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Mehrwertsteuer

Begriff und System der Mehrwertsteuer

Die Mehrwertsteuer ist eine allgemeine Verbrauchsteuer, die den Konsum von Waren und Dienstleistungen belastet. Sie wird bei nahezu jeder wirtschaftlichen Stufe erhoben, jedoch nur auf den jeweiligen Mehrwert. Unternehmen führen die Steuer auf ihre Umsätze ab und dürfen im Gegenzug die ihnen in Rechnung gestellte Steuer für Eingangsleistungen abziehen. Dadurch bleibt die Belastung wirtschaftlich beim Endverbrauch, während die Unternehmen steuerlich neutral gestellt werden. International ist die Mehrwertsteuer überwiegend als Bestimmungslandsteuer ausgestaltet: Besteuert wird grundsätzlich dort, wo der Verbrauch stattfindet.

Steuerobjekt und steuerbare Vorgänge

Lieferungen und sonstige Leistungen

Gegenstand der Mehrwertsteuer sind in der Regel entgeltliche Lieferungen von Gegenständen sowie sonstige Leistungen (zum Beispiel Dienstleistungen, Nutzungsüberlassungen oder Werkleistungen), die von Unternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeit ausgeführt werden. Maßgeblich ist ein Leistungsaustausch: Es muss eine Gegenleistung vorliegen, die mit der Lieferung oder Leistung verknüpft ist.

Innergemeinschaftliche Vorgänge und Einfuhr

Neben inländischen Umsätzen unterliegen auch bestimmte grenzüberschreitende Vorgänge der Mehrwertsteuer. Dazu zählen innergemeinschaftliche Lieferungen und Erwerbe innerhalb der Europäischen Union sowie die Einfuhr von Gegenständen aus Drittländern. Bei der Einfuhr wird die Steuer regelmäßig durch die Zollverwaltung erhoben.

Unentgeltliche Wertabgaben und Eigenverbrauch

Bestimmte unentgeltliche Nutzungen oder Entnahmen von Gegenständen und Leistungen für nichtunternehmerische Zwecke können der Steuer unterliegen. Ziel ist es, eine Gleichbehandlung mit entgeltlichen Umsätzen zu erreichen, damit der private Verbrauch nicht steuerbegünstigt wird.

Steuerpflichtige Personen

Unternehmen und unternehmerische Tätigkeit

Steuerpflichtige sind grundsätzlich Personen oder Organisationen, die eine selbstständige und nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausüben. Dazu zählen auch Körperschaften und Personengesellschaften. Privatpersonen sind nicht steuerpflichtig, soweit sie Leistungen ausschließlich als Endverbrauchende beziehen oder erbringen.

Kleinunternehmerregelungen

Rechtsordnungen sehen für kleinere Unternehmen häufig Erleichterungen vor, die unter bestimmten Umsatzgrenzen greifen. Diese können beispielsweise zur Folge haben, dass keine Steuer ausgewiesen wird und kein Vorsteuerabzug möglich ist. Der Status hängt von formellen Voraussetzungen und Umsätzen ab.

Öffentliche Hand und gemeinnützige Einrichtungen

Einrichtungen der öffentlichen Hand sind nur insoweit steuerpflichtig, als sie Tätigkeiten ausüben, die nicht hoheitlicher Natur sind und im Wettbewerb zu Privaten stehen. Für Tätigkeiten im Gemeinwohlbereich sind teilweise Steuerbefreiungen vorgesehen; deren Reichweite variiert nach Art der Leistung und Rahmenbedingungen.

Bemessungsgrundlage und Steuersätze

Entgelt und zugehörige Kosten

Die Steuer bemisst sich grundsätzlich nach dem Entgelt, das der Leistungsempfangende zahlt oder zu zahlen hat, ohne die enthaltene Mehrwertsteuer. In die Bemessungsgrundlage fließen regelmäßig auch Nebenleistungen und mit der Leistung verbundene Kosten ein. Preisnachlässe, Skonti und Zuschüsse können die Bemessung beeinflussen, sofern sie unmittelbar preisbezogen sind.

Steuersätze und Steuerbefreiungen

Es bestehen ein allgemeiner Steuersatz sowie ermäßigte Steuersätze für bestimmte Lieferungen und Leistungen. Daneben gibt es Umsätze, die von der Steuer befreit sind. Steuerbefreiungen können unterschiedliche Rechtsfolgen für den Vorsteuerabzug auslösen.

Befreiungen mit und ohne Vorsteuerabzug

Bei Befreiungen ohne Vorsteuerabzug entsteht regelmäßig eine endgültige Vorsteuerbelastung beim leistenden Unternehmen. Bei Befreiungen mit Vorsteuerabzug (beispielsweise bei bestimmten grenzüberschreitenden Vorgängen) bleibt die Neutralität des Systems gewahrt.

Option zur Steuerpflicht

Für einzelne an sich steuerfreie Bereiche kann die Möglichkeit bestehen, zur Steuerpflicht zu optieren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Option führt in der Regel zur Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs.

Vorsteuerabzug

Voraussetzungen

Unternehmen können die in Eingangsrechnungen gesondert ausgewiesene Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen, soweit die bezogenen Leistungen für steuerpflichtige Umsätze verwendet werden. Der Abzug setzt ordnungsgemäße Rechnungen und eine unternehmerische Verwendung voraus.

Aufteilung und Berichtigung

Werden Leistungen teils für steuerpflichtige, teils für nichtsteuerpflichtige oder steuerfreie Umsätze verwendet, ist die Vorsteuer aufzuteilen. Bei langfristigen Wirtschaftsgütern kann eine mehrjährige Berichtigung der Vorsteuer erforderlich sein, wenn sich die Verwendung maßgeblich ändert. Entgeltminderungen oder -erhöhungen führen zu entsprechenden Korrekturen.

Ort der Leistung und Steuerentstehung

Ort der Lieferung von Gegenständen

Der Ort der Lieferung richtet sich im Regelfall nach dem Ort, an dem sich der Gegenstand bei der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Bei Beförderungs- oder Versendungslieferungen gelten besondere Zuordnungen entlang des Transportwegs, einschließlich spezieller Regelungen für Fernverkäufe an Privatpersonen.

Ort sonstiger Leistungen

Bei Dienstleistungen kommt es häufig auf den Status des Leistungsempfangenden an. Für Leistungen an Unternehmen ist der Ort in der Regel dort, wo der Leistungsempfangende ansässig ist. Für Leistungen an Privatpersonen knüpft der Ort häufig an den Unternehmerstandort an; zahlreiche Sonderregeln (etwa für Grundstücksleistungen, Personenbeförderung, Veranstaltungen, Restaurationsleistungen oder digitale Leistungen) modifizieren dies.

Zeitpunkt der Steuerentstehung

Die Steuer entsteht in der Regel mit Ausführung der Leistung. Bei Anzahlungen kann sie anteilig bereits mit Vereinnahmung der Zahlung entstehen. Besondere Abrechnungsmodalitäten und Abrechnungszeiträume können den Entstehungszeitpunkt verschieben.

Rechnungsstellung und Aufzeichnung

Pflichtangaben und elektronische Rechnungen

Für den Vorsteuerabzug und den Nachweis der Steuer sind ordnungsgemäße Rechnungen wesentlich. Typische Pflichtangaben sind unter anderem:

  • Name und Anschrift von leistendem Unternehmen und Leistungsempfangenden
  • Steuer- oder Identifikationsnummer des leistenden Unternehmens
  • Rechnungsdatum und fortlaufende Rechnungsnummer
  • Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder Art und Umfang der Leistung
  • Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung
  • Nettobetrag, angewendeter Steuersatz und Steuerbetrag
  • Hinweise auf Steuerbefreiung oder Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfangenden, sofern einschlägig

Elektronische Rechnungen sind zulässig, wenn die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit gewährleistet sind. Für Kleinbetragsrechnungen gelten vereinfachte Anforderungen.

Aufbewahrung und Kassensysteme

Rechnungen und steuerrelevante Aufzeichnungen sind geordnet aufzubewahren, auch in elektronischer Form. Kassensysteme müssen die gesetzlichen Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit erfüllen. Bei Bargeschäften bestehen zusätzliche Dokumentationspflichten.

Grenzüberschreitender Handel und besondere Regelungen

Intra-EU-Handel, Fernverkauf und Meldungen

Lieferungen in andere EU-Staaten und innergemeinschaftliche Erwerbe folgen besonderen Regeln zur Steuerbefreiung beziehungsweise Besteuerung. Für Fernverkäufe an Privatpersonen bestehen länderübergreifende Vereinfachungen mit zentralen Meldesystemen. Ergänzend sind Meldepflichten für innergemeinschaftliche Umsätze vorgesehen.

Reverse-Charge-Verfahren

Bei bestimmten grenzüberschreitenden und auch bei ausgewählten inländischen Sachverhalten geht die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfangenden über. Dieses Verfahren verlagert die Deklaration der Steuer und wirkt Missbrauchsrisiken entgegen. Rechnungen müssen den Übergang der Steuerschuld deutlich ausweisen.

Importe, Exporte und Zoll

Ausfuhren in Drittländer sind häufig von der Steuer befreit; die Befreiung setzt regelmäßig Ausfuhrnachweise voraus. Bei der Einfuhr wird die Mehrwertsteuer durch die Zollbehörden erhoben und kann bei unternehmerischer Verwendung im Wege des Vorsteuerabzugs berücksichtigt werden. Grundlage ist regelmäßig der Zollwert zuzüglich bestimmter Nebenkosten.

Digitale Leistungen und Plattformen

Für elektronisch erbrachte Dienstleistungen, Telekommunikations- und Rundfunkleistungen bestehen besondere Orts- und Registrierungsregeln, die den Verbrauchsstaat einbeziehen. Marktplätze und Plattformen können in bestimmten Konstellationen so behandelt werden, als ob sie die Lieferung selbst bewirken, wodurch sich Verantwortlichkeiten für die Steuererhebung verlagern.

Preisangaben und Vertragsgestaltung

Preisangaben gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern

Gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern sind Endpreise regelmäßig einschließlich Mehrwertsteuer auszuweisen, damit die Gesamtbelastung transparent erkennbar ist. Zusätzlich können Pflichtangaben zu Liefer- oder Zusatzkosten erforderlich sein.

Mehrwertsteuerklauseln in Verträgen

Verträge enthalten häufig Regelungen dazu, ob Beträge als Nettopreise zuzüglich Mehrwertsteuer oder als Bruttopreise vereinbart sind, sowie Bestimmungen zur Steuerschuldnerschaft, zum Rechnungsformat und zu Nachweisen für Befreiungen.

Verfahren, Kontrolle und Rechtsfolgen

Registrierung und Identifikationsnummern

Unternehmen, die steuerbare Umsätze ausführen, benötigen in der Regel eine Registrierung und eine Identifikationsnummer, insbesondere für den innergemeinschaftlichen Handel. Mehrere Betriebsstätten oder Tätigkeiten in verschiedenen Staaten können zusätzliche Registrierungen auslösen.

Erklärungen, Vorauszahlungen und Fälligkeit

Die Mehrwertsteuer wird periodisch erklärt und abgeführt. Je nach Umsatzvolumen können unterschiedliche Abgabezeiträume und Vorauszahlungsmodalitäten gelten. Korrekturen sind im Wege von Berichtigungen vorzunehmen.

Prüfungen, Zinsen und Sanktionen

Die Einhaltung der Vorschriften wird durch Steuerprüfungen kontrolliert. Bei verspäteter Zahlung können Zinsen und Säumniszuschläge anfallen. Falsche oder unvollständige Angaben können zu Bußgeldern oder weitergehenden Sanktionen führen.

Rechtsbehelfe und Fristen

Gegen steuerliche Festsetzungen stehen förmliche Rechtsbehelfe offen. Es bestehen Fristen für die Festsetzung und für die Durchsetzung der Steuer. Die Fristen können sich bei bestimmten Fallgestaltungen verlängern oder verkürzen.

Abgrenzungen und internationale Aspekte

Mehrwertsteuer, Umsatzsteuer und Sales Tax

Im deutschen Sprachgebrauch werden Mehrwertsteuer und Umsatzsteuer synonym verwendet. International gibt es neben der Mehrwertsteuer auch das System der Sales Tax, das regelmäßig nur auf der Endverkaufsstufe erhoben wird. Die Mehrwertsteuer erfasst jede Wertschöpfungsstufe, die Belastung bleibt aber durch den Vorsteuerabzug auf den Endverbrauch beschränkt.

Prinzip des Bestimmungslandes und Doppelbesteuerung

Die Mehrwertsteuer folgt grundsätzlich dem Bestimmungslandprinzip: Besteuert wird dort, wo die Leistung verbraucht wird. Durch Koordinationsregeln und Abkommensmechanismen sollen Mehrfachbelastungen vermieden und Nichtbesteuerung verhindert werden. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind die Orts- und Zuständigkeitsregeln maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen zur Mehrwertsteuer

Wer schuldet die Mehrwertsteuer rechtlich und wer trägt sie wirtschaftlich?

Rechtlich schuldnerisch ist grundsätzlich das leistende Unternehmen, es sei denn, die Steuerschuld geht auf den Leistungsempfangenden über. Wirtschaftlich trägt die Steuer in der Regel die Endverbraucherseite, da Unternehmen die ihnen berechnete Steuer als Vorsteuer abziehen können.

Was gilt als entgeltlicher Umsatz im Sinne der Mehrwertsteuer?

Ein entgeltlicher Umsatz liegt vor, wenn eine Lieferung oder sonstige Leistung gegen eine Gegenleistung erbracht wird und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt besteht. Auch Tauschgeschäfte und Sachzuwendungen, die als Gegenleistung dienen, können entgeltliche Umsätze darstellen.

Wann ist ein Umsatz mehrwertsteuerfrei und welche Folgen hat das?

Bestimmte Umsätze sind kraft Gesetzes von der Steuer befreit. Dies betrifft unter anderem einzelne Gesundheits-, Bildungs-, Finanz- oder Grundstücksumsätze sowie grenzüberschreitende Ausfuhren. Je nach Art der Befreiung ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen oder zulässig, was die steuerliche Neutralität beeinflusst.

Was bedeutet Reverse-Charge und wann kommt es zur Anwendung?

Beim Reverse-Charge-Verfahren verlagert sich die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfangenden. Dies betrifft insbesondere bestimmte grenzüberschreitende Dienstleistungen und ausgewählte inländische Konstellationen. Ziel ist eine vereinfachte Erhebung und die Eindämmung von Ausfallrisiken.

Wie bestimmt sich der Ort der Leistung und warum ist er wichtig?

Der Ort der Leistung legt fest, in welchem Staat ein Umsatz der Mehrwertsteuer unterliegt. Für Warenlieferungen knüpft er regelmäßig an den Standort der Ware oder den Transport an, für Dienstleistungen häufig an den Sitz des Leistungsempfangenden bei Leistungen an Unternehmen. Sonderregeln gelten für bestimmte Branchen und Leistungsarten.

Welche Anforderungen gelten an Rechnungen für Zwecke der Mehrwertsteuer?

Rechnungen müssen bestimmte Pflichtangaben enthalten, darunter Informationen zu den Beteiligten, eine eindeutige Rechnungsnummer, Leistungsbeschreibung, Zeitpunkt der Leistung sowie Nettobetrag, Steuersatz und Steuerbetrag. Bei besonderen Verfahren ist ein entsprechender Hinweis aufzunehmen. Elektronische Rechnungen sind zulässig, wenn Authentizität, Integrität und Lesbarkeit gewährleistet sind.

Worin liegt der Unterschied zwischen Mehrwertsteuer und Umsatzsteuer?

In vielen Rechtsordnungen, darunter im deutschsprachigen Raum, werden beide Begriffe synonym verwendet. Gemeint ist die gleiche Steuerart als allgemeine Verbrauchsteuer mit Vorsteuerabzugssystem. Der Begriff Sales Tax beschreibt im Gegensatz dazu ein anderes System, das regelmäßig nur die letzte Handelsstufe erfasst.