Begriff und rechtliche Grundlagen der Lohnzahlung im Krankheitsfalle
Die Lohnzahlung im Krankheitsfalle stellt eine zentrale Regelung im Arbeitsrecht dar und beschreibt den Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Dieser Anspruch ist insbesondere im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) in Deutschland geregelt. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verfolgt das Ziel, die wirtschaftliche Existenz erkrankter Beschäftigter während der Krankheitsphase zu sichern und deren Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu fördern.
Gesetzliche Grundlage
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), welches am 1. Juni 1994 in Kraft getreten ist. Nach § 3 Abs. 1 EFZG sind Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmern, die durch Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, das Arbeitsentgelt für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage) fortzuzahlen, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden hat.
Voraussetzungen für die Lohnfortzahlung
Arbeitsunfähigkeit
Im Sinne des Gesetzes besteht der Anspruch auf Lohnfortzahlung nur dann, wenn die/der Arbeitnehmerin infolge Krankheit arbeitsunfähig ist (§ 3 EFZG). Die Arbeitsunfähigkeit muss durch einen Arzt oder eine Ärztin bescheinigt werden (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung).
Kein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit
Der Anspruch besteht nur, wenn die Krankheit unverschuldet eingetreten ist. Grob fahrlässiges oder vorsätzliches Herbeiführen der Erkrankung, etwa durch verbotene Handlungen oder riskantes Verhalten, kann zum Ausschluss des Anspruchs führen.
Wartezeit
Die Wartezeit beträgt gemäß § 3 Abs. 3 EFZG vier Wochen. Erst nach Ablauf dieser Frist entsteht der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Anspruchsdauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Dauer der Lohnfortzahlung
Die gesetzliche Frist der Lohnfortzahlung beträgt höchstens sechs Wochen je Krankheitsfall. Tritt während einer laufenden Erkrankung eine neue, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf (sog. „gesonderter Fall“), kann ein erneuter Anspruch auf weitere sechs Wochen entstehen, sofern keine einheitliche Erkrankung vorliegt.
Höhe der Lohnfortzahlung
Der Anspruch umfasst das Arbeitsentgelt, das auch bei Arbeitsfähigkeit gezahlt worden wäre. Hierzu zählen regelmäßig gezahlte Bezüge, wie Grundlohn, Zulagen, Sachbezüge und Sonderzahlungen, nicht jedoch Überstundenvergütungen für nicht vereinbarte Überstunden. Die Vergütung wird grundsätzlich in voller Höhe weitergezahlt und unterliegt der regulären Lohnsteuer- und Sozialversicherungspflicht.
Anzeige- und Nachweispflichten
Arbeitnehmerinnen sind verpflichtet, ihre Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen (§ 5 EFZG). Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden.
Folgen bei Verletzung der Nachweispflichten
Die Nicht- oder verspätete Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann dazu führen, dass Lohnfortzahlung vorübergehend oder dauerhaft verweigert wird. In schwerwiegenden Fällen ist auch die Abmahnung oder Kündigung möglich.
Besonderheiten und Ausnahmen
Rückfallregelung (§ 3 Abs. 1 S. 2 EFZG)
Tritt innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung einer früheren Krankheit wegen derselben Ursache erneut Arbeitsunfähigkeit ein, erfolgt keine erneute volle sechs-Wochen-Zahlung, sondern die Zeit der vorausgegangenen Erkrankung wird angerechnet.
Ausschluss- und Ruhenstatbestände
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit (z. B. infolge Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit) verursacht wurde. Weiterhin ruht der Anspruch auf Lohnfortzahlung während des Bezuges bestimmter Entgeltersatzleistungen (z. B. während des Bezugs von Krankengeld nach Ablauf der sechswöchigen Lohnfortzahlung).
Lohnfortzahlung bei besonderen Beschäftigungsverhältnissen
Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte
Teilzeit- und Minijobber profitieren gleichermaßen vom Entgeltfortzahlungsgesetz. Die Höhe des Anspruchs bemisst sich nach dem vereinbarten Arbeitsentgelt.
Auszubildende
Auch Auszubildende haben bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung für bis zu sechs Wochen, geregelt in § 19 Berufsbildungsgesetz (BBiG).
Saisonarbeiter und Kurzarbeiter
Der Anspruch besteht auch für Saisonkräfte, sofern die Wartezeit erfüllt ist. Besondere Regelungen gelten bei Kurzarbeit oder bei Bezug von Kurzarbeitergeld, da das fiktive Gehalt als Berechnungsgrundlage gilt.
Verhältnis der Lohnfortzahlung zur Sozialversicherung
Finanzierung und Erstattungsanspruch
Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung tritt i. d. R. die gesetzliche Krankenversicherung mit Zahlung von Krankengeld ein, wenn die Arbeitsunfähigkeit weiterhin andauert. Zur Entlastung kleinerer Betriebe existiert das Umlageverfahren (U1), in dessen Rahmen Arbeitgeber eine teilweise Erstattung der Lohnfortzahlungskosten durch die Krankenkassen erhalten.
Besonderheiten bei Kollision mit anderen Ansprüchen
Schnittstellen zu Mutterschutz, Elternzeit und Urlaub
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ruht während des Bezugs von Mutterschaftsgeld und besteht während des Erholungsurlaubs weiter. Erkrankt die/der Arbeitnehmerin während des Urlaubs, so werden die Krankheitstage unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht auf den Urlaub angerechnet.
Rechtsschutz und Verjährung
Ansprüche aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz unterliegen den gesetzlichen Verjährungsfristen und können verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Im Streitfall erfolgt die gerichtliche Klärung vor den Arbeitsgerichten.
Literatur
Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
Sozialgesetzbuch (SGB V)
* Berufsbildungsgesetz (BBiG)
Relevante Stichworte: Lohnfortzahlung, Entgeltfortzahlung, Arbeitsunfähigkeit, Krankheitsfall, Anspruchsdauer, Nachweispflichten, Ausschlussgründe, Sozialversicherung, Umlageverfahren U1, Minijob, Ausbildung
Diese umfassende Darstellung des Begriffs „Lohnzahlung im Krankheitsfalle“ bietet einen detaillierten rechtlichen Überblick zu Voraussetzungen, Umfang, Besonderheiten und Grenzen des Entgeltfortzahlungsanspruchs in Deutschland, und richtet sich an Beschäftigte, Arbeitgeber und alle mit arbeitsrechtlichen Fragestellungen befassten Kreise.
Häufig gestellte Fragen
Wann besteht im Krankheitsfall ein Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Im Krankheitsfall besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), sofern das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen ununterbrochen besteht. Der Anspruch ist auf eine Dauer von maximal sechs Wochen pro Krankheitsfall begrenzt. Die Krankheit muss die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit sein, und der Arbeitnehmer darf diese nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben (z. B. durch vorsätzliches Herbeiführen eines Unfalls). Nach Ablauf der Lohnfortzahlungspflicht durch den Arbeitgeber besteht in der Regel ein Anspruch auf Krankengeld durch die gesetzliche Krankenversicherung. Die Entgeltfortzahlung umfasst das regelmäßige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte, einschließlich Zuschlägen und anderer regelmäßiger Zahlungen.
Muss der Arbeitgeber auch dann Lohn zahlen, wenn der Arbeitnehmer die Krankheit selbst verschuldet hat?
Wird die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst verschuldet, ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausgeschlossen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Beispiele für grob fahrlässiges Verhalten sind Trunkenheit am Steuer oder Beteiligung an gefährlichen Aktivitäten, bei denen dem Arbeitnehmer das Risiko bekannt war. Die Beweislast für das Verschulden trägt grundsätzlich der Arbeitgeber. Leicht fahrlässige Ursachen – wie eine Grippe nach unzureichendem Schutz bei Kälte – berühren den Anspruch jedoch nicht.
Welche Nachweispflichten hat der Arbeitnehmer während der Krankheit?
Der Arbeitnehmer ist gemäß § 5 EFZG verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen, also regelmäßig am ersten Krankheitstag vor Arbeitsbeginn. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss spätestens am folgenden Arbeitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („gelber Schein“) vorgelegt werden. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Bescheinigung bereits am ersten Krankheitstag vorgelegt wird, wenn dies arbeitsvertraglich, tarifvertraglich oder durch betriebliche Übung geregelt ist.
Was geschieht bei mehreren aufeinanderfolgenden Krankheiten?
Treten verschiedene Krankheiten nacheinander auf, ohne dass zwischen ihnen eine vollständige Gesundung (Arbeitsfähigkeit) vorliegt, handelt es sich um einen „einheitlichen Verhinderungsfall“. Die Lohnfortzahlungspflicht bleibt dann auf maximal sechs Wochen beschränkt. Allerdings entsteht mit einer neuen, nicht zusammenhängenden Erkrankung und einer zwischendurch bescheinigten Arbeitsfähigkeit erneut ein Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung.
Wie wirkt sich eine Teilzeitarbeit auf die Lohnfortzahlung aus?
Teilzeitarbeitnehmer haben grundsätzlich denselben Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wie Vollzeitbeschäftigte. Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts richtet sich nach dem durchschnittlichen Einkommen, das der Teilzeitarbeitnehmer im maßgeblichen Zeitraum verdient hätte. Sonderregelungen gelten nicht, solange die allgemeinen Voraussetzungen des EFZG erfüllt sind, auch Mini-Jobber („geringfügig Beschäftigte“) sind eingeschlossen. Dabei werden sämtliche regelmäßigen Zahlungen, auch Zuschläge, bei der Berechnung des Fortzahlungsentgelts berücksichtigt.
Was gilt bei wiederholter Krankheit innerhalb eines Jahres?
Bei wiederholter Erkrankung besteht für jeden neuen Krankheitsfall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen, sofern die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Erkrankung beruht und zwischen den Erkrankungen Arbeitsfähigkeit bestand. Überschneiden sich jedoch verschiedene Erkrankungen, gelten sie als einheitlicher Verhinderungsfall und der Anspruch auf Lohnfortzahlung wird nicht verlängert.
Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung während der Probezeit?
Auch während der Probezeit besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sofern das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen besteht. Wird der Arbeitnehmer bereits vor Ablauf der vierwöchigen Wartezeit arbeitsunfähig, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber, jedoch kann ein Anspruch auf Krankengeld bestehen.
Was passiert mit Urlaubsansprüchen im Krankheitsfall?
Wird ein Arbeitnehmer während des Urlaubs arbeitsunfähig und legt er die Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß nach, werden die Urlaubstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet (§ 9 Bundesurlaubsgesetz). Die Zeit der ordnungsgemäß nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit gilt dann nicht als verbrauchte Urlaubstage, diese können später nachgeholt werden.