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Laufende Rechnung


Begriff und Bedeutung der Laufenden Rechnung

Die laufende Rechnung ist ein zentrales Rechtsinstitut im Bereich des Schuldrechts sowie des Handelsrechts und bezeichnet ein fortlaufendes Abrechnungskonto zwischen zwei Parteien, welches durch wiederkehrende, gegenseitige Forderungen und Leistungen geprägt ist. Häufig findet sich die laufende Rechnung im Zusammenhang mit Kontokorrentverhältnissen, insbesondere im kaufmännischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen oder Kreditinstituten und deren Kunden.

Im rechtlichen Kontext dient die laufende Rechnung der regelmäßig laufenden gegenseitigen Verrechnung von Ansprüchen und Verbindlichkeiten, wobei einzelne Forderungen nicht sofort beglichen, sondern einer späteren Gesamtabrechnung zugeführt werden. Erst mit der sogenannten Schlussabrechnung oder Saldenfeststellung wird der Endsaldo – als einzige Forderung – fällig gestellt.

Rechtliche Grundlagen und Einordnung

Kontokorrentabrede (§ 355 HGB)

Im deutschen Recht bildet insbesondere § 355 Handelsgesetzbuch (HGB) die gesetzliche Grundlage für das sogenannte Kontokorrent, das als bekannteste Ausprägung der laufenden Rechnung gilt. Das Kontokorrent ist ein besonders geregeltes Abrechnungssystem, über das Kaufleute eine Vielzahl von gegenseitigen Forderungen durch fortlaufende Verrechnung, anstatt durch Einzelzahlungen, ausgleichen.

Wesen und Funktion

Im Zentrum der laufenden Rechnung steht die Verrechnung vereinzelter Forderungen auf einem speziell hierfür eingerichteten Abrechnungskonto. Mit Eintritt in die laufende Rechnung verlieren einzelne Forderungen ihre selbstständige Durchsetzbarkeit, soweit sie in das Kontokorrent eingestellt werden. Alle Forderungen und Leistungen werden einander gegenübergestellt und erst mit der Abrechnung nach Beendigung des Kontokorrentverhältnisses in Form eines abschließenden Saldos fällig.

Form und Entstehung

Eine laufende Rechnung kann ausdrücklich durch Vereinbarung der Parteien oder konkludent durch tatsächliches Verhalten, beispielsweise eine wiederkehrende Verrechnungspraxis, entstehen. Nach geschäftsüblichen Gepflogenheiten genügt in der Regel die fortgesetzte, gegenseitige Einstellung von Forderungen und Verbindlichkeiten in das eingerichtete Abrechnungskonto.

Rechtsfolgen der Einstellung in die laufende Rechnung

Mit der Einstellung einzelner Ansprüche in die laufende Rechnung gehen folgende Rechtsfolgen einher:

  • Einzelansprüche werden unselbstständig: Die ursprünglich selbstständig einklagbaren Forderungen werden durch ihre Umwandlung in das Kontokorrent kurzzeitig rechtlich „gehemmt“; nur der abschließende Saldo bleibt bei Fälligkeit als Forderung bestehen.
  • Beschränkter Einwand: Einwendungen gegen den Saldo können grundsätzlich nur hinsichtlich der Richtigkeit der Buchung oder der Saldenrechnung geltend gemacht werden.
  • Bindung an den Saldo: Nach Abschluss und Anerkennung des Saldos ist grundsätzlich nur der ausgewiesene Endsaldo sowie gegebenenfalls Zinsen einklagbar.

Arten der Laufenden Rechnung

Handelsrechtliche Laufende Rechnung (Kontokorrent)

Im Handelsrecht tritt die laufende Rechnung beinahe synonym zum Kontokorrent auf. Insbesondere zwischen Kaufleuten ist das Kontokorrentverhältnis ein häufig genutztes Instrument, das sowohl dem effektiven Zahlungsverkehr als auch der Liquiditätssteuerung dient. Auch Kreditinstitute und Bankkunden nutzen das Prinzip der laufenden Rechnung für laufende Kredite, etwa das sogenannte Girokonto.

Bürgerlich-rechtliche Laufende Rechnung

Auch außerhalb des Handelsrechts, im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), ist die Führung laufender Rechnungen möglich. Zwar existiert hier keine explizite Regelung zum Kontokorrent wie im HGB, jedoch ist die Einrichtung und Abwicklung durch Parteivereinbarung nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit (§§ 305 ff. BGB) möglich.

Beendigung der Laufenden Rechnung und Saldoermittlung

Kündigung und Abrechnung

Das laufende Rechnungskonto kann jederzeit durch Kündigung oder einseitige Erklärung der Parteien beendet werden, sofern keine abweichenden vertraglichen Vereinbarungen bestehen. Nach Beendigung der laufenden Rechnung erfolgt eine abschließende Saldoermittlung, die feststellt, welche Partei gegen die andere einen Ausgleichsanspruch in bestimmter Höhe besitzt.

Rechtsnatur des Abschluss-Saldos

Der ermittelte Endsaldo stellt die einzige verbleibende Forderung zwischen den Parteien dar. Er ersetzt rechnerisch alle in die laufende Rechnung eingestellten Einzelforderungen und erhält in der Regel die rechtliche Qualität einer abstrakten Schuldanerkenntnis. Bestimmte Einwendungen bleiben aber erhalten, insbesondere hinsichtlich Saldenermittlung und eventuellen Fehlern in der Abrechnung.

Besonderheiten bei Insolvenz und Verjährung

Laufende Rechnung in der Insolvenz

Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Kontokorrentverhältnis grundsätzlich beendet. Für die Saldoermittlung sind nur die bis zur Insolvenzeröffnung eingestellten Forderungen und Verbindlichkeiten maßgeblich. Forderungen aus späteren Geschäftsvorgängen dürfen nicht mehr eingestellt werden (§ 96 InsO, § 355 Abs. 2 HGB).

Verjährung von Ansprüchen in der laufenden Rechnung

Forderungen, die in die laufende Rechnung eingestellt wurden, verjähren grundsätzlich erst mit der Feststellung des abschließenden Saldos. Die allgemeine Verjährungsfrist beginnt somit mit Schlussabrechnung beziehungsweise Anerkenntnis durch die Parteien.

Prozessuale Besonderheiten

Im Prozessrecht ist zu beachten, dass bei Klage auf Zahlung des Saldos aus einer laufenden Rechnung stets der festgestellte Saldo eingeklagt werden muss. Einzelansprüche können nur dann geltend gemacht werden, wenn sie ausdrücklich aus der laufenden Rechnung herausgenommen oder die laufende Rechnung bislang nicht abgeschlossen wurde.

Wechselrechtlicher Bezug

Auch im Wechselrecht spielt die laufende Rechnung eine Rolle, wenn Wechselobligationen in laufende Kontokorrentverhältnisse überführt und dort saldiert werden. Hier gelten besondere Regelungen in Hinblick auf Wechselproteste und die Unterbrechung der Verjährung bereits mit Einstellung in die Rechnung.

Literatur und Rechtsprechung

Die laufende Rechnung ist Gegenstand zahlreicher Kommentierungen und gerichtlicher Entscheidungen. Zentrale Orientierung bieten u.a. die Kommentierungen zum HGB und relevante Urteile etwa des Bundesgerichtshofs (BGH), insbesondere zur Abgrenzung einzelner Forderungen, zur Beendigung und zu den Wirkungen der Saldierung.


Diese umfassende Darstellung des Begriffs laufende Rechnung erläutert das Rechtsinstitut in seiner gesamten Breite anhand der gesetzlichen Grundlagen, seiner praktischen Ausgestaltung sowie der sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen. Die laufende Rechnung bleibt damit ein bedeutendes Element sowohl im täglichen Geschäftsverkehr als auch bei der rechtlichen Bewertung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Geschäftspartnern.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für das Entstehen einer laufenden Rechnung erfüllt sein?

Für das Entstehen einer laufenden Rechnung im rechtlichen Sinne – beispielsweise nach § 355 HGB – müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Zunächst muss ein Dauerschuldverhältnis zwischen den Parteien bestehen, wie es häufig bei Geschäftsbeziehungen von Handelsunternehmen der Fall ist, in denen wiederholt Lieferungen oder Leistungen erbracht werden. Die Parteien müssen ausdrücklich oder nach den Umständen des Einzelfalls konkludent vereinbart haben, dass die einzelnen Forderungen und Verbindlichkeiten nicht sofort, sondern gesammelt und periodisch (typischerweise am Monatsende) abgerechnet werden. Diese Absprache kann sich aus dem Handelsbrauch, aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder aus den regelmäßigen Gepflogenheiten der Parteien ergeben. Gegenüber Verbrauchern ist die Schaffung einer laufenden Rechnung grundsätzlich zulässig, sollte jedoch stets den Vorschriften über Transparenz und Nachvollziehbarkeit genügen. Zudem müssen die Forderungen gleichartig, gegenseitig und fällig sein, damit sie ordnungsgemäß in die laufende Rechnung eingestellt werden können.

Wie wirkt sich die laufende Rechnung auf die Verjährung einzelner Forderungen aus?

Im Rahmen einer laufenden Rechnung (insbesondere im HGB-Kontext) werden einzelne Forderungen und Gegenforderungen nicht einzeln geltend gemacht, sondern erst nach der Schlussabrechnung, dem sogenannten Kontokorrentabschluss. Das bedeutet, dass die Verjährung der in die Rechnung eingestellten Einzelforderungen zunächst gehemmt ist, bis zum Zeitpunkt des Kontokorrentabschlusses (§ 355 Abs. 2 HGB). Erst ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Abschlusses beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist für den sich daraus ergebenden Saldo neu zu laufen. Jedoch bleibt das Recht bestehen, Einwendungen gegen einzelne Rechnungspositionen bis zur Anerkennung des Saldos zu erheben. Wichtig ist hierbei eine lückenlose Dokumentation, damit keine Ansprüche versehentlich verjähren, weil sie nicht rechtzeitig in die laufende Abrechnung aufgenommen wurden.

Welche rechtlichen Folgen hat der Saldoanerkenntnis am Ende einer laufenden Rechnung?

Das Saldonanerkenntnis am Ende einer laufenden Rechnung bewirkt, dass alle bis dahin bestehenden Einzelansprüche in eine einheitliche Forderung (den Saldo) umgewandelt werden. Juristisch erlischt damit die Selbstständigkeit der zuvor entstandenen Einzelansprüche; sie werden zu unselbstständigen Rechnungsposten innerhalb des Gesamtsaldos. Mit der Anerkennung des Saldos sind nur noch die Einwendungen zulässig, die sich gegen das jeweilige Saldo selbst richten oder solche, die aus der Zeit nach dem Saldoabschluss stammen. Einwendungen, die sich auf Einzelgeschäfte beziehen, können regelmäßig nicht mehr vorgebracht werden, sofern der Saldo auch ausdrücklich oder konkludent anerkannt wurde. Das Saldonanerkenntnis hat daher eine erhebliche rechtliche Bindungswirkung und bildet die Grundlage für eine Klage auf Zahlung des Saldobetrags.

Welche Besonderheiten bestehen bei der Beendigung einer laufenden Rechnung nach HGB?

Die laufende Rechnung kann durch ausdrückliche Beendigung durch eine der Parteien, durch Zeitablauf oder durch Kündigung (zum Beispiel durch Auflösung der Geschäftsbeziehung) beendet werden. Nach § 355 Abs. 1 HGB kann der Kontokorrentvertrag grundsätzlich jederzeit zum Schluss eines Rechnungsabschlusszeitraums von beiden Parteien gekündigt werden, sofern keine abweichenden Vereinbarungen getroffen wurden. Mit der Beendigung entsteht der Anspruch auf den sogenannten Schluss- oder Endsaldos, mit dessen Feststellung alle in die laufende Rechnung eingestellten Forderungen und Verbindlichkeiten ausgeglichen werden. Zu beachten ist, dass nach Beendigung die Erhebung von Einwendungen gegen einzelne Positionen der Abrechnung im Regelfall nur so lange möglich ist, bis der Saldo anerkannt wurde.

Können Einwendungen gegen Einzelposten nach Saldofeststellung noch erhoben werden?

Nach der Feststellung und Anerkennung des Saldos können Einwendungen gegen Einzelposten grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden. Ausnahmen bestehen nur, soweit das Gesetz ausdrücklich etwas anderes vorsieht, etwa im Falle von Irrtum, arglistiger Täuschung oder bei Nichtaufnahme offensichtlich bestehender Gegenforderungen (§ 355 Abs. 3 HGB). Solche Einwendungen können dazu führen, dass der erkannte Saldo nachträglich zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei korrigiert wird. Im Übrigen ist der Schuldner grundsätzlich mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die sich auf Positionen vor dem anerkannten Rechnungsabschluss beziehen. Daher ist die sorgfältige Prüfung des Abschlusses und der einzelnen Positionen vor Anerkennung von zentraler rechtlicher Bedeutung.

Was ist bei der Anmeldung einer Forderung aus laufender Rechnung im Insolvenzverfahren zu beachten?

Im Insolvenzverfahren ist entscheidend, dass nur der am Tag der Eröffnung bestehende Saldo aus der laufenden Rechnung zur Tabelle angemeldet werden kann (§ 96 InsO). Einzelne Forderungen, die in die laufende Rechnung eingeflossen sind, dürfen nicht einzeln angemeldet werden. Die Anmeldung umfasst die ausstehenden Salden, die bis zum Insolvenzeröffnungsstichtag entstanden sind. Forderungen, die erst nach diesem Stichtag entstanden sind, müssen außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Wird die laufende Rechnung zu spät abgeschlossen, besteht das Risiko, dass Forderungen untergehen oder bei der Verteilung der Insolvenzmasse unberücksichtigt bleiben. Bei der Forderungsanmeldung empfiehlt sich daher eine genaue Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter.

Gibt es gesetzliche Formerfordernisse für die Führung einer laufenden Rechnung?

Für die Vereinbarung einer laufenden Rechnung bestehen keine gesetzlichen Schriftformvorschriften. Die Abrede kann ausdrücklich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, getroffen werden. Im Handelsrecht ist auch die Führung von Kontokorrenten in elektronischer oder sonstiger nachvollziehbarer Form anerkannt. Wichtig ist lediglich, dass im Streitfall eine eindeutige Dokumentation über Bestehen, Inhalt und Umfang der laufenden Rechnung möglich ist. Im Rahmen der kaufmännischen Buchführung (§§ 238 ff. HGB) sind korrekte, zeitnahe und nachvollziehbare Aufzeichnungen jedoch unerlässlich, da sie als Beweismittel im Falle von Streitigkeiten oder im gerichtlichen Verfahren dienen. Es empfiehlt sich daher, Vereinbarungen und Abrechnungen stets schriftlich oder zumindest in nachvollziehbarer elektronischer Form festzuhalten.