Definition und rechtliche Einordnung des Lohnanspruchs
Der Lohnanspruch ist ein zentrales Element des Arbeitsrechts und bezeichnet den schuldrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des Arbeitsentgelts gegenüber dem Arbeitgeber. Dieser Anspruch entsteht regelmäßig mit Abschluss eines Arbeitsvertrages und konkretisiert sich durch die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Der Lohnanspruch ist in Deutschland insbesondere durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sowie durch arbeitsvertragliche, tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen geprägt und unterliegt einer Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen.
Rechtsgrundlagen des Lohnanspruchs
Gesetzliche Grundlagen
Die maßgeblichen Normen finden sich im Wesentlichen in folgenden Regelwerken:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): §§ 611a ff. BGB regeln das Arbeitsverhältnis und den Austausch von Arbeitsleistung gegen Arbeitsentgelt.
- Gewerbeordnung (GewO): §§ 106 ff. GewO enthalten Bestimmungen zur Zahlung und Fälligkeit des Lohns.
- Tarifvertragsgesetz (TVG): Für tarifgebundene Arbeitsverhältnisse können spezielle tarifvertragliche Regelungen zum Lohnanspruch bestehen.
- Mindestlohngesetz (MiLoG): Schreibt einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn vor, der als Untergrenze nicht unterschritten werden darf.
Arbeitsvertragsrechtliche, tarifliche und betriebliche Regelungen können zu weitergehenden Ansprüchen führen, sofern sie zugunsten des Arbeitnehmers vom Gesetz abweichen.
Vertragliche und tarifliche Vereinbarungen
Neben den gesetzlichen Regelungen sind die im Arbeitsvertrag individuell vereinbarten oder kollektivrechtlich festgelegten Bedingungen maßgeblich. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können vom Gesetz abweichende, aber dem Arbeitnehmer günstigere Regelungen bezüglich Höhe, Zahlungsmodalitäten oder Fälligkeit des Lohns enthalten.
Anspruchsvoraussetzungen und Entstehung des Lohnanspruchs
Allgemeine Voraussetzungen
Der Anspruch auf Lohnzahlung setzt in der Regel voraus, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringt. Bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrages entsteht ein Grundsatzanspruch, der sich mit jeder tatsächlich geleisteten Arbeitsstunde konkretisiert.
Lohnanspruch ohne Arbeitsleistung
Nach dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ entsteht der Anspruch in der Regel nur bei tatsächlicher Arbeitsleistung. Hiervon bestehen zahlreiche Ausnahmen, welche gesetzlich definiert sind:
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) besteht ein Lohnanspruch bis zu sechs Wochen bei unverschuldeter Krankheit.
- Urlaubsentgelt: Während des Erholungsurlaubs besteht gemäß Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
- Annahmeverzug des Arbeitgebers: Leistet der Arbeitnehmer seine Arbeit an, verweigert der Arbeitgeber diese jedoch ohne berechtigten Grund, bleibt der Lohnanspruch bestehen (§ 615 BGB).
- Betriebsrisiko: Fällt die Arbeit aufgrund betrieblicher Ursachen (z. B. Maschinenausfall, Rohstoffmangel) aus, trägt der Arbeitgeber das Risiko (§ 615 Satz 3 BGB) und muss den Lohn weiterzahlen.
- Freistellungen: Bei bestimmten Freistellungen, beispielsweise zur Wahrnehmung eines Ehrenamtes, kann ein entsprechender Lohnanspruch bestehen.
Inhalt und Umfang des Lohnanspruchs
Lohnarten
Der Lohnanspruch kann unterschiedlich ausgestaltet sein und umfasst verschiedene Entgeltformen, darunter:
- Zeitlohn und Akkordlohn
- Stundenlohn, Monatslohn oder Jahreslohn
- Zuschläge und Sonderzahlungen (bspw. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld)
- Sachleistungen (z. B. Dienstwagen, Unterkunft)
Höhe des Lohnanspruchs
Die Höhe ergibt sich primär aus dem Arbeitsvertrag, kann jedoch durch Tarifverträge, gesetzliche Vorgaben (Mindestlohn) oder betriebliche Übung beeinflusst werden. Nach § 612 Abs. 2 BGB gilt im Zweifel die „übliche Vergütung“ als vereinbart.
Fälligkeit und Verjährung
Der Lohnanspruch wird je nach vertraglicher Vereinbarung regelmäßig zum Ende des Monats oder zu einem individuell vereinbarten Termin fällig. Gesetzlich ist dies in § 614 BGB geregelt. Ansprüche auf Arbeitsentgelt unterliegen der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren gemäß §§ 195, 199 BGB, können jedoch durch arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen weiter begrenzt werden.
Schutz und Durchsetzung des Lohnanspruchs
Unabdingbarkeit und Schutzvorschriften
Bestimmte Mindeststandards sind zwingend und können nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abbedungen werden, insbesondere Vorgaben zum Mindestlohn und zum Schutz vor diskriminierender Entlohnung (Entgelttransparenzgesetz, AGG).
Durchsetzungsmöglichkeiten
Der Lohnanspruch kann außergerichtlich oder gerichtlich, beispielsweise vor dem Arbeitsgericht, durchgesetzt werden. In Fällen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sichert das Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III den Lohnanspruch für bis zu drei Monate.
Ausschlussfristen
Tarif- und Arbeitsverträge enthalten häufig Ausschlussfristen, nach deren Ablauf die Durchsetzung des Lohnanspruchs ausgeschlossen ist. Typisch sind Fristen von drei Monaten ab Fälligkeit, in denen Ansprüche schriftlich geltend gemacht werden müssen.
Beendigung des Lohnanspruchs
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlischt der künftige Lohnanspruch, ausstehende Lohnforderungen bleiben jedoch weiterhin bestehen und können bis zur jeweiligen Verjährung geltend gemacht werden. Sonderregelungen gelten bei nicht genommenem Urlaub (Abgeltungsanspruch) oder rückständigem Gehalt (Schlussabrechnung).
Sonderfälle und praktische Aspekte
Lohnanspruch in besonderen Situationen
- Mutterschutz und Elternzeit: Während des Mutterschutzes und bei Inanspruchnahme von Elternzeit gelten gesonderte Regelungen für den Lohnanspruch.
- Kurzarbeit: Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ersetzt teilweise den regulären Lohnanspruch, die Höhe bestimmt sich nach sozialrechtlichen Vorschriften.
- Werkstudenten und Minijobber: Spezielle Regelungen betreffen geringfügige Beschäftigungen sowie Werkstudententätigkeiten.
Literatur und weiterführende Normen
Weiterführende Informationen bieten die einschlägigen Gesetzestexte (BGB, GewO, BRKG, MiLoG, EFZG), Fachbücher zum Arbeitsrecht sowie aktuelle Rechtsprechungen der Arbeitsgerichte.
Fazit:
Der Lohnanspruch bildet das rechtliche Fundament des Arbeitsverhältnisses und ist durch eine Vielzahl gesetzlicher, tariflicher und vertraglicher Regelungen geprägt. Arbeitnehmer sind durch verschiedene Schutzvorschriften und Mindeststandards besonders gesichert; gleichwohl können Ausschlussfristen und formelle Nachweispflichten beachtet werden, um den Anspruch erfolgreich durchzusetzen.
Häufig gestellte Fragen
Wann entsteht der Lohnanspruch des Arbeitnehmers?
Der Lohnanspruch eines Arbeitnehmers entsteht grundsätzlich mit der tatsächlichen Erbringung der Arbeitsleistung, wie sie im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Laut § 611a BGB schuldet der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung, sobald der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeit erbracht hat. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Tätigkeit oder deren Ergebnis, sofern keine besonderen Vereinbarungen (z. B. Erfolgsvergütung oder Akkordlohn) getroffen wurden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn keine schriftliche Vereinbarung zum Lohn getroffen wurde, da sich in diesem Fall die übliche Vergütung nach § 612 BGB ergibt. Bei Arbeitsverhältnissen besteht zudem regelmäßig eine Pflicht zur pünktlichen Lohnzahlung, wobei der Fälligkeitstermin entweder durch Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder § 614 BGB (Vergütung nach „Leistung der Dienste“ am Monatsende) bestimmt wird.
Besteht ein Lohnanspruch auch bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers?
Ja, der Lohnanspruch bleibt unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Arbeitsunfähigkeit bestehen. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hat ein Arbeitnehmer bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für bis zu sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber. Die Voraussetzung hierfür ist, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen besteht und die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich gemeldet und ärztlich bescheinigt wird. Nach Ablauf dieser Frist kann Krankengeld durch die Krankenkasse beansprucht werden. Ausnahmen oder Kürzungen dieses Anspruchs können nur bei grober Verletzung der Anzeige- und Nachweispflichten oder bei selbstverschuldeter Erkrankung greifen.
Was geschieht mit dem Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber in Zahlungsverzug gerät?
Wenn der Arbeitgeber sich im Zahlungsverzug befindet, also den Lohn nicht oder nicht fristgerecht zahlt, kann der Arbeitnehmer gemäß § 288 BGB Verzugszinsen verlangen und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen. Der Verzug tritt automatisch mit Ablauf des Fälligkeitstermins ein, ohne dass es einer gesonderten Mahnung bedarf. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die ausstehende Vergütung gerichtlich geltend zu machen und im Falle eines anhaltenden Zahlungsverzugs unter Umständen die Arbeitsleistung zu verweigern (Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB). Auch eine fristlose Kündigung wegen ausbleibender Lohnzahlung ist im Ausnahmefall rechtlich möglich.
Kann der Lohnanspruch verjähren?
Ja, der Lohnanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB, die drei Jahre beträgt und am Ende des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Darüber hinaus finden häufig tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen Anwendung, die eine deutlich kürzere Frist (meist drei Monate) für die schriftliche Geltendmachung von Lohnansprüchen vorsehen. Werden diese Fristen nicht eingehalten, ist der Anspruch unabhängig von der gesetzlichen Verjährung erloschen. Es empfiehlt sich daher, etwaige Ansprüche möglichst frühzeitig schriftlich geltend zu machen.
Besteht ein Lohnanspruch auch bei Annahmeverzug des Arbeitgebers?
Ja, befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug, also nimmt er die angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht an, behält der Arbeitnehmer gemäß § 615 BGB seinen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Zusätzlich gehen für die ausgefallene Zeit keine Sozialleistungen oder Urlaubstage verloren. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten hat und zur Arbeitsaufnahme bereit war. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht unabhängig von einem tatsächlichen Arbeitsangebot bei fest vereinbarten Arbeitszeiten.
Besteht ein Lohnanspruch bei Kurzarbeit oder Arbeitsausfall?
Im Falle von Kurzarbeit ist der reguläre Lohnanspruch grundsätzlich reduziert, da der Arbeitgeber die Vergütung nur im Umfang der geleisteten Arbeit schuldet. Für die ausfallende Arbeitszeit kann Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit beansprucht werden, welches 60 bis 67 % des entgangenen Nettolohns beträgt. Die Einführung von Kurzarbeit bedarf jedoch stets einer arbeitsvertraglichen, tariflichen oder betrieblichen Grundlage und darf nicht einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden. Bei vollständigem Arbeitsausfall aus anderen Gründen (z. B. Betriebsstörung durch höhere Gewalt) kann unter bestimmten Voraussetzungen dennoch ein Lohnanspruch bestehen, insbesondere, wenn der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt (sog. Betriebsrisikolehre, § 615 Satz 3 BGB).
Unter welchen Voraussetzungen kann der Lohnanspruch gepfändet werden?
Ein Lohnanspruch kann grundsätzlich gepfändet werden, wenn eine vollstreckbare Forderung gegen den Arbeitnehmer vorliegt. Nach §§ 850 ff. ZPO ist jedoch ein bestimmter Teil des Arbeitseinkommens unpfändbar, um dem Schuldner und seiner Familie das Existenzminimum zu sichern (Pfändungsfreigrenzen). Nur darüberhinausgehende Beträge können vom Gläubiger gepfändet werden. Die Pfändung erfolgt durch Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Arbeitgeber, der daraufhin verpflichtet ist, den pfändbaren Teil des Lohnes an den Gläubiger abzuführen. Besondere Regelungen gelten bei Unterhaltsschulden und mehreren Unterhaltsverpflichtungen, wobei sich die Freigrenzen entsprechend erhöhen können.