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Mieterstrom


Begriff und Grundlagen des Mieterstroms

Mieterstrom ist ein Begriff des deutschen Energierechts und beschreibt Strom, der in unmittelbarer Nähe zum Ort des Verbrauchs, insbesondere auf dem Dach eines Wohngebäudes, mittels einer Photovoltaikanlage erzeugt und direkt an Letztverbraucher innerhalb dieses Gebäudes oder im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang geliefert wird. Wesentlich an der Mieterstromkonzeption ist die Versorgung mehrerer Stromnutzer (meistens Mieter) innerhalb eines Gebäudes oder Areals ohne Netzdurchleitung des erzeugten Stroms durch ein öffentliches Netz. Ziel ist die Förderung dezentraler Energieerzeugung und der unmittelbaren Beteiligung der Bewohner an der Energiewende.

Rechtliche Grundlagen des Mieterstroms in Deutschland

EEG und Mieterstromzuschlag

Die zentrale Rechtsgrundlage für Mieterstrommodelle findet sich im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), insbesondere § 21 Absatz 3 und die §§ 19 Abs. 1 Nr. 3, 21 Abs. 3, 21b und 21c EEG. Das 2017 eingeführte Mieterstromgesetz (BGBl. I S. 2532) regelt die Förderung und Abwicklung von Mieterstromprojekten.

Der Gesetzgeber definiert Mieterstrom als Strom, der „in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem Gebäude, in dem der Letztverbraucher den Strom verbraucht, aus solarer Strahlungsenergie erzeugt und nicht durch ein Netz der allgemeinen Versorgung geleitet wird“ (§ 21 Abs. 3 EEG). Betreiber entsprechender Anlagen haben Anspruch auf einen Mieterstromzuschlag, der zusätzlich zur Einspeisevergütung gewährt wird. Der Zuschlag ist davon abhängig, dass der Strom den Letztverbrauchern in Wohngebäuden oder überwiegend zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden geliefert wird.

Voraussetzungen für die Förderung

Zu den wesentlichen gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Mieterstromzuschlags nach § 21 Absatz 3 EEG zählen:

  • Die Anlage muss auf, an oder in Gebäuden installiert sein.
  • Die Leistung der Anlage darf 100 kWp nicht überschreiten.
  • Der Lieferant muss der Anlagenbetreiber sein und Letztverbraucher mit Strom beliefern, die im jeweiligen Gebäude oder im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zur Photovoltaikanlage ansässig sind.
  • Es darf keine Nutzung öffentlicher Netze (Durchleitung) erfolgen.
  • Eine Registrierung der Anlage beim Marktstammdatenregister ist verpflichtend.

Definition „unmittelbare räumliche Nähe“

Die genaue Bestimmung der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ hat der Verordnungsgeber in § 21 Absatz 3 Satz 2 EEG konkretisiert. Maßgeblich ist, dass die Stromleitung nicht über ein Netz der allgemeinen Versorgung (also kein Durchlaufen von öffentlicher Netzinfrastruktur) erfolgt. In der Regel erstreckt sich die Nähe auf das Gebäude und direkt angrenzende Gebäude oder Grundstücke.

Abgrenzung zum Eigenverbrauch und sonstigen Direktliefermodellen

Eigenverbrauch liegt vor, wenn der Anlagenbetreiber selbst der Letztverbraucher ist. Mieterströmmodelle sind hingegen dadurch gekennzeichnet, dass der Betreiber (in der Regel der Vermieter, eine Vermietergesellschaft oder Dienstleister) Strom an andere Personen (meist Mieter) innerhalb des Gebäudes oder Areals liefert.

Andere Modelle der Direktvermarktung, etwa Individualverträge mit Energieversorgern ohne lokal erzeugten Strom, erfüllen die Kriterien des Mieterstroms nicht und sind nicht zuschlagsberechtigt.

Vertragsgestaltung und rechtliche Beziehungen

Liefervertrag zwischen Stromanbieter und Mieter

Für den Verkauf von Mieterstrom wird ein gesonderter Liefervertrag zwischen dem Anlagenbetreiber (Mieterstromanbieter) und den Mietern (Letztverbrauchern) geschlossen. Der Vertrag unterliegt den Vorgaben des Energiewirtschaftsrechts, insbesondere dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV).

Verbraucherrechte und Wahlfreiheit

Der Gesetzgeber schreibt eine umfassende Transparenz- und Informationspflicht gegenüber den Stromabnehmern vor. Die Mieter dürfen nicht zur Abnahme des Mieterstroms verpflichtet werden (Wahlfreiheit gem. § 42a Abs. 1 Satz 2 EnWG). Die Mieter können alternativ auch Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen.

Preisgrenzen und Mieterstrompreis

Der Preis für Mieterstrom muss nach § 21 Absatz 3 Satz 4 EEG immer unter dem Grundversorgungstarif liegen, das heißt, er darf höchstens 90 Prozent des jeweiligen örtlichen Grundversorgungstarifs betragen (Mieterstrompreisdeckelung). Diese Regelung soll Mieter vor überhöhten Preisen schützen.

Netzanschluss, Abrechnung und energiewirtschaftliche Pflichten

Netzanschlussrecht und Messwesen

Mieterstromanlagen werden direkt mit dem hausinternen Stromnetz verbunden. Typischerweise erfolgt die Messung des Verbrauchs mittels moderner Messeinrichtungen oder intelligenter Messsysteme nach dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Regelungen zur Messung, Abrechnung und Mehrverbrauch gegenüber dem öffentlichen Netz ergeben sich aus dem EnWG und der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV).

Pflichten zur Abführung von Umlagen und Abgaben

Der Betreiber einer Mieterstromanlage ist verpflichtet, bestimmte Umlagen abzuführen, darunter die Konzessionsabgabe und die Umlagen nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie Übertragungsnetzbetreiber-Umlagen. Die EEG-Umlage wurde für Eigenverbrauchsanlagen weitgehend reduziert oder abgeschafft (seit 2022), hinsichtlich Mieterstrom wird ebenfalls Entlastung gewährt (vgl. § 61b EEG).

Steuerliche Behandlung von Mieterstrom

Die Einnahmen aus Mieterstromprojekten unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer, gegebenenfalls auch der Gewerbesteuer, wenn die Tätigkeit gewerblich ausgeübt wird. Außerdem können umsatzsteuerliche Pflichten entstehen, da die Lieferung von Strom in der Regel als umsatzsteuerpflichtige Leistung gilt und die Kleinunternehmerregelung beachtet werden muss (§ 19 UStG).

Für Betreiber, insbesondere Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) oder Genossenschaften, bestehen steuerrechtliche Besonderheiten, insbesondere im Hinblick auf die Definition gewerblicher Tätigkeit, die mögliche Optionsausübung zur Umsatzsteuerpflicht und steuerliche Abgrenzung zur originären Vermietungstätigkeit.

Wohnungseigentumsrechtliche Besonderheiten bei Mieterstrom

Die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf einem Mietshaus oder in einer WEG bedarf häufig der Zustimmung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach den Vorgaben des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Dabei sind Fragen zu baulichen Veränderungen, Nutzung des Gemeinschaftseigentums sowie zur Kostentragung und zur Verteilung der Einnahmen zu klären.

Beteiligungsmodelle und Drittkonstruktionen

Zur Umsetzung von Mieterstrommodellen bietet sich die Gründung von Energiegenossenschaften, Contracting-Modellen oder Dienstleistungsverträgen an. Die konkrete Rechtsform und Vertragsgestaltung orientiert sich an den Vorgaben des EEG, EnWG und den einschlägigen Regelungen des Gesellschaftsrechts.

Energierechtliche Überwachung und Regulierung

Mieterstromanbieter unterliegen der Aufsicht durch die Bundesnetzagentur sowie ggf. der Landesregulierungsbehörden in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften des EEG und EnWG. Zudem gelten die allgemeinen Verbraucherschutzvorgaben hinsichtlich Transparenz, Vertragskündigungsfristen und Preisangaben.

Herausforderungen und Entwicklungsperspektiven

Mieterstrommodelle sind zentrale Elemente zur Förderung dezentraler Energieerzeugung in urbanen Räumen, stehen aber vor rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, wie z. B. dem administrativen Aufwand, spezifischen steuerlichen Fragestellungen und komplexen Eigentumsverhältnissen. Gesetzliche Initiativen und Novellierungen, etwa im Rahmen des Klimaschutzgesetzes und des EEG, sollen die Rahmenbedingungen künftig weiter vereinfachen und die Nutzung attraktiver gestalten.


Quellenhinweis: Die rechtlichen Informationen entsprechen dem Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Mieterstrom bis einschließlich Juni 2024. Eine Aktualisierung bei künftigen Änderungen wird empfohlen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Umsetzung von Mieterstromprojekten erfüllt sein?

Für die Umsetzung von Mieterstromprojekten ist insbesondere die Einhaltung der Vorgaben des Mieterstromgesetzes (§§ 21, 21a ff. EEG 2023) notwendig. Rechtlich maßgeblich ist, dass der Strom lokal, also auf oder in unmittelbarer Nähe (i.S.d. Grundstücksgleichheit und Netzanschluss) eines Wohngebäudes durch eine Solaranlage erzeugt wird und diese direkt an Letztverbraucher im Gebäude (Mieter) geliefert wird. Vermieter oder ein von ihnen beauftragter Dritter (Mieterstromanbieter) muss dabei die Stromversorgung organisieren und nimmt regelmäßig die Stellung als Stromlieferant nach EnWG ein, womit umfangreiche energierechtliche Pflichten (z.B. Messwesen, Marktkommunikation, Bilanzkreismanagement) verbunden sind. Zudem ist eine Anmeldung beim Netzbetreiber sowie die korrekte Meldung an die Bundesnetzagentur erforderlich, um die gesetzlich verankerte Mieterstromförderung zu erhalten. Weiterhin gelten Besonderheiten im Messstellenbetrieb (§ 5 MsBG) sowie die Beachtung datenschutzrechtlicher Vorschriften (DSGVO). Schließlich müssen auch mietrechtliche Regelungen wie die Anpassung von Mietverträgen und mögliche Zustimmungserfordernisse der Mieter beachtet werden.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Preisgestaltung von Mieterstrom?

Die Preisgestaltung von Mieterstrom unterliegt den Einschränkungen des § 42a EnWG sowie den Bestimmungen des § 21 Abs. 3 Nr. 2 EEG. Danach darf der Preis für Mieterstrom höchstens 90 % des örtlichen Grundversorgungstarifs für Haushaltskunden im Jahresmittel betragen. Eine Überschreitung dieses Preisdeckels wäre wettbewerbswidrig und hätte nach § 49 EnWG ordnungsrechtliche Konsequenzen. Zudem ist der Mieterstromlieferant verpflichtet, die Preisstruktur transparent zu gestalten und muss den Mietern alle relevanten Vertragsinformationen rechtzeitig und in verständlicher Form übermitteln. Die gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten gemäß §§ 312d ff. BGB und Art. 246a EGBGB sind ebenso zu erfüllen, insbesondere bei Verträgen außerhalb von Geschäftsräumen (z.B. Haustürgeschäften oder Online-Abschluss).

Wie ist die Förderung und Abrechnung des Mieterstromzuschlags gesetzlich geregelt?

Die Förderung ergibt sich aus § 21 Absatz 3 und 4 sowie § 21b EEG. Hiernach erhält der Anlagenbetreiber für direkt an Letztverbraucher gelieferten Strom einen Mieterstromzuschlag, der je nach Anlagengröße degressiv gestaffelt ist und jährlich sinkt (Degression gemäß § 49 EEG). Der Anspruch auf Mieterstromzuschlag setzt voraus, dass die Strommengen exakt bilanziert und gemeldet sowie sämtliche energiewirtschaftlichen und steuerlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Abrechnung gegenüber dem Netzbetreiber erfolgt monatlich oder jährlich anhand gemessener und dokumentierter Daten. Voraussetzung ist eine entsprechende Registrierung der Solaranlage im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur und die Einhaltung der Fristen aus § 71 EEG. Zudem muss eine sachgerechte und manipulationssichere Messung sowie eine vollständige Trennung von Eigenverbrauch, Mieterstrom und Netzeinspeisung erfolgen (z. B. durch geeichte Zweirichtungszähler).

Welche Pflichten haben Vermieter und Mieterstromanbieter im Rahmen der Stromlieferung?

Vermieter oder alternative Mieterstromanbieter übernehmen gemäß §§ 40, 41 und 42a EnWG die Rolle eines Energieversorgungsunternehmens und sind damit verpflichtet, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten sowie sämtliche energierechtlichen Anforderungen, wie die Grund- und Ersatzversorgungspflicht, einzuhalten. Dazu gehören insbesondere die Vertragstransparenz, Verbrauchsinformationen, die Einhaltung der Wechselprozesse im Messwesen und die Gewährleistung des jederzeitigen Lieferantenwechsels. Zudem müssen sie den Mietern die freie Wahl des Energielieferanten ermöglichen und sind zur transparenten Information hinsichtlich Laufzeiten, Preisen, Sonderkündigungsrechten und weiteren vertraglichen Modalitäten verpflichtet. Im Datenschutzrecht gilt es insbesondere die Regeln der DSGVO zum Schutz personenbezogener Daten (Verbrauchsdaten und Abrechnungsdaten) zu beachten.

Was ist bei der Integration und Nutzung von Mieterstrom in bestehenden Mietverhältnissen rechtlich zu berücksichtigen?

Eine verpflichtende Teilnahme am Mieterstrommodell können Vermieter den Mietern grundsätzlich nicht auferlegen, da das Modell auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit basiert. Jede Mietvertragspartei entscheidet individuell, ob ein Mieterstromvertrag abgeschlossen wird. Änderungen bestehender Mietverträge zur Aufnahme mieterstrombezogener Regelungen bedürfen entweder einer einvernehmlichen Nachtragsvereinbarung oder müssen bei Neuvermietung transparent und eindeutig im Mietvertrag formuliert werden. Außerdem sind mietrechtliche Begrenzungen nach der Heizkostenverordnung sowie nach §§ 556, 556a BGB zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Umlagefähigkeit von Kosten auf die Betriebskosten. Auch muss der Datenschutz gewahrt und der Zugang zu alternativen Stromlieferanten (Stromlieferantenwahlrecht) mustergültig sichergestellt werden.

Wie erfolgt die rechtssichere Messung und Verteilung des erzeugten Stroms im Mieterstrommodell?

Die Messung und Verteilung obliegt einem nach dem Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) konzessionierten Messstellenbetreiber. Er muss gewährleisten, dass zwischen erzeugtem Mieterstrom, Eigenverbrauch des Anlagenbetreibers und dem ins öffentliche Netz eingespeistem Strom exakt unterschieden werden kann (summarische Messung versus Einzelmessung, § 5 MsbG). Die eingesetzten Messsysteme müssen den Anforderungen an die eichrechtliche Zulassung entsprechen und regelmäßig kalibriert werden. Zudem ist die transparente und missbrauchssichere Dokumentation aller relevanten Stromflüsse notwendig, wobei auch der Datenschutz gemäß DSGVO eingehalten werden muss, insbesondere was die Datenverarbeitung und -speicherung betrifft. Gegebenenfalls ist die Einbindung von Smart Meter Gateways mit Fernkommunikation erforderlich.

Welche haftungsrechtlichen Aspekte müssen beim Mieterstrommodell berücksichtigt werden?

Vermieter und Mieterstromanbieter haften für die ordnungsgemäße Belieferung der Mieter mit Strom nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere nach Vertragsrecht (vgl. § 280 BGB) und Deliktsrecht (§ 823 BGB). Im Fall von Versorgungsunterbrechungen, fehlerhafter Abrechnung oder Datenschutzverstößen können Schadensersatzansprüche seitens der Mieter geltend gemacht werden. Gegenüber dem Netzbetreiber und den Behörden besteht eine Verantwortlichkeit für die Einhaltung der gesetzlichen Melde- und Fördervoraussetzungen nach EEG und EnWG. Werden Förderrichtlinien nicht eingehalten, droht der Entzug von Fördermitteln sowie ordnungsrechtliche Maßnahmen. Zudem besteht eine Haftung für fehlerhafte Messungen und etwaige Beanstandungen der Bundesnetzagentur.