Legal Lexikon

Liegegeld


Definition und Rechtsnatur des Liegegelds

Das Liegegeld ist ein im deutschen Zivilrecht, insbesondere im Transport- und Hafenrecht, relevanter Begriff, der sowohl im Gütertransport auf Straßen als auch im See- und Binnenschiffsverkehr Anwendung findet. Es bezeichnet eine vertraglich oder gesetzlich begründete Vergütung, die ein Gläubiger für die Bereitstellung eines Transportmittels oder einer Umschlagstelle über eine vereinbarte Zeit hinaus verlangen kann, wenn der Schuldner seiner Verpflichtung zur Be- oder Entladung nicht fristgerecht nachkommt. Liegegeld ist somit ein wirtschaftliches Äquivalent für die Blockierung von Umschlagsressourcen und Transportmitteln durch Verzögerungen im Ladungsumschlag.

Rechtliche Grundlagen des Liegegelds

Anwendung im See- und Binnenschifffahrtsrecht

Im Seehandelsrecht ist das Liegegeld insbesondere im Zusammenhang mit der Frachtführung und den sogenannten Lade- und Löschfristen von Bedeutung. Für die Vereinbarung und die Höhe des Liegegeldes sind häufig die §§ 547 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Verbindung mit den jeweiligen Charterverträgen maßgeblich. Dort ist geregelt, inwieweit der Befrachter dem Verfrachter eine Vergütung für Wartezeiten, die durch Verzögerungen beim Be- oder Entladen entstehen, schuldet.

Lade- und Löschfristen

Nach § 548 HGB hat der Verfrachter das Schiff innerhalb einer bestimmten Lade- beziehungsweise Löschfrist bereitzustellen. Überschreitet der Befrachter diese Frist, entsteht das Recht, Liegegeld zu verlangen. Die Regelungen zielen darauf ab, wirtschaftliche Nachteile für den Verfrachter aus der Blockierung seines Schiffes auszugleichen und Anreize zu einer fristgerechten Abwicklung des Ladungsumschlags zu schaffen.

Höhe des Liegegelds

Die Höhe des Liegegelds kann vertraglich frei vereinbart werden. Fehlt eine solche Vereinbarung, gilt gemäß § 552 HGB das „übliche Liegegeld“ (Ortsgebrauch oder branchenübliche Raten). Findet sich auch dazu kein Anhaltspunkt, ist eine angemessene Vergütung zu entrichten, die sich an Aufwand und entgangenem Nutzen des Verfrachters orientiert.

Anwendung im Straßen- und Güterkraftverkehr

Im Güterkraftverkehr kommt das Liegegeld insbesondere im Zusammenhang mit der Verzögerung beim Be- oder Entladen von Lkw zum Tragen. Hier kann sich das Recht auf das Liegegeld aus allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), beispielsweise §§ 280 und 286 BGB (Verzug des Schuldners), ergeben, sowie aus branchenspezifischen AGB wie etwa den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp).

Anwendung im Hafenrecht

Im Hafenbetrieb ist das Liegegeld als Teil der Hafengebühren geregelt, wenn ein Schiff den Liegeplatz über die zugestandene Zeit hinaus belegt. Hafensatzungen und Nutzungsordnungen bestimmen hier die Voraussetzungen und die Höhe des fälligen Liegegelds.

Funktion und Zweck des Liegegelds

Das Liegegeld hat die Funktion, einen finanziellen Ausgleich für den Zeitraum zu schaffen, in dem das Transportmittel oder der Liegeplatz nicht vertragsgemäß genutzt werden kann. Es vermindert das Risiko wirtschaftlicher Nachteile für die Eigentümer von Schiffen und Lkw und dient als Druckmittel für die rechtzeitige Be- und Entladung. Daneben spiegelt das Liegegeld einen Schadensersatz-ähnlichen Charakter wider, ohne dass es stets auf einen konkreten Schaden ankommt.

Voraussetzung und Entstehung des Liegegeldanspruchs

Vertragliche Regelungen

Der Anspruch auf Liegegeld entsteht grundsätzlich dann, wenn der Vertragspartner schuldhaft seiner Lade- oder Entladeverpflichtung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist nachkommt. Die vertraglichen Regelungen genießen dabei Vorrang.

Gesetzliche Anspruchsgrundlagen

Liegegeldansprüche beruhen, wenn keine ausdrückliche Vereinbarung vorliegt, auf den gesetzlichen Regelungen des Fracht- und Seehandelsrechts, der Nutzungssatzungen von Häfen oder den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zum Verzug.

Verzugsgründe und Haftung

Der Schuldner muss den Verzug bei der Ladungsabwicklung mindestens fahrlässig verschuldet haben. Rechtlich relevant sind dabei typische Verzögerungsgründe, etwa organisatorische Mängel, Verspätung durch Vorunternehmer oder verspätete Bereitstellung der Ladung.

Abgrenzung zu anderen Ansprüchen

Das Liegegeld ist vom allgemeinen Schadensersatzanspruch wegen Verzuges oder Nichterfüllung zu unterscheiden. Während ein Schadensersatzanspruch den konkreten Ausgleich des eingetretenen wirtschaftlichen Nachteils bezweckt, stellt das Liegegeld eine pauschale Vergütung für die Verzögerung dar. Liegegeld kann unabhängig von einem tatsächlich nachweisbaren Schaden zu zahlen sein, wohingegen Schadensersatz einen entsprechenden Nachweis erfordert.

Liegegeld in der Praxis: Berechnung und Durchsetzung

Berechnungsmethodik

In der Praxis wird das Liegegeld häufig auf Tages- oder Stundenbasis berechnet. Der Berechnungszeitraum beginnt nach Ablauf der Lade- oder Löschfrist und endet mit der tatsächlichen Beendigung der Blockade des Transportmittels oder Liegeplatzes. Für die genaue Berechnung sind die jeweiligen Vertragsbedingungen oder die einschlägigen Hafengebührenordnungen maßgeblich.

Geltendmachung und Durchsetzung

Die Geltendmachung des Liegegeldes erfolgt regelmäßig durch Rechnungsstellung, wobei der Schuldner in Annahmeverzug geraten kann. Bestehen Streitigkeiten über den Anspruch, kommt eine gerichtliche Durchsetzung, etwa mittels Klage auf Zahlung oder im Wege des Mahnverfahrens, in Betracht.

Steuerliche Behandlung des Liegegelds

Liegegeldzahlungen stellen beim Empfänger eine Betriebseinnahme dar und sind entsprechend steuerlich zu erfassen. Beim Zahlenden sind sie als Betriebsausgaben abziehbar, sofern sie betrieblich veranlasst sind. Im internationalen Kontext können besondere umsatzsteuerliche Regelungen je nach Ort der Leistungserbringung greifen.

Zusammenfassung

Das Liegegeld ist ein vertraglich oder gesetzlich normierter Anspruch auf Vergütung bei Verzögerungen in der Be- und Entladung von Transportmitteln oder der Nutzung von Liegeplätzen. Es ist integraler Bestandteil des Transport-, Hafen- und Logistikrechts und dient der wirtschaftlichen Kompensation von Nutzungsausfällen. Die rechtlichen Voraussetzungen und die Berechnung stützen sich auf die jeweils geltenden vertraglichen, gesetzlichen oder ortsüblichen Regelungen. Das Liegegeld leistet so einen wichtigen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des modernen Güterverkehrs und der Hafenwirtschaft.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht aus rechtlicher Sicht ein Anspruch auf Liegegeld?

Ein Anspruch auf Liegegeld entsteht rechtlich grundsätzlich dann, wenn eine Ware nach ihrer Anlieferung nicht innerhalb der vereinbarten, üblichen oder im Handelsbrauch festgesetzten Frist vom Empfänger abgeholt oder weitertransportiert wird. Zentrale Voraussetzung ist, dass zwischen den Parteien – in der Regel Frachtführer, Lagerhalter und Empfänger – eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen (z.B. §§ 467 ff. HGB für das Frachtrecht) getroffen wurde. Das Liegegeld dient als Ausgleich für die durch verzögerte Freigabe oder verspätete Abholung entstehenden Kosten und wird regelmäßig als pauschalierter Schadensersatz erachtet. Zudem kann sich der Anspruch auf Liegegeld auch aus einem sogenannten Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) ergeben, wenn der Empfänger die rechtzeitig und ordnungsgemäß angebotene Ware nicht entgegennimmt, und dadurch dem Frachtführer/Lagerhalter Mehraufwendungen entstehen.

Welche Parteien können rechtlich Liegegeld fordern oder schulden?

Liegegeld kann rechtlich von demjenigen gefordert werden, der tatsächlich oder rechtlich die Möglichkeit zur Nutzung eines Lager- oder Umschlagsplatzes bereitstellt. Dies sind typischerweise der Frachtführer, Lagerhalter, Terminalbetreiber oder Reeder gegenüber demjenigen, der für die rechtzeitige Abnahme oder Weiterverfügung der Ware verantwortlich ist, oft der Empfänger oder auch der Absender. Die Berechtigung zur Forderung kann vertraglich geregelt sein oder sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben. Schuldner des Liegegelds ist meist der Empfänger, kann aber auch – je nach Vertragsgestaltung und den zugrunde liegenden Incoterms oder anderen Bedingungen – der Absender oder ein Dritter sein, sofern diese wesentlichen Einfluss auf die Verzögerung nehmen.

Welche gesetzlichen Regelungen gelten für Liegegeld im deutschen Recht?

Im deutschen Recht existieren keine expliziten, eigenständigen Gesetzesnormen, die Liegegeld umfassend und ausschließlich regeln. Vielmehr ergeben sich die Ansprüche häufig aus allgemeinen Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB), insbesondere den Vorschriften zum Frachtrecht (§§ 467 ff. HGB), wenn es sich um einen Frachtvertrag handelt. Hier kann beispielsweise Liegegeld als „Vergütung für Wartezeiten“ oder wegen Annahmeverzugs gefordert werden. Daneben sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere zum Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB) und zum Schadensersatz, anzuwenden. Im See- oder Binnenschiffsverkehr kommen zudem spezifische Regelungen nach dem Seefrachtrecht (§§ 476 ff. HGB) oder anderen einschlägigen Gesetzen und Verordnungen zur Anwendung.

Kann Liegegeld auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung geschuldet sein?

Ja, Liegegeld kann unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung geschuldet sein. In solchen Fällen greifen gesetzliche Vorschriften wie z.B. der Annahmeverzug nach § 304 BGB, der den Ersatz von Mehraufwendungen regelt, die dem Gläubiger durch das Ausbleiben der Abnahme entstehen. Zudem kann sich ein Anspruch auf Liegegeld aus der Verkehrssitte oder dem Handelsbrauch ergeben, sofern dies in der jeweiligen Branche anerkannt ist. In der Praxis sind jedoch klare vertragliche Absprachen, AGB oder tarifliche Regelungen die häufigste Grundlage für die Berechnung und Durchsetzung von Liegegeldforderungen, da sie etwaige Streitigkeiten über Höhe, Fälligkeit und Modalitäten vermeiden helfen.

Wie wird das Liegegeld rechtlich berechnet und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Die Berechnung des Liegegeldes richtet sich rechtlich nach dem jeweiligen Vertrag, tariflichen Vereinbarungen, branchenüblichen Sätzen oder – wenn all dies fehlt – nach einer angemessenen Pauschale, die Mehraufwendungen und entgangenen Gewinn des Lagerhalters oder Frachtführers abdeckt. Zu berücksichtigen sind dabei Faktoren wie die tatsächliche Dauer der Liegezeit, die Art und Menge des Gutes, der genutzte Lagerraum sowie etwaige Sonderleistungen (z.B. Bewachung, Temperaturkontrolle). In bestimmten Bereichen (insbesondere in Häfen oder Güterverkehrszentren) gibt es verbindliche Liegegeldsätze, die z.B. durch Tarifordnungen oder Hafenordnungen bestimmt sind. Bei gerichtlicher Geltendmachung muss der Anspruchsteller die Entstehung, Dauer und Höhe des Mehraufwands substantiiert darlegen und gegebenenfalls nachweisen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung und Absicherung von Liegegeldansprüchen bestehen?

Zur Durchsetzung eines Liegegeldanspruchs stehen dem Berechtigten verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Zunächst ist die schriftliche Geltendmachung beim Schuldner üblich. Kommt es zu keiner Einigung, kann eine gerichtliche Klage auf Zahlung des Liegegelds erhoben werden. Darüber hinaus kann im Bereich des Fracht- und Lagerrechts ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht oder ein Pfandrecht am Frachtgut gemäß §§ 440, 464 HGB genutzt werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Sicherungsrechte ermöglichen, die Herausgabe des Gutes so lange zu verweigern, bis das Liegegeld nebst aller sonstigen offenen Forderungen beglichen wurde.

Welche Rechtsfolgen treten ein, wenn Liegegeld nicht rechtzeitig gezahlt wird?

Wird das Liegegeld nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Gläubiger – abgesehen von etwaigen Verzugszinsen (§ 288 BGB) – nach erfolgloser Mahnung gerichtliche Maßnahmen ergreifen oder das Zurückbehaltungs- bzw. Pfandrecht am Gut ausüben. In schwerwiegenden Fällen und unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen besteht sogar die Möglichkeit der Verwertung des Pfandgutes zur Befriedigung der rückständigen Liegegeldforderung (§§ 1234 ff. BGB, § 475b HGB). Weiterhin können Folgeansprüche, wie weitere Aufwendungen oder zusätzlicher Schadensersatz, geltend gemacht werden, die aus der verspäteten Zahlung resultieren.