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Leiharbeitsverhältnis


Begriff und rechtliche Einordnung des Leiharbeitsverhältnisses

Das Leiharbeitsverhältnis, auch Arbeitnehmerüberlassung genannt, ist ein in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich geregeltes Arbeitsmodell, bei dem Arbeitnehmende (Leiharbeitnehmende, „Zeitarbeiter“) von einem Unternehmen (Verleiher) angestellt werden, um ihre Arbeitsleistung zeitlich befristet oder unbefristet an ein drittes Unternehmen (Entleiher) zu überlassen. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind insbesondere im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Das Leiharbeitsverhältnis stellt ein sogenanntes Dreiecksrechtsverhältnis dar und ist von anderen flexiblen Arbeitsformen wie Werk- oder Dienstverträgen klar abzugrenzen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Das AÜG regelt die Rechte und Pflichten aller Beteiligten im Leiharbeitsverhältnis. Ziel ist der Schutz der Leiharbeitnehmenden hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen und der Verhinderung missbräuchlicher Arbeitnehmerüberlassung. Wesentliche Regelungen betreffen:

  • Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 AÜG)
  • Gleichstellungsgrundsatz (Equal Treatment, Equal Pay) (§ 8 AÜG)
  • Informationspflichten (§ 11 AÜG)
  • Überlassungshöchstdauer (§ 1 Abs. 1b AÜG)
  • Schriftformerfordernis des Überlassungsvertrages (§ 12 AÜG)

Erlaubnispflicht der Verleiher

Verleiher, also Unternehmen, die Leiharbeitnehmende einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, benötigen eine amtliche Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit (§ 1 AÜG). Die Erlaubnis wird nur erteilt, wenn keine Zuverlässigkeits- oder Eignungsbedenken gegen den Verleiher bestehen und die besonderen Voraussetzungen des AÜG erfüllt sind. Die erlaubnisfreie, sogenannte illegale Arbeitnehmerüberlassung hat weitreichende rechtliche Konsequenzen, beispielsweise das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleihbetrieb und dem Leiharbeitnehmenden gemäß § 10 AÜG.

Beteiligte Parteien und Rechtsverhältnisse

Dreiecksverhältnis

Das Leiharbeitsverhältnis wirkt zwischen drei Parteien:

  • Leiharbeitnehmer: Arbeitnehmer, die mit dem Verleiher einen Arbeitsvertrag schließen, aber im Betrieb des Entleihers tätig werden.
  • Verleiher: Arbeitgeber des Leiharbeitnehmenden, meist das Zeitarbeitsunternehmen.
  • Entleiher: Unternehmen, in das der Leiharbeitnehmende (vorübergehend) eingegliedert wird.

Zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher besteht kein Arbeitsverhältnis. Die Eingliederung des Leiharbeitnehmenden in den Betrieb des Entleihers unterscheidet das Leiharbeitsverhältnis von Werk- und Dienstverträgen.

Vertragliche und arbeitsrechtliche Beziehungen

  • Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer

Hier gelten grundsätzlich sämtliche Vorschriften des allgemeinen Arbeitsrechts, einschließlich des Kündigungsschutzgesetzes, des Bundesurlaubsgesetzes und der Sozialversicherungspflicht.

  • Überlassungsvertrag zwischen Verleiher und Entleiher

Dieser wird in der Regel schriftlich geschlossen und legt die Bedingungen der Arbeitnehmerüberlassung fest. Der Leiharbeitnehmende ist hiervon nicht Vertragspartei.

Rechte und Pflichten im Leiharbeitsverhältnis

Hauptpflichten des Verleihers

Der Verleiher bleibt rechtlicher Arbeitgeber und trägt damit sämtliche arbeitsrechtlichen Arbeitgeberpflichten, unter anderem:

  • Lohn- bzw. Gehaltszahlung
  • Abführung der Sozialversicherungsbeiträge
  • Erfüllung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben

Pflichten des Entleihers

Obwohl kein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmendem und Entleiher besteht, obliegen dem Entleiher besondere Pflichten, vor allem im Bereich des Arbeitsschutzes (§ 11 Abs. 6 und 7 AÜG, § 618 BGB). Der Entleiher ist verpflichtet, die Arbeitsbedingungen im Betrieb so zu gestalten, dass Gesundheit und Sicherheit der eingesetzten Leiharbeitnehmenden gewährleistet sind.

Rechte des Leiharbeitnehmers

Leiharbeitnehmende haben unter anderem Anspruch auf:

  • Gleichbehandlung und Gleichstellung mit vergleichbaren Beschäftigten im Entleihbetrieb in Bezug auf wesentliche Arbeitsbedingungen, einschließlich des Entgelts („Equal Pay“, § 8 AÜG), sofern kein abweichender Tarifvertrag Anwendung findet.
  • Information über freie Stellen im Entleihbetrieb (§ 11 Abs. 2 S. 2 AÜG)
  • Besonderen Kündigungsschutz entsprechend den gesetzlichen Vorgaben.

Tarifliche Regelungen und Abweichungen

Das AÜG erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz durch tarifliche Regelungen. Häufig werden auf die Leiharbeitsbranche spezialisierte Tarifverträge geschlossen, die beispielsweise Löhne, Zuschläge und Überlassungsdauer differenzieren. Dabei sind jedoch die Mindestbedingungen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz zu wahren.

Überlassungshöchstdauer und Überlassungsverbot

Überlassungshöchstdauer

Einzelne Leiharbeitnehmende dürfen an denselben Entleihbetrieb grundsätzlich höchstens 18 aufeinanderfolgende Monate überlassen werden (§ 1 Abs. 1b AÜG), wobei tarifvertragliche Ausnahmen zulässig sind.

Überlassungsverbot und Sanktionen

Für bestimmte Branchen und Tätigkeiten besteht ein Überlassungsverbot (z. B. Baugewerbe, Ausnahmen nach § 1b Abs. 2 AÜG). Bei nicht erlaubter Arbeitnehmerüberlassung kann ein Arbeitsverhältnis „fingiert“ werden (§ 10 AÜG). Zudem drohen Bußgelder nach § 16 AÜG.

Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Leiharbeitnehmende sind wie reguläre Beschäftigte sozialversicherungspflichtig. Der Verleiher ist gesetzlich verpflichtet, Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Für den Entgeltfortzahlungsanspruch, Mutterschutz und Elternzeit gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen.

Abgrenzung zu anderen Vertragsformen

Das Leiharbeitsverhältnis ist klar vom Werkvertrag und vom Dienstvertrag abzugrenzen:

  • Beim Werkvertrag schuldet der Unternehmer einen bestimmten Arbeitserfolg; der Werkunternehmer ist gegenüber seinen Arbeitnehmenden weisungsbefugt, nicht der Auftraggeber.
  • Beim Dienstvertrag wird eine bestimmte Tätigkeit geschuldet, der Auftraggeber ist nicht weisungsbefugt.
  • Im Gegensatz dazu wird im Leiharbeitsverhältnis die Arbeitsleistung auf Weisung des Entleihers erbracht und ist dieser zur Direktionsbefugnis berechtigt.

Europarechtliche Bezüge

Die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung sind durch europäisches Recht geprägt, insbesondere durch die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG, die Mindeststandards auf europäischer Ebene sichert, darunter Gleichbehandlung, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen.

Beendigung des Leiharbeitsverhältnisses

Das Leiharbeitsverhältnis endet grundsätzlich durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags mit dem Verleiher sowie durch Ablauf einer Befristung. Die bloße Beendigung des Überlassungsvertrages zwischen Verleiher und Entleiher hat keinen unmittelbaren Einfluss auf das Arbeitsverhältnis zum Verleiher.

Literaturverzeichnis

  • Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
  • Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
  • Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit

Hinweis: Die vorliegende Darstellung bezieht sich auf die aktuelle Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland (Stand: Juni 2024). Änderungen durch neue Gesetzgebung oder Rechtsprechung sind möglich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Pflichten hat der Verleiher gegenüber dem Leiharbeitnehmer?

Der Verleiher ist im Rahmen des Leiharbeitsverhältnisses der rechtliche Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und unterliegt dementsprechend verschiedenen gesetzlichen Pflichten. Dazu zählen insbesondere die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, des Bundesurlaubsgesetzes sowie die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns, sofern keine besseren tariflichen Regelungen bestehen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem sogenannten Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 8 AÜG), dem zufolge Leiharbeitnehmer nach neun Monaten ununterbrochener Überlassung Anspruch auf die gleichen wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere das gleiche Arbeitsentgelt, wie vergleichbare Arbeitnehmer im Einsatzbetrieb haben („Equal Pay“). Verleiher müssen außerdem darauf achten, ordnungsgemäße Lohnabrechnungen zu erstellen, arbeitsvertragliche Unterlagen zu übergeben und Sozialversicherungsbeiträge sowie Lohnsteuer abzuführen. Weiterhin haben sie im Bereich des Arbeitsschutzes eigenständige Pflichten, zum Beispiel bezüglich der Unterweisung vor Einsatzbeginn und der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes in Abstimmung mit dem Entleiher.

Unter welchen Voraussetzungen ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern zulässig?

Der Einsatz von Leiharbeitnehmern ist gemäß Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) grundsätzlich zulässig, sofern die Verleiher über eine gültige Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung durch die zuständige Bundesagentur für Arbeit verfügen. Darüber hinaus darf ein Leiharbeitnehmer grds. nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen werden, es sei denn, ein einschlägiger Tarifvertrag sieht eine abweichende Überlassungshöchstdauer vor (§ 1b AÜG). Der Einsatz ist zudem nicht zulässig, wenn der Entleiher einen „verdeckten“ illegalen Einsatz an einem bestreikten Betrieb oder in sensiblen Bereichen (wie Bauhauptgewerbe, sofern keine Ausnahmen gelten) vornimmt. Es bedarf ferner eines schriftlichen Nachweises des Arbeitnehmerüberlassungsvertrags zwischen Verleiher und Entleiher sowie der ausdrücklichen Kennzeichnung als Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag und Vorlage der wesentlichen Arbeitsbedingungen auf Anfrage des Leiharbeitnehmers.

Welche Rechte haben Leiharbeitnehmer im Entleihbetrieb?

Leiharbeitnehmer genießen im Entleihbetrieb weitreichende Rechte. Sie sind in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz wie Stammkräfte zu behandeln und haben Anspruch auf Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten, soweit keine objektiven Gründe für eine Ungleichbehandlung vorliegen. Insbesondere steht ihnen das Recht zu, über offene Stellen im Entleihbetrieb informiert zu werden (§ 13a AÜG). Ein gesetzlicher Anspruch auf Übernahme besteht jedoch nicht. In puncto Arbeitsentgelt und sonstigen wesentlichen Arbeitsbedingungen ist spätestens nach neun Monaten das sogenannte Equal-Pay-Prinzip einzuhalten. Zudem können Leiharbeitnehmer ihre Rechte auch direkt gegenüber dem Entleiher durchsetzen, insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsschutz, Arbeitsmittel und Unfallverhütung.

Wie wirken sich Tarifverträge auf das Leiharbeitsverhältnis aus?

Tarifverträge können die Bedingungen des Leiharbeitsverhältnisses erheblich beeinflussen. Sogenannte Branchenzuschlagstarifverträge regeln eine gestaffelte Anpassung des Arbeitsentgelts an das Niveau der Einsatzbranche. Ferner gibt es zwischen DGB und verschiedenen Arbeitgeberverbänden abgeschlossene Tarifverträge, die auch niedrigere Löhne als das Gleichstellungsgebot gestatten – jedoch nur innerhalb der ersten neun Überlassungsmonate. Solche Abweichungen sind nur zulässig, wenn der Verleiher tarifgebunden ist oder ein Tarifvertrag per Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis angewendet wird (§ 8 Abs. 2 AÜG). Tarifverträge können zudem die Überlassungshöchstdauer abweichend regeln, Regelungen zum Urlaubsanspruch enthalten oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall modifizieren. Leiharbeitnehmer profitieren hiervon jedoch erst, wenn sie selbst tarifgebunden sind oder der betreffende Tarifvertrag auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

Was sind die Folgen einer nicht erlaubten Arbeitnehmerüberlassung?

Wird ein Leiharbeitnehmer ohne die erforderliche Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit überlassen, ist das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer weiterhin wirksam; jedoch begründet das Gesetz ein sogenanntes „Einsatz-Arbeitsverhältnis“ zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher (§ 10 AÜG). Der Leiharbeitnehmer kann dann von dem Entleiher die Rechte und Pflichten eines regulären Arbeitsvertrags einfordern, insbesondere Zahlung von Arbeitsentgelt und Übernahme in das Betriebsverhältnis des Entleihers. Zudem stellen unzulässige Überlassungen eine Ordnungswidrigkeit dar, welche mit erheblichen Bußgeldern belegt werden kann. Betrifft der Vorfall wiederholt oder vorsätzlich zahlreiche Arbeitnehmer, können auch strafrechtliche Konsequenzen für den Verleiher folgen.

Inwieweit besteht Kündigungsschutz im Leiharbeitsverhältnis?

Leiharbeitnehmer unterliegen – wie reguläre Arbeitnehmer – dem Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), sofern das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und der Verleiher mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Verleiher muss daher betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe nachweisen, um eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Eine Besonderheit bei der Leiharbeit besteht darin, dass der Wegfall eines Einsatzes beim Entleiher allein kein ausreichender Kündigungsgrund ist, solange eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit beim Verleiher besteht. Der Leiharbeitnehmer kann zudem innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Besondere Regelungen für Schwangere, schwerbehinderte Menschen oder Betriebsräte gelten auch im Leiharbeitsverhältnis.

Wann ist der Betriebsrat einzubeziehen?

Der Betriebsrat des Verleihers ist bei Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen von Leiharbeitnehmern nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) zu beteiligen. Auch im Entleihbetrieb muss der dortige Betriebsrat informiert und beteiligt werden, insbesondere hinsichtlich der geplanten Übernahme von Leiharbeitnehmern und ihrer Zuordnung zu bestimmten Arbeitsbereichen oder Projekten. Zudem hat der Entleiher-Betriebsrat ein Zustimmungsrecht, wenn Leiharbeitnehmer an Ersatzarbeitsplätzen eingesetzt werden (§ 14 Abs. 3 AÜG). Die Mitwirkungspflichten des Betriebsrats sind damit im Leiharbeitsverhältnis doppelt relevant: sowohl auf Verleiher- als auch auf Entleiherseite.