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Mieterstrom

Mieterstrom: Begriff und Grundprinzip

Mieterstrom bezeichnet die lokale Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern eines Gebäudes mit Strom, der unmittelbar am oder im Gebäude erzeugt wird, typischerweise durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der erzeugte Strom wird über das vorhandene Hausnetz an die einzelnen Wohnungen geliefert, ohne das öffentliche Stromnetz zu nutzen. Nicht verbrauchter Strom kann in das öffentliche Netz eingespeist werden. Mieterstrom ist rechtlich eine Form der Stromlieferung an Letztverbraucher im Gebäude und unterscheidet sich damit von der Eigenversorgung, bei der der Erzeuger den Strom ausschließlich für sich selbst nutzt.

Beteiligte und Rollen

Anlagenbetreiber, Lieferant, Vermieter, Dienstleister

Je nach Modell treten unterschiedliche Akteure auf: Der Anlagenbetreiber errichtet und betreibt die Erzeugungsanlage. Der Lieferant verkauft den Strom an die Mieter und übernimmt energiewirtschaftliche Pflichten wie Bilanzierung und Stromkennzeichnung. Der Gebäudeeigentümer stellt Flächen bereit und kann zugleich Anlagenbetreiber oder Vertragspartner sein. Häufig binden Projektierer oder Energiedienstleister technische und kaufmännische Aufgaben ein, etwa Messstellenbetrieb, Abrechnung oder Marktkommunikation.

Mieter als Letztverbraucher

Mieterinnen und Mieter sind Letztverbraucher im Sinne der Energiebelieferung. Sie schließen eigenständige Stromlieferverträge. Ihre freie Lieferantenwahl bleibt gewahrt; Mietverhältnis und Stromlieferung sind rechtlich getrennt.

Rechtliche Einordnung und Abgrenzungen

Abgrenzung zu Eigenversorgung und Direktlieferung

Bei Mieterstrom liegt eine Lieferung an Dritte vor. Das hat Auswirkungen auf Abgaben, Steuern, Messung und Verbraucherschutzrecht. Eigenversorgung ist demgegenüber der Verbrauch des selbst erzeugten Stroms durch den Betreiber oder eine rechtlich gleichgestellte Einheit. Die gewerbliche Direktlieferung über das öffentliche Netz fällt nicht unter Mieterstrom, da dort Netzinfrastruktur genutzt wird.

Nutzung des Hausnetzes und netzrechtliche Aspekte

Rechtlich ist wesentlich, dass die Belieferung innerhalb des Gebäudes hinter dem Netzanschlusspunkt erfolgt. Dadurch werden öffentliche Netze grundsätzlich nicht in Anspruch genommen. Für Überschussmengen bestehen Einspeise- und Abnahmebeziehungen zum Netzbetreiber. Technische Anschlussbedingungen und Sicherheitsanforderungen sind einzuhalten.

Freie Lieferantenwahl und Koppelungsverbot

Die Entscheidung für oder gegen Mieterstrom darf nicht an das Mietverhältnis gekoppelt werden. Eine Wohnung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass ein bestimmter Stromliefervertrag abgeschlossen wird. Mieter behalten jederzeit das Recht, einen anderen Stromlieferanten zu wählen.

Vertragsbeziehungen und Verbraucherschutz

Stromliefervertrag im Gebäude

Der Mieterstromvertrag ist ein eigenständiger Energieliefervertrag. Er regelt insbesondere Lieferumfang, Preisbestandteile, Vertragsdauer, Kündigungsrechte, Abrechnungsmodalitäten, Stromkennzeichnung und Umgang mit Störungen.

Vertragslaufzeit, Kündigung, Wechsel

Haushaltskundinnen und -kunden unterliegen besonderen Schutzvorgaben zu Laufzeiten, Kündigungsmöglichkeiten und Vertragsverlängerungen. Der Lieferantenwechsel muss diskriminierungsfrei möglich sein. Eine Bindung an das Mietverhältnis findet nicht statt.

Preisgestaltung, Preisanpassungen, Transparenz

Preisangaben müssen klar und nachvollziehbar sein. Preisanpassungsklauseln bedürfen transparenter Kriterien und rechtzeitiger Information. Maßgeblich ist, dass Zusammensetzung und Änderungen der Preisbestandteile verständlich ausgewiesen werden.

Information, Widerrufsrechte, Datenschutz

Je nach Abschlussart gelten Informations- und Widerrufsrechte. Personenbezogene Mess- und Vertragsdaten sind nach datenschutzrechtlichen Standards zu verarbeiten; Zweckbindung, Datensparsamkeit und angemessene Aufbewahrungsfristen sind zu beachten.

Messung, Abrechnung und Marktprozesse

Messkonzepte

Ein rechtssicheres Messkonzept trennt Erzeugung, Wohnungsverbrauch, gemeinschaftliche Bereiche und etwaige Gewerbeeinheiten. Üblich sind Erzeugungszähler, Wohnungszähler sowie ein Summenzähler am Netzanschlusspunkt zur Erfassung von Netzbezug und Einspeisung.

Rolle des Messstellenbetreibers und Smart Meter

Der Messstellenbetrieb ist eine eigene Marktrolle. Je nach Anlagengröße und Jahresverbrauch kommen moderne Messeinrichtungen oder intelligente Messsysteme zum Einsatz. Verantwortlichkeiten für Einbau, Betrieb, Fernkommunikation und Datensicherheit sind vertraglich festzulegen.

Bilanzierung und Reststrombezug

Da Erzeugung und Verbrauch zeitlich schwanken, wird Reststrom aus dem öffentlichen Netz bezogen. Der Lieferant ist für die energiewirtschaftliche Bilanzierung verantwortlich, damit gemessene Mengen korrekt den Bilanzkreisen zugeordnet werden.

Abrechnung von Überschuss-Einspeisung

Nicht genutzter Strom kann in das öffentliche Netz eingespeist werden. Dafür gelten die üblichen Markt- und Vergütungsmechanismen, abhängig vom jeweiligen Förder- oder Vermarktungsmodell.

Abgaben, Umlagen und Steuern

Netz- und Systementgelte innerhalb des Gebäudes

Bei Lieferung über das Hausnetz werden öffentliche Netze nicht verwendet. Das hat Auswirkungen auf Netzentgelte und bestimmte Umlagen. Gleichwohl fallen für Netzbezug und Einspeisung die entsprechenden öffentlichen Entgelte an, soweit das öffentliche Netz genutzt wird.

Abgaben und Steuern bei Drittbelieferung

Die Belieferung von Mieterinnen und Mietern ist eine Lieferung an Dritte. Dadurch können energierechtliche Abgaben sowie Verbrauchsteuern einschlägig sein. Zuständigkeiten für Anmeldung, Erklärung und Abführung liegen bei den jeweils verantwortlichen Marktrollen.

Stromkennzeichnung und Herkunftsnachweise

Lieferanten müssen Angaben zur Stromkennzeichnung machen. Bei Einsatz erneuerbarer Erzeugung spielen Herkunftsnachweise eine Rolle, um die Zusammensetzung des gelieferten Stroms darzustellen.

Förderung und öffentliche Unterstützung

Mieterstromzuschlag für Photovoltaik

Für Photovoltaikanlagen auf oder an Wohngebäuden kann unter bestimmten Voraussetzungen ein spezieller Zuschlag für lokal gelieferten Strom gewährt werden. Dieser Zuschlag adressiert die Besonderheiten der Belieferung innerhalb des Gebäudes.

Voraussetzungen und Einschränkungen

Förderungen knüpfen an Kriterien wie Standort am oder im Gebäude, räumliche Nähe der Belieferung, technische Auslegung, Messkonzept und Ausschluss der Nutzung des öffentlichen Netzes für die interne Lieferung an. Leistungsgrenzen, Neuheitsanforderungen und Kumulierungsregeln können vorgesehen sein.

Zusammenspiel mit sonstigen Förderprogrammen

Neben spezifischen Zuschlägen kommen allgemeine Programme zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz in Betracht. Das Zusammenspiel hängt von Förderbedingungen und beihilferechtlichen Vorgaben ab.

Miet- und immobilienrechtliche Aspekte

Installation auf Dach und Gebäudeteilen

Die Nutzung von Dach- und Fassadenflächen erfordert rechtliche Klarheit zu Eigentum, Nutzungsrechten und Haftung. In Mehrhaus- oder Wohnungseigentumskonstellationen sind Beschlüsse und Gestattungen zu berücksichtigen.

Zustimmungserfordernisse und Gemeinschaftseigentum

Bei gemeinschaftlichem Eigentum sind interne Zustimmungsregeln einzuhalten. Betroffen sein können Dachhaut, Leitungswege, Zählerräume und weitere technische Flächen.

Auswirkungen auf Nebenkosten und Mietverhältnisse

Mieterstrom ist vom Mietvertrag zu trennen. Umlagen im Rahmen von Betriebskosten betreffen nur zulässige, vertraglich vereinbarte Positionen. Die Teilnahme am Mieterstromangebot darf nicht zu Benachteiligungen im Mietverhältnis führen.

Haftung, Betrieb und Sicherheit

Betreiberverantwortung und Verkehrssicherung

Der Betreiber trägt Verantwortung für den sicheren Anlagenbetrieb, regelmäßige Prüfungen und die Einhaltung technischer Standards. Für Schäden aus Betrieb und Lieferung gelten die allgemeinen Haftungsgrundsätze.

Produktsicherheit und Anschlussbedingungen

Technische Komponenten müssen anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Vorgaben zu elektrischer Sicherheit, Brandschutz, Blitzschutz und Netzverträglichkeit sind zu beachten.

Störungen, Unterbrechung und Ersatzversorgung

Lieferverträge enthalten Regelungen zu Störungen und Unterbrechungen. Bei Ausfall des Lieferanten gelten die allgemeinen Mechanismen der Ersatz- oder Grundversorgung über das öffentliche Netz, sofern ein entsprechender Netzanschluss besteht.

Wettbewerb und Datenschutz

Lauterkeitsrechtliche Grenzen der Vermarktung

Werbung und Vertragsabschluss unterliegen den Regeln fairen Wettbewerbs. Irreführende Aussagen, verdeckte Preisbestandteile oder unzulässige Kopplungen sind zu vermeiden.

Verarbeitung von Messdaten

Messdaten sind personenbezogen, sofern sie einem Haushalt zuzuordnen sind. Erhebung, Speicherung, Übermittlung und Nutzung richten sich nach den datenschutzrechtlichen Grundprinzipien, einschließlich Rechtsgrundlage, Zweckbindung und Betroffenenrechten.

Entwicklung und Zukunftsperspektiven

Technische Trends und regulatorische Tendenzen

Fortschritte bei Photovoltaik, Speichern und digitaler Messinfrastruktur erleichtern die lokale Versorgung. Regulatorisch stehen Vereinfachungen, klare Messregeln und die Integration flexibler Tarife im Fokus.

Bedeutung für die Energiewende in Gebäuden

Mieterstrom erschließt Dachflächen in Städten, reduziert Netzausbaukosten im Gebäude und stärkt die Beteiligung von Mieterinnen und Mietern an erneuerbarer Energie. Er fügt sich in eine dezentrale und verbrauchsnahe Stromerzeugung ein.

Häufig gestellte Fragen

Was gilt als Mieterstrom im rechtlichen Sinn?

Mieterstrom liegt vor, wenn Strom am oder im Wohngebäude erzeugt und ohne Nutzung des öffentlichen Netzes an Letztverbraucherinnen und Letztverbraucher innerhalb dieses Gebäudes geliefert wird. Es handelt sich rechtlich um eine Lieferung an Dritte im Gebäude.

Müssen Mieter einen Mieterstromvertrag abschließen?

Nein. Die Teilnahme ist freiwillig. Die freie Wahl des Stromlieferanten bleibt unberührt, und das Mietverhältnis ist unabhängig vom Stromliefervertrag.

Ist die Kopplung von Mietvertrag und Mieterstrom zulässig?

Eine Kopplung, die den Abschluss eines Mietvertrags von einem bestimmten Stromliefervertrag abhängig macht, ist unzulässig. Miet- und Stromlieferverträge sind rechtlich getrennt zu behandeln.

Welche Informationspflichten bestehen gegenüber Mietern?

Vor Vertragsabschluss sind klare Informationen zu Preisen, Laufzeiten, Kündigungsrechten, Stromkennzeichnung, Abrechnung und Messung bereitzustellen. Änderungen, insbesondere Preisanpassungen, sind rechtzeitig und transparent mitzuteilen.

Wie werden Preise und Preisanpassungen rechtlich eingeordnet?

Preisbestandteile müssen nachvollziehbar sein. Preisanpassungsklauseln benötigen transparente Kriterien und eine angemessene Ankündigungsfrist. Maßgeblich ist, dass Haushaltskundinnen und -kunden die Auswirkungen verstehen können.

Welche Mess- und Abrechnungsanforderungen gelten?

Erzeugung, Wohnungsverbräuche, gemeinschaftliche Verbräuche und Netzbezug sind messtechnisch zu trennen. Ein Messstellenbetreiber verantwortet Einbau und Betrieb der Zähler. Abrechnungen beruhen auf den gemessenen und korrekt zugeordneten Mengen.

Welche Fördervoraussetzungen sind für Mieterstrom typisch?

Typisch sind Anforderungen an die Lage der Anlage am oder im Wohngebäude, die lokale Lieferung innerhalb des Gebäudes, ein geeignetes Messkonzept sowie leistungs- und förderrechtliche Grenzen. Die genaue Ausgestaltung richtet sich nach den jeweils geltenden Förderregeln.