Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung
Die Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung ist ein zentrales Element des Arbeitsrechts in Deutschland und gewährleistet, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für einen bestimmten Zeitraum weiterhin ihr regelmäßiges Arbeitsentgelt beziehen. Die gesetzlichen Grundlagen sind insbesondere im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt.
Gesetzliche Grundlagen der Lohnfortzahlung
Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist in Deutschland durch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt. Das Gesetz gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden. Es verpflichtet Arbeitgeber, im Falle einer durch Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von bis zu sechs Wochen das Gehalt weiterzuzahlen.
Persönlicher Anwendungsbereich
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung gilt für sämtliche Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Dazu zählen auch Teilzeitkräfte, Auszubildende und geringfügig Beschäftigte. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis länger als vier Wochen ununterbrochen bestanden hat (§ 3 Abs. 3 EFZG).
Sachlicher Anwendungsbereich
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf Krankheit beruht. Sie muss den Arbeitnehmer daran hindern, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen.
Voraussetzungen für den Anspruch auf Lohnfortzahlung
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit
Arbeitnehmer sind nur dann anspruchsberechtigt, wenn sie infolge einer Krankheit arbeitsunfähig sind. Die Arbeitsunfähigkeit ist durch eine ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) zu belegen, welche dem Arbeitgeber spätestens am vierten Kalendertag der Erkrankung vorliegen muss.
Kein Verschulden des Arbeitnehmers
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG entfällt der Anspruch, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat. Eigenes Verschulden kann beispielsweise bei grob fahrlässigem Verhalten oder bei Straftaten vorliegen.
Erneute Arbeitsunfähigkeit (Wartezeit und Blockfrist)
Der Anspruch besteht grundsätzlich ab Beginn des fünften Beschäftigungstags, sofern das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Erkrankung vier Wochen besteht. Erkrankt ein Arbeitnehmer erneut, ist die sogenannte Blockfrist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG) zu beachten: Nur bei einer neuen, eigenständigen Krankheit beginnt eine neue Frist für die Lohnfortzahlung.
Dauer und Höhe der Lohnfortzahlung
Zeitraum der Lohnfortzahlung
Die Lohnfortzahlung ist auf einen Zeitraum von sechs Wochen pro Krankheitsfall begrenzt. Treten innerhalb dieser Frist verschiedene eigenständige Krankheiten auf, kann der Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen neu entstehen.
Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts
Die Höhe der Lohnfortzahlung entspricht dem regelmäßigen Arbeitsentgelt (§ 4 EFZG), das dem Arbeitnehmer ohne Arbeitsunfähigkeit zugestanden hätte. Dazu zählen auch Zuschläge für Überstunden, Schichtarbeit und Sonntagsarbeit.
Sonderregelungen bei mehreren Krankheiten
Wenn während einer laufenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit eintritt, beginnt die Frist für die Lohnfortzahlung grundsätzlich nicht von Neuem. Erst wenn zwischen den Krankheiten eine mindestens sechsmonatige Gesundphase oder 12 Monate seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit vergangen sind, entsteht ein neuer Anspruch (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG).
Nachweispflichten und Mitwirkungspflichten
Anzeige- und Nachweispflichten
Arbeitnehmer sind verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 EFZG). Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss ab dem vierten Tag vorgelegt werden. Arbeitgeber können auch früher eine ärztliche Bescheinigung verlangen.
Verhaltenspflichten während der Krankheit
Arbeitnehmer müssen alles unterlassen, was der Genesung entgegensteht oder die Arbeitsunfähigkeit verlängern könnte. Ein Verstoß kann zum Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruchs führen.
Ausnahmen und Sonderfälle
Ausschlussgründe für Lohnfortzahlung
Kein Anspruch besteht bei Arbeitsverhinderung durch Eigenverschulden, z. B. Teilnahme an verbotenen Autorennen, oder wenn die Krankheit durch den Arbeitnehmer absichtlich herbeigeführt wurde.
Lohnfortzahlung bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit
Wird ein Arbeitnehmer nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, besteht nur dann ein erneuter Anspruch, wenn eine Gesundphase von mindestens sechs Monaten dazwischen lag oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit zwölf Monate verstrichen sind.
Regelungen in Tarifverträgen und Arbeitsverträgen
Abweichungen können sich aus Tarifverträgen oder einzelvertraglichen Regelungen ergeben, sofern sie für den Arbeitnehmer günstiger als die gesetzlichen Mindeststandards sind.
Verhältnis zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung
Nach Ablauf der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers tritt die gesetzliche Krankenversicherung mit der Zahlung von Krankengeld ein. Die Höhe des Krankengeldes ist gesetzlich auf 70 % des maßgeblichen Bruttoarbeitsentgelts (höchstens 90 % des Nettoeinkommens) beschränkt.
Lohnfortzahlung im internationalen Kontext
Anwendung bei grenzüberschreitenden Beschäftigungsverhältnissen
Für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer gelten je nach Arbeitsort und Arbeitsvertrag unterschiedliche Rechtsvorschriften. Im EU-Ausland beschäftigt, finden regelmäßig die Regelungen des jeweiligen Staates und das anwendbare Recht laut Rom-I-Verordnung Anwendung.
Steuerliche Behandlung
Die Lohnfortzahlung ist als laufender Arbeitslohn voll steuerpflichtig. Es gelten die üblichen Abzüge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer sowie der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen.
Beendigung und Ruhen des Anspruchs
Ruhen des Anspruchs
Der Anspruch auf Lohnfortzahlung ruht, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit Mutterschaftsgeld, Verletztenrente oder andere Entgeltersatzleistungen erhält, wobei das EFZG entsprechende Regelungen für eine Anrechnung vorsieht.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Lohnfortzahlung
Endet das Arbeitsverhältnis während einer rechtmäßigen Lohnfortzahlung – z. B. durch Kündigung oder Ablauf eines befristeten Vertrags – endet auch der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses.
Literatur und weiterführende Informationen
- Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
- Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
- Bundesarbeitsgericht (BAG) einschlägige Rechtsprechung
Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht über die Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung im deutschen Arbeitsrecht und beleuchtet die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen, Regelungen und Besonderheiten.
Häufig gestellte Fragen
Ab wann besteht Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall?
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht grundsätzlich erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Abs. 3 EFZG). Der Anspruch greift ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit, sofern dieses zeitliche Erfordernis erfüllt ist. Die Arbeitsunfähigkeit muss unverzüglich durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden, die spätestens am vierten Kalendertag der Krankheit beim Arbeitgeber vorliegen muss (§ 5 EFZG). Versäumt der Arbeitnehmer diese Nachweispflicht, kann der Arbeitgeber die Fortzahlung des Arbeitsentgelts verweigern, bis der Nachweis erbracht wird. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung ist zudem beschränkt auf eine Dauer von maximal sechs Wochen für dieselbe Krankheit. Kommt es zur Wiedererkrankung innerhalb von zwölf Monaten und besteht zwischenzeitlich Arbeitsfähigkeit von mindestens sechs Monaten, kann ein erneuter Sechs-Wochen-Anspruch entstehen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 1 Satz 2 EFZG).
Wie hoch ist die Lohnfortzahlung bei Krankheit?
Die Entgeltfortzahlung erfolgt in voller Höhe des regelmäßigen Arbeitsentgelts, das dem Arbeitnehmer bei tatsächlicher Arbeitsleistung zugestanden hätte (§ 4 EFZG). Dies umfasst das laufende Arbeitsentgelt einschließlich regelmäßiger Zulagen, Zuschläge für Sonntage, Feiertage und Nachtarbeit sowie auch geldwerte Vorteile, sofern diese im Rahmen der arbeitsvertraglichen Regelungen normalerweise gewährt werden. Unregelmäßige Zahlungen wie Überstundenvergütungen oder Prämien, die nicht fest zum Lohnbestandteil gehören, sind jedoch ausgeschlossen. Maßgeblich für die Berechnung ist das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten 13 Wochen vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei Provisions- oder Akkordlöhnen erfolgt ebenfalls eine Durchschnittsberechnung auf Grundlage der regelmäßigen Einkünfte.
Was passiert bei einer erneuten Arbeitsunfähigkeit während oder nach der Lohnfortzahlung?
Tritt während der Lohnfortzahlung eine weitere Erkrankung auf, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, so läuft die Sechs-Wochen-Frist nicht erneut an, sondern beide Erkrankungen werden zusammengerechnet, sofern sie sich überschneiden (§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Beginnt jedoch nach Beendigung einer ersten Arbeitsunfähigkeit innerhalb des Bezugszeitraums eine neue, auf einer anderen Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit, kann ein erneuter Anspruch auf Lohnfortzahlung entstehen – jedoch nur dann, wenn zwischen den Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit eine vollständige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und mindestens sechsmonatige Arbeitsfähigkeit vorliegt oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit mindestens zwölf Monate vergangen sind. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss für jede Erkrankung separat vorgelegt werden.
Gibt es Ausschlussgründe für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall?
Lohnfortzahlung kann versagt werden, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Grobes Verschulden meint dabei ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten, das zur Erkrankung führt, etwa bei Trunkenheit am Steuer oder bei einer Beteiligung an gefährlichen verbotenen Wettkämpfen. Auch bei Nichtbeachtung der Anzeigepflicht (§ 5 EFZG) oder fehlendem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit kann die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber vorübergehend eingestellt werden, bis der Arbeitnehmer seine Pflichten erfüllt. Ferner besteht für geringfügig Beschäftigte, Heimarbeiter im engeren Sinne (§ 8 EFZG) sowie für Arbeitnehmer in bestimmten Ausbildungsverhältnissen kein Anspruch.
Was ist bei Erkrankung während des Urlaubs zu beachten?
Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs und ist er somit arbeitsunfähig, werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage gemäß § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Voraussetzung ist jedoch, dass die Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird und der Arbeitnehmer die Erkrankung sowie die voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilt. Die ausgefallenen Urlaubstage gelten rechtlich als Krankheitstage und können später als Urlaubsanspruch nachgeholt werden. Für diese Zeit besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach EFZG.
Gilt die Lohnfortzahlung auch bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten?
Die Lohnfortzahlung gem. EFZG gilt auch im Fall einer Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls oder einer anerkannten Berufskrankheit. Der Arbeitgeber ist daher auch in diesen Fällen verpflichtet, bis zu sechs Wochen das Entgelt fortzuzahlen. Erst mit Ablauf dieser 6-Wochen-Frist übernimmt dann die zuständige gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) die Zahlung eines Verletztengeldes. Maßgeblich ist auch hierbei, dass kein grobes Verschulden oder vorsätzliches, den Unfall verursachendes Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt.
Müssen Sonderzahlungen oder variable Vergütungsbestandteile bei der Lohnfortzahlung berücksichtigt werden?
Bei der Berechnung der Lohnfortzahlung sind regelmäßig gezahlte Sonderzahlungen, wie beispielsweise Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, vermögenswirksame Leistungen sowie ein regelmäßig gezahltes 13. Monatsgehalt mit einzubeziehen, sofern die Zahlung als Teil des vertraglich geschuldeten Entgelts betrachtet wird. Nicht berücksichtigt werden jedoch Einmalzahlungen, reine Aufwendungsersatzleistungen, Trinkgelder oder Prämien, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt gezahlt werden. Variable Vergütungen wie Provisionen können einbezogen werden, wenn sie als wiederkehrender, vertraglich vereinbarter Entgeltbestandteil gelten und sich ein Gewohnheitsrecht entwickelt hat. Die konkrete Höhe wird dann durch einen repräsentativen Durchschnittszeitraum berechnet, üblicherweise die letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.