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Markt, regulierter (Börse)

Markt, regulierter (Börse): Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung

Ein regulierter Markt ist ein staatlich beaufsichtigter, organisierter Handelsplatz für Finanzinstrumente, an dem der Handel nach festgelegten, allgemein zugänglichen Regeln abläuft. Er dient der Kapitalaufnahme von Unternehmen und Staaten, der transparenten Preisbildung sowie dem Schutz der Marktteilnehmer. In der Europäischen Union gilt ein harmonisiertes Regelwerk, das durch nationale Vorschriften und Börsenordnungen konkretisiert wird. Der regulierte Markt ist rechtlich von anderen Handelsformen abzugrenzen, insbesondere vom Freiverkehr sowie multilateralen und organisierten Handelssystemen.

Abgrenzung zu anderen Handelsplätzen

Der regulierte Markt ist die formal strengste Marktform. Davon zu unterscheiden sind:

  • Freiverkehr (auch Open Market): Ein von Börsen organisierter, aber weniger strikt regulierter Handel, der insbesondere für kleinere Emittenten mit niedrigeren Zulassungs- und Folgepflichten geeignet ist.
  • Multilaterale Handelssysteme (MTF): Plattformen, die von Börsen oder Wertpapierdienstleistern betrieben werden und mehrere Kauf- und Verkaufsinteressen zusammenführen, jedoch nicht den Status eines regulierten Marktes besitzen.
  • Organisierte Handelssysteme (OTF): Plattformen mit Betreiberermessen bei der Auftragsausführung, primär für bestimmte Anleihe- und Derivategeschäfte.

Rechtsrahmen und Aufsichtsstruktur

Grundlagen des Rechtsrahmens

Die rechtliche Ausgestaltung des regulierten Marktes basiert auf europaweit abgestimmten Vorgaben und deren Umsetzung in nationales Recht. Börsenordnungen, Zulassungsrichtlinien und Transparenzanforderungen bilden den konkreten Handlungsrahmen. Ziel ist ein integrer, transparenter und effizienter Markt, der funktionsfähige Preisbildung und Anlegerschutz gewährleistet.

Aufsichtsbehörden und Zuständigkeiten

Die Überwachung des regulierten Marktes erfolgt mehrstufig:

  • Staatliche Finanzaufsicht: Überwacht die Einhaltung des Finanzmarktrechts und bekämpft Marktmissbrauch.
  • Börsenaufsicht auf Länderebene (Deutschland): Beaufsichtigt den ordnungsgemäßen Börsenbetrieb.
  • Börsenbetreiber: Verantwortlich für Regelwerke, Zulassungsverfahren, Marktüberwachung und Sanktionen innerhalb des Börsenbetriebs.

Marktüberwachung und Sanktionen

Die Marktüberwachung erfasst insbesondere ungewöhnliche Kursbewegungen, Insiderhandel und Marktmanipulation. Bei Auffälligkeiten können Handelsaussetzungen, Widerrufe der Zulassung, Verwarnungen oder Ordnungsgelder durch den Börsenbetreiber verhängt werden. Die staatliche Aufsicht kann verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Bußgelder anordnen.

Zulassung von Finanzinstrumenten und Emittenten

Zulassungsvoraussetzungen

Voraussetzungen für die Aufnahme in den regulierten Markt sind sorgfältig ausgestaltete Zulassungsanforderungen. Je nach Instrument (Aktien, Anleihen, Fonds, strukturierte Produkte) umfassen sie typischerweise:

  • Mindesterfordernisse an Unternehmensalter, Rechtsform, Rechnungslegung und Publikation von Abschlüssen.
  • Ausreichenden Streubesitz und Mindestmarktkapitalisierung oder Emissionsvolumen, soweit vorgesehen.
  • Technische Kriterien wie Wertpapierkennnummern und Clearingfähigkeit.

Prospektpflicht und Billigung

Für die öffentliche Angebots- und Zulassungssituation gilt regelmäßig eine Prospektpflicht. Der Prospekt enthält umfassende Informationen über Emittent und Finanzinstrument und wird vor Veröffentlichung von der zuständigen Behörde geprüft. Befreiungen können für bestimmte Instrumente, Anlegerkreise oder Transaktionsarten vorgesehen sein. Der genehmigte Prospekt wird veröffentlicht und bildet eine zentrale Grundlage der Anlegerinformation.

Segmentierung des regulierten Marktes

Einige Börsen differenzieren innerhalb des regulierten Marktes Segmente mit unterschiedlich hohen Folgepflichten. Premiumsegmente verlangen häufig weitergehende Transparenzstandards, internationale Rechnungslegung und zusätzliche Berichterstattung. Standardsegmente orientieren sich an den Mindestanforderungen des Regulierten Marktes.

Pflichten nach der Zulassung

Transparenz- und Veröffentlichungspflichten

Emittenten unterliegen nach der Zulassung laufenden Offenlegungspflichten. Dazu zählen insbesondere regelmäßige Finanzberichte, die Veröffentlichung kursrelevanter Informationen sowie die Bereitstellung von Insiderlisten und Meldungen zu Eigengeschäften von Führungspersonen. Ziel ist die Gleichbehandlung des Marktes mit zeitnahen und zutreffenden Informationen.

Insiderrecht und Marktmissbrauch

Insiderhandel und Marktmanipulation sind verboten. Emittenten, Intermediäre und sonstige Marktteilnehmer müssen organisatorische Vorkehrungen treffen, um Missbrauch zu verhindern, und mit den Behörden zusammenarbeiten. Melde- und Dokumentationspflichten unterstützen die Aufklärung.

Beteiligungstransparenz

Das Überschreiten oder Unterschreiten bestimmter Stimmrechtsschwellen in Emittenten des regulierten Marktes ist meldepflichtig und wird veröffentlicht. Dies dient der Transparenz über wesentliche Beteiligungsverhältnisse.

Corporate-Governance-Erwartungen

Emittenten haben üblicherweise erhöhte Anforderungen an Leitung, Überwachung und Compliance zu beachten. Kodizes mit Grundsätzen guter Unternehmensführung werden durch Berichts- und Erklärungspflichten flankiert.

Handel und Preisbildung

Handelsmodelle und Orderausführung

Der Handel erfolgt in standardisierten Verfahren, meist elektronisch über zentrale Orderbücher. Gängige Handelsmodelle sind fortlaufender Handel mit Auktionen, reine Auktionsformate oder segmentierte Handelsfenster. Es gelten Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Ausführung und eine transparente Vor- und Nachhandelstransparenz.

Liquidität und Market Maker

Zur Sicherung kontinuierlicher Liquidität können Designated Sponsors oder Market Maker verpflichtet werden, die verbindliche An- und Verkaufskurse stellen. Deren Rechte und Pflichten ergeben sich aus Börsenregeln und vertraglichen Vereinbarungen.

Preisermittlung und Schutzmechanismen

Preise entstehen durch Angebot und Nachfrage. Mechanismen wie Volatilitätsunterbrechungen, Preisbänder und Handelsaussetzungen begrenzen übermäßige Schwankungen und ermöglichen Informationsverarbeitung bei außergewöhnlichen Ereignissen.

Abwicklung, Clearing und Settlement

Clearing über zentrale Gegenparteien

Der börsliche Handel wird häufig über eine zentrale Gegenpartei (CCP) gecleart. Diese tritt zwischen Käufer und Verkäufer, reduziert Ausfallrisiken und setzt Margen- sowie Risikomodelle ein.

Lieferung und Zahlung

Die Wertpapierlieferung und Geldzahlung erfolgen über Zentralverwahrer und angeschlossene Institute. Standardisierte Abwicklungsfristen, Buchungssicherheit und Abstimmungsprozesse gewährleisten einen rechtssicheren Übergang von Eigentum und Forderungen.

Corporate Actions

Maßnahmen wie Dividenden, Kapitalerhöhungen oder Umtausche werden nach festgelegten Verfahren abgewickelt. Informationspflichten von Emittenten und Intermediären sichern die ordnungsgemäße Durchführung.

Internationale Aspekte

Grenzüberschreitender Handel in der EU

Das europäische Regelwerk ermöglicht grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Zulassungen und die Nutzung genehmigter Prospekte in mehreren Mitgliedstaaten. Emittenten können so mit einheitlichen Informationsstandards mehrere Märkte erreichen.

Drittlands-Emittenten

Emittenten aus Staaten außerhalb der EU können zum regulierten Markt zugelassen werden, sofern sie die einschlägigen Informations-, Rechnungslegungs- und Corporate-Governance-Anforderungen erfüllen. Es bestehen Regelungen zur Gleichwertigkeit ausländischer Standards und zur Anerkennung von Dokumenten.

Beendigung, Widerruf und Suspendierung

Delisting und Widerruf der Zulassung

Die Beendigung der Zulassung kann durch Antrag des Emittenten oder durch Entscheidung des Börsenbetreibers erfolgen. Voraussetzung sind regelmäßig ein geordnetes Verfahren und Schutzvorkehrungen für Anleger, etwa Fristen und Veröffentlichungspflichten. Ein Widerruf kann auch bei Verstößen gegen Marktregeln ausgesprochen werden.

Handelsaussetzung und Ausschluss

Bei außergewöhnlichen Umständen oder bei Verdacht auf Marktmissbrauch kann der Handel vorübergehend ausgesetzt werden. Ein Ausschluss vom Handel kommt in Betracht, wenn dauerhafte Gründe gegen eine ordnungsgemäße Preisbildung sprechen oder zentrale Pflichten nicht eingehalten werden.

Bedeutung für Anleger und Unternehmen

Funktionen des regulierten Marktes

Der regulierte Markt bündelt Kapitalangebot und -nachfrage unter transparenten, überprüfbaren Regeln. Er fördert effiziente Preisbildung, erleichtert Kapitalzugang für Emittenten und stellt umfassende Informationen bereit, die der Entscheidungsfindung dienen.

Risiken und Pflichten

Die Teilnahme am regulierten Markt ist mit Pflichten für Emittenten, Intermediäre und Investoren verbunden. Unzutreffende oder verspätete Informationen, Interessenkonflikte und Fehlverhalten können Sanktionen nach sich ziehen. Gleichzeitig reduzieren umfassende Regelwerke und Aufsichtsstrukturen systemische und individuelle Risiken.

Häufig gestellte Fragen

Worin liegt der rechtliche Unterschied zwischen reguliertem Markt und Freiverkehr?

Der regulierte Markt ist ein staatlich beaufsichtigter, vollständig regulierter Börsensektor mit harmonisierten Zulassungs- und Folgepflichten. Der Freiverkehr ist ein von Börsen organisierter, aber weniger strikt regulierter Handel mit niedrigeren Zugangsvoraussetzungen und geringeren laufenden Pflichten. Rechtsfolge ist insbesondere ein höheres Transparenz- und Anlegerschutzniveau im regulierten Markt.

Wer beaufsichtigt den regulierten Markt?

Die Aufsicht erfolgt gemeinsam durch die staatliche Finanzmarktaufsicht, die Börsenaufsicht der Länder (bei regionaler Zuständigkeit) und den Börsenbetreiber. Die staatliche Aufsicht kontrolliert die Einhaltung des Finanzmarktrechts, die Börsenaufsicht überwacht den ordnungsgemäßen Börsenbetrieb, und der Börsenbetreiber stellt durch Regelwerke und Marktüberwachung die ordnungsgemäße Durchführung des Handels sicher.

Welche Pflichten treffen Emittenten nach der Zulassung?

Emittenten müssen regelmäßige Finanzberichte veröffentlichen, kursrelevante Informationen unverzüglich bekannt machen, Beteiligungs- und Eigengeschäfte bestimmter Personen melden, Insiderlisten führen und organisatorische Vorkehrungen zur Verhinderung von Marktmissbrauch treffen. Je nach Segment können zusätzliche Berichte und Governance-Erklärungen hinzukommen.

Können Finanzinstrumente ohne Prospekt im regulierten Markt gehandelt werden?

Grundsätzlich ist ein genehmigter Prospekt erforderlich, wenn Wertpapiere zum regulierten Markt zugelassen werden oder öffentlich angeboten werden. Es bestehen jedoch eng umgrenzte Befreiungen für bestimmte Konstellationen, Instrumente oder Anlegerkreise. Ob eine Befreiung vorliegt, hängt vom Einzelfall und den anwendbaren Regelungen ab.

Was bedeutet eine Handelsaussetzung rechtlich?

Eine Handelsaussetzung ist eine vorübergehende Unterbrechung des Handels mit einem Finanzinstrument. Sie dient dem Schutz der Marktintegrität, etwa um die Verbreitung wesentlicher Informationen abzuwarten oder Unregelmäßigkeiten zu prüfen. Nach Klärung der Umstände wird der Handel wieder aufgenommen oder es erfolgen weitere Maßnahmen bis hin zum Ausschluss.

Wie werden Insiderhandel und Marktmanipulation unterbunden?

Insiderhandel und Marktmanipulation sind verboten und werden von Marktüberwachungseinheiten und staatlichen Behörden kontrolliert. Emittenten und Intermediäre unterliegen Melde-, Dokumentations- und Organisationspflichten, um Missbrauch zu verhindern und Ermittlungen zu unterstützen. Zuwiderhandlungen können empfindliche Sanktionen nach sich ziehen.

Welche Rolle hat der Börsenbetreiber im regulierten Markt?

Der Börsenbetreiber erlässt Regelwerke, organisiert Zulassungs- und Überwachungsprozesse, stellt die technische Infrastruktur bereit und sorgt für transparente Preisbildung. Er kann innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs Maßnahmen wie Verwarnungen, Ordnungsgelder, Aussetzungen und Widerrufe von Zulassungen aussprechen.

Kann ein Unternehmen das Listing im regulierten Markt beenden?

Ein Delisting ist möglich, unterliegt aber formellen Anforderungen. Der Widerruf der Zulassung kann auf Antrag des Emittenten oder aus Gründen der Marktordnung erfolgen. Regelmäßig sind Fristen, Veröffentlichungen und Schutzmechanismen vorgesehen, um die Interessen der Anleger zu berücksichtigen.