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Leiharbeitsverhältnis

Begriff und Grundstruktur des Leiharbeitsverhältnisses

Ein Leiharbeitsverhältnis ist ein dreiseitiges Beschäftigungsmodell. Eine Person (Leiharbeitnehmer) steht in einem Arbeitsverhältnis zu einem Personaldienstleister (Verleiher) und wird vorübergehend in einem anderen Unternehmen (Entleiher, Einsatzbetrieb) eingesetzt. Der Verleiher ist der rechtliche Arbeitgeber; das fachliche Weisungsrecht im Arbeitsalltag übt während des Einsatzes der Entleiher aus. Zwischen Verleiher und Entleiher besteht hierfür ein Überlassungsvertrag. Dieses Konstrukt ermöglicht es Einsatzbetrieben, Personal flexibel einzusetzen, während der Arbeitsvertrag und die Vergütungspflicht beim Verleiher verbleiben.

Vertragliche Beziehungen und Rollen

Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer

Der Verleiher schließt mit der beschäftigten Person einen Arbeitsvertrag. Er regelt die wesentlichen Arbeitsbedingungen wie Tätigkeit, Vergütung, Arbeitszeit, Urlaub, Einsatzregion und Kündigungsfristen. Auch Zeiten ohne konkreten Einsatz sind vom Arbeitsvertrag umfasst; die Vergütungspflicht trifft dabei grundsätzlich den Verleiher.

Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher

Zwischen Verleiher und Entleiher wird für den konkreten Einsatz ein eigenständiger Vertrag geschlossen. Er bestimmt Einsatzdauer, Einsatzort, Aufgabenprofil, Qualifikationsanforderungen, Arbeitszeitrahmen, Entgeltkonditionen zwischen den Unternehmen sowie Zuständigkeiten beim Arbeitsschutz. Der Entleiher erhält das fachliche Weisungsrecht, bleibt jedoch nicht Arbeitgeber.

Eingliederung in den Einsatzbetrieb

Während des Einsatzes wird die Leiharbeitskraft organisatorisch in den Betrieb des Entleihers eingegliedert. Sie arbeitet nach dessen Betriebsordnung, Schichtplänen und Anweisungen im Rahmen der vereinbarten Tätigkeit. Der Entleiher hat insbesondere die Pflicht, für sichere Arbeitsbedingungen zu sorgen und die Leiharbeitskraft in die betrieblichen Abläufe einzuweisen.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Pflichten des Verleihers

Vergütung und Nichteinsatzzeiten

Der Verleiher schuldet die Vergütung nach dem Arbeitsvertrag. Dies umfasst auch Zeiten ohne Einsatz, sofern keine wirksamen abweichenden tariflichen oder vertraglichen Regelungen bestehen. Zuschläge, Branchenzuschläge und Mindestentgelte können maßgeblich sein.

Sozialversicherung und Dokumentation

Der Verleiher führt Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ab, erfasst Arbeitszeiten nach geltenden Vorgaben und erfüllt Informationspflichten gegenüber der Leiharbeitskraft und dem Entleiher.

Pflichten des Entleihers

Arbeitsschutz und Unterweisung

Der Entleiher ist für die konkrete Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz, Unterweisungen, persönliche Schutzausrüstung und die Einhaltung der Arbeitsschutzvorgaben am Einsatzort verantwortlich. Bei Arbeitsunfällen greifen die Melde- und Absicherungssysteme wie bei eigener Belegschaft, unter Einbindung der jeweils zuständigen Träger.

Gleichbehandlung und Zugang zu Einrichtungen

Leiharbeitskräfte haben Zugang zu den gemeinschaftlichen Einrichtungen und Diensten des Einsatzbetriebs (z. B. Kantine, Transport, Kinderbetreuung) wie vergleichbare Stammbeschäftigte, sofern keine sachlichen Gründe entgegenstehen. Der Entleiher informiert Leiharbeitskräfte über frei werdende oder zu besetzende Stellen, damit sie die Möglichkeit einer Bewerbung erhalten.

Pflichten der Leiharbeitskraft

Arbeitsleistung und Betriebliche Ordnung

Die Leiharbeitskraft erbringt die vereinbarte Tätigkeit, beachtet die Betriebsordnung des Entleihers und die fachlichen Weisungen im Rahmen der übertragenen Aufgaben.

Informations- und Mitwirkungspflichten

Dazu zählen die Mitteilung relevanter Veränderungen (z. B. gesundheitlicher Einschränkungen für bestimmte Tätigkeiten), die Einhaltung von Arbeitszeitregelungen einschließlich Zeiterfassung sowie die Beachtung von Sicherheitsunterweisungen.

Arbeitsbedingungen, Vergütung und Gleichstellung

Grundsatz der Gleichstellung

Für Leiharbeitskräfte gilt ein Grundsatz der Gleichstellung mit vergleichbaren Beschäftigten des Einsatzbetriebs hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere des Arbeitsentgelts. Dieser Anspruch richtet sich nach der Tätigkeit, Qualifikation und Eingruppierung im Einsatzbetrieb.

Abweichungen durch Tarifverträge und Zuschläge

Von der unmittelbaren Gleichstellung kann auf Grundlage einschlägiger Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche abgewichen werden. In der Praxis sieht dies häufig ein stufenweises Heranführen des Entgelts über Branchenzuschläge vor, mit einem vollständigen Gleichstellungsanspruch regelmäßig nach einer gewissen ununterbrochenen Einsatzdauer. Details hängen von der Tarifbindung und den jeweils anwendbaren Tarifwerken ab.

Arbeitszeit, Urlaub und Entgeltfortzahlung

Arbeitszeit, Ruhezeiten, Mehrarbeit, Zuschläge sowie Urlaubsansprüche richten sich grundsätzlich nach dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher und ggf. einschlägigen Tarifverträgen. Am Einsatzort gelten zusätzlich die betrieblichen Regelungen des Entleihers, soweit sie den Arbeitsschutz, Pausen und die konkrete Arbeitsorganisation betreffen. Bei Krankheit, Feiertagen und in Einsatzlücken bestehen Entgeltfortzahlungsansprüche gegenüber dem Verleiher nach den vertraglichen und gesetzlichen Grundsätzen.

Dauer der Überlassung und Einsatzgrenzen

Höchstüberlassungsdauer

Die Überlassung derselben Person an denselben Entleiher ist grundsätzlich zeitlich begrenzt. Tarifverträge können abweichende Regelungen vorsehen. Nach Überschreiten der zulässigen Dauer können rechtliche Folgen eintreten, die bis zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzbetrieb reichen können.

Branchen- und Tätigkeitsbeschränkungen

In bestimmten Branchen gelten besondere Voraussetzungen oder Beschränkungen für den Einsatz, etwa wenn spezifische Qualifikationen, Registrierungen oder branchenspezifische Regeln vorgeschrieben sind. Dies betrifft insbesondere Bereiche mit erhöhten Sicherheitsanforderungen oder besonderen kollektivrechtlichen Rahmenbedingungen.

Einsatz in bestreikten Betrieben

Leiharbeitskräfte dürfen nicht eingesetzt werden, um Arbeitskämpfe zu unterlaufen. Ein Einsatz als Streikersatz ist unzulässig.

Erlaubnispflicht und Aufsicht

Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung

Der Verleiher benötigt für seine Tätigkeit eine behördliche Erlaubnis. Diese setzt persönliche Zuverlässigkeit, geordnete Geschäftsführung, tarif- oder vertragsgemäße Entlohnung sowie die Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Pflichten voraus. Die Erlaubnis kann befristet erteilt und später unbefristet fortgeschrieben werden.

Überwachung und Sanktionen

Die Aufsicht prüft regelmäßig die Einhaltung der Vorgaben. Bei Verstößen drohen Bußgelder, Auflagen bis hin zum Entzug der Erlaubnis. Bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Zulässigkeit der Überlassung können zusätzliche zivilrechtliche Folgen eintreten, etwa das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher.

Abgrenzung zu anderen Vertragsformen

Werk- und Dienstvertrag

Beim Werk- oder Dienstvertrag erbringt ein Unternehmer eine Leistung in eigener Verantwortung mit eigenem Personal. Weisungen zur Arbeitsausführung gegenüber einzelnen Personen erfolgen dort nicht durch den Auftraggeber, sondern durch den Auftragnehmer. Werden Beschäftigte tatsächlich in die Organisation des Auftraggebers eingegliedert und dessen Weisungen unterstellt, spricht dies gegen einen echten Werk- oder Dienstvertrag und für eine Arbeitnehmerüberlassung.

Illegale Überlassung und Scheinwerkvertrag: Folgen

Wird ohne erforderliche Erlaubnis überlassen oder ein Scheinwerkvertrag eingesetzt, liegt eine unzulässige Gestaltung vor. Mögliche Folgen sind Bußgelder, der Ausschluss der weiteren Überlassung und zivilrechtliche Konsequenzen bis hin zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Einsatzbetrieb. Zudem können Haftungs- und Nachzahlungspflichten entstehen.

Mitbestimmung und betriebliche Beteiligung

Beteiligungsrechte der Betriebsräte

Im Verleihbetrieb und im Entleihbetrieb bestehen Beteiligungsrechte der jeweiligen Interessenvertretungen. Dazu gehören Informations- und Mitwirkungsrechte über den Einsatz von Leiharbeitskräften, Arbeitszeitfragen, Arbeitsschutz und Eingliederung in die Arbeitsorganisation.

Schwellenwerte und Zählweise

Leiharbeitskräfte werden bei bestimmten mitbestimmungsrechtlichen Schwellenwerten des Entleihbetriebs berücksichtigt, insbesondere wenn sie längerfristig eingesetzt und in die Betriebsorganisation eingegliedert sind. Die genaue Anrechnung richtet sich nach der Einsatzdauer und der betrieblichen Einbindung.

Datenschutz und Persönlichkeitsrechte

Datenerhebung und -übermittlung

Verleiher und Entleiher dürfen personenbezogene Daten nur im erforderlichen Umfang austauschen, etwa Qualifikationen, Eignungsnachweise, Einsatzzeiten und Abrechnungsdaten. Transparenz, Zweckbindung, Datensparsamkeit und angemessene Sicherheitsmaßnahmen sind einzuhalten.

Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz

Leiharbeitskräfte sind vor Benachteiligung aus Gründen wie Herkunft, Geschlecht, Alter, Religion, Behinderung oder Weltanschauung geschützt. Dies gilt für Zugang zu Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten und Beendigung von Einsätzen.

Beendigung von Einsätzen und Arbeitsverhältnissen

Einsatzende

Ein Einsatz kann planmäßig mit Ablauf der vereinbarten Überlassungsdauer oder vorzeitig aus sachlichen Gründen enden. Das Arbeitsverhältnis zum Verleiher besteht unabhängig davon fort, sofern es nicht gesondert beendet wird.

Kündigung des Arbeitsvertrags beim Verleiher

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses richtet sich nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln zu Kündigungsfristen, Form und Kündigungsschutz. Betriebszugehörigkeit beim Verleiher und die Unternehmensgröße sind hierbei maßgeblich.

Übergang in den Einsatzbetrieb

Ein Wechsel in ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzbetrieb ist möglich. Abreden zwischen Verleiher und Entleiher zur Übernahme sind gebräuchlich, dürfen jedoch die Entscheidungsfreiheit der betroffenen Person nicht beeinträchtigen. Sperren oder unzulässige Beschränkungen sind unwirksam.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im Leiharbeitsverhältnis der Arbeitgeber?

Rechtlicher Arbeitgeber ist der Verleiher. Er schließt den Arbeitsvertrag, zahlt das Entgelt und führt Abgaben ab. Das fachliche Weisungsrecht im Arbeitsalltag übt während des Einsatzes der Entleiher aus.

Gilt im Einsatzbetrieb der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“?

Es gilt ein Grundsatz der Gleichstellung bei den wesentlichen Arbeitsbedingungen. Abweichungen sind durch Tarifverträge der Zeitarbeit möglich, häufig mit Zuschlagsstufen und einem vollständigen Gleichstellungsanspruch nach einer bestimmten ununterbrochenen Einsatzdauer.

Gibt es eine Höchstdauer für den Einsatz bei demselben Entleiher?

Ja, die Überlassung derselben Person an denselben Entleiher ist grundsätzlich zeitlich begrenzt. Tarifverträge können abweichende Regelungen vorsehen. Bei Überschreitung drohen arbeits- und aufsichtsrechtliche Konsequenzen.

Wer ist für Arbeitsschutz und Unterweisung verantwortlich?

Der Entleiher ist für die konkrete Gestaltung sicherer Arbeitsbedingungen und Unterweisungen am Einsatzort verantwortlich. Der Verleiher bleibt in der Gesamtverantwortung als Arbeitgeber und hat die Einhaltung der Schutzstandards zu überwachen.

Dürfen Leiharbeitskräfte in bestreikten Betrieben eingesetzt werden?

Ein Einsatz als Streikersatz ist unzulässig. Leiharbeitskräfte dürfen nicht dazu herangezogen werden, Arbeitskämpfe zu unterlaufen.

Was passiert bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinwerkvertrag?

Es drohen Bußgelder, aufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Entzug der Erlaubnis und zivilrechtliche Folgen. Diese können dazu führen, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzbetrieb entsteht und Nachzahlungen fällig werden.

Haben Leiharbeitskräfte Zugang zu Kantine, Transport oder internen Stellenausschreibungen?

Ja, sie sollen zu den gemeinschaftlichen Einrichtungen und Diensten des Einsatzbetriebs Zugang unter den gleichen Bedingungen wie vergleichbare Stammkräfte haben. Zudem sind sie über freie Stellen im Einsatzbetrieb zu informieren.