Meldepflichtige Krankheiten: Definition und rechtlicher Rahmen
Meldepflichtige Krankheiten sind Infektionskrankheiten und bestimmte Gesundheitszustände, deren Auftreten nach gesetzlicher Regelung innerhalb festgelegter Fristen und auf festgelegten Wegen an die zuständigen staatlichen Stellen zu melden ist. Ziel ist der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Eindämmung und Prävention von Infektionsausbrüchen sowie die kontinuierliche Überwachung des Infektionsgeschehens. Die Meldepflicht steht im Zentrum der Seuchenbekämpfung und stellt ein wesentliches Element der öffentlichen Gefahrenabwehr dar.
Gesetzliche Grundlagen der Meldepflicht
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Das zentrale Regelungswerk zur Meldepflicht von Krankheiten in Deutschland ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das bundesweit einheitliche Standards setzt. Es trat am 1. Januar 2001 in Kraft und löste das frühere Bundesseuchengesetz ab.
§ 6 IfSG – Meldepflichtige Krankheiten
Nach § 6 IfSG unterliegen bestimmte Krankheiten der unmittelbaren Meldepflicht. Hierzu zählen beispielsweise:
- Cholera,
- Diphtherie,
- akute Virushepatitis,
- Masern,
- Poliomyelitis,
- Tollwut,
- Tuberkulose,
- und weitere im Gesetz namentlich genannte Erkrankungen.
§ 7 IfSG – Meldepflichtige Krankheitserreger
Ergänzend zu den Krankheiten regelt § 7 IfSG die Meldepflicht für den Nachweis bestimmter Krankheitserreger. Hierbei können sowohl Labore als auch behandelnde Ärztinnen und Ärzte zur Meldung verpflichtet sein.
Landesrecht und weitere Vorschriften
Neben dem IfSG existieren ergänzende landesrechtliche Vorschriften. Die Bundesländer können zusätzliche Meldepflichten anordnen, etwa für Krankheiten oder Erreger mit regionaler Bedeutung. Darüber hinaus gelten besondere Meldepflichten für Tierkrankheiten (Tiergesundheitsgesetz), aber auch in anderen Regelwerken, wie beispielsweise dem Trinkwasserverordnung, finden sich einschlägige Bestimmungen.
Arten der Meldepflicht
Namentliche und nicht-namentliche Meldepflicht
Das IfSG unterscheidet zwischen namentlicher und nicht-namentlicher Meldepflicht. Bei der namentlichen Meldepflicht werden personenbezogene Daten des Erkrankten gemeldet, um einzelne Infektionsfälle gezielt nachzuverfolgen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Infektionsschutz einzuleiten. Bei der nicht-namentlichen Meldepflicht erfolgt die Übermittlung von Daten ohne direkte Bezugsperson, um das Infektionsgeschehen anonym erheben zu können.
Meldepflicht für Ärzte, Krankenhäuser und Labore
Ärzte und behandelnde Einrichtungen
Nach § 8 IfSG sind insbesondere niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Leiter von Krankenhäusern sowie von sonstigen medizinischen Einrichtungen zur Meldung bestimmter Krankheiten verpflichtet, wenn der begründete Verdacht, die Erkrankung oder der Tod infolge einer meldepflichtigen Krankheit vorliegt.
Meldepflicht von Laboren
Für Labore besteht eine eigene Meldepflicht nach § 7 IfSG bei Nachweis eines meldepflichtigen Erregers. Die Meldung muss ebenfalls unverzüglich an das zuständige Gesundheitsamt erfolgen.
Meldewege und Meldefristen
Die Meldung hat unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden nach Bekanntwerden, an das regionale Gesundheitsamt zu erfolgen. Die Übermittlung kann dabei elektronisch oder schriftlich erfolgen. Von dort werden die Daten anonymisiert weiter an die Landesbehörden sowie das Robert Koch-Institut übermittelt.
Umfang der Meldepflichten und Schutz der Betroffenen
Erfasste Angaben und Datenschutz
Im Rahmen der Meldungen werden verschiedene Informationen erhoben, darunter Name, Anschrift, Geburtsdatum und Geschlecht des Betroffenen sowie Angaben zur Erkrankung beziehungsweise zum Erreger. Der Datenschutz spielt eine zentrale Rolle; personenbezogene Daten dürfen nur für Zwecke der Infektionsschutzüberwachung verwendet werden und unterliegen strengen gesetzlichen Beschränkungen gemäß Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den besonderen Anforderungen des IfSG.
Ausnahme- und Erweiterungsregelungen
In bestimmten Fällen sieht das Infektionsschutzgesetz Ausnahmen oder Erweiterungen der Meldepflicht vor, beispielsweise im Rahmen seuchenhygienischer Krisenlagen, bei besonders schweren Krankheitsverläufen oder im Fall neu auftretender Infektionskrankheiten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann per Rechtsverordnung Meldepflichten ausweiten.
Sanktionen bei Verstößen gegen die Meldepflicht
Ordnungswidrigkeiten und Strafbestimmungen
Verstöße gegen die Meldepflichten nach dem IfSG gelten als Ordnungswidrigkeiten und können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden (§ 73 IfSG). Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Unterlassung und dadurch verursachter Ausbreitung einer meldepflichtigen Erkrankung können auch strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Amtshaftung und zivilrechtliche Folgen
Für Personen, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen und dadurch eine gesundheitliche Schädigung Dritter verursachen, können auch zivilrechtliche Haftungsansprüche, etwa auf Schadensersatz, bestehen. Diese hängen von den Einzelfallumständen und der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ab.
Internationale Aspekte meldepflichtiger Krankheiten
Internationale Gesundheitsvorschriften (IGV)
Neben nationalen Regelungen sind internationale Verpflichtungen maßgeblich: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt mit den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) verbindliche Vorgaben zur Meldung bestimmter Krankheiten, wie beispielsweise Pocken, Poliomyelitis sowie neu auftretenden Infektionserregern mit Pandemiepotenzial.
Zusammenarbeit und Datenaustausch
Deutschland ist verpflichtet, bestimmte Krankheitsausbrüche unmittelbar an die WHO zu melden, um internationale Ausbreitung zu verhindern und eine koordinierte Reaktion zu gewährleisten. Die nationale Koordinationsstelle hierfür ist das Robert Koch-Institut.
Zusammenfassung
Meldepflichtige Krankheiten stehen im Mittelpunkt der gesetzlichen Seuchenbekämpfung und Infektionsschutzüberwachung. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt verbindlich, welche Erkrankungen und Krankheitserreger in Deutschland meldepflichtig sind, wer meldepflichtig ist, welche Daten zu melden sind und wie die Informationen geschützt und verarbeitet werden. Die Meldepflicht liegt damit im Spannungsfeld zwischen individuellem Datenschutz und Gemeinschaftsschutz vor Infektionsgefahren. Daneben existieren zahlreiche weitere Rechtsquellen und internationale Pflichtenkataloge, die insbesondere bei grenzüberschreitender Bedrohungslage zur Anwendung kommen. Verstößen gegen die Meldepflicht begegnet die Rechtsordnung mit erheblichen Sanktionen, um die Wirksamkeit der Infektionsschutzmaßnahmen sicherzustellen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) zur Meldung meldepflichtiger Krankheiten verpflichtet?
Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind grundsätzlich Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, den Verdacht auf bestimmte meldepflichtige Infektionskrankheiten sowie den Nachweis bestimmter Krankheitserreger unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Gleiches gilt für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen (zum Beispiel Kitas, Schulen oder Heime), wenn in ihrer Einrichtung ein entsprechender Krankheits- oder Verdachtsfall auftritt. Darüber hinaus sind auch Laborleiterinnen und Laborleiter verpflichtet, bestimmte Diagnoseergebnisse, die auf das Vorliegen einer meldepflichtigen Krankheit oder eines meldepflichtigen Erregers hindeuten, zu melden. Diese Meldepflicht wird im IfSG detailliert geregelt (§ 6 ff. IfSG) und ist nicht delegierbar, das heißt, die benannten Personen müssen die Meldung selbst erstatten. Verstöße gegen diese Meldepflichten können als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet werden.
Welche Fristen gelten für die Meldung meldepflichtiger Krankheiten?
Für die Meldung meldepflichtiger Krankheiten schreibt das Infektionsschutzgesetz vor, dass sie „unverzüglich“, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen muss. In der Praxis bedeutet dies, dass die Meldung in der Regel spätestens innerhalb von 24 Stunden nach dem Bekanntwerden des Verdachts oder des Nachweises der Krankheit beim zuständigen Gesundheitsamt eingehen muss. Besonders bei hochinfektiösen oder schwerwiegenden Erkrankungen kann eine schnellere Mitteilung, bevorzugt per Telefon oder Fax, notwendig sein, um unverzügliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ermöglichen. Die konkrete Frist kann je nach Krankheit und Situation variieren; allerdings gelten die grundsätzlichen Anforderungen des § 8 und § 9 IfSG für alle im Gesetz genannten Krankheiten und Erreger.
Welche Daten müssen im Rahmen der Meldung übermittelt werden?
Bei der Meldung meldepflichtiger Krankheiten sind spezifische Angaben zwingend erforderlich, um eine eindeutige Identifikation und Bewertung des Sachverhalts zu ermöglichen. Hierzu zählen laut § 9 IfSG unter anderem vollständiger Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift der betroffenen Person, Art und Zeitpunkt der Diagnose, relevante Symptome, mutmaßlicher Infektionsweg sowie Angaben zum Beruf, falls dieser im Zusammenhang mit dem Infektionsrisiko relevant ist (z.B. Gesundheitsberufe, Lebensmittelgewerbe). Auch der Übermittler der Meldung, meist der behandelnde Arzt oder das Labor, sowie das Datum der Meldung müssen angegeben werden. Die genaue Datenübermittlung ist streng durch die gesetzlichen Datenschutzvorgaben geregelt und darf ausschließlich zu Zwecken der öffentlichen Gesundheit erfolgen.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Meldepflicht?
Verstöße gegen die gesetzlich vorgeschriebene Meldepflicht nach dem IfSG können gravierende rechtliche Folgen nach sich ziehen. Sie stellen gemäß § 73 Abs. 1a IfSG eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden. In Fällen, in denen die Verletzung der Meldepflicht zu einer Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit führt und dadurch die Gesundheit anderer Menschen gefährdet wird, kann dies sogar strafrechtliche Konsequenzen (Freiheitsstrafe oder Geldstrafe nach § 74 IfSG) nach sich ziehen. Auch standesrechtliche Maßnahmen, etwa Disziplinarverfahren für Ärztinnen und Ärzte, sind bei solchen Verstößen möglich.
Wie ist der Datenschutz im Kontext der Meldepflicht geregelt?
Die Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen der Meldepflicht unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere der DSGVO und ergänzenden Regelungen im IfSG (§ 16, § 25, § 67). Personenbezogene Daten dürfen nur an die zuständigen öffentlichen Gesundheitsbehörden und ausschließlich zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Infektionskontrolle weitergegeben werden. Eine weitergehende Nutzung, etwa für Forschungszwecke, bedarf einer gesonderten rechtlichen Grundlage oder Einwilligung. Die Gesundheitsämter sind verpflichtet, die Daten nach fortlaufender Prüfung zu anonymisieren oder zu löschen, sobald sie für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben nicht mehr benötigt werden.
Welche Rechte haben betroffene Personen bezüglich ihrer gemeldeten Daten?
Betroffene Personen besitzen nach den Vorgaben des IfSG und der DSGVO das Recht auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten und gemeldeten Daten. Sie können, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, die Berichtigung unrichtiger Daten oder die Löschung ihrer Daten verlangen, spätestens aber mit Ablauf der gesetzlichen Speicherungsfrist. Das Recht auf Widerspruch gegen die Meldung selbst ist jedoch aufgrund des übergeordneten öffentlichen Interesses am Infektionsschutz eingeschränkt. Betroffene haben allerdings jederzeit das Recht, sich über die Verarbeitung ihrer Daten bei den zuständigen Datenschutzbehörden zu beschweren.
Gibt es Ausnahmen von der Meldepflicht für bestimmte Berufsgruppen oder Einrichtungen?
Das Infektionsschutzgesetz sieht nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von der Meldepflicht vor. So sind etwa bei bestimmten Berufsgeheimnisträgern (wie Psychotherapeuten oder Heilpraktikern) Ausnahmen möglich, wenn sie sich nicht als Ärzte qualifizieren, allerdings betrifft dies in der Praxis nur wenige Fälle. Für Angehörige bestimmter Einrichtungen besteht eine erhöhte Meldepflicht, etwa wenn sie in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten oder diese leiten. Grundsätzlich ist die Meldepflicht aber einheitlich und unabhängig vom Berufsstand auszuüben, sofern der gesetzliche Tatbestand eines meldepflichtigen Ereignisses erfüllt ist.