Begriff und Grundlagen der Maritimen Raumplanung
Die Maritime Raumplanung ist ein bedeutendes Instrument der räumlichen Steuerung und Gestaltung der Nutzung der Meeresräume. Sie dient der nachhaltigen und koordinierten Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Meeresraums unter Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte. Im Mittelpunkt steht die präventive Konfliktvermeidung zwischen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen sowie der Schutz der Meeresumwelt. Maritime Raumplanung hat sich als eigenständige Disziplin mit umfangreicher rechtlicher Fundierung im internationalen, europäischen und deutschen Recht etabliert.
Internationale Rechtsgrundlagen
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS)
Die rechtliche Basis für die Marine Raumplanung auf internationaler Ebene bildet das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS). Es regelt die staatliche Souveränität und Nutzungsrechte im Küstenmeer, in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) sowie auf dem Festlandsockel. Staaten verfügen demnach innerhalb definierter Gebiete über die Befugnis und Pflicht, Nutzungen zu ordnen, Umweltstandards zu setzen und Planungshoheit auszuüben.
Weitere internationale Verpflichtungen
Internationale Verträge, beispielsweise das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) oder regionale Abkommen wie HELCOM (Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee), verlangen von den Vertragsparteien spezifische Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Meeresökosysteme. Daraus ergibt sich im Zusammenspiel mit UNCLOS die Notwendigkeit, nationale Instrumente der Raumplanung auf den Meeresraum auszuweiten.
Europäische Rechtsgrundlagen
Richtlinie zur Maritimen Raumplanung (2014/89/EU)
Die maßgebliche europäische Vorgabe ist die Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die Maritime Raumplanung. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten, räumliche Pläne für ihre Meeresgebiete zu entwickeln und dabei bestehende sektorspezifische Politiken wie Fischerei, Naturschutz oder Energie zu koordinieren. Die Ziele umfassen eine nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen und eine Vermeidung von Nutzungskonflikten.
Wichtige rechtliche Anforderungen der Richtlinie sind:
- Einbindung öffentlicher und privater Akteure
- Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung
- Zusammenarbeit über Grenzen hinweg insbesondere bei grenzüberschreitenden Auswirkungen
Umsetzung in nationales Recht
Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, spätestens bis 31. März 2021 nationale Regelungen zur maritimen Raumplanung in Kraft zu setzen. Dies bedeutete die Schaffung eigener Planungsmechanismen sowie die Anpassung bestehender Strukturen.
Maritime Raumplanung in Deutschland
Nationale Gesetzgebung und Zuständigkeiten
Die maritime Raumordnung in Deutschland wird zum einen durch das Raumordnungsgesetz (ROG) sowie durch spezielle Verordnungen auf Grundlage des Bundesrechts geregelt.
- Raumordnungsgesetz (ROG): Bildet die zentrale rechtliche Grundlage für die Ordnung der Meeresnutzung in den deutschen Seegebieten der AWZ und des Festlandsockels. Auf seiner Basis werden Verordnungen erlassen, die Raumordnungspläne für diese Gebiete verbindlich festlegen.
- Bundesraumordnungspläne für die deutschen Meeresgebiete: Geregelt in §§ 17-19 ROG (i. d. F. seit 2021) und den jeweiligen Verordnungen (beispielsweise Verordnung zur Aufstellung des Raumordnungsplans für die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee).
Zuständigkeiten
Die Zuständigkeit für die Maritime Raumplanung in den deutschen Territorialgewässern (Küstenmeer bis 12 Seemeilen) obliegt den jeweiligen Küstenländern, während für die AWZ und den Festlandsockel die Bundesebene (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, BSH) verantwortlich ist.
Inhalt und Bindungswirkung der Raumordnungspläne
Maritime Raumordnungspläne entfalten Bindungswirkung für nachgeordnete Fachplanungen und Zulassungsverfahren. Sie legen Vorranggebiete, Vorbehaltsgebiete und ausschließende Nutzungen fest – beispielsweise für Schifffahrt, Windenergie, Rohstoffgewinnung, Fischerei und Naturschutz. Die Einhaltung wird in nachfolgenden Verwaltungsverfahren überprüft.
Einige wesentliche Aspekte:
- Vorranggebiete: Nutzungen, die andere ausschließen
- Vorbehaltsgebiete: Nutzungen mit besonderer Bedeutung, andere sind möglich, aber abwägungsbedürftig
- Ausschlussgebiete: Bestimmte Nutzungen bleiben verwehrt
Planverfahren unterliegen Öffentlichkeitsbeteiligung und strategischer Umweltprüfung gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz und dabei einzuhaltenden europäischen Vorschriften.
Planungsprozess und Beteiligung
Öffentlichkeitsbeteiligung und Anhörungsverfahren
Die rechtlichen Vorgaben verlangen eine umfassende Beteiligung von Behörden, Wirtschaftsakteuren, gesellschaftlichen Gruppen und der breiten Öffentlichkeit. Die Anhörungspflichten orientieren sich an den Regeln der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Aarhus-Konvention. Eine rechtzeitige und effektive Beteiligung ist Voraussetzung für die spätere Rechtswirksamkeit der Pläne.
Umweltprüfung und rechtliche Kontrolle
Die Pläne sind einer strategischen Umweltprüfung zu unterziehen, um mögliche nachteilige Umweltauswirkungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Die Rechtmäßigkeit der Pläne wird regelmäßig durch Gerichte kontrolliert, insbesondere im Rahmen von Normenkontrollverfahren nach Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Abgrenzung zu anderen Planungs- und Genehmigungsverfahren
Die maritime Raumplanung ist von Einzelzulassungen (zum Beispiel Planfeststellung für Offshore-Windparks) und sektoralen Genehmigungen zu unterscheiden. Sie schafft den Rahmen und setzt Leitplanken, ist aber keine abschließende Zulassung für bestimmte Projekte. Einzelverfahren müssen sich an den Vorgaben der Plansätze orientieren.
Rechtliche Stellung der maritimen Raumplanung im Gesamtsystem der Raumordnung
Die Marine Raumplanung ist Teil des gesamtstaatlichen Raumentwicklungssystems. Sie steht einerseits in Wechselwirkung mit regionalen und landesplanerischen Vorgaben der Küstenländer, andererseits mit internationalen und europäischen Vorgaben. Die Einhaltung dieser Mehr-Ebenen-Struktur ist wesentlich für die Rechtssicherheit und Kohärenz der Planung.
Besondere Problemlagen und aktuelle Entwicklungen
Mit der Verlagerung der Energiewende auf See, neuen Entwicklungen im internationalen Seerecht, dem fortschreitenden Klimawandel und dem zunehmenden Druck auf die Nutzung der Meeresräume werden rechtliche Fragen immer komplexer. Die Integration von Naturschutzzielen, wirtschaftlichen Nutzungen und internationalen Pflichten stellt die maritime Raumordnung regelmäßig vor neue Herausforderungen.
Literatur und weiterführende Informationen
- Gesetz über die Raumordnung (Raumordnungsgesetz – ROG)
- Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone
- Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung
- Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS)
- Begleitende amtliche Begründungen zu den jeweiligen Normen
Diese umfassende Darstellung ermöglicht einen tiefgehenden Einblick in die rechtlichen Dimensionen der maritimen Raumplanung und zeigt deren zentrale Bedeutung für eine geordnete und nachhaltige Nutzung der Meeresräume.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die maritime Raumplanung in Deutschland?
Die maritime Raumplanung in Deutschland wird im Wesentlichen durch das Raumordnungsgesetz (ROG) geregelt, das die rechtlichen Vorgaben für die Aufstellung von Raumordnungsplänen, einschließlich der Seegebiete, festlegt. Die konkrete Umsetzung erfolgt durch die Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf der Festlandsockelverordnung (FSV). Für die Küstengewässer sind die Bundesländer zuständig und wenden jeweils eigene Landesraumordnungsgesetze an, deren Vorgaben mit den bundesrechtlichen Bestimmungen harmonisiert werden müssen. Darüber hinaus sind völkerrechtliche Abkommen wie das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ/UNCLOS) sowie europarechtliche Vorgaben, insbesondere die Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung, bindend. Damit besteht ein Mehrebenensystem, bei dem nationales Recht, EU-Recht und internationales Recht ineinandergreifen. Diese Rechtsgrundlagen bestimmen sowohl die Verfahren als auch die materiellen Anforderungen, etwa in Bezug auf die Berücksichtigung öffentlicher und privater Interessen, die Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange und die Durchführung von Umweltprüfungen.
Inwieweit besteht eine rechtliche Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Aufstellung eines maritimen Raumordnungsplans?
Bei der Aufstellung eines maritimen Raumordnungsplans besteht gemäß § 9 Abs. 6 Raumordnungsgesetz (ROG) i.V.m. dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) eine verbindliche Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP). Diese Prüfung ist erforderlich, da es sich bei maritimen Raumordnungsplänen um Pläne und Programme handelt, die im Sinne von § 35 UVPG den Rahmen für die künftige Zulassung von Projekten im Sinne des UVPG setzen. Im Verfahren der SUP ist eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit und relevanter Behörden vorgeschrieben. Dazu gehören die frühzeitige Information über die Planungsabsichten, die öffentliche Auslegung der Unterlagen und die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen, die in die Abwägung einfließen müssen. Die Ergebnisse der SUP sind im Raumordnungsplan zu dokumentieren und müssen sowohl in der Planbegründung als auch im Umweltbericht transparent nachvollziehbar sein. Rechtsgrundlage dafür sind sowohl das nationale Umweltrecht wie die eben genannten Gesetze als auch entsprechende europäische Vorgaben, insbesondere die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme.
Welche Rolle spielt die Beteiligung der Öffentlichkeit im rechtlichen Verfahren der maritimen Raumplanung?
Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist ein zwingendes rechtliches Erfordernis bei der maritimen Raumplanung, das sowohl aus nationalen als auch aus europäischen Vorgaben resultiert. Gemäß § 9 Abs. 2 ROG und der Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung muss die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und effektiv in die Ausarbeitung und Aktualisierung von Raumordnungsplänen einbezogen werden. Die Verfahren sehen Auslegung, Information und das förmliche Anhörungsverfahren vor, wobei jeder Träger öffentlicher Belange sowie Privatpersonen zu Stellungnahmen berechtigt sind. Zusätzlich greifen die Anforderungen des Umweltinformationsgesetzes (UIG) sowie die Zugänglichkeitsrechte nach der Aarhus-Konvention. Die zuständige Behörde ist verpflichtet, die eingegangenen Stellungnahmen im weiteren Verfahren zu berücksichtigen und das Abwägungsgebot sorgfältig umzusetzen. Die Dokumentation der Beteiligung ist Teil des Planungsaktes und kann im Rahmen von Rechtsbehelfsverfahren überprüft werden.
Welche rechtlichen Konflikte können bei konkurrierenden Nutzungsinteressen im Zuge der maritimen Raumplanung auftreten?
Maritime Raumplanung ist in erster Linie auf die Konfliktvermeidung und -lösung zwischen verschiedenen Raumansprüchen wie Schifffahrt, Energiegewinnung (insbesondere Offshore-Windenergie), Fischerei, Umweltschutz und militärischer Nutzung ausgerichtet. Die rechtliche Aufgabe besteht darin, diese konkurrierenden Interessen im Rahmen des Abwägungsgebots nach § 7 ROG in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. Bei widerstreitenden Interessen kann es sein, dass bestimmte Nutzungen Vorrang erhalten oder durch Zonierungen koexistieren. Jeder Planungsschritt muss hierbei die geltenden gesetzlichen Vorgaben, insbesondere diejenigen zu Natur- und Umweltschutz, beachten. Berührte Eigentümer und Nutzer können im Falle erheblicher Beeinträchtigungen Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage vor den Verwaltungsgerichten erheben. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte überprüft dabei regelmäßig, ob die Abwägung ordnungsgemäß und nachvollziehbar erfolgt ist. Haben übergeordnete öffentliche Interessen Vorrang, so kann die Planung in bestimmten Fällen sogar entschädigungsrelevant gemäß Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz werden.
Wie ist das Verhältnis zwischen nationaler und europäischer Gesetzgebung bei der maritimen Raumplanung geregelt?
Das Verhältnis zwischen nationaler und europäischer Gesetzgebung ist durch das Prinzip der Umsetzung und des Anwendungsvorrangs geprägt. Die EU-Richtlinie 2014/89/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einführung eines rechtsverbindlichen Rahmens für die maritime Raumplanung, wobei den Staaten ein Umsetzungsspielraum bei der Ausgestaltung der Verfahren verbleibt. Deutschland hat diese Vorgaben mit dem Raumordnungsgesetz (ROG) und weiteren spezialgesetzlichen Regelungen in nationales Recht überführt. Die nationalen Regelungen dürfen jedoch nicht im Widerspruch zu den EU-Vorgaben stehen, da das Unionsrecht Anwendungsvorrang genießt. Daneben können auch andere sektorale europäische Vorgaben, wie die Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) oder die Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, für den Inhalt der Raumordnungspläne verbindlich sein. Konflikte zwischen nationalem und europäischem Recht werden im Zweifel vom Europäischen Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV geklärt.
Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen maritime Raumordnungspläne zur Verfügung?
Betroffene haben grundsätzlich die Möglichkeit, gegen einen maritimen Raumordnungsplan Rechtsschutz in Form einer Anfechtungsklage oder einer sog. Normenkontrollklage gemäß § 47 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu suchen. Klagebefugt sind dabei natürliche und juristische Personen, deren eigene Rechte durch den Plan berührt werden sowie anerkannte Umweltvereinigungen, die sich auf eine Verletzung von Vorschriften des Umweltrechts berufen können (Verbandsklage). Der Klageweg richtet sich gegen den das Verfahren abschließenden Planungsakt der planaufstellenden Behörde. Im gerichtlichen Verfahren prüft das Verwaltungsgericht unter anderem, ob die gesetzlichen Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob die Abwägung rechtsfehlerfrei erfolgte und ob gegebenenfalls die Umweltverträglichkeitsprüfung ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Form- oder Verfahrensfehler können zur Aufhebung oder zur Rückverweisung des Planes führen. Europarechtlich besteht zudem die Möglichkeit, Verstöße gegen Unionsrecht zunächst der Kommission zu melden, die ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten kann.
Unter welchen Voraussetzungen kann die Gültigkeit eines maritimen Raumordnungsplans befristet oder geändert werden?
Die Befristung und Änderung maritimer Raumordnungspläne ist rechtlich zulässig und kann bereits im Plan selbst vorgesehen sein, etwa durch Regelungen zu einer Geltungsdauer oder zu Evaluierungszeiträumen. § 8 ROG sowie die einschlägigen Verordnungen lassen eine Anpassung von Plänen zu, wenn sich relevante Sachverhalte, etwa aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, technischer Entwicklungen oder politischer Zielsetzungen, ändern. Jede Änderung unterliegt denselben rechtlichen Anforderungen wie die erstmalige Planaufstellung, insbesondere in Bezug auf Umweltprüfung und Beteiligungsverfahren. Änderungen dürfen nur erfolgen, wenn sie mit höherrangigem Recht und mit den Grundsätzen der Raumordnung im Einklang stehen. Die Anpassung eines Plans kann auch externer Kontrolle durch die Gerichte unterliegen, insbesondere wenn Betroffene geltend machen, dass die Änderung mit gravierenden Nachteilen für ihre Rechte verbunden ist.