Begriff und rechtliche Grundlagen der Lohnabzüge
Lohnabzüge bezeichnen im deutschen Arbeits- und Steuerrecht die gesetzlichen und vertraglichen Abzüge, die vom Bruttolohn oder -gehalt eines Arbeitnehmers vor der Auszahlung des Nettoentgelts vorgenommen werden. Sie umfassen insbesondere Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge, daneben aber auch weitere rechtlich zulässige Abzugspositionen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Lohnabzüge erstrecken sich über verschiedene Gesetze des Steuer-, Sozialversicherungs-, und Arbeitsrechts, wobei das Ziel des Gesetzgebers insbesondere der Schutz des Arbeitnehmers vor übermäßigen oder ungerechtfertigten Lohnminderungen ist.
Abgrenzung: Lohnabzug, Lohnrückbehalt, Lohnpfändung
Im Gegensatz zum Lohnabzug, der regelmäßig und gesetzlich normiert erfolgt, handelt es sich beim Lohnrückbehalt um eine vorübergehende Einbehaltung des Lohns durch den Arbeitgeber beispielsweise bei Arbeitsverweigerung (§ 273 BGB). Unter Lohnpfändung versteht man hingegen die rechtlich erzwungene Abführung von Gehaltsanteilen zur Befriedigung von Gläubigern des Arbeitnehmers gemäß §§ 850 ff. ZPO.
Gesetzliche Grundlagen der Lohnabzüge
Sozialversicherungsbeiträge
Übersicht der Sozialversicherungszweige
Zu den regelmäßigen Lohnabzügen zählen die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, bestehend aus:
- Rentenversicherung (§§ 1, 168 SGB VI)
- Krankenversicherung (§ 249 SGB V)
- Pflegeversicherung (§ 58 SGB XI)
- Arbeitslosenversicherung (§§ 19, 341 SGB III)
- Unfallversicherung (zumeist vollständig arbeitgeberseitig getragen, § 150 SGB VII)
Die Abführung der Arbeitnehmeranteile ist dabei rechtlich verpflichtend und gilt als Bringschuld des Arbeitgebers (siehe §§ 28a-28r SGB IV).
Höhe und Aufteilung
Die Beitragssätze und deren prozentuale Aufteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern werden gesetzlich oder durch Rechtsverordnung festgelegt und regelmäßig angepasst.
Abführung der Lohnsteuer
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Lohnsteuer für alle Beschäftigten einzubehalten und gemeinsam mit dem Solidaritätszuschlag sowie gegebenenfalls der Kirchensteuer (nach § 38 EStG) an das zuständige Finanzamt abzuführen.
Steuerklassen und Einfluss auf die Höhe der Lohnabzüge
Maßgeblich für die Berechnung der Lohnsteuer sind die individuellen Steuermerkmale, insbesondere die Steuerklasse, Kirchenzugehörigkeit und etwaige Freibeträge, welche im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt werden.
Weitere gesetzliche Abzüge
Neben Steuern und Sozialabgaben existiert eine Vielzahl sonstiger gesetzlicher Lohnabzüge, zum Beispiel:
- Pfändungen aufgrund vollstreckbarer Titel (§§ 850 ff. ZPO)
- Insolvenzgeldumlage (§§ 358-361 SGB III)
- Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 242 SGB V)
Vertragliche und einvernehmliche Lohnabzüge
Gesetzliche Zulässigkeit und Grenzen
Über gesetzlich vorgeschriebene Abzüge hinaus kann der Arbeitgeber nur dann weitergehende Lohnabzüge vornehmen, wenn dies im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag rechtswirksam vereinbart wurde und diese Regelungen mit zwingendem Recht, insbesondere dem Schutz des pfändungsfreien Arbeitsentgelts, vereinbar sind.
Beispiele zulässiger vertraglicher Lohnabzüge
- Überlassung von Arbeitsmitteln bei schuldhaftem Verlust durch den Arbeitnehmer (gedämpft durch das sog. „innerbetriebliche Schadensausgleichssystem“)
- Abzüge für Betriebswohnungen oder Werksverpflegung (unter Beachtung des Mindestlohns und des § 107 GewO)
- Vorschüsse oder gewährte Darlehen an den Arbeitnehmer
Pfändungsschutz und Grenzen der Lohnabzüge
Schutz des Existenzminimums (§ 850c ZPO)
Der Gesetzgeber schützt das Existenzminimum durch die Bestimmung von unpfändbaren Einkommensanteilen. Die Lohnpfändung und gesetzlich zulässige Lohnabzüge dürfen nicht dazu führen, dass das Existenzminimum des Arbeitnehmers unterschritten wird.
Mindestlohngarantie und Abzugsverbote
Lohnabzüge dürfen den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 MiLoG) nicht unterschreiten. Verboten sind daher sämtliche Abzüge, die zu einem Unterschreiten des Mindestlohnniveaus führen (§ 3 MiLoG).
Arbeitgeberpflichten im Zusammenhang mit Lohnabzügen
Abführung und Dokumentation
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sämtliche Lohnabzüge korrekt und fristgerecht vorzunehmen, abzuführen und dem Arbeitnehmer eine nachvollziehbare Abrechnung zu erteilen (§ 108 GewO). Fehlerhafte oder unterlassene Abführungen können haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Informationspflichten
Es besteht eine umfassende Informationspflicht über Art und Höhe der einzelnen Lohnabzüge. Diese muss für den Arbeitnehmer auf der Lohnabrechnung transparent erkennbar sein.
Folgen unzulässiger Lohnabzüge
Werden unzulässige oder überhöhte Lohnabzüge vorgenommen, kann der Arbeitnehmer die zu viel einbehaltenen Beträge gegebenenfalls zurückfordern und sich auf die Unwirksamkeit der zugrundeliegenden Regelung berufen. In gravierenden Fällen können Bußgelder oder Strafbarkeit wegen Vorenthaltung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB im Raum stehen.
Fazit
Lohnabzüge sind ein zentraler Bestandteil des Arbeitsverhältnisses und dienen in erster Linie der Erfüllung gesetzlicher Abgabepflichten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen dem Arbeitgeber allerdings klare Grenzen, um das wirtschaftliche Existenzminimum des Arbeitnehmers und einen fairen Lohnschutz sicherzustellen. Entsprechende Sorgfalt bei der Berechnung, Abführung und Dokumentation sämtlicher Lohnabzüge ist daher geboten.
Häufig gestellte Fragen
Welche Lohnabzüge sind gesetzlich zulässig?
Arbeitgeber dürfen nur bestimmte, im Gesetz geregelte oder durch Tarifvertrag beziehungsweise Betriebsvereinbarung erlaubte Lohnabzüge vom Bruttolohn vornehmen. Zu den gesetzlich zulässigen Abzügen zählen insbesondere die Lohnsteuer, der Solidaritätszuschlag, gegebenenfalls die Kirchensteuer sowie die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung). Darüber hinaus können Pfändungen oder Abtretungen auf Grundlage eines vollstreckbaren Titels zulässig sein; dies ist regelmäßig durch das Zivilprozessrecht (ZPO) und das Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Unerlaubt sind hingegen Abzüge, die weder durch Gesetz, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag gedeckt sind, wie etwa pauschale Strafzahlungen für Fehler oder Schäden, es sei denn, es besteht eine eindeutige vertragliche Vereinbarung im Einklang mit gesetzlichen Vorgaben.
Müssen Arbeitnehmer über Lohnabzüge informiert werden?
Ja, gemäß § 108 Gewerbeordnung (GewO) sind Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmern eine nachvollziehbare schriftliche Abrechnung über die Zusammensetzung ihres Arbeitsentgelts, einschließlich aller Abzüge, zu erteilen. Diese Pflicht gilt mindestens einmal monatlich oder zu jedem Auszahlungstermin. Die Abrechnung muss Art und Höhe der einzelnen Abzüge präzise ausweisen. Insbesondere bei nicht dauerhaften oder variablen Abzügen (z. B. Sachbezüge, Pfändungen, Vorschüsse) ist die separate Ausweisung gesetzlich vorgeschrieben. Bei unklaren oder nicht nachvollziehbaren Abzügen haben Arbeitnehmer ein Auskunfts- und Einsichtsrecht in die Berechnungsgrundlagen.
Welche Einschränkungen gibt es bei Abzügen für verursachte Schäden oder Fehlbeträge?
Durch § 276 BGB und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist geregelt, dass Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers nur unter engen Voraussetzungen durch Lohnabzug geltend gemacht werden dürfen. Die Haftung des Arbeitnehmers richtet sich dabei nach dem verschuldeten Maß: Leichte Fahrlässigkeit führt in der Regel zu keiner Haftung, während bei mittlerer oder grober Fahrlässigkeit eine anteilige oder volle Haftung möglich ist. Ein pauschaler Abzug für Kassendifferenzen oder Fehlbeträge ohne expliziten Nachweis eines Verschuldens ist unzulässig. Zudem sind Sorgfaltspflichten und das sogenannte „Mankogeld“ zu berücksichtigen. Soweit der Arbeitnehmer in bar mit Kundengeldern umgeht, muss eine eindeutige, rechtmäßig vereinbarte Haftungsregelung vorliegen, die gesetzlichen Vorgaben genügt.
Wie sind Pfändungen und Abtretungen vom Lohn rechtlich zu behandeln?
Lohnpfändungen sind nur aufgrund eines vollstreckbaren gerichtlichen Titels und unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zulässig (§§ 850 ff. ZPO). Das pfändbare Arbeitseinkommen wird durch die sogenannte Pfändungstabelle und die individuellen Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers bestimmt; nicht pfändbare Anteile bleiben unberührt. Bei Abtretungen und Pfändungen muss der Arbeitgeber die gesetzlichen Schutzvorschriften, insbesondere zum Existenzminimum und zur Unpfändbarkeit bestimmter Lohnbestandteile, strikt beachten. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer schriftlich über die erfolgte Lohnpfändung und deren Umfang zu informieren (§ 833 ZPO).
Ist eine einseitige Vereinbarung zu weiteren Abzügen durch den Arbeitgeber zulässig?
Nein, Zusatzabzüge wie etwa für Dienstkleidung, Werkzeug, Fortbildungen oder private Telefonate erfordern eine ausdrückliche, individuelle oder kollektivrechtliche Vereinbarung. Einseitige Willenserklärungen oder unangekündigte Abzüge des Arbeitgebers sind unzulässig und verstoßen gegen das Verbot des Lohnabzugs nach § 399 BGB sowie gegen das Prinzip der Vertragsfreiheit. Eine vertragliche Vereinbarung muss zudem klar und verständlich gestaltet sein, überraschende Klauseln sind nach § 305c BGB unwirksam. Bei unzulässigen oder nicht vereinbarten Abzügen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Nachzahlung beziehungsweise Rückerstattung.
Wie sind Fehler bei Lohnabzügen zu korrigieren?
Fehlerhafte Lohnabzüge sind vom Arbeitgeber unverzüglich zu korrigieren. Liegt ein zu hoher Abzug vor, muss dem Arbeitnehmer der entsprechende Betrag nachgezahlt werden, ggf. unter Berücksichtigung von Verzugszinsen. Bei zu geringen Abzügen – etwa fehlerhaft abgeführter Lohnsteuer oder Sozialversicherungsbeiträge – haftet grundsätzlich der Arbeitgeber gegenüber den Einzugsstellen, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen Nachforderungen vom Arbeitnehmer verlangen (§ 28g SGB IV, § 42d EStG). Die Korrektur muss transparent und nachvollziehbar in der nächsten Abrechnung erfolgen. Arbeitnehmer haben das Recht, auf eine fehlerfreie Lohnabrechnung zu bestehen und können gegebenenfalls arbeitsrechtliche und zivilrechtliche Ansprüche (z.B. über das Arbeitsgericht) geltend machen.