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Leistung an Erfüllungs Statt, erfüllungshalber


Leistung an Erfüllungs Statt und erfüllungshalber – Definition, Abgrenzung und rechtliche Einordnung

Begriffsbestimmungen und Abgrenzung

Leistung an Erfüllungs Statt

Die Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) ist ein Begriff des deutschen Schuldrechts und beschreibt einen Vorgang, bei dem der Schuldner dem Gläubiger mit dessen Einverständnis eine andere als die ursprünglich geschuldete Leistung erbringt. Durch Annahme der anderen Leistung anstelle der geschuldeten erlischt die ursprüngliche Verbindlichkeit. Typische Beispiele sind die Übertragung eines Gegenstandes (statt Geldzahlung) oder die Annahme eines Grundstückes als Abgeltung einer Geldforderung.

Leistung erfüllungshalber

Im Gegensatz dazu steht die Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB). Hier nimmt der Gläubiger vom Schuldner eine andere als die geschuldete Leistung entgegen, um den Schuldner lediglich im Wege der Erfüllung unterstützen zu können. Die Forderung bleibt jedoch so lange bestehen, bis die empfangene Leistung ihren Zweck erfüllt hat, etwa wenn ein Scheck oder ein Wechsel eingelöst wird. Erst mit erfolgreicher Verwertung der Leistung erlischt die zugrunde liegende Forderung.

Wesentlicher Unterschied

Der zentrale Unterschied liegt in der Wirkung der Annahme:

  • Leistung an Erfüllungs Statt: Die Forderung erlischt unmittelbar mit Annahme der Ersatzleistung.
  • Leistung erfüllungshalber: Die Forderung erlischt nur, wenn und soweit die angegebene Ersatzleistung tatsächlich zum wirtschaftlichen Erfolg führt (z. B. Einlösung eines Schecks).

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Regelungen

Die maßgeblichen Vorschriften finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB):

  • § 364 Abs. 1 BGB:

> „Nimmt der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an, so erlischt die Forderung nur, wenn die Leistung an Erfüllungs Statt erfolgt.“

  • § 364 Abs. 2 BGB:

> „Besteht der Gläubiger auf Erfüllung, so kann er die Annahme einer anderen als der geschuldeten Leistung ablehnen; nimmt er sie erfüllungshalber an, so bleibt die Forderung bis zur Erfüllung bestehen.“

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass es bei der Einordnung auf den Parteiwillen ankommt, der durch Auslegung ermittelt werden muss (§§ 133, 157 BGB).

Praktische Beispiele

  • Leistung an Erfüllungs Statt: Ein Schuldner schuldet Zahlung von 5.000 €. Der Gläubiger nimmt stattdessen ein Fahrzeug mit entsprechendem Wert und erklärt, damit sei die Schuld erledigt.
  • Leistung erfüllungshalber: Der Schuldner übergibt einen Scheck. Die Forderung bleibt bis zur Einlösung und Gutschrift des Scheckbetrags bestehen.

Abwicklung und Rechtsfolgen

Erfüllungswirkung

Leistung an Erfüllungs Statt:
Mit Annahme der Ersatzleistung durch den Gläubiger ist der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit. Das Schuldverhältnis erlischt, unabhängig davon, ob die Ersatzleistung den gleichen Wert wie die ursprüngliche hat.

Leistung erfüllungshalber:
Die Schuld ist erst erfüllt, wenn der Gläubiger den Gegenstand oder das Zahlungsmittel verwertet und daraus den erwarteten Ertrag erhält. Bis dahin besteht die ursprüngliche Forderung fort.

Risiko und Gefahrtragung

  • Leistung an Erfüllungs Statt: Das Risiko einer Wertminderung oder des Untergangs der Ersatzleistung geht mit der Annahme auf den Gläubiger über. Ein späterer Verlust der Leistung hat keine Auswirkungen auf das Erlöschen der Forderung.
  • Leistung erfüllungshalber: Hier trägt regelmäßig der Schuldner das Risiko der fehlenden Verwertbarkeit. Gelingt die Einlösung beispielsweise eines Schecks nicht, bleibt die Forderung bestehen.

Rückabwicklung und Rücktritt

Lässt sich später feststellen, dass die empfangene Ersatzleistung mangelhaft oder rechtsmangelbehaftet ist, finden gegebenenfalls Regelungen über Rückabwicklung, insbesondere das Rücktrittsrecht sowie die Vorschriften zum Schadensersatz, Anwendung (§§ 346 ff. BGB).

Sonderfälle und häufige Anwendungsbereiche

Wechsel, Schecks und andere Zahlungsinstrumente

Die Übertragung von Schecks, Wechseln oder anderen bürgschaftsähnlichen Urkunden erfolgt in der Regel erfüllungshalber. Der Schuldner bleibt weiterhin zur Leistung verpflichtet, wenn das Zahlungsmittel nicht eingelöst wird.

Schuldübernahme, Abtretung und Drittschuldnerzahlung

Verbindet sich eine Vereinbarung zur Schuldübernahme oder Abtretung mit einer Leistung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber, sind die rechtlichen Wirkungen im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung des Parteiwillens zu bestimmen. Insbesondere ist zu prüfen, ob mit der Übertragung eines Anspruchs oder Vermögensgegenstandes die Schuld erlischt.

Insolvenzrechtliche Auswirkungen

Die Unterscheidung ist auch im Insolvenzrecht relevant. Bei Annahme einer Leistung erfüllungshalber durch den Gläubiger vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens muss geprüft werden, ob ein Anspruch auf Rückgewähr besteht, wenn die Hauptforderung nicht erfüllt wird.

Internationale Bezüge

Auch in anderen Rechtssystemen gibt es vergleichbare Konstruktionen, wenngleich Begrifflichkeiten und rechtliche Ausgestaltungen variieren. Für grenzüberschreitende Schuldverhältnisse können kollisionsrechtliche Fragen von Bedeutung sein.

Zusammenfassung

Die Abgrenzung zwischen Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) und Leistung erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) ist im Schuldrecht von erheblicher praktischer Relevanz. Während bei der Leistung an Erfüllungs Statt das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Annahme der neuen Leistung erlischt, bleibt bei der Leistung erfüllungshalber die Forderung bis zur Verwertung der Ersatzleistung bestehen. Die Zuordnung erfolgt anhand des Willens der Parteien und unterliegt im Streitfall der gerichtlichen Auslegung. Die Unterscheidung hat weitreichende Folgen für Risiko, Klagbarkeit, Insolvenzfestigkeit und Rückabwicklungsansprüche. Die Regelungen dienen der Rechtssicherheit beim Austausch von Leistungen und der Abwicklung von Schuldverhältnissen abweichend vom ursprünglichen Vertragsinhalt.

Häufig gestellte Fragen

Wie unterscheidet sich die Annahme „an Erfüllungs statt“ von der Annahme „erfüllungshalber“ im Hinblick auf die Rechtsfolgen für den Schuldner?

Bei der Annahme „an Erfüllungs statt“ (§ 364 Abs. 1 BGB) erlischt die ursprüngliche Verbindlichkeit des Schuldners unmittelbar mit der Übergabe des vereinbarten Ersatzgegenstandes. Das bedeutet, dass der Gläubiger mit der Entgegennahme der Ersatzleistung auf seine Forderung verzichtet und diese somit nicht mehr geltend machen kann. Die Leistung selbst tritt an die Stelle des ursprünglich Geschuldeten, eine weitere Haftung des Schuldners besteht grundsätzlich nicht. Im Gegensatz dazu bewirkt die Annahme „erfüllungshalber“ (§ 364 Abs. 2 BGB) lediglich, dass der Gläubiger ein weiteres Mittel zur Befriedigung seiner Forderung erhält, dessen Verwertung er dem Schuldner schuldet. Die ursprüngliche Forderung bleibt also bestehen und lebt wieder auf, wenn die erfüllungshalber angenommene Leistung keinen Erfolg bringt. Erst bei erfolgreicher Verwertung und vollständiger Befriedigung des Gläubigers erlischt die Hauptforderung.

Welche Formerfordernisse bestehen für Vereinbarungen über Leistung an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber?

Das Gesetz sieht für beide Arten der Leistungsannahme keine besondere Form vor. Sie können daher grundsätzlich formfrei, also mündlich oder schriftlich, vereinbart werden. Allerdings empfiehlt sich aus Gründen der späteren Beweisführung regelmäßig die Schriftform. In bestimmten Fällen, beispielsweise bei der Übertragung von Grundstücken an Erfüllungs statt, gelten jedoch aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften besondere Formvorschriften (notarielle Beurkundung nach § 311b BGB). Die Art der Leistung und eventuelle gesetzliche Normen sind stets zu berücksichtigen, um die Wirksamkeit der Vereinbarung sicherzustellen.

Welche Rechte und Pflichten entstehen für den Gläubiger, wenn er eine Leistung „erfüllungshalber“ entgegennimmt?

Mit der Annahme einer Leistung erfüllungshalber verpflichtet sich der Gläubiger, die Leistung im Interesse des Schuldners zur Tilgung der Forderung zu verwerten. Er muss dabei im Rahmen der §§ 280 ff. BGB, insbesondere nach den allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts, mit der gebotenen Sorgfalt vorgehen. Die Pflicht umfasst die ordnungsgemäße Verwaltung und gegebenenfalls die Realisierung (z. B. Veräußerung oder Einziehung) der erhaltenen Sache oder Forderung. Kommt der Gläubiger dieser Pflicht nicht nach und entsteht dadurch dem Schuldner ein Schaden, kann der Gläubiger schadensersatzpflichtig werden. Der Schuldner bleibt bis zur endgültigen Tilgung der Forderung weiterhin in der Schuldnerstellung.

Ist eine Rückforderung der Leistung möglich, wenn die Forderung nach Annahme an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber erlischt?

Bei einer Leistung an Erfüllungs statt ist das Rückforderungsrecht grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Forderung mit Annahme der leisteten Sache oder eines Rechts dauerhaft erlischt. Der Gläubiger wird Eigentümer oder Forderungsinhaber, und der Schuldner kann seine Leistung nicht zurückverlangen. Anders verhält es sich bei der Leistung erfüllungshalber: Scheitert die Verwertung der angenommenen Leistung (z. B. wird ein erfüllungshalber übergebener Scheck nicht eingelöst), lebt die Forderung wieder auf und der nicht verwertbare Gegenstand ist nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) an den Schuldner zurückzugeben.

Welche Auswirkungen haben die beiden Erfüllungsarten im Insolvenzfall des Schuldners?

Wird eine Leistung an Erfüllungs statt vereinbart und durchgeführt, ist die Forderung des Gläubigers vollständig erloschen, sodass im Falle einer späteren Insolvenz des Schuldners kein Restanspruch gegenüber der Insolvenzmasse besteht. Erhält der Gläubiger hingegen eine Leistung erfüllungshalber, bleibt die Hauptforderung bestehen, bis die Leistung realisiert ist. Kommt es vor der Tilgung zur Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners, ist der Gläubiger regelmäßig auf die Insolvenztabelle zu verweisen, sofern die erfüllungshalber angenommene Leistung nicht verwertet werden konnte. Dies kann insbesondere bei der Annahme von Wechseln, Schecks oder sonstigen Zahlungsversprechen relevant werden.

Wie verhält es sich mit der Mängelhaftung bei einer Leistung an Erfüllungs statt?

Bei einer Leistung an Erfüllungs statt finden, mangels einer originären Schuldnerstellung, regelmäßig die Vorschriften über den Kauf (§§ 433 ff. BGB) bzw. die Übereignung beweglicher Sachen Anwendung. Der Schuldner haftet damit grundsätzlich für Sach- und Rechtsmängel entsprechend diesen Vorschriften, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden. Dies gilt insbesondere, wenn eine mangelhafte Sache an Erfüllungs statt angenommen wurde. Der Gläubiger kann dann grundsätzlich die Rechte auf Nacherfüllung, Minderung oder sogar Rücktritt (§ 437 BGB) geltend machen.

Können auch Dritte für den Schuldner Erfüllung an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber bewirken?

Ja, gemäß § 267 BGB kann grundsätzlich auch ein Dritter für den Schuldner die Leistung an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber anbieten. Entscheidend ist die Einwilligung des Gläubigers zu dieser Form der Leistungsannahme. Die rechtlichen Konsequenzen entsprechen dann denen, als hätte der Schuldner selbst geleistet. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Leistung höchstpersönlich vom Schuldner zu erbringen ist oder gesetzliche Vorschriften eine Drittlösung ausschließen.