Begriff und Abgrenzung
Definition
Ein Lohnvorschuss ist die vorzeitige Auszahlung eines noch nicht fällig gewordenen Arbeitsentgelts. Er bezieht sich auf künftige Vergütungsansprüche aus demselben Arbeitsverhältnis und wird regelmäßig mit späteren Lohn- oder Gehaltszahlungen verrechnet. Der Vorschuss ändert den Vergütungsanspruch dem Grunde nach nicht, sondern lediglich dessen Auszahlungszeitpunkt.
Abgrenzung zu Abschlag, Arbeitgeberdarlehen und Spesen
Vom Lohnvorschuss zu unterscheiden ist der Abschlag: Ein Abschlag ist eine Teilzahlung auf bereits erarbeiteten, aber noch nicht abgerechneten Lohn des laufenden Abrechnungszeitraums. Ein Arbeitgeberdarlehen ist demgegenüber ein eigenständiges Schuldverhältnis, das nicht an konkrete künftige Arbeitsleistungen anknüpft und typischerweise in Raten zurückgezahlt wird. Spesen- oder Auslagenvorschüsse dienen der Deckung dienstlicher Aufwendungen und sind kein Arbeitsentgelt.
Rechtsnatur und Anspruchsgrundlagen
Kein allgemeiner Rechtsanspruch
Ein allgemeiner, voraussetzungsloser Anspruch auf Lohnvorschuss besteht nicht. Ein Anspruch kann sich jedoch aus einer individualvertraglichen Abrede, aus einem Tarifvertrag, aus einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder aus einer betrieblichen Übung ergeben. Fehlt eine Grundlage, liegt die Gewährung im Ermessen des Arbeitgebers.
Ermessen und Gleichbehandlung
Gewährt ein Arbeitgeber Lohnvorschüsse nach festen, nachvollziehbaren Kriterien, ist dies Ausdruck des arbeitgeberseitigen Ermessens. Dabei ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten: Vergleichbare Arbeitnehmergruppen dürfen nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden. Differenzierungen nach objektiven, transparenten Kriterien sind zulässig.
Gewährung und Form
Übliche Inhalte einer Vereinbarung
In der Praxis werden Lohnvorschüsse häufig durch kurze Vereinbarungen begleitet. Typische Inhalte sind die Höhe des Vorschusses, der Bezug zu einem oder mehreren Abrechnungszeiträumen, der Zeitpunkt der Auszahlung, die Art und der Zeitpunkt der Verrechnung mit künftigen Entgeltansprüchen, mögliche Zinsen (regelmäßig entfällt eine Verzinsung) sowie Regelungen für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder ausbleibender Lohnansprüche.
Auszahlung und Dokumentation
Die Auszahlung kann bar oder unbar erfolgen und wird üblicherweise auf der Entgeltabrechnung als Vorschuss ausgewiesen. Dadurch wird transparent, auf welchen Zeitraum und in welcher Höhe eine spätere Verrechnung erfolgt.
Verrechnung und Rückzahlung
Verrechnung mit künftigen Entgeltansprüchen
Der Lohnvorschuss wird regelmäßig mit dem nächsten fälligen Lohn vollständig oder in Raten verrechnet. Für Abzüge vom Arbeitsentgelt gelten rechtliche Grenzen: Abzüge bedürfen grundsätzlich einer Rechtsgrundlage oder einer Einwilligung und dürfen bestimmte Schutzvorgaben nicht unterlaufen. Unpfändbare Entgeltbestandteile bleiben geschützt, und Mindestentgeltvorgaben sind zu beachten.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Krankheit, Elternzeit
Endet das Arbeitsverhältnis, bevor der Vorschuss vollständig verrechnet wurde, kann der noch offene Betrag mit dem Schlusslohn verrechnet werden, soweit rechtlich zulässig. Soweit eine Verrechnung mangels ausreichender Entgeltansprüche nicht möglich ist, kommt eine Rückforderung in Geld in Betracht. Entsprechendes gilt, wenn in einem Zeitraum ohne laufende Entgeltansprüche (z. B. längere Erkrankung ohne Entgeltfortzahlung oder Elternzeit ohne Entgelt) keine Verrechnung erfolgen kann.
Überzahlungen und Rückforderungsansprüche
Erfolgt eine Überzahlung oder entfällt die Grundlage des Vorschusses (etwa weil keine Arbeitsleistung erbracht wird und kein Entgeltanspruch entsteht), kann ein Rückforderungsanspruch in Betracht kommen. Dabei sind die allgemeinen Grundsätze zur Rückabwicklung von Leistungen ohne rechtlichen Grund, Anforderungen an Aufrechnungen sowie etwaige arbeitsvertragliche Ausschlussfristen und Verjährungsfristen zu beachten.
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung
Steuerlicher Zufluss
Ein Lohnvorschuss ist steuerlich Arbeitslohn. Maßgeblich ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Zuflusses. Wird der Vorschuss auf eine spätere Entgeltabrechnung angerechnet, findet sich die Versteuerung in der Regel in dem Zeitraum, in dem der Betrag als Arbeitslohn zufließt.
Sozialversicherung und Meldung
Sozialversicherungsrechtlich ist der Vorschuss dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen. Bei der laufenden Entgeltabrechnung werden Vorschüsse in der Regel dem Zeitraum zugeordnet, auf den sie sich beziehen. Für die Fälligkeit und Abführung der Beiträge gelten die allgemeinen Abrechnungsregeln.
Verzinsung und geldwerter Vorteil
Ist ein Lohnvorschuss verzinslich ausgestaltet, kann die Zinslast arbeitsvertraglich geregelt sein. Bei zinslosen Vorleistungen ist regelmäßig kein geldwerter Vorteil anzusetzen, da es sich nicht um ein Darlehen, sondern um vorgezogenen Arbeitslohn handelt. Bei Arbeitgeberdarlehen gelten andere Maßstäbe.
Besondere Konstellationen
Lohnpfändung und Vorschuss
Ein Lohnvorschuss unterliegt als Arbeitsentgelt den Pfändungsvorschriften. Pfändungsfreigrenzen und der Schutz unpfändbarer Bezüge bleiben zu beachten. Eine Vorverlagerung des Auszahlungszeitpunkts ändert nichts an der rechtlichen Qualifikation als Arbeitsentgelt.
Insolvenz von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer
Bei einer Insolvenz des Arbeitgebers bleibt ein bereits ausbezahlter Lohnvorschuss grundsätzlich beim Arbeitnehmer, wird jedoch mit bestehenden Vergütungsansprüchen verrechnet. Soweit kein Entgeltanspruch entsteht, kann eine Rückforderung in Betracht kommen. Bei Insolvenz des Arbeitnehmers ist der Vorschuss als Arbeitsentgelt zu behandeln und unterliegt den allgemeinen Pfändungsregeln.
Minderjährige, Teilzeit, Befristung
Auch bei Minderjährigen, Teilzeit- und befristet Beschäftigten ist ein Lohnvorschuss möglich. Besondere Formvorgaben können sich aus der Vertretung Minderjähriger ergeben. Der Umfang des Vorschusses orientiert sich am vertraglich geschuldeten Entgelt und den einschlägigen betrieblichen oder kollektivrechtlichen Regelungen.
Praktische Ausgestaltung im Betrieb
Typische Anlässe und Grenzen
In der Praxis werden Lohnvorschüsse etwa zur Überbrückung bis zum regulären Zahltag oder bei außergewöhnlichem Liquiditätsbedarf gewährt. Üblich sind Betragsgrenzen und klare Anknüpfungspunkte an den künftigen Vergütungsanspruch. Häufig sehen innerbetriebliche Richtlinien vor, in welchen Abständen und in welchem Umfang Vorschüsse gewährt und wie sie abgerechnet werden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Besteht ein Anspruch auf Lohnvorschuss?
Ein allgemeiner Anspruch besteht nicht. Ein Anspruch kann sich aus dem Arbeitsvertrag, aus kollektivrechtlichen Regelungen oder aus betrieblicher Übung ergeben. Fehlt eine Grundlage, entscheidet der Arbeitgeber nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
Wie unterscheidet sich ein Lohnvorschuss von einem Abschlag?
Der Abschlag ist eine Teilzahlung auf bereits erarbeiteten Lohn des laufenden Zeitraums. Der Lohnvorschuss ist eine Zahlung auf noch nicht fällig gewordenen Lohn für künftige Arbeitsleistung. Beide werden auf der Entgeltabrechnung ausgewiesen und später verrechnet.
Darf ein Lohnvorschuss mit künftigen Lohnzahlungen verrechnet werden?
Ja, der Lohnvorschuss wird regelmäßig mit der nächsten oder den nächsten Lohnzahlungen verrechnet. Dabei sind die Grenzen für Lohnabzüge, der Schutz unpfändbarer Entgeltbestandteile sowie Mindestentgeltvorgaben zu beachten. Eine vertragliche Grundlage oder Zustimmung zur Verrechnung ist üblich.
Was geschieht mit einem Lohnvorschuss bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses?
Nicht verrechnete Vorschüsse können mit dem Schlusslohn verrechnet werden, soweit dies zulässig ist. Reicht der Schlusslohn nicht aus oder besteht kein Entgeltanspruch, kann eine Rückforderung in Geld in Betracht kommen. Ausschlussfristen und Verjährungsfristen sind zu beachten.
Welche steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen hat ein Lohnvorschuss?
Ein Lohnvorschuss ist steuerlich Arbeitslohn. Für die Steuer ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Zuflusses maßgeblich. In der Sozialversicherung zählt der Vorschuss zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt und wird dem entsprechenden Abrechnungszeitraum zugeordnet.
Ist ein Lohnvorschuss pfändbar?
Als Arbeitsentgelt unterliegt der Lohnvorschuss der Pfändung nach den allgemeinen Regeln. Pfändungsfreigrenzen und unpfändbare Bestandteile bleiben geschützt, unabhängig vom vorgezogenen Auszahlungszeitpunkt.
Welche Rolle spielt der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Lohnvorschüssen?
Gewährt der Arbeitgeber Lohnvorschüsse, sind vergleichbare Arbeitnehmergruppen gleich zu behandeln. Abweichungen bedürfen eines sachlichen Grundes, etwa unterschiedlicher betrieblicher Funktionen, klarer Kriterien oder festgelegter Betragsgrenzen.
Kann ein zu hoher oder gegenstandslos gewordener Lohnvorschuss zurückgefordert werden?
Wird ein Vorschuss ohne entsprechende Entgeltgrundlage geleistet oder überzahlt, kann eine Rückforderung in Betracht kommen. Verrechnung, Rückzahlungsmodalitäten, etwaige Ausschlussfristen und die Grenzen von Lohnabzügen sind zu beachten.