Definition und Gegenstand des Meeresnaturschutzes
Der Begriff Meeresnaturschutz bezeichnet sämtliche rechtlichen Maßnahmen und Regelungen, die auf den Schutz, die Erhaltung und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt sowie der ökologischen Funktionen von Meeresökosystemen abzielen. Ziel des Meeresnaturschutzes ist es, die natürlichen Lebensräume, Arten und ökologischen Prozesse im Meer vor nachteiligen menschlichen Einflüssen wie Verschmutzung, Überfischung, Rohstoffgewinnung und Klimawandel zu schützen und eine nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen sicherzustellen. Das rechtliche Konzept des Meeresnaturschutzes ist umfassend und interdisziplinär; es umfasst nationale, europäische und internationale Rechtsvorschriften sowie administrative und planerische Instrumente.
Rechtliche Grundlagen des Meeresnaturschutzes
Internationale Rechtsregelungen
Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ/UNCLOS)
Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ, englisch UNCLOS) von 1982 ist das zentrale völkerrechtliche Rahmenwerk für die Nutzung und den Schutz der Meere. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, die Meeresumwelt zu schützen und zu erhalten (Art. 192, UNCLOS). Es schreibt vor, sowohl im eigenen Hoheitsgebiet als auch auf hoher See geeignete Maßnahmen gegen Verschmutzung, Übernutzung von Ressourcen und Schädigung des marinen Lebensraums zu ergreifen.
UNCLOS unterscheidet verschiedene Meereszonen (innere Gewässer, Küstenmeer, Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), Hohe See) und regelt die jeweiligen Schutzpflichten unterschiedlich streng. In Gebieten mit nationaler Souveränität – wie dem Küstenmeer (bis 12 Seemeilen) und der AWZ (bis 200 Seemeilen) – trägt insbesondere der Küstenstaat Verantwortung für den Naturschutz.
Weitere Internationale Übereinkommen
- Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD): Thematisiert auch Meeres- und Küstengebiete in Bezug auf den Erhalt der Biodiversität.
- Abkommen von OSPAR (Pariser und Osloer Konvention): Regelt den Schutz der Nordostatlantik-Meeresumwelt.
- Helsinki-Konvention (HELCOM): Ziel ist die Reinhaltung und der ökologische Schutz der Ostsee.
- Übereinkommen über wandernde wildlebende Tierarten (Bonner Konvention, CMS): Schutz wandernder Meerestiere, z.B. Wale und Meeresschildkröten.
- Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES): Reglementiert den Handel mit bedrohten marinen Arten.
Europäisches Recht
Die Europäische Union hat eine Vielzahl von Rechtsinstrumenten zum Meeresnaturschutz etabliert:
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und Vogelschutzrichtlinie
Mit der FFH-Richtlinie (92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie (2009/147/EG) sind Küsten- und Meeresgebiete als Teil des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 ausgewiesen. Dies betrifft sowohl die Hoheitsgewässer als auch Teile der AWZ europäischer Mitgliedstaaten.
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)
Die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG, MSRL) bildet das zentrale europäische Instrument zum Meeresschutz. Ziel ist die Erreichung bzw. der Erhalt eines „guten Umweltzustands“ der europäischen Meeresgewässer bis 2020 (Art. 1 MSRL). Hierfür werden von den Mitgliedstaaten Meeresstrategien erarbeitet und umgesetzt, die unter anderem Schutz-, Überwachungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen umfassen.
Weitere relevante Regelwerke
- Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG)
- Verordnung zur gemeinsamen Fischereipolitik
- Verordnung zur Prävention und Kontrolle der Meeresverschmutzung (u. a. MARPOL)
Nationales Recht (Deutschland als Beispiel)
In Deutschland umfassen die rechtlichen Regelungen des Meeresnaturschutzes insbesondere folgende Normen:
Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
Das Bundesnaturschutzgesetz (§§ 7 ff. BNatSchG) verpflichtet den Bund, die Länder und andere öffentliche Stellen, die biologische Vielfalt und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts auch im Meeresbereich zu bewahren und zu fördern. Die gesetzliche Verpflichtung erstreckt sich auf das Küstenmeer sowie – durch spezielle Normen – auf die deutsche AWZ und den Festlandsockel.
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)
Bestimmte Projekte und Tätigkeiten in Meeresgebieten, wie z. B. der Bau von Offshore-Windparks, unterliegen nach dem UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die spezifische Aspekte des Meeresnaturschutzes mit berücksichtigen muss.
Weitere relevante Rechtsgebiete
- Bundeswasserstraßengesetz
- Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt (Seeaufgabengesetz, SeeAufgG)
- Fischereigesetze des Bundes und der Länder
- Immissionsschutzrecht (bzgl. Offshore-Anlagen und Emissionen)
- Spezielle Rechtsverordnungen zur Einrichtung von Meeresschutzgebieten
Instrumente und Maßnahmen zum Meeresnaturschutz
Meeresschutzgebiete
Eine der wichtigsten Maßnahmen sind die ausgewiesenen Schutzgebiete im Meer, wie Nationalparke, Naturschutzgebiete, Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete (letztere beiden im Rahmen von Natura 2000). Die Rechtsgrundlagen und der Schutzumfang sind nach dem Schutzgebietstyp jeweils unterschiedlich ausgestaltet.
Zulassungsvorbehalte und Prüfverfahren
Viele Eingriffe in den Meeresraum (z. B. Pipelines, Windparks, Sand- und Kiesabbau) bedürfen einer behördlichen Zulassung. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Strategische Umweltprüfung (SUP) sowie spezielle Artenschutzprüfungen sind vorzunehmen, um naturschutzfachliche Belange zu berücksichtigen.
Monitoring und Berichtspflichten
Zahlreiche nationale und internationale Rechtsakte verpflichten zur regelmäßigen Überwachung des Zustands der Meeresumwelt sowie zur Berichterstattung (z. B. MSRL, FFH-Richtlinie), um die Einhaltung der Schutzziele zu überprüfen.
Umsetzung und Durchsetzung von Meeresnaturschutzrecht
Zuständigkeiten
In Deutschland teilen sich der Bund, die Länder sowie die Bundesämter für Naturschutz (BfN) und Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die Aufgaben bei Planung, Ausweisung und Kontrolle von Meeresschutzgebieten sowie der Genehmigung von Vorhaben auf See.
Sanktionsmechanismen
Verstöße gegen naturschutzrechtliche Anforderungen im Meer werden – je nach Gewicht – mit Bußgeldern, Rückbauauflagen oder Betriebseinstellung sanktioniert. Darüber hinaus bestehen spezielle Sanktionsregelungen nach internationalen Verträgen (z. B. bei widerrechtlicher Schiffsentsorgung).
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen im Meeresnaturschutzrecht
Die fortschreitende Anthropisierung des Meeres durch Klimawandel, Verschmutzung, Rohstoffausbeutung und intensiven Schiffsverkehr stellt die Rechtsdogmatik und -praxis des Meeresnaturschutzes vor neue Herausforderungen. Künftige Entwicklungen betreffen u. a. die konsequente Umsetzung und Kontrolle von Schutzgebieten, die Förderung internationaler Kooperationen sowie die Anpassung des Rechtsrahmens an neue wissenschaftliche Erkenntnisse.
Literaturhinweise und weiterführende Informationen
- Bundesamt für Naturschutz: Meeresnaturschutz
- OSPAR-Kommission: OSPAR Übereinkommen
- Europäische Kommission: Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
- Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Meeresnaturschutz und rechtliche Rahmenbedingungen
Häufig gestellte Fragen
Welche nationalen Gesetze regeln den Meeresnaturschutz in Deutschland?
Der Meeresnaturschutz in Deutschland wird durch eine Vielzahl nationaler Gesetze geregelt, die unterschiedliche Aspekte des Schutzes und der nachhaltigen Nutzung der Meeresumwelt adressieren. Das zentrale Gesetz ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), das Vorgaben zur Einrichtung und Bewirtschaftung von Meeresschutzgebieten, insbesondere in den deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) und den 12-Seemeilen-Zonen, enthält. Daneben finden das Umweltschutzgesetz (UmwG) und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) Anwendung, insbesondere bei der Regelung von Schadstoffeinträgen und der Reinhaltung des Meereswassers. Für den Schutz von Lebensräumen und Arten auf See sind auch das Fischereigesetz sowie die einschlägigen Verordnungen zur Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) und der Vogelschutzrichtlinie von Bedeutung. In den Küstenländern gelten darüber hinaus landesspezifische Naturschutzgesetze, die Bestimmungen zum Küsten- und Bodenschutz enthalten. Abgerundet werden die rechtlichen Regelungen durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), das als völkerrechtliche Grundlage auch im nationalen Kontext direkten Einfluss auf die Gesetzgebung und den praktischen Meeresnaturschutz nimmt.
Welche europäischen Rechtsakte betreffen den Meeresnaturschutz?
Der europäische Rechtsrahmen für den Meeresnaturschutz setzt sich aus mehreren Richtlinien und Verordnungen zusammen, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sind und in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Besonders bedeutsam sind hier die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) 2008/56/EG, die das Ziel einer guten Umweltzustands der Meeresgewässer in Europa bis spätestens 2020 vorgibt, sowie die FFH-Richtlinie 92/43/EWG und die Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG, die Schutzgebietsnetzwerke auch im marinen Bereich etablieren. Ergänzend greifen die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) 2000/60/EG für Küsten- und Übergangsgewässer sowie spezifische Verordnungen wie die Fischereiverordnung (VO EG Nr. 1380/2013), die nachhaltige Bewirtschaftung der Meeresressourcen sicherstellen sollen. Die Umsetzung dieser Vorgaben wird von der EU-Kommission regelmäßig überprüft. Außerdem bestehen Berichts- und Monitoringpflichten sowie die Verpflichtung zur Adaptation bestehender Schutzmaßnahmen.
Welche internationalen Abkommen verpflichten Deutschland zum Meeresnaturschutz?
Internationale Abkommen bilden eine weitere tragende Säule für den rechtlichen Rahmen des Meeresnaturschutzes. Deutschland ist Vertragsstaat des OSPAR-Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks, das marine Umweltverschmutzung bekämpft und Vorschriften zum Schutz von Lebensräumen und Arten im Meer erlässt. Ebenfalls relevant ist das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), das auch den nachhaltigen Schutz mariner Ökosysteme fordert. Hinzu kommen das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Handel mit bedrohten Meeresarten, das Internationale Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS), das zahlreiche Regelungen zur Bewirtschaftung, Nutzung und zum Schutz der Meeresumwelt enthält, und das Ramsar-Übereinkommen, das auch den Küstenschutz einschließt. Diese Instrumente verpflichten Deutschland zur Umsetzung konkreter Schutzmaßnahmen und zur Berichterstattung an die zuständigen internationalen Gremien.
Welche rechtliche Bedeutung haben Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPA)?
Meeresschutzgebiete (MPA) sind rechtlich verbindlich ausgewiesene Gebiete, in denen bestimmte menschliche Aktivitäten eingeschränkt oder untersagt werden, um die Biodiversität und die ökologischen Funktionen des Meeres zu erhalten. Die rechtliche Grundlage für MPAs in Deutschland ergibt sich aus dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und der entsprechenden Umsetzung europäischer Richtlinien, insbesondere der FFH- und Vogelschutzrichtlinie. In der deutschen AWZ erfolgt die Ausweisung über Rechtsverordnungen des Bundesumweltministeriums. In den MPAs gelten spezifische Nutzungsbeschränkungen, welche beispielsweise Fischerei, Rohstoffabbau oder Schifffahrt betreffen können. Die Einhaltung der Schutzvorschriften wird durch Kontrollen und Monitoringmaßnahmen überwacht. Verstöße gegen die Schutzgebietsbestimmungen können mit Bußgeldern oder anderen Sanktionen geahndet werden. Hinzu kommt die Verpflichtung zur Erstellung und Umsetzung von Managementplänen für die jeweiligen Gebiete.
Wie erfolgt die behördliche Durchsetzung des Meeresnaturschutzrechts?
Die Durchsetzung der rechtlichen Vorgaben im Meeresnaturschutz obliegt in Deutschland verschiedenen Behörden auf Bundes- und Landesebene. Im Bereich der AWZ ist das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zuständig, während die Küstenländer in ihren Hoheitsgewässern (12-Seemeilen-Zone) die Verantwortung tragen. Die Behörden führen Genehmigungsverfahren für nutzungsrelevante Vorhaben (z. B. Offshore-Bau, Fischerei oder Forschung) durch und erlassen Anordnungen oder Nutzungsauflagen. Der Vollzug umfasst zudem Überwachungs- und Inspektionstätigkeiten auf See sowie die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, wie beispielsweise illegale Abfallbeseitigung oder Fischerei. Die Einhaltung internationaler Verpflichtungen wird durch Teilnahme an internationalen Kontrollmechanismen, Meldepflichten und regelmäßiges Umwelt-Monitoring sichergestellt.
Welche rechtlichen Instrumente stehen gegen umweltgefährdende Vorhaben im Meer zur Verfügung?
Gegen übermäßige oder umweltschädliche Vorhaben auf See sieht das deutsche und europäische Umweltrecht verschiedene Instrumente vor. Zentrale Bedeutung haben die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie die Strategische Umweltprüfung (SUP), die bereits im Planungsstadium die Auswirkungen eines Projekts auf die Meeresumwelt bewerten. Auf dieser Grundlage können Vorhaben abgelehnt oder mit strengen Auflagen versehen werden. Das Naturschutzrecht ermöglicht darüber hinaus Verbote oder Beschränkungen für bestimmte Aktivitäten in Schutzgebieten. Auch das allgemeine Ordnungsrecht (Gefahrenabwehr) erlaubt notfalls das Einschreiten der Behörden. Juristischer Rechtsschutz besteht durch die Möglichkeit, behördliche Genehmigungen gerichtlich überprüfen zu lassen, wobei auch Umweltverbände klagebefugt sind (Verbandsklagerecht nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz).
Wie werden Verstöße gegen meernaturschutzrechtliche Vorschriften sanktioniert?
Verstöße gegen meernaturschutzrechtliche Vorschriften werden je nach Schwere des Sachverhalts mit unterschiedlichen Maßnahmen sanktioniert. Ordnungswidrigkeiten, wie das unerlaubte Fischen in Schutzgebieten oder das Ablassen von Schadstoffen, können mit Bußgeldern belegt werden, deren Höhe sich an der jeweiligen Ordnungswidrigkeiten- oder Umweltschutzverordnung orientiert. Schwere Verstöße – etwa vorsätzliche erhebliche Umweltschädigungen – stellen Straftaten nach dem Umweltstrafrecht (§ 330 StGB) dar und sind entsprechend mit Geld- oder Freiheitsstrafe bedroht. Neben repressiven Maßnahmen gibt es auch präventive Sanktionen, etwa durch die Anordnung von Sofortmaßnahmen (wie Stilllegung oder Rückbau von Anlagen) oder der verpflichtenden Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme. Die Durchsetzung erfolgt unter anderem durch das Umweltbundesamt, das Bundesamt für Naturschutz sowie zuständige Landesbehörden.