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Lohnuntergrenze


Begriff und rechtliche Einordnung der Lohnuntergrenze

Die Lohnuntergrenze bezeichnet im deutschen Arbeitsrecht die gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegte untere Grenze für die Vergütung einer abhängigen Beschäftigung. Sie dient als Instrument des Arbeits- und Sozialschutzes und soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen schützen. Die Lohnuntergrenze stellt eine zentrale Regelung im Rahmen der Sicherung von Mindeststandards im Arbeitsleben dar und beeinflusst darüber hinaus auch die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes. Sie ist sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene von rechtlicher Bedeutung.

Abgrenzung zur Lohnobergrenze

Im Gegensatz zur Lohnobergrenze, die Entgelte nach oben begrenzt (und in der Praxis selten von Bedeutung ist), definiert die Lohnuntergrenze den Mindestbetrag, den ein Arbeitgeber für eine Arbeitsleistung vergüten muss. Diese Grenze darf weder durch individuelle noch kollektivvertragliche Regelungen unterschritten werden, sofern keine Ausnahme per Gesetz zugelassen ist.

Gesetzliche Grundlagen der Lohnuntergrenze

Mindestlohngesetz (MiLoG)

Das wichtigste Gesetz zur Festsetzung der Lohnuntergrenze in Deutschland ist das Mindestlohngesetz (MiLoG). Es trat am 1. Januar 2015 in Kraft und legt den gesetzlichen Mindestlohn als unterste Lohngrenze für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fest, die unter den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes fallen.

Regelungsgehalt des MiLoG

Das Mindestlohngesetz sieht vor, dass der gesetzliche Mindestlohn regelmäßig, in der Regel alle zwei Jahre, angepasst wird. Die Höhe des Mindestlohns wird durch die unabhängige Mindestlohnkommission vorgeschlagen und durch Rechtsverordnung der Bundesregierung verbindlich festgelegt. Der gesetzliche Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle volljährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ausnahmen bestehen beispielsweise für Auszubildende, Pflichtpraktikanten oder Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate einer neuen Beschäftigung.

Tarifliche Lohnuntergrenzen

Im Rahmen der Tariffähigkeit können Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeberverbände ebenfalls Lohnuntergrenzen in Form von Mindestentgelten vereinbaren. Tarifliche Lohnuntergrenzen können nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) und dem Tarifvertragsgesetz (TVG) auf ganze Branchen erstreckt werden, sobald sie nach dem Tarifvertragsgesetz für allgemeinverbindlich erklärt werden. In einigen Bereichen gelten darüber hinaus besondere Regelungen, beispielsweise im Baugewerbe, in der Pflegebranche oder der Gebäudereinigung.

Branchenmindestlöhne

Branchenmindestlöhne sind spezifische Lohnuntergrenzen, die für einzelne Wirtschaftszweige gelten. Sie dienen dazu, faire Wettbewerbsbedingungen in stark von Niedriglöhnen betroffenen Branchen sicherzustellen.

Europarechtliche Vorgaben

Die Richtlinie (EU) 2022/2041 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union verpflichtet die Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung von angemessenen Lohnuntergrenzen zu treffen. Deutschland kommt dieser Verpflichtung unter anderem durch das Mindestlohngesetz nach.

Reichweite und Wirkung der Lohnuntergrenze

Individualarbeitsrechtliche Wirkung

Die Lohnuntergrenze hat unmittelbare Bedeutung für das individualrechtliche Arbeitsverhältnis. Vereinbarungen, die einen niedrigeren Lohn als die jeweils geltende Lohnuntergrenze vorsehen, sind insoweit unwirksam; an ihre Stelle tritt die gesetzliche oder tarifliche Mindestvergütung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können die Differenz zwischen gezahltem Lohn und der Lohnuntergrenze einklagen.

Kollektivrechtliche Wirkung

Auch auf kollektiver Ebene ist die Lohnuntergrenze maßgebend. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen dürfen den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten. Ein Verzicht auf die Lohnuntergrenze ist grundsätzlich unzulässig.

Sanktionen und Durchsetzung

Arbeitgeber, die gegen die Lohnuntergrenze verstoßen, müssen mit staatlichen Sanktionen rechnen. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit mit empfindlichen Bußgeldern gemäß § 21 MiLoG geahndet werden. Darüber hinaus können Nachzahlungen sowie Schadenersatzforderungen geltend gemacht werden.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Ausnahmen nach dem MiLoG

Vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen sind unter anderem:

  • Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung
  • Auszubildende im Rahmen eines dualen oder vollzeitschulischen Ausbildungsverhältnisses
  • Praktikanten, sofern es sich um ein Pflichtpraktikum handelt oder das Praktikum maximal drei Monate dauert und zur Orientierung vor einer Ausbildung oder einem Studium dient
  • Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach Beschäftigungsaufnahme

Sonderregelungen im Tarifvertragsrecht

Bestimmte Branchen oder Personengruppen können unter engen Voraussetzungen und zeitlich befristet von der allgemeinen Lohnuntergrenze abweichen. Diese Ausnahmen müssen jedoch transparent und ausdrücklich geregelt sein.

Kontrolle und Überwachung

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) innerhalb der Zollverwaltung ist für die Überwachung der Einhaltung der Lohnuntergrenze zuständig. Sie führt Kontrollen durch, prüft Arbeitsverhältnisse und ahndet Verstöße. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können zudem Verstöße anonym melden.

Rechtsprechung zur Lohnuntergrenze

Gerichte haben immer wieder klargestellt, dass der Anspruch auf die Lohnuntergrenze auch dann besteht, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu einem geringeren Lohn eingestellt werden. Der Mindestlohn kann weder durch arbeitsvertragliche Vereinbarungen noch durch einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers unterlaufen werden. Zulässig ist lediglich die Anrechnung bestimmter Zulagen und Zuschläge, sofern diese echten Entgeltcharakter aufweisen und nicht zweckgebunden sind.

Bedeutung der Lohnuntergrenze im internationalen Kontext

Im internationalen Arbeitsrecht gelten Lohnuntergrenzen als Maßstab für faire Arbeitsbedingungen. Sie werden von internationalen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als zentrales Instrument zur Armutsbekämpfung und sozialen Sicherung angesehen.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Mindestlohngesetz (MiLoG)
  • Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
  • Tarifvertragsgesetz (TVG)
  • Richtlinie (EU) 2022/2041
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Informationen zum Mindestlohn
  • Zoll: Finanzkontrolle Schwarzarbeit

Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende Darstellung des Begriffs Lohnuntergrenze und seiner rechtlichen Einordnung im deutschen Arbeitsrecht sowie Hinweise auf europarechtliche und internationale Aspekte. Für weiterführende, einzelfallbezogene Informationen empfiehlt sich die Konsultation der genannten Gesetze und offiziellen Informationsquellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen Arbeitgebern bei Verstößen gegen die Lohnuntergrenze?

Arbeitgeber, die gegen die gesetzlich festgelegte Lohnuntergrenze, wie etwa den Mindestlohn gemäß dem Mindestlohngesetz (MiLoG), verstoßen, müssen mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen rechnen. Zunächst können betroffene Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und dem gesetzlichen Mindestlohn rückwirkend geltend machen. Dazu steht ihnen ein zivilrechtlicher Anspruch auf Nachzahlung zu. Darüber hinaus handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die gemäß § 21 MiLoG mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Zusätzlich droht der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. Kontrolliert werden die Einhaltung der Lohnuntergrenze unter anderem vom Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit). Bei wiederholten oder besonders schwerwiegenden Verstößen können auch strafrechtliche Sanktionen, etwa wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB, in Betracht kommen.

Können Arbeitgeber durch Sonderzahlungen die Lohnuntergrenze erfüllen?

Im rechtlichen Kontext ist klar geregelt, welche Zahlungen zur Erfüllung der Lohnuntergrenze, insbesondere des Mindestlohns, herangezogen werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und dem Wortlaut des Mindestlohngesetzes dürfen nur solche Zahlungen angerechnet werden, die das Arbeitsentgelt für die reguläre, vertraglich geschuldete Arbeitsleistung darstellen. Einmalige Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Boni, die nicht unmittelbar mit der Vergütung der monatlich geleisteten Arbeit zusammenhängen, erfüllen diese Voraussetzung grundsätzlich nicht. Vielmehr müssen sie zusätzlich zum Mindestlohn gezahlt werden. Ausnahmen bestehen nur, wenn Sonderzahlungen unter bestimmten Voraussetzungen durch vertragliche Regelungen auf den Mindestlohn angerechnet werden können, was jedoch strengen Maßstäben unterliegt.

Gibt es Ausnahmen von der gesetzlichen Lohnuntergrenze für bestimmte Personengruppen?

Das Mindestlohngesetz sieht einige Ausnahmen von der Lohnuntergrenze vor. So gilt die gesetzliche Lohnuntergrenze nicht für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie für Praktikanten, sofern das Praktikum verpflichtend im Rahmen einer schulischen oder hochschulischen Ausbildung stattfindet oder freiwillig nicht länger als drei Monate zur Orientierung dient. Ebenfalls ausgenommen sind Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung und bestimmte ehrenamtlich Tätige. Für Auszubildende greift stattdessen eine eigenständige Mindestausbildungsvergütung gemäß Berufsbildungsgesetz (BBiG). Die jeweiligen Ausnahmen müssen jedoch genau den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen, andernfalls gilt auch für diese Gruppen die Lohnuntergrenze.

Wie werden Arbeitszeitkonten im Zusammenhang mit der Lohnuntergrenze behandelt?

Arbeitszeitkonten dienen dazu, Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, überschießende Stunden zu erfassen und nach Bedarf zu vergüten oder als Freizeit auszugleichen. Aus rechtlicher Sicht ist bei der Führung von Arbeitszeitkonten sicherzustellen, dass der Mindestlohn für die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung jeweils spätestens mit der Entgeltzahlung für den betreffenden Abrechnungszeitraum ausgezahlt wird. Es ist unzulässig, den Mindestlohn monatsübergreifend durch Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto „aufzusparen“ und erst später abzugelten. Das Gesetz verlangt, dass der Mindestlohn zeitnah und in voller Höhe ausgezahlt wird; Verstöße können zu Nachzahlungsansprüchen und bußgeldrechtlichen Konsequenzen führen. Dabei sind gestaffelte Überstundenregelungen, soweit diese tarifvertraglich zugelassen sind, zulässig, solange sie nicht zu einer Unterschreitung des Mindestlohns im jeweiligen Abrechnungsmonat führen.

Welche Kontrollmechanismen existieren zur Einhaltung der Lohnuntergrenze?

Die Einhaltung der Lohnuntergrenze wird in Deutschland zum großen Teil durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls überwacht, die regelmäßige Betriebsprüfungen durchführt. Arbeitgeber sind verpflichtet, jederzeit die für die Prüfung erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten, insbesondere den Nachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten und die Abrechnungen. Werden Verstöße festgestellt, leitet die FKS Bußgeldverfahren ein, sorgt für Nachzahlungen und kann die Einleitung eines Strafverfahrens veranlassen. Weiterhin sind Gewerbeaufsichtsämter und Sozialversicherungsträger in bestimmte Kontrollen eingebunden. Die Wirksamkeit der Kontrolle hängt maßgeblich von der lückenlosen Dokumentation der Beschäftigungs- und Entgeltverhältnisse durch die Arbeitgeber ab; bei Verstößen drohen Verlust von Fördermitteln und Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen.

Wie lange können Ansprüche auf die Lohnuntergrenze rückwirkend geltend gemacht werden?

Ansprüche von Arbeitnehmern auf den gesetzlichen Mindestlohn unterliegen der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Arbeitnehmer hiervon Kenntnis erlangt oder fahrlässig nicht erlangt hat (§ 199 BGB). Allerdings können arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen wirksam vereinbart werden; diese sind jedoch mindestens einen Zeitraum von drei Monaten vorzusehen, in denen Ansprüche nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen, bevor sie verfallen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer deutlich auf solche Fristen hinweisen. Andernfalls gilt die allgemeine Verjährung. Verstöße gegen das Mindestlohngesetz selbst, z. B. Bußgeldverfahren, unterliegen gesonderten Verjährungsregelungen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).

Wie wirkt sich eine Stücklohn- oder Akkordvergütung auf die Einhaltung der Lohnuntergrenze aus?

Bei Arbeit auf Stücklohn- oder Akkordbasis ist arbeitsrechtlich sicherzustellen, dass der durchschnittliche Verdienst pro geleisteter Arbeitsstunde mindestens der gesetzlichen Lohnuntergrenze entspricht. Maßgeblich ist hierbei nicht das vereinbarte Entgelt pro Einheit oder Auftrag, sondern der effektive Stundenlohn, der sich aus der Gesamtvergütung geteilt durch die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ergibt. Wird bei dieser Berechnung festgestellt, dass der Mindestlohn unterschritten wird, besteht Anspruch auf Differenzzahlung. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitszeiten eindeutig zu dokumentieren, um die Einhaltung des Mindestlohns für jede Stunde nachweisen zu können. Werden Pausen oder Wartezeiten nicht vergütet, diese aber zur Arbeitszeit zählen, ist auch dies zu berücksichtigen. Andernfalls drohen zivilrechtliche und bußgeldrechtliche Konsequenzen.