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Liebhaberei


Begriff und rechtliche Einordnung der Liebhaberei

Die Liebhaberei ist ein Begriff aus dem deutschen Steuerrecht und bezeichnet Tätigkeiten, die aus persönlichem Interesse, Neigung oder Hobby betrieben werden und nicht auf die Erzielung nachhaltiger Überschüsse oder Einnahmen ausgerichtet sind. Solche Tätigkeiten sind steuerlich relevant, da sie nicht als Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrachtet werden. Der Ausschluss der Liebhaberei aus dem steuerlichen Bereich soll verhindern, dass Verluste aus Hobbys und privaten Interessen mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten steuerlich verrechnet werden können.


Steuerliche Abgrenzung: Liebhaberei und Einkunftsquelle

Definition der Einkunftsquelle

Eine Tätigkeit wird steuerlich nur dann als Einkunftsquelle behandelt, wenn sie nachhaltig auf die Erzielung positiver Einkünfte gerichtet ist. Kennzeichnend hierfür sind die Gewinnerzielungsabsicht (bei den Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) oder Überschusserzielungsabsicht (bei den Überschusseinkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

Merkmale der Liebhaberei

Ein Tätigwerden wird als Liebhaberei eingestuft, wenn folgende Merkmale vorliegen:

  • Es fehlt an der Absicht, einen Totalgewinn (bzw. Totalüberschuss der Einnahmen über die Ausgaben) zu erzielen.
  • Die Tätigkeit wird aus privaten Beweggründen (z.B. Hobby, persönliche Neigung, Freizeitbeschäftigung) ausgeübt.
  • Die Tätigkeit wird nicht mit der für ein Erwerbstreben typischen Zielstrebigkeit und Organisation betrieben.

Abgrenzungskriterien

Die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erarbeiten mehrere Kriterien zur Abgrenzung von Liebhaberei und steuerbarer Tätigkeit:

  • Dauerhafte Verluste: Wiederholt auftretende Verluste sprechen für Liebhaberei, sofern keine Aussicht auf einen Totalgewinn besteht.
  • Marktgerechtes Verhalten: Fehlt eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Betriebsführung, wird eine Gewinnerzielungsabsicht ausgeschlossen.
  • Gründe für die Verlustentstehung: Verluste aus Anlaufphasen oder außergewöhnlichen Umständen führen nicht automatisch zur Annahme von Liebhaberei, sofern später Gewinne erwartet werden und ein wirtschaftliches Gesamtkonzept vorliegt.

Rechtsfolgen und steuerliche Behandlung der Liebhaberei

Nichtanerkennung steuerlicher Verluste

Werden Tätigkeiten als Liebhaberei eingestuft, dürfen daraus resultierende Verluste (§ 2 Abs. 1 EStG) steuerlich nicht mit anderen positiven Einkünften ausgeglichen werden (Abzugsverbot). Gleiches gilt für Aufwendungen, die mit der liebhabe-rischen Tätigkeit zusammenhängen.

Gewinn- und Verlustzurechnung

Liegt Liebhaberei vor, sind sowohl Gewinne als auch Verluste steuerlich unbeachtlich. Nur im Falle eines späteren Übergangs in eine Einkunftsquelle (bspw. durch Änderung der Tätigkeit oder Aufnahme der Gewinnerzielungsabsicht) werden die entsprechenden Einkünfte steuerlich relevant.

Nachprüfungszeitraum und Änderung der Verhältnisse

Die Finanzverwaltung ist berechtigt, die Abgrenzung zwischen Einkunftsquelle und Liebhaberei regelmäßig zu überprüfen. Eine erstmalige Annahme von Liebhaberei kann aufzugeben sein, sobald sich die Verhältnisse (z. B. Gewinnerzielungsabsicht oder positive Ergebnisse) ändern. Umgekehrt kann eine Einkunftsquelle zur Liebhaberei werden, wenn keine Aussicht mehr auf Überschusserzielung besteht.


Liebhaberei in verschiedenen Einkunftsarten

Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

Insbesondere im Bereich der nebenberuflichen oder nicht hauptberuflich betriebenen Land- und Forstwirtschaft wird regelmäßig geprüft, ob eine Überschusserzielungsabsicht vorliegt. Stellt sich ein Betrieb als unwirtschaftlich und überschaubar privatmotiviert heraus, spricht dies für Liebhaberei.

Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit

Kleine Nebengewerbe, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeiten, die regelmäßig Verluste erzielen und von persönlichen Motiven geprägt sind, erfüllen oft die Voraussetzungen der Liebhaberei.

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Auch im Rahmen der Vermietung und Verpachtung ist Liebhaberei möglich, etwa bei der dauerhaften Vermietung unterhalb der Marktmiete oder bei sog. „Verwandtenmieten“. Entscheidend ist, ob eine nachhaltige Überschusserzielung objektiv erreichbar ist.

Sonstige Einkunftsarten

In den sonstigen Einkunftsarten können private Hobbytätigkeiten, wie der gelegentliche Verkauf von Gegenständen über private Onlineplattformen, ebenfalls als Liebhaberei qualifiziert werden, sofern keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.


Rechtsprechung und Verwaltungspraxis

Bundefinanzhof (BFH)

Der Bundesfinanzhof hat Kriterien und Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Liebhaberei und Einkunftsquelle in zahlreichen Urteilen weiterentwickelt. Bedeutsam ist beispielsweise das Urteil zur Pferdezucht (BFH-Urteil vom 17.10.2001, X R 176/96), in dem auf die objektive Ertragsfähigkeit der Tätigkeit abgestellt wird.

Finanzverwaltung (BMF-Schreiben)

Die Finanzverwaltung legt regelmäßig Anwendungserlasse und BMF-Schreiben zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Liebhaberei vor. Maßgeblich ist insbesondere die Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen zu verlustbringenden Tätigkeiten (BMF-Schreiben vom 15.12.1999, BStBl I 1999, 1076).


Zusammenfassung und Bedeutung in der Praxis

Liebhaberei spielt im deutschen Steuerrecht eine wichtige Rolle, um die Grenze zwischen privatem und steuerlich relevantem Handeln zu definieren. Die Nichtanerkennung von Verlusten aus Tätigkeiten ohne Gewinnerzielungsabsicht schützt die Integrität des Steuersystems und verhindert eine beliebige Minderung steuerpflichtiger Einkünfte. Die Abgrenzung zwischen Liebhaberei und Einkunftsquelle ist regelmäßig durch eine Gesamtschau der objektiven und subjektiven Umstände vorzunehmen und bietet in der Praxis zahlreiche Abgrenzungsfragen, die insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen und Steuererklärungen von Bedeutung sind.

Häufig gestellte Fragen

Wie erkennt das Finanzamt Liebhaberei bei einem Gewerbebetrieb?

Das Finanzamt prüft die Einkünfteerzielungsabsicht als zentrales Kriterium, wenn der Verdacht auf Liebhaberei besteht. Hierfür untersucht es, ob der Steuerpflichtige auf Dauer mit dem Gewerbebetrieb einen Totalgewinn anstrebt. Typische Anzeichen für Liebhaberei sind langjährige Verluste ohne erkennbares Bemühen, diese Verluste zu beenden, fehlende kaufmännische Organisation, private Mitveranlassung der Tätigkeit, oder eine betriebswirtschaftlich unübliche Betriebsführung. Das Finanzamt fordert oft aussagekräftige Unterlagen wie Businesspläne, Rentabilitätsvorschauen und Aufstellungen über die Ursachen der Verluste. Ist die Gewinnerzielungsabsicht widerlegbar, liegt Liebhaberei vor, und die Verluste sind steuerlich nicht abzugsfähig.

Welche Folgen hat die Einstufung als Liebhaberei für die steuerliche Behandlung?

Wird eine Tätigkeit als Liebhaberei eingestuft, entfällt die steuerliche Anerkennung der Verluste. Die aus der Tätigkeit entstehenden Verluste dürfen dann weder mit anderen Einkünften des Steuerpflichtigen verrechnet noch in zukünftige Jahre vorgetragen werden. Positive Einkünfte aus der Tätigkeit sind jedoch ebenfalls nicht steuerpflichtig, solange Liebhaberei besteht. Auch auf die Umsatzsteuer kann dies Auswirkungen haben: Wird keine unternehmerische Tätigkeit anerkannt, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug und die Verpflichtung zur Umsatzsteuererklärung. Bei einem späteren Wechsel von der Liebhaberei zur Gewinnerzielungsabsicht muss ein klarer Übergang dokumentiert werden.

Kann Liebhaberei nachträglich in eine steuerlich anerkannte Tätigkeit übergehen?

Ja, ein Wechsel von Liebhaberei zur Einkunftserzielung ist grundsätzlich möglich, wenn sich die Verhältnisse derart ändern, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt objektiv eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Dies muss klar nach außen durch eine Änderung der Betriebsführung und wirtschaftliche Maßnahmen dokumentiert werden, etwa durch Investitionen, Restrukturierungen oder die Vorlage einer realistischen Rentabilitätsvorschau. Auf diesen Stichtag ist eine gesonderte Beurteilung vorzunehmen; ab diesem Zeitpunkt werden Gewinne (und Verluste) steuerlich berücksichtigt. Das Finanzamt verlangt meist eine nachvollziehbare Begründung für den Übergangszeitpunkt.

Welche Beweislast trifft den Steuerpflichtigen in Liebhabereifällen?

Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Steuerpflichtigen, die Gewinnerzielungsabsicht substantiiert darzulegen und nachzuweisen. Anhand von Geschäftsunterlagen, Planungsrechnungen oder Verwendungszwecken der Tätigkeit muss glaubhaft gemacht werden, dass die Absicht bestand und besteht, mit der Tätigkeit einen Totalgewinn zu erzielen. Gelingt dies nicht, kann das Finanzamt Liebhaberei annehmen. Zweifelt das Finanzamt an der Seriosität der Angaben, obliegt es dem Steuerpflichtigen, durch Dokumentation und konkrete Maßnahmen den Nachweis zu führen.

Wie wirkt sich Liebhaberei bei vermieteten Immobilien aus?

Bei vermieteten Immobilien kann das Kriterium der Liebhaberei insbesondere dann relevant werden, wenn das Objekt über viele Jahre Verluste erwirtschaftet und eine Überschussprognose keinen Totalüberschuss innerhalb eines Zeitraums von in der Regel 30 Jahren erwarten lässt. Typisch ist dies bei eigen- oder fremdgenutzten Ferienwohnungen, die z.B. nur sporadisch vermietet werden. Zeigt die Überschussprognose einen Totalverlust, liegen steuerlich unbeachtliche Liebhabereien vor. In diesem Fall können insbesondere Werbungskosten nicht mehr mit anderen Einkünften verrechnet werden.

Welche Besonderheiten gelten für Künstler und Freiberufler in Bezug auf Liebhaberei?

Künstlerische und freiberufliche Tätigkeiten sind häufig von Liebhabereibewertung betroffen, da Erträge schwankend oder von vornherein nicht sicher gewährleistet sind. Das Finanzamt prüft auch hier, ob realistische Maßnahmen zur Gewinnerzielung getroffen werden, etwa durch professionelle Vermarktung, zielgerichtete Investitionen und klare Trennung von Hobby und Berufstätigkeit. Fehlende Rechnungsstellung oder ein Auftreten ohne erkennbares unternehmerisches Konzept kann zur Annahme von Liebhaberei führen. Dennoch existiert ein gewisser Wertungsspielraum, da kulturelle und ideelle Motive nicht zwangsläufig zur Annahme von Liebhaberei führen müssen, solange die objektive Gewinnerzielungsabsicht belegt wird.

Ab welchem Zeitpunkt ist eine rückwirkende Änderung der Besteuerung möglich, wenn Liebhaberei festgestellt wird?

Wird Liebhaberei vom Finanzamt rückwirkend festgestellt, erfolgt die steuerliche Korrektur grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, zu dem objektiv die Einkünfteerzielungsabsicht entfallen ist. Dies kann auch frühere Veranlagungsjahre betreffen, sofern der Vorbehalt der Nachprüfung besteht oder Steuerbescheide unter Vorläufigkeitsvermerk stehen. Nach Ablauf der Festsetzungsverjährung (in der Regel vier Jahre) sind jedoch keine rückwirkenden Änderungen mehr möglich. Die Beweisführung über den genauen Zeitpunkt des Übergangs obliegt beiden Parteien und orientiert sich an objektiv nachweisbaren Umständen.