Legal Lexikon

Lieferkette


Begriff und rechtliche Einordnung der Lieferkette

Die Lieferkette (Supply Chain) ist ein zentraler Begriff im nationalen und internationalen Wirtschaftsrecht. Sie umfasst sämtliche Stufen der Wertschöpfung, von der Rohstoffgewinnung über die Verarbeitung zu Halbfabrikaten und Endprodukten bis hin zur Verteilung an Verbraucher. Aus rechtlicher Sicht ist die Lieferkette durch weitreichende regulatorische Anforderungen und Pflichten geprägt, die Unternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit beachten müssen.

Definition der Lieferkette

Im rechtlichen Sinn bezeichnet die Lieferkette alle Unternehmensaktivitäten und -beziehungen entlang des Produktions- und Handelswegs eines Produkts oder einer Dienstleistung. Sie erstreckt sich über mehrere Stufen, beginnend mit der Gewinnung der Grundstoffe bis zum Vertrieb an Endkonsumenten. Rechtlich relevant sind dabei sowohl direkte vertragliche Beziehungen als auch indirekte Beziehungen zu Subunternehmern, Zulieferern und Dienstleistern.

Rechtliche Grundlagen der Lieferkette

Europäische und nationale Regelungen

Verschiedene europäische und nationale Gesetze regeln die Anforderungen an Unternehmen im Hinblick auf die Gestaltung und Kontrolle ihrer Lieferketten. Insbesondere im Fokus stehen:

  • Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
  • EU-Richtlinie zur Corporate Sustainability Due Diligence (CSDDD)
  • Handelsrechtliche Vorschriften in HGB, BGB und internationalen Abkommen
  • Regelungen im internationalen Privatrecht und UN-Kaufrecht (CISG)
  • Umweltrechtliche und arbeitsrechtliche Vorgaben

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Das LkSG verpflichtet Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland ab einer bestimmten Unternehmensgröße, die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer gesamten Lieferkette sicherzustellen. Die Verpflichtungen erstrecken sich auf sämtliche unmittelbare und vermittelte Zulieferer, sofern diese mit potenziellen menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken in Verbindung stehen.

Internationale Übereinkommen

Internationale Standards, wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, dienen als Rahmenwerk für die Ausgestaltung rechtlicher Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Sie erkennen die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette an.

Sorgfaltspflichten in der Lieferkette

Wesentliche Pflichten und Maßnahmen

Das Recht sieht für Unternehmen umfangreiche Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Lieferkette vor:

  • Risikomanagement: Identifikation, Bewertung und Steuerung von Risiken innerhalb der gesamten Lieferkette.
  • Präventionsmaßnahmen: Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Vorbeugung von Verstößen gegen menschenrechtliche, umweltbezogene und arbeitsrechtliche Standards.
  • Abhilfemaßnahmen: Entwicklung von Verfahren zur Schadensbeseitigung im Falle von Rechtsverletzungen in der Lieferkette.
  • Beschwerdemechanismen: Einrichtung von Melde- und Beschwerdeverfahren für (potenzielle) Betroffene entlang der Lieferkette.
  • Dokumentations- und Berichtspflichten: Umfangreiche Pflicht zur Dokumentation und Offenlegung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten.

Haftung und Sanktionen

Verstöße gegen gesetzliche Regelungen zur Lieferkette können zur Haftung des Unternehmens führen. Die gesetzlichen Sanktionen reichen dabei von Verwaltungs- und Bußgeldern bis hin zum Ausschluss von öffentlichen Vergaben. Zusätzlich haften Unternehmen unter Umständen für Schäden, die infolge unterlassener Sorgfalt in der Lieferkette Dritten entstehen.

Überwachung und Durchsetzung

Die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen entlang der Lieferkette wird durch zuständige Behörden überwacht. In Deutschland etwa kontrolliert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Umsetzung der Pflichten nach dem LkSG. Unternehmen sind verpflichtet, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten und Prüfungen zu unterstützen.

Verträge und Vertragsgestaltungen in der Lieferkette

Vertragsstruktur und Inhalt

Für die rechtssichere Abwicklung von Lieferkettenbeziehungen spielen Verträge eine zentrale Rolle. Typische Vertragstypen in der Lieferkette sind:

  • Lieferverträge
  • Subunternehmerverträge
  • Dienstleistungs- und Werkverträge
  • Verträge zur Lagerung und zum Transport

Maßgeblich sind dabei Vereinbarungen zu Leistungsumfang, Lieferfristen, Qualitätssicherung, Rücktritt, Gewährleistung sowie spezifische Anforderungen hinsichtlich Corporate Social Responsibility und Sorgfaltspflichten in der Kette.

Compliance-Klauseln und Kontrollrechte

Im Zuge der gesetzlichen Anforderungen an die Lieferkette werden zunehmend Compliance-Klauseln in Vertragswerke aufgenommen. Sie verpflichten Vertragspartner zur Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Mindeststandards und gewähren Kontroll- sowie Informationsrechte zur Überwachung dieser Pflichten.

Konflikt- und Streitbeilegung in der Lieferkette

Geltendmachung von Ansprüchen

Bei Rechtsverletzungen innerhalb der Lieferkette können verschiedene Ansprüche entstehen, etwa auf Schadensersatz, Unterlassung oder Vertragsaufhebung. Die Geltendmachung solcher Ansprüche erfolgt in der Regel nach den einschlägigen nationalen und internationalen Zivilprozessordnungen.

Alternative Streitbeilegung

Aufgrund der internationalen Ausgestaltung vieler Lieferketten spielt die alternative Streitbeilegung, insbesondere Schiedsverfahren und Mediation, eine wichtige Rolle bei der Lösung von Konflikten zwischen den verschiedenen Beteiligten einer Lieferbeziehung.

Zukunft der rechtlichen Regulierung von Lieferketten

Ausblick auf europäische und internationale Entwicklungen

Mit der geplanten Umsetzung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive und weiteren internationalen Initiativen ist künftig mit einer weitergehenden Verschärfung und Ausweitung der rechtlichen Vorgaben für Lieferketten zu rechnen. Unternehmen werden vermehrt verpflichtet, Transparenz in ihren Ketten herzustellen und Sorgfaltspflichten weltweit umzusetzen.

Fazit

Die Lieferkette stellt einen komplexen und hochregulierten Rechtsbereich dar, der zahlreiche Aspekte des Wirtschafts-, Arbeits-, Umwelt- und Sozialrechts umfasst. Rechtliche Anforderungen entwickeln sich kontinuierlich weiter und fordern von Unternehmen umfassende Maßnahmen, um die Einhaltung von Standards entlang der gesamten Lieferkette sicherzustellen. Die rechtssichere Gestaltung und das effektive Management von Lieferketten sind damit von zentraler Bedeutung für die globale Wertschöpfung.

Häufig gestellte Fragen

Inwieweit sind Unternehmen nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für Verstöße von Zulieferern haftbar?

Unternehmen sind nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nicht unmittelbar und automatisch für sämtliche Verstöße ihrer Zulieferer haftbar. Stattdessen verpflichtet das Gesetz die Unternehmen dazu, angemessene und wirksame Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten sowie umweltbezogenen Pflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette zu erfüllen. Diese Sorgfaltspflichten umfassen insbesondere die Verpflichtung zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems, die Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen, die Abgabe einer Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie, die Verankerung von Präventionsmaßnahmen sowie die Ergreifung von Abhilfemaßnahmen im Falle erkannter Risiken oder Verstöße.

Eine unmittelbare zivilrechtliche Haftung für jedes Verhalten in der Lieferkette ist damit nicht verbunden, das LkSG begründet primär eine öffentliche Verpflichtung. Das bedeutet, die zuständigen Behörden – in Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – überwachen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Kommt ein Unternehmen diesen Pflichten nicht ausreichend nach, kann dies zu empfindlichen Bußgeldern und zum Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren führen. Der gezielte Ersatz von Schäden, die durch Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette entstehen, unterliegt weiterhin den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, eine neue Haftungsgrundlage entsteht jedoch durch das LkSG selbst nicht.

Welche rechtlichen Pflichten haben Unternehmen im Rahmen der Risikoanalyse ihrer Lieferkette?

Gemäß § 5 LkSG sind Unternehmen verpflichtet, mindestens einmal jährlich sowie anlassbezogen eine sorgfältige Risikoanalyse ihrer Lieferketten durchzuführen. Die Risikoanalyse hat den Zweck, menschenrechts- und umweltbezogene Risiken systematisch zu identifizieren, zu gewichten und zu priorisieren. Rechtlich gesehen müssen Unternehmen dabei eine umfassende Analyse aller eigenen Geschäftsabläufe sowie der Tätigkeiten ihrer unmittelbaren Zulieferern vornehmen. Bei mittelbaren Zulieferern ist eine vertiefte Risikoanalyse nur erforderlich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Verletzungen („substantiierte Kenntnis“) vorliegen. Das Gesetz verlangt, dass die Ergebnisse der Risikoanalyse dokumentiert und den zuständigen Entscheidungsträgern im Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, sodass auf dieser Basis geeignete Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergriffen werden können. Das Unterlassen einer angemessenen Risikoanalyse kann als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden und gefährdet die „Compliance“ des Unternehmens im Sinne des Gesetzes.

Inwiefern sind Unternehmen verpflichtet, einen Beschwerdemechanismus entlang ihrer Lieferkette einzurichten?

Das LkSG verpflichtet Unternehmen ausdrücklich zur Einrichtung eines angemessenen und zugänglichen Beschwerdemechanismus (§ 8 LkSG), um auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken und Verletzungen reagieren zu können. Aus rechtlicher Sicht muss der Beschwerdemechanismus internen sowie externen Hinweisgebern offenstehen, das heißt, neben eigenen Mitarbeitern müssen auch Beschäftigte von Zulieferern und sonstige betroffene Personen (z.B. in der lokalen Bevölkerung) Zugang zu diesem System erhalten. Der Beschwerdemechanismus muss so ausgestaltet sein, dass Hinweise vertraulich behandelt werden und daraus resultierende Repressalien für die Hinweisgeber ausgeschlossen sind („Whistleblower-Schutz“). Die Verfahren zur Bearbeitung der Beschwerden müssen im Unternehmen eindeutig geregelt, nachvollziehbar dokumentiert und regelmäßig auf Wirksamkeit überprüft werden. Die unterlassene Einrichtung oder mangelhafte Ausgestaltung eines solchen Beschwerdemechanismus stellen einen sanktionsbewehrten Verstoß gegen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten dar.

Welche Dokumentations- und Berichtspflichten bestehen für Unternehmen im Rahmen des LkSG?

Die rechtlichen Dokumentations- und Berichtspflichten umfassen die kontinuierliche Aufzeichnung sämtlicher Maßnahmen, die im Rahmen der Sorgfaltspflichten gemäß LkSG ergriffen werden. Das bedeutet, Unternehmen müssen interne Abläufe, Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, Kontrollverfahren sowie Ergebnisse der Beschwerdemechanismen lückenlos und nachvollziehbar dokumentieren. Darüber hinaus müssen gemäß § 10 LkSG jährlich Berichte über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten erstellt und spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres auf der unternehmenseigenen Website öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Berichte müssen mindestens sieben Jahre öffentlich auffindbar sein. Das BAFA prüft diese Berichte stichprobenartig und kann Mängel sanktionieren. Fehlerhafte, unvollständige oder verspätete Berichte stehen unter Bußgeldandrohung und können zusätzlich Auswirkungen auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen haben.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?

Bei Verstößen gegen das LkSG drohen den betroffenen Unternehmen insbesondere bußgeldrechtliche Sanktionen. Die Bußgelder können abhängig von Art und Schwere des Verstoßes – also beispielsweise einer nicht durchgeführten Risikoanalyse, fehlenden Präventionsmaßnahmen, mangelhaftem Beschwerdemechanismus oder nicht ordnungsgemäßer Berichterstattung – empfindliche Summen erreichen. Teilweise sind Bußgelder bis zu 8 Millionen Euro möglich, beziehungsweise bis zu 2% des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes bei Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Umsatz. Zusätzlich können Unternehmen, gegen die ein rechtskräftiges Bußgeld von mindestens 175.000 Euro verhängt wurde, für bis zu drei Jahre von öffentlichen Auftragsvergaben ausgeschlossen werden. Die Sanktionen werden von der Aufsichtsbehörde BAFA verhängt und wirken sich unmittelbar auf die Geschäftstätigkeit aus, was die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu einem zentralen rechtlichen Risiko macht.

Ab welcher Unternehmensgröße sind die Anforderungen des LkSG anwendbar und gibt es Ausnahmen?

Das LkSG richtet sich in seiner ursprünglichen Ausgestaltung an Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland, die mehr als 3.000 Arbeitnehmer (ab 2023: 1.000) beschäftigen. In die Berechnung der Mitarbeiterzahl fließen sowohl die im Inland tätigen als auch – unter bestimmten Bedingungen – ins Ausland entsandte Angestellte mit ein. Für kleinere Unternehmen, die nicht die genannte Schwelle erreichen, greift das LkSG unmittelbar nicht. Dennoch können diese mittelbar betroffen sein, wenn ihre größeren Kunden von ihnen verlangen, bestimmte Sorgfaltspflichten im Rahmen der Vertragsbeziehung zu erfüllen. Von den gesetzlichen Pflichten ausgenommen sind explizit Kleinstunternehmen sowie bestimmte Konstellationen, in denen keine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Dennoch eröffnet das Gesetz der Bundesregierung die Möglichkeit, die Schwellenwerte künftig anzupassen.

Müssen Unternehmen nach LkSG auch ihre mittelbaren Zulieferer überprüfen?

Das LkSG unterscheidet klar zwischen sogenannten unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern. Bei unmittelbaren Zulieferern besteht die Pflicht zur umfassenden Risikoanalyse und gegebenenfalls zur Ergreifung präventiver Maßnahmen. Bei mittelbaren Zulieferern sind Unternehmen hingegen nur dann verpflichtet, tätig zu werden, wenn sie konkrete, auf Tatsachen beruhende Hinweise auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Verstöße („substantiierte Kenntnis“) erhalten; dann müssen sie angemessene Maßnahmen zur Risikominderung ergreifen und im Rahmen des Möglichen auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten hinwirken. Diese abgestufte Prüfpflicht soll eine praxisnahe und risikobasierte Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ermöglichen, entbindet Unternehmen jedoch nicht von einer proaktiven Überwachung und Sensibilisierung ihrer gesamten Lieferkette.