgerecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und umfasst die elterliche Sorge für die Person und das Vermögen eines minderjährigen Kindes (§§ 1626 ff. BGB). Es beinhaltet insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitsfürsorge, die Erziehung sowie die Verwaltung des Vermögens der minderjährigen Kinder. Die Eltern haben grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht, außer das Familiengericht ordnet etwas anderes an. Sie sind verpflichtet und berechtigt, in allen Angelegenheiten das Wohl des minderjährigen Kindes zu sichern und zu fördern. Geschäfte, die einen Minderjährigen wirtschaftlich schwer belasten können (z. B. Darlehensaufnahme, Immobilienkäufe), sind für Minderjährige besonders reglementiert und benötigen oft sogar eine gerichtliche Genehmigung.
In welchen Bereichen dürfen Minderjährige eigenständig Entscheidungen treffen?
Trotz der gesetzlichen Einschränkungen gibt es Bereiche, in denen Minderjährige eigenständig Entscheidungen treffen dürfen. Dazu zählt beispielsweise das Recht auf Anhörung bei familiengerichtlichen Auseinandersetzungen (§ 159 FamFG), die Religionsmündigkeit ab dem 14. Lebensjahr (§ 5 RelKErzG) oder das Einverständnis zu bestimmten medizinischen Eingriffen, wenn die Einsichtsfähigkeit gegeben ist. Auch im Bereich Teilhabe und Meinungsäußerung zu allen sie betreffenden Angelegenheiten (UN-Kinderrechtskonvention) wird das Selbstbestimmungsrecht Minderjähriger zunehmend gestärkt. Dennoch steht den Eltern bei der Mehrheit der alltäglichen und insbesondere bei bedeutsamen Entscheidungen weiterhin die Letztentscheidung zu.
Welche besonderen Rechte und Schutzvorschriften gelten im Arbeitsrecht für Minderjährige?
Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) regelt die Beschäftigung Minderjähriger in Deutschland. Jugendliche ab 15 Jahren dürfen grundsätzlich arbeiten, sofern sie nicht mehr vollzeitschulpflichtig sind. Für diejenigen unter 15 Jahren bestehen strenge Beschäftigungsverbote, mit Ausnahme von leichten Tätigkeiten (z. B. Zeitungszustellung ab 13 Jahren mit Einwilligung der Eltern). Für minderjährige Arbeitnehmer gelten besondere Schutzvorschriften bezüglich Arbeitszeiten, Ruhepausen, Nachtarbeit, gefährlicher Tätigkeiten und Urlaubsanspruch. Ziel ist es, die Entwicklung, Gesundheit und die schulische Ausbildung der Minderjährigen zu schützen. Weiterhin bedürfen Arbeitsverhältnisse regelmäßig der Zustimmung der Eltern und in manchen Fällen sogar der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.
Welche besonderen Vorschriften gelten beim Abschluss von Ausbildungsverträgen durch Minderjährige?
Schließt ein Minderjähriger einen Ausbildungsvertrag ab, ist dieser rechtlich nur wirksam, wenn die Eltern (gesetzlichen Vertreter) zustimmen (§ 113 BGB, § 10 BBiG). Die Ausbildungsverträge enthalten zahlreiche Schutzvorschriften zugunsten des Minderjährigen, wie etwa eine umfassende Unterweisungspflicht des Ausbilders und spezielle Regelungen zur Arbeitszeit. Auch hier greifen die Vorgaben des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Minderjährige Auszubildende erhalten zudem besonderen Kündigungsschutz und haben Anspruch auf die gesetzlichen Mindesturlaubstage, die zum Teil über denen volljähriger Auszubildender liegen können. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Schutzvorschriften haben die Eltern das Recht, in das Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis einzugreifen oder dieses zu kündigen.