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Mehrstufiger Verwaltungsakt


Begriff und Grundprinzip des Mehrstufigen Verwaltungsakts

Ein mehrstufiger Verwaltungsakt ist ein Begriff aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht. Er beschreibt eine besondere Form der hoheitlichen Maßnahme durch die Verwaltung, bei der die Entscheidung nicht in einem einzelnen, abgeschlossenen Schritt getroffen wird, sondern mehrere aufeinanderfolgende Verwaltungsakte erforderlich sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Hierbei bauen die einzelnen Akte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht aufeinander auf und bilden eine Entscheidungskette, die erst mit der letzten Stufe abgeschlossen ist.

Mehrstufige Verwaltungsakte sind in verschiedenen Rechtsgebieten von Relevanz, insbesondere im Bauordnungsrecht, Immissionsschutzrecht oder Ausländerrecht. Ihre rechtliche Betrachtung unterscheidet sich maßgeblich vom einfachen (einstufigen) Verwaltungsakt, sowohl in Bezug auf den Verwaltungsaufbau als auch hinsichtlich der Rechtsmittel.


Struktur und Arten von Mehrstufigen Verwaltungsakten

Grundlagen und Abgrenzung zum Einfache Verwaltungsakt

Der einfache Verwaltungsakt ist eine behördliche Einzelentscheidung mit Regelungswirkung nach § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) beziehungsweise den entsprechenden Landesverwaltungsverfahrensgesetzen. Demgegenüber charakterisiert sich der mehrstufige Verwaltungsakt dadurch, dass für die Verwirklichung des angestrebten Verwaltungsziels mehrere eigenständige Verwaltungsakte benötig werden.

Stufenstruktur

Die Stufen eines mehrstufigen Verwaltungsakts lassen sich wie folgt unterscheiden:

  • Vorstufe: Erlass eines vorläufigen, aber rechtsverbindlichen Verwaltungsakts (z. B. Zustimmung, Genehmigung oder Vorbescheid)
  • Hauptstufe: Erteilung des endgültigen Hauptverwaltungsakts (z. B. Baugenehmigung, Erlaubnis)
  • Nachfolgende Stufen (gegebenenfalls): Weitere Akte, die in Abhängigkeit oder als Folge der Hauptstufe ergehen

Diese Stufen unterscheiden sich durch ihren Regelungsinhalt und ihre Rechtswirkung. Der Adressat kann dabei jeweils unterschiedliche Rechte und Pflichten erlangen.

Arten des mehrstufigen Verwaltungsakts

Es gibt verschiedene Ausprägungen je nach dem Zusammenwirken mehrerer Behörden oder der Beteiligung Dritter:

  • Behördenintern mehrstufig: Innerhalb einer Behörde werden mehrere Genehmigungsschritte, wie etwa ein Vorbescheid und dann eine Endentscheidung, durchlaufen.
  • Behördenextern mehrstufig: Es sind mindestens zwei Behörden beteiligt, beispielsweise eine untere und eine obere Verwaltungsbehörde (beispielsweise bei der Planfeststellung).
  • Kombination mit Drittbeteiligung: Der mehrstufige Akt kann wechselseitig Abstimmungsakte mit anderen, auch nicht-staatlichen Stellen enthalten.

Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Voraussetzungen und Rechtsgrundlagen

Voraussetzung für das Vorliegen eines mehrstufigen Verwaltungsakts ist, dass die zugrunde liegende Rechtsordnung mehrere selbständige Verwaltungsentscheidungen für das jeweilige Verwaltungsverfahren vorsieht. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo Zustimmungen, Erlaubnisse oder Vorbescheide als Voraussetzung einer Hauptgenehmigung gesetzlich vorgeschrieben sind.

Wichtige Rechtsgrundlagen finden sich beispielsweise im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), Baugesetzbuch (BauGB) sowie in spezialgesetzlichen Zulassungsverfahren.

Typische Beispiele und Anwendungsfälle

  • Baugenehmigungsverfahren: Vorbescheid (zum Beispiel über die Zulässigkeit der Nutzung) und darauf aufbauende Baugenehmigung
  • Immissionsschutzrecht: Vorbescheid zur Umweltverträglichkeit und nachfolgende Hauptgenehmigung
  • Fahrerlaubnisrecht: Medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) als Voraussetzung der Fahrerlaubniserteilung

Rechtswirkungen und Besonderheiten

Selbständige Anfechtbarkeit der Einzelakte

Die einzelnen Stufen eines mehrstufigen Verwaltungsakts sind grundsätzlich als selbständige Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG zu qualifizieren. Jede Stufe unterliegt eigenständigen Rechtswirkungen, Fristen sowie der eigenen Anfechtbarkeit durch die Betroffenen. Zugleich entfaltet jeder Teilakt Bindungswirkung für die nachfolgende Verwaltungsentscheidung.

Bindungswirkung und Konzentrationswirkung

Ein zentrales Merkmal des mehrstufigen Verwaltungsakts ist die sogenannte Bindungswirkung der Vorentscheidungen für die nachfolgende(n) Stufe(n). Das bedeutet: Die spätere Behörde oder der spätere Entscheidungsträger ist regelmäßig an die frühere Entscheidung gebunden, soweit diese bestandskräftig oder nicht aufgehoben ist. Im Rahmen der sogenannten Konzentrationswirkung können Vorentscheidungen bereits vorweg bestimmte rechtliche Fragen abschließend regeln und aus dem weiteren Verfahren ausklammern.

Auswirkungen auf Rechtsbehelfe und Widerspruchsverfahren

Für den Rechtsschutz bedeutet dies, dass die betroffene Person gegen jede einzelne Stufe gesondert Rechtsbehelfe einlegen kann. Versäumt sie dies, wird die jeweilige Entscheidung bestandskräftig. Ein Verfahrensfehler in einer Vorstufe kann daher das gesamte Verfahren beeinflussen und unter Umständen auch die spätere Hauptentscheidung angreifbar machen (sogenannte Fehlerdurchgriff).


Abgrenzung zu anderen verfahrensrechtlichen Konstellationen

Unterschied zum zusammengesetzten Verwaltungsakt

Der zusammengesetzte Verwaltungsakt bezieht sich auf einen einheitlichen Verwaltungsakt mit mehreren Regelungsinhalten in einer Entscheidung. Beim mehrstufigen Verwaltungsakt handelt es sich hingegen um getrennte, aufeinander aufbauende, aber selbständige Verwaltungsakte.

Unterschied zur mehrgliedrigen Verwaltung

Bei der mehrgliedrigen Verwaltung geht es um die Beteiligung mehrerer Behörden an einem Verfahren, ohne dass diese notwendigerweise je einen eigenen Verwaltungsakt erlassen. Mehrstufige Verwaltungsakte setzen dagegen voraus, dass jede beteiligte Behörde einen eigenen Verwaltungsakt erlässt.


Dogmatische und praktische Herausforderungen

Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahren

Mehrstufige Verwaltungsakte verlangen eine besondere Sorgfalt hinsichtlich der Verfahrensorganisation, der Aktenführung und der Rechtsmittelbelehrungen. Insbesondere im Zusammenspiel verschiedener Behörden oder Verwaltungsebenen spielt die Kommunikation über Aktenvorlage, Beteiligungsrechte und Fristen eine entscheidende Rolle.

Fehlerquellen und Rechtsfolgen

Versäumnisse oder Mängel in einer der Stufen können weitreichende Konsequenzen für das Gesamtverfahren nach sich ziehen. Beispielsweise kann ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör oder eine fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung in einer Vorstufe dazu führen, dass auch der nachfolgende Hauptverwaltungsakt rechtswidrig oder anfechtbar wird.


Relevanz in der Praxis und in der Rechtsprechung

Die Ausgestaltung und Anwendung mehrstufiger Verwaltungsakte ist in der deutschen Verwaltungspraxis weit verbreitet und wird regelmäßig von der Rechtsprechung aufgegriffen, beispielsweise vom Bundesverwaltungsgericht oder von Oberverwaltungsgerichten. Prägende Fragen betreffen dabei die Reichweite der Bindungswirkung, die Zulässigkeit und Beschränkung von Rechtsbehelfen sowie die Frage, welche Fehler in der Vorstufe auf die Hauptstufe durchschlagen.


Literaturhinweise und weiterführende Vorschriften

Zentrale Gesetzesgrundlagen

  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
  • Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
  • Baugesetzbuch (BauGB)

Fachliteratur

  • Michael Sachs (Hrsg.): Verwaltungsrecht, Kommentar
  • Hansjörg Otto: Der mehrstufige Verwaltungsakt, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW)
  • Kopp/Ramsauer: Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar

Zusammenfassung

Der mehrstufige Verwaltungsakt ist ein zentrales Institut des deutschen Verwaltungsrechts und in vielen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren relevant. Seine Besonderheit liegt in der Abfolge mehrerer aufeinander bezogener Verwaltungsentscheidungen, die miteinander interagieren, eigene Rechtswirkungen entfalten und spezifische Anforderungen an das Verfahren und den Rechtsschutz stellen. Die sorgfältige Beachtung aller Stufen und ihrer jeweiligen Rechtsfolgen ist für ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Anforderungen müssen bei der Beteiligung mehrerer Behörden an einem mehrstufigen Verwaltungsakt beachtet werden?

Bei mehrstufigen Verwaltungsakten, an deren Zustandekommen mehrere Behörden beteiligt sind, ist die strikte Einhaltung der jeweils einschlägigen Verfahrensvorschriften unerlässlich. Insbesondere ist zu beachten, dass jede beteiligte Behörde innerhalb ihres gesetzlichen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs handelt. Es müssen sowohl bundes- als auch landesrechtliche Vorschriften – etwa aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder Spezialgesetzen – beachtet werden. Von zentraler Bedeutung ist die richtige Anwendung der §§ 10, 16 ff. VwVfG, welche insbesondere Fragen zur Zuständigkeit, Beteiligung Dritter, und zum Anhörungsverfahren betreffen. Fehler in der Beteiligung, etwa eine unterbliebene oder fehlerhafte Anhörung der betroffenen Beteiligten durch eine der beteiligten Behörden, können gravierende Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Gesamtaktes haben und unter Umständen zu dessen Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit führen.

Welche Bedeutung kommt der Mitwirkung bzw. Zustimmung einer Fachbehörde bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt zu?

Die Mitwirkung oder Zustimmung einer Fachbehörde ist regelmäßig tatbestandliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des von der Ausgangsbehörde erlassenen Verwaltungsakts. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Fachbehörde lediglich im Verfahren mitwirkt (z.B. durch Beratung oder Stellungnahme) oder tatsächlich eine eigene Entscheidungskompetenz (Zustimmungs- bzw. Einvernehmensregelung) besitzt. Fehlt es an einer erforderlichen Mitwirkung oder Zustimmung, ist der gesamte Verwaltungsakt regelmäßig rechtswidrig und eventuell auch aufhebbar. Die Anforderungen an Form und Frist der Mitwirkung richten sich meist nach spezialgesetzlichen Regelungen. Zudem ist die Einhaltung des präventiven Kontrollmechanismus zentral, da die Fachbehörde häufig eine besondere Sachkunde oder übergeordnete öffentliche Interessen vertritt, die im Verwaltungsverfahren Berücksichtigung finden müssen.

Welche Folgen haben Verfahrensfehler beim Erlass mehrstufiger Verwaltungsakte?

Verfahrensfehler, wie etwa eine unterlassene Anhörung, fehlerhafte Zuständigkeitsbestimmung oder die Nichtbeteiligung einer vorgeschriebenen Behörde, können unterschiedliche Rechtsfolgen haben. Nach § 45 VwVfG können bestimmte Verfahrens- und Formfehler zwar unter bestimmten Voraussetzungen geheilt werden. Allerdings sind bei mehrstufigen Verfahren die Heilungsmöglichkeiten eingeschränkt, wenn das Verfahren in einer Weise gestört wurde, dass wesentliche Rechte Beteiligter verletzt wurden oder der Sinn und Zweck der mehrstufigen Beteiligung konterkariert wird. In besonders schweren Fällen, insbesondere bei willkürlicher Missachtung der Beteiligung oder groben Verstößen gegen rechtliches Gehör und gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungsakte, kommt auch eine Nichtigkeit (§ 44 VwVfG) des Verwaltungsaktes in Betracht.

Inwieweit sind im Rahmen eines mehrstufigen Verwaltungsaktes Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene eröffnet?

Betroffene haben typischerweise sowohl gegen den Endverwaltungsakt als auch – unter gewissen Voraussetzungen – gegen vorgelagerte Teilakte, wie etwa Zustimmungen, Empfehlungsbeschlüsse oder vorläufige Anordnungen, Rechtsschutzmöglichkeiten. Im Regelfall ist der nach der letzten Verfahrensstufe erlassene Endverwaltungsakt der Gegenstand einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (§ 42 VwGO), während gegen Teilakte nur dann unmittelbar vorgegangen werden kann, wenn diesen eigenständige Regelungswirkung zukommt (sog. selbständige Verwaltungsakte). Kommt den Teilakten hingegen nur eine vorbereitende Wirkung zu, kann deren Verletzung regelmäßig erst zusammen mit dem Hauptverwaltungsakt geltend gemacht werden. In einigen spezialgesetzlichen Fällen besteht zudem die Möglichkeit des Vorverfahrens (Widerspruchsverfahren), das sich auf einzelne Verfahrensakte erstrecken kann.

Welche Rolle spielen öffentlich-rechtliche Verträge im Zusammenhang mit mehrstufigen Verwaltungsakten?

Öffentlich-rechtliche Verträge gemäß §§ 54 ff. VwVfG können im Kontext mehrstufiger Verwaltungsverfahren eine unterstützende oder ergänzende Rolle spielen. Sie kommen typischerweise in Betracht, um etwa Abstimmungsprozesse zwischen Behörden zu präzisieren oder um zusätzliche, nicht im Verwaltungsakt geregelte Pflichten und Rechte festzulegen. Allerdings darf der Kernbereich der hoheitlichen Entscheidung nicht durch Vertrag ersetzt oder umgangen werden (sog. Verbot der Vertragslösung staatlicher Eingriffsbefugnisse). Verträge dürfen daher bei mehrstufigen Verwaltungsakten allenfalls eine koordinierende Funktion erfüllen, ohne zwingende Verfahrensschritte oder gesetzlich vorgesehene Hoheitsakte zu substituieren. Gleichwohl unterliegen auch die im Zuge eines mehrstufigen Verwaltungsakts abgeschlossenen Verträge der gerichtlichen Kontrolle und müssen insbesondere den Anforderungen des Verwaltungsverfahrensrechts und höherrangigen Rechts genügen.

Wie ist das Verhältnis zwischen materiellem und formellem Recht im mehrstufigen Verwaltungsverfahren?

Im Rahmen eines mehrstufigen Verwaltungsakts ist das Zusammenwirken von materiellem und formellem Recht besonders ausgeprägt. Materielles Recht regelt die inhaltlichen Voraussetzungen und Wirkungen des Verwaltungsakts, während das formelle Recht das Verfahren und die Einhaltung der Verfahrensschritte, wie Beteiligung, Anhörung und formelle Zuständigkeit, garantiert. Beide Aspekte sind strikt zu trennen und separat auf ihre Einhaltung zu überprüfen. Verstöße gegen das materielle Recht führen unmittelbar zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts; gravierende Verfahrensmängel können ebenso die Rechtswidrigkeit oder sogar die Nichtigkeit des Akts nach sich ziehen. Gerade bei mehreren Stufen und Beteiligten ist ein sorgfältiges Zusammenspiel beider Rechtsbereiche unerlässlich, um einen rechtmäßigen und bestandskräftigen Verwaltungsakt zu gewährleisten.

Welche Auswirkungen hat die fehlerhafte Angabe von Rechtsbehelfsbelehrungen im Kontext eines mehrstufigen Verwaltungsakts?

Die Rechtsbehelfsbelehrung stellt einen zentralen Bestandteil der Rechtsmittelsicherheit dar. Fehlt eine ordnungsgemäße Belehrung im Rahmen eines mehrstufigen Verwaltungsakts – sei es im Endverwaltungsakt oder in selbständigen Teilakten -, verlängert sich nach § 58 Abs. 2 VwGO die Frist für die Einlegung von Rechtsmitteln auf ein Jahr. Dies gilt jedoch nur für den Adressaten, nicht für Dritte, die nicht formell am Verfahren beteiligt wurden. Fehlerhafte Belehrungen führen nicht zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts, wirken sich aber auf die Rechtssicherheit und Bestandskraft des diesen zugrundeliegenden Verwaltungsakts aus. Daher ist die sorgfältige Formulierung und rechtzeitige Erteilung der Belehrung essenziell, um Verfahrenssicherheit zu gewährleisten.