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Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung

Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung

Die Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung bezeichnet den Anspruch von Beschäftigten, ihr Arbeitsentgelt für eine begrenzte Zeit weiterzuerhalten, wenn sie krankheitsbedingt nicht arbeiten können. Sie ist ein zentrales Element des Arbeitnehmerschutzes und dient dazu, den Ausfall von Einkommen aufgrund einer vorübergehenden Erkrankung abzufedern.

Begriff und Zweck

Was bedeutet Arbeitsunfähigkeit?

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn eine Krankheit die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung unmöglich macht oder unzumutbar erschwert. Maßgeblich ist die konkrete Tätigkeit: Entscheidend ist, ob die Person ihre üblichen Aufgaben erfüllen kann. Eine Diagnose allein genügt nicht; es kommt auf die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit an.

Ziel der Lohnfortzahlung

Die Lohnfortzahlung überbrückt typischerweise die ersten Wochen einer Erkrankung. Sie soll kurzfristige Einkommensausfälle vermeiden und die soziale Absicherung während der Genesung gewährleisten. Damit wird das Risiko einer vorübergehenden Erkrankung nicht allein den Beschäftigten aufgebürdet.

Anspruchsvoraussetzungen

Persönlicher Geltungsbereich

Der Anspruch umfasst in der Regel alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von Arbeitszeitmodell oder Vergütungsform, etwa Vollzeit, Teilzeit oder geringfügig Beschäftigte. Auch Leiharbeitskräfte sind einbezogen und wenden sich hinsichtlich der Lohnfortzahlung an ihren Vertragsarbeitgeber.

Wartezeit

Voraussetzung ist eine ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses von mindestens vier Wochen. Erkranken Beschäftigte davor, besteht in der Regel kein Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Unter Umständen greifen dann andere Leistungen, sofern Versicherungsbedingungen dies vorsehen.

Arbeitsunfähigkeit und Krankheit

Die Arbeitsunfähigkeit muss krankheitsbedingt sein. Unfallfolgen gelten ebenfalls als Krankheit im rechtlichen Sinne. Die Erkrankung darf nicht vorsätzlich herbeigeführt sein; bei schwerem Eigenverschulden kann der Anspruch entfallen.

Keine Mitverantwortung des Arbeitgebers

Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die Erkrankung im Betrieb oder außerhalb eingetreten ist. Ein Verschulden des Arbeitgebers ist keine Anspruchsvoraussetzung.

Dauer der Lohnfortzahlung und Wiederholungsfälle

Regeldauer

Die Lohnfortzahlung erfolgt für eine begrenzte Zeit pro Krankheitsfall. Maßgeblich ist eine Höchstdauer von bis zu sechs Wochen je einheitlichem Krankheitsfall.

Mehrere Erkrankungen

Treten während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit weitere Krankheiten hinzu, verlängert sich die Dauer nicht über die Höchstgrenze hinaus. Beginnt eine neue, unabhängige Erkrankung nach vollständiger Genesung, entsteht ein neuer Anspruchszeitraum.

Wiederholung derselben Erkrankung

Bei derselben Erkrankung entsteht ein neuer Sechs-Wochen-Zeitraum erst, wenn die betroffene Person zuvor mindestens sechs Monate ununterbrochen arbeitsfähig war oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Erkrankung zwölf Monate vergangen sind. Andernfalls werden die Zeiten zusammengerechnet.

Ende des Arbeitsverhältnisses

Die Lohnfortzahlung besteht nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Endet dieses während der Krankheit, endet auch die Pflicht zur Fortzahlung mit dem letzten Tag der Vertragslaufzeit.

Höhe und Berechnung

Fortzuzahlendes Entgelt

Zu zahlen ist das Entgelt, das ohne die Arbeitsunfähigkeit erzielt worden wäre. Dazu gehören insbesondere das regelmäßige Grundgehalt sowie regelmäßig gezahlte Zulagen (z. B. Schicht-, Funktions- oder Erschwerniszuschläge), die üblicherweise anfallen.

Variable Vergütungsbestandteile

Variable Bestandteile wie Provisionen oder leistungsabhängige Boni werden einbezogen, soweit sie regelmäßig anfallen. Die Ermittlung geschieht üblicherweise anhand eines Durchschnitts der zurückliegenden Zeiträume. Einmalige, außergewöhnliche Zahlungen werden in der Regel nicht berücksichtigt.

Überstunden und Aufwandsersatz

Überstundenvergütung und Aufwendungsersatz (z. B. Reisekosten, Spesen) zählen nicht zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt. Pauschale, regelmäßig gezahlte Zuschläge können hingegen erfasst sein.

Steuern und Abgaben

Die Lohnfortzahlung unterliegt den gleichen Abzügen wie reguläres Arbeitsentgelt. Die Abrechnung erfolgt entsprechend der üblichen Entgeltabrechnung.

Pflichten während der Arbeitsunfähigkeit

Anzeigepflicht

Die Erkrankung ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, einschließlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Dies gilt auch bei Verlängerungen.

Nachweispflicht

Spätestens ab dem vierten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit ist eine ärztliche Bescheinigung erforderlich. Der Arbeitgeber kann den Nachweis auch früher verlangen. Bei fortdauernder Erkrankung sind Folgebescheinigungen vorzulegen.

Mitwirkung an der Genesung

Erwartet wird ein Verhalten, das die Genesung nicht beeinträchtigt. Tätigkeiten, die offensichtlich der Heilung entgegenstehen, können Auswirkungen auf den Anspruch haben.

Nachweis und Kontrolle

Ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsnachweis)

Die Bescheinigung weist Beginn und voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit aus. Die Diagnose wird dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt. Gesundheitsdaten sind besonders geschützt; der Arbeitgeber erhält keine Angaben zur Art der Erkrankung.

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Bei begründeten Zweifeln kann eine gutachterliche Überprüfung veranlasst werden, etwa durch den medizinischen Dienst der zuständigen Stelle. Die Einschätzung der objektiven Arbeitsunfähigkeit bleibt eine medizinische Frage.

Folgen fehlender Nachweise

Ohne fristgerechten Nachweis kann die Lohnfortzahlung ausgesetzt werden. Die Pflicht zur Anzeige und zum Nachweis besteht unabhängig davon, ob bereits zuvor krankheitsbedingte Ausfälle vorlagen.

Besondere Konstellationen

Probezeit und befristete Beschäftigung

Der Anspruch gilt auch während der Probezeit, sobald die vierwöchige Wartezeit erfüllt ist. Bei befristeten Verträgen endet die Lohnfortzahlung mit dem Vertragsende.

Teilzeit, Minijob und mehrere Beschäftigungen

Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte sind grundsätzlich anspruchsberechtigt. Bei mehreren Arbeitsverhältnissen wird für jedes Arbeitsverhältnis getrennt betrachtet, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt und welche Dauer der Anspruch hat.

Betriebsunfälle und Wegeunfälle

Arbeits- und Wegeunfälle werden wie krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit behandelt. Zusätzliche Leistungen anderer Träger können daneben bestehen, ohne den Grundsatz der Lohnfortzahlung zu verändern.

Kündigung und Freistellung

Bei Kündigung besteht die Lohnfortzahlung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fort, sofern ein Anspruch besteht. Eine einseitige Freistellung ändert die Grundsätze nicht; maßgeblich ist das Bestehen des Arbeitsverhältnisses.

Urlaub

Erkrankt eine Person während des genehmigten Urlaubs und weist dies nach, werden die betroffenen Tage nicht auf den Urlaub angerechnet. Die Lohnfortzahlung folgt in diesem Fall den allgemeinen Regeln.

Elternzeit, unbezahlter Sonderurlaub und Ruhen

Ruht die Arbeitspflicht mit der Folge, dass kein Entgelt geschuldet ist (z. B. unbezahlter Sonderurlaub), besteht für diesen Zeitraum grundsätzlich auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.

Verhältnis zu anderen Leistungen

Leistungen nach Ablauf der Lohnfortzahlung

Nach Ausschöpfen der Lohnfortzahlung können Leistungen aus der gesetzlichen Absicherung in Betracht kommen, etwa eine Entgeltersatzleistung. Deren Voraussetzungen und Höhe richten sich nach dem jeweiligen Versicherungsstatus.

Zusammenwirken mit Tarif- und Betriebsvereinbarungen

Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können ergänzende oder abweichende Regelungen zur Lohnfortzahlung enthalten, etwa zur Berechnung variabler Vergütungsbestandteile oder zu Fristen.

Ausschlüsse und Einschränkungen

Selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit

Wird die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt, besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung. Bei schwerem Eigenverschulden können Einschränkungen eintreten. Übliche Alltagsrisiken und sportliche Betätigung gelten regelmäßig nicht als anspruchsschädlich.

Verstöße gegen Anzeige- und Nachweispflichten

Unterbleibt die unverzügliche Anzeige oder wird der Nachweis nicht fristgerecht erbracht, kann dies den Anspruch für den betroffenen Zeitraum beeinträchtigen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie lange besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit?

Der Anspruch besteht für bis zu sechs Wochen je Krankheitsfall. Bei längerer Erkrankung endet die Lohnfortzahlung mit Ablauf dieses Zeitraums. Danach kommen andere Leistungen in Betracht, abhängig vom Versicherungsstatus.

Wann beginnt ein neuer Anspruch bei derselben Erkrankung?

Ein neuer Anspruch entsteht, wenn zwischen den Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung mindestens sechs Monate ununterbrochene Arbeitsfähigkeit lagen oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit zwölf Monate vergangen sind. Andernfalls werden die Zeiten zusammengerechnet.

Gilt die Lohnfortzahlung auch in der Probezeit und bei Minijobs?

Ja, der Anspruch gilt, sobald das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden hat. Das gilt auch für Beschäftigte in der Probezeit sowie für geringfügig Beschäftigte.

Welche Entgeltbestandteile werden fortgezahlt?

Fortgezahlt wird das Entgelt, das ohne die Erkrankung erzielt worden wäre. Dazu zählen regelmäßig das Grundgehalt und regelmäßig gezahlte Zulagen. Überstundenvergütung und Aufwendungsersatz werden üblicherweise nicht fortgezahlt. Variable Vergütungen werden entsprechend ihrer regelmäßigen Anfälligkeit berücksichtigt.

Muss die Erkrankung dem Arbeitgeber mitgeteilt werden?

Die Arbeitsunfähigkeit ist unverzüglich mitzuteilen. Spätestens ab dem vierten Kalendertag ist ein ärztlicher Nachweis erforderlich; der Arbeitgeber kann den Nachweis auch früher verlangen. Diagnosen müssen nicht offengelegt werden.

Was passiert, wenn die Arbeitsunfähigkeit während der Kündigungsfrist eintritt?

Der Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht während der Kündigungsfrist fort, solange das Arbeitsverhältnis besteht, und endet mit dessen Ablauf. Eine nachträgliche Verlängerung über das Vertragsende hinaus erfolgt nicht.

Wann kann der Anspruch wegen Eigenverschuldens entfallen?

Bei vorsätzlicher Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit entfällt der Anspruch. Bei schwerwiegendem Eigenverschulden können Einschränkungen bestehen. Gewöhnliche Risiken des täglichen Lebens führen in der Regel nicht zum Ausschluss.