Begriff und Wesen der Landwirtschaftskammern
Landwirtschaftskammern sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, die in Deutschland, Österreich und einigen weiteren Staaten als Institutionen der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung fungieren. Sie nehmen sowohl staatsentlastende Aufgaben als auch hoheitliche Befugnisse wahr und vertreten die Interessen der Land- und Forstwirtschaft sowie nachgeordneter Bereiche wie Gartenbau, Fischerei und ländliche Entwicklung gegenüber Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Die Landwirtschaftskammern besitzen eigenständige Rechtsfähigkeit und sind in der Regel durch landesspezifische Gesetze geregelt.
Rechtsgrundlagen der Landwirtschaftskammern
Gesetzliche Grundlagen in Deutschland
In Deutschland gründen sich die Landwirtschaftskammern auf spezielle Landesgesetze. Die Bundesländer regeln im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz umfassend die Einrichtung, den Aufbau, die Aufgaben und die Finanzierung der Landwirtschaftskammern. Zu den maßgeblichen Gesetzen zählen bspw. das „Niedersächsische Gesetz über die Landwirtschaftskammer“, das „Landwirtschaftskammergesetz Nordrhein-Westfalen“ und entsprechende Vorschriften in Schleswig-Holstein sowie Rheinland-Pfalz.
Öffentlich-rechtliche Körperschaft
Landwirtschaftskammern sind als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung ausgestattet. Sie verfügen über Satzungsautonomie, dürfen also im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eigene Satzungen zur inneren Organisation, Beitragsordnung und Gebührenordnung erlassen.
Wahl und Beteiligung
Wesentliches Element der Kammerorganisation ist die demokratische Legitimation. Die Mitglieder der Landwirtschaftskammern, meist natürliche oder juristische Personen aus der Landwirtschaft, wählen ihre Vertreter in die Entscheidungsgremien. Damit handeln die Kammern einerseits selbstverwaltend, übernehmen jedoch vielfach auch Aufgaben im staatlichen Auftrag.
Landwirtschaftskammern im österreichischen Rechtssystem
In Österreich sind die Landwirtschaftskammern auf Landesebene geregelt. Das Landwirtschaftskammergesetz ist jeweils Sache der Bundesländer. Die einheitliche bundesweite Vertretung erfolgt über die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs.
Europarechtliche Einbindung
Obwohl die Landwirtschaftskammern keine Einrichtungen im Sinne des Unionsrechts sind, bilden sie auf nationaler Ebene wichtige Schnittstellen zur Durchsetzung und Umsetzung von europäischen Agrarförderprogrammen, insbesondere der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Aufgaben und Befugnisse der Landwirtschaftskammern
Hoheitliche Funktionen
Die Landwirtschaftskammern nehmen zahlreiche Aufgaben mit öffentlich-rechtlichem Einschlag wahr. Dazu gehören:
- Erteilung und Kontrolle von bestimmten Befugnissen und Zertifikaten (z. B. Sachkundenachweis Pflanzenschutz)
- Durchführung von Anerkennungsverfahren im Bereich Agrarförderung
- Genehmigungen und Zulassungen in Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeiten
- Mitwirkung bei agrarpolitischen Maßnahmen der Bundesländer
- Unterstützung bei der Umsetzung und Kontrolle staatlicher Agrarprogramme
Selbstverwaltungsaufgaben
Innerhalb ihrer Selbstverwaltungsfunktion vertreten Landwirtschaftskammern die Interessen ihrer Mitglieder, beraten in Fach- und Rechtsfragen und bieten Weiterbildungen sowie Dienstleistungen an. Darüber hinaus wirken sie an der Entwicklung des ländlichen Raumes und an der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft mit.
Aufsicht und Kontrolle
Die Landwirtschaftskammern unterliegen der Staatsaufsicht des zuständigen Landesministeriums für Landwirtschaft. Die Aufsicht erstreckt sich einerseits auf die Gesetzmäßigkeit des Handelns (Rechtsaufsicht), andererseits in bestimmten Fällen auf die Zweckmäßigkeit (Fachaufsicht), insbesondere solange die Kammern hoheitliche Aufgaben im staatlichen Auftrag wahrnehmen.
Mitgliedschafts- und Beitragspflichten
Pflichtmitgliedschaft
Soweit gesetzlich bestimmt, begründet der Besitz oder die Pachtung eines landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzten Betriebs eine Pflichtmitgliedschaft in der zuständigen Landwirtschaftskammer. Zusammensetzung und Umfang der Mitgliedschaft sind in jeweiligen Landesgesetzen geregelt.
Beitrags- und Gebührenordnung
Mitglieder sind zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet. Die Höhe und Festsetzung der Beiträge ergeben sich aus den Kammergesetzen und den auf ihrer Grundlage zu erlassenden Satzungen. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide richten sich nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsrechts.
Rechtsstellung und Organaufbau
Organe der Landwirtschaftskammer
Die typische interne Struktur umfasst die Vollversammlung (als oberstes Willensbildungsorgan), Hauptausschüsse, Präsidenten oder Vorsitzende sowie einen Generalsekretär oder Hauptgeschäftsführer zur Führung der laufenden Verwaltung.
Rechtsaufsicht und Normenkontrolle
Die Landwirtschaftskammer ist zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit eigenen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. Die von ihr erlassenen Satzungen, Gebühren- und Beitragsordnungen sind verbindlich, unterliegen aber der Kontrolle auf Vereinbarkeit mit höherem Recht und können im Verwaltungsrechtsweg überprüft werden.
Bedeutung im europäischen und bundesdeutschen Recht
Im deutschen Verwaltungssystem sind Landwirtschaftskammern den sogenannten mittelbaren Staatsverwaltungen zuzuordnen. Sie übernehmen staatliche Aufgaben in Form der Beleihung oder im übertragenen Wirkungskreis.
Ferner fungieren sie als Bindeglied zwischen landwirtschaftlicher Praxis, Gesetzgebung und Verwaltung und sichern durch ihre Sachkompetenz die effiziente Umsetzung von agrarpolitischen und umweltrechtlichen Vorgaben. Die Interessensvermittlung der Kammern erstreckt sich nicht nur auf Agrarbetriebe, sondern auch auf Fragen der Nachhaltigkeit, Umwelt- und Verbraucherschutz.
Rechtsschutz und Rechtspflege
Die Verwaltungsakte der Landwirtschaftskammern unterliegen der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. Gegen Entscheidungen steht Mitgliedern und Betroffenen der Rechtsweg nach den allgemeinen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung offen.
Literaturhinweise und weiterführende Informationen
- Landesgesetzliche Regelungen der Bundesländer zur Organisation der Landwirtschaftskammern
- Länderübergreifende Veröffentlichungen zu Agrarrecht und Körperschaftsrecht
- Veröffentlichungen der einzelnen Landwirtschaftskammern zu ihrer Tätigkeit und Satzung
Hinweis: Dieser Artikel dient der Information zu den rechtlichen Grundlagen und organisatorischen Strukturen der Landwirtschaftskammern und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich einzelner landesspezifischer Regelungen. Es gelten die jeweiligen Landesgesetze und Rechtsvorschriften.
Häufig gestellte Fragen
Wie ist die Mitgliedschaft in einer Landwirtschaftskammer rechtlich geregelt?
Die Mitgliedschaft in Landwirtschaftskammern ergibt sich in Deutschland überwiegend aus den jeweiligen Landesgesetzen über die Landwirtschaftskammern. Grundsätzlich handelt es sich bei Landwirtschaftskammern um Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen die Pflichtmitgliedschaft gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies bedeutet, dass alle in einem Bundesland ansässigen landwirtschaftlichen Haupterwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe sowie juristische Personen, die land- oder forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaften, automatisch Mitglied werden, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Mitglieder sind zur Zahlung von Kammerbeiträgen verpflichtet. Im Einzelfall können durch Rechtsverordnungen auch Ausnahmen geregelt oder weitere Berufsgruppen einbezogen werden. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft wird regelmäßig unter dem Aspekt der Berufsfreiheit und des Selbstverwaltungsprinzips geprüft. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Zwangsmitgliedschaft jedoch ein zulässiges Mittel, um die berufsständische Selbstverwaltung sicherzustellen, solange die Aufgaben tatsächlich im Interesse des jeweiligen Berufsstandes liegen.
Welche gesetzlichen Aufgaben haben Landwirtschaftskammern?
Landwirtschaftskammern übernehmen im gesetzlichen Auftrag umfangreiche öffentlich-rechtliche Aufgaben, die in den jeweiligen Landesgesetzen sowie in nachgelagerten Rechtsverordnungen geregelt sind. Dazu gehört unter anderem die Regelung und Überwachung der Berufsausbildung im Bereich der Land-, Forst- und Hauswirtschaft, die Ausstellung von Zeugnissen und Urkunden sowie die Durchführung von Fachprüfungen. Weiterhin sind sie zuständig für die Beratung der Mitglieder sowie der Behörden in Fragen der landwirtschaftlichen Produktion und der Agrarpolitik. Viele Aufgaben betreffen auch die Mitwirkung bei der Verwaltung von EU-Agrarfördermitteln, die Kontrolle der Einhaltung landwirtschaftlicher Fachgesetze (wie Düngemittel- oder Pflanzenschutzrecht) und die Vertretung der Interessen der Land- und Forstwirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung. Landwirtschaftskammern arbeiten zudem bei der Umsetzung umweltrechtlicher Vorschriften, etwa im Wasser- oder Naturschutzrecht, eng mit anderen Behörden zusammen.
Nach welchen rechtlichen Vorgaben erfolgt die Wahl der Vertretergremien?
Die Organisation und Wahl der Vertretungsgremien in den Landwirtschaftskammern sind in den jeweiligen Kammergesetzen der Länder detailliert geregelt. Die wichtigsten Organe sind regelmäßig die Kammerversammlung beziehungsweise das Plenum und der Vorstand bzw. Präsident. Die Wahlberechtigung besitzen in der Regel alle Mitglieder, wobei im Detail unterschiedliche Regelungen zur aktiven und passiven Wahl existieren können. Um die demokratische Legitimation zu sichern, erfolgen Wahlen in geheimer und unmittelbarer Wahl. Die Wahlausschüsse sind gesetzlich zur Neutralität verpflichtet und die Wahlen unterliegen der Rechtsaufsicht durch das zuständige Landesministerium. Die Amtsdauer der gewählten Gremien ist gesetzlich festgelegt und beträgt zumeist vier bis sechs Jahre. Bei Unregelmäßigkeiten im Wahlverlauf können Mitglieder innerhalb bestimmter Fristen Wahlanfechtung nach Maßgabe der jeweiligen Landwirtschaftskammergesetze beantragen.
Unterliegt die Landwirtschaftskammer der staatlichen Aufsicht?
Landwirtschaftskammern stehen als Selbstverwaltungskörperschaften unter staatlicher Rechtsaufsicht, die durch das jeweilige Fachministerium des Landes ausgeübt wird (zumeist das Landwirtschaftsministerium). Die staatliche Aufsicht beschränkt sich auf die Einhaltung von Gesetzen und Satzungen sowie auf die Zweckmäßigkeit staatlich übertragener Aufgaben. Das bedeutet, dass das Ministerium jederzeit das Recht zur Akteneinsicht und zur Anforderung von Berichten hat. Bei Verstößen gegen bestehendes Recht kann das Ministerium rechtswidrige Beschlüsse aufheben oder die Kammer anweisen, ihr Verhalten zu ändern. Die Rechtsaufsicht ist jedoch nicht mit einer Fachaufsicht gleichzusetzen, d.h. die tägliche Tätigkeit und inhaltliche Gestaltung der Kammerarbeit obliegt weiterhin den gewählten Organen und deren Satzungen.
Wie werden die Kammerbeiträge rechtlich erhoben und verwendet?
Die Finanzierungsgrundlage der Landwirtschaftskammern ist überwiegend der Kammerbeitrag, dessen Erhebung und Höhe im jeweiligen Landwirtschaftskammergesetz sowie in den darauf basierenden Satzungen geregelt ist. Die Bemessungsgrundlagen unterscheiden sich je nach Bundesland, häufig orientieren sie sich an der Größe (Fläche), dem Wirtschafts- oder Einheitswert eines Betriebes sowie Art und Umfang der Tätigkeit. Der Beitragsbescheid wird als Verwaltungsakt erlassen und ist im Falle eines Widerspruchs oder einer Klage vor den Verwaltungsgerichten anfechtbar. Die Verwendung der Mittel ist zweckgebunden; sie dient ausschließlich der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Kammer. In den Satzungen und Haushaltsplänen ist geregelt, welche Ausgaben zulässig sind und wie die Mittelverwendung kontrolliert wird.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für Mitglieder zur Anfechtung von Kammerentscheidungen?
Mitglieder der Landwirtschaftskammer haben grundsätzlich die Möglichkeit, Entscheidungen der Kammer auf dem Verwaltungsrechtsweg anzufechten. Grundlage hierfür ist das jeweils einschlägige Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. den spezifischen Bestimmungen der Landes-Kammergesetze. Es besteht das Recht, gegen belastende Verwaltungsakte, etwa Beitragsbescheide, Widerspruch einzulegen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann binnen eines Monats Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht werden. Die internen Gremienentscheidungen (z.B. Vorstandsbeschlüsse) sind nur unter engen Voraussetzungen, etwa bei formellen Fehlern oder offensichtlicher Gesetzeswidrigkeit, gerichtlich überprüfbar. In bestimmten Fällen erfordert das Kammergesetz vor einer Klageerhebung eine Durchführung eines Vorverfahrens (Widerspruchsverfahren). Darüber hinaus können Mitglieder auch die Einleitung eines Organstreits nach den Regeln der jeweiligen Kammerkörperschaft beantragen, um festzustellen, ob ein Organ seine Kompetenzen überschritten hat.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus der Mitgliedschaft in einer Landwirtschaftskammer rechtlich?
Mitglieder der Landwirtschaftskammern haben einerseits Pflichten, insbesondere die Entrichtung von Beiträgen sowie die Befolgung der kammerrechtlichen Satzung und Beschlüsse der Gremien. Daneben bestehen umfassende Auskunfts- und Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit der Feststellung der Beitragshöhe und für statistische Zwecke. Rechte der Mitglieder sind die demokratische Mitwirkung an der Kammerarbeit, das Wahlrecht zu den Organen der Kammer, die Inanspruchnahme von Beratungs- oder Förderleistungen und die Beteiligung an öffentlichen Kammerveranstaltungen. Jedes Mitglied hat zudem Anspruch darauf, dass die Kammer ihre Aufgaben neutral, satzungskonform und nach den geltenden Gesetzen erfüllt sowie den Schutz personenbezogener Daten gemäß Datenschutzrecht gewährleistet. Rechtsverstöße durch die Kammer können über die staatliche Aufsicht oder den Verwaltungsrechtsschutz verfolgt werden.