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Landwirtschaftliche Krankenkassen


Begriff und gesetzliche Grundlagen der Landwirtschaftlichen Krankenkassen

Landwirtschaftliche Krankenkassen sind eigenständige Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland, die insbesondere für Personen in der Land- und Forstwirtschaft sowie deren Angehörige zuständig sind. Sie nehmen innerhalb des Systems der Sozialversicherung eine Sonderstellung ein, da sie spezifisch auf die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Bevölkerung zugeschnitten sind. Die rechtliche Grundlage für die Landwirtschaftlichen Krankenkassen bildet insbesondere das Siebte Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), ergänzt durch das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und weitere einschlägige Vorschriften.

Historische Entwicklung

Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts existieren spezielle Krankenversicherungen für Landwirte. Die Entstehung der Landwirtschaftlichen Krankenkassen ist eng mit der allgemeinen Entwicklung der Sozialversicherung in Deutschland verbunden; sie entstanden zunächst auf Landesebene und wurden später bundesweit einheitlich geregelt. Mit der Einfügung in das Sozialgesetzbuch wurde eine ausdifferenzierte, selbstverwaltete Organisation geschaffen, die den besonderen wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen im landwirtschaftlichen Bereich Rechnung trägt.

Aufgaben und Leistungen der Landwirtschaftlichen Krankenkassen

Die Landwirtschaftlichen Krankenkassen sind, wie die allgemeinen gesetzlichen Krankenkassen, dafür zuständig, den Versicherten im Krankheitsfall Leistungen zur medizinischen Versorgung und zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

Versicherte Personen

Nach § 2 SGB V i. V. m. § 2 ALG zählen zu den versicherungspflichtigen Mitgliedern der Landwirtschaftlichen Krankenkassen insbesondere:

  • Landwirte im Haupt- und Nebenerwerb,
  • mitarbeitende Familienangehörige auf landwirtschaftlichen Betrieben,
  • Rentenbezieherinnen und Rentenbezieher aus der Alterssicherung der Landwirte,
  • bestimmte andere in der Land- und Forstwirtschaft tätige Gruppen.

Darüber hinaus können Familienangehörige in Familienversicherung aufgenommen werden, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden (§§ 10, 10a SGB V).

Beitragspflicht und Beitragsbemessung

Die Beitragsberechnung ist bei Landwirtschaftlichen Krankenkassen im Vergleich zu allgemeinen Krankenkassen besonders geregelt. Die Beiträge werden nicht nach dem Arbeitseinkommen, sondern nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs festgelegt. Maßgeblich ist hierbei die sogenannte „wirtschaftliche Größe“ des Betriebs als Bemessungsgrundlage (§ 2 Abs. 4 ALG, §§ 21 ff. KVLG 1989 – Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte). Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft setzt jährlich den jeweiligen Beitragsmaßstab fest.

Leistungsumfang

Der Umfang der Leistungen der Landwirtschaftlichen Krankenkassen entspricht grundsätzlich demjenigen der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 11 ff. SGB V). Hierzu zählen unter anderem:

  • Leistungen zur Prävention und Früherkennung von Krankheiten,
  • ärztliche und zahnärztliche Behandlung,
  • Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln,
  • Kranken- und Fahrtkosten,
  • Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
  • Krankengeld und weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Krankheitsfall.

Ergänzend bestehen für Versicherte in der Landwirtschaft besondere Leistungen, z. B. im Bereich der landwirtschaftlichen Betriebshilfe (§§ 15 ff. KVLG 1989). Hierzu gehört die Sicherstellung der Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebs, falls der Betriebsleiter oder die Betriebsleiterin wegen Krankheit oder aus anderen Gründen zeitweise ausfällt.

Organisation und Verwaltung der Landwirtschaftlichen Krankenkassen

Zuständigkeit und Trägerstruktur

Die Landwirtschaftlichen Krankenkassen sind auf Bundesebene als Teil der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) organisiert. Die SVLFG ist seit 2013 der bundesweite Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, zu der neben der landwirtschaftlichen Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung auch die Alterskasse gehört.

Die SVLFG verwaltet als Körperschaft des öffentlichen Rechts die gesetzlichen Aufgaben in Selbstverwaltung. Die Mitglieder haben über die Vertreterversammlung und den Vorstand Einfluss auf die Ausgestaltung der Versicherung.

Finanzierung und Haushaltsführung

Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren. Die Einnahmen bestehen hauptsächlich aus den Pflichtbeiträgen der versicherten Betriebe und Personen sowie aus staatlichen Zuschüssen, die insbesondere der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe Rechnung tragen. Die Mittel werden zweckgebunden zur Deckung der Versicherungsleistungen und Verwaltungskosten verwendet. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt regelmäßig durch interne und externe Prüfinstanzen.

Aufsicht und Rechtschutz

Aufsicht

Die Aufsicht über die Landwirtschaftlichen Krankenkassen wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesversicherungsamt ausgeübt, wobei Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern differenziert werden können. Die Aufsicht kann sowohl Rechts- als auch Fachaufsicht umfassen.

Rechtsmittel und Verfahren

Gegen Entscheidungen der Landwirtschaftlichen Krankenkassen stehen den Versicherten die im Sozialrecht üblichen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Dazu zählen:

  • Einspruchs- bzw. Widerspruchsverfahren (§§ 78 ff. SGG),
  • sowie Klage vor den Sozialgerichten (§ 51 SGG).

Verwaltungsakte und Beschlüsse der Kassen unterliegen damit der vollständigen gerichtlichen Kontrolle.

Unterschiede zu anderen gesetzlichen Krankenkassen

Während die allgemeinen Krankenkassen (wie z.B. die AOK, TK, DAK) für die Allgemeinbevölkerung zuständig sind und Beiträge nach dem Arbeitseinkommen bemessen, basiert die Beitragserhebung bei den Landwirtschaftlichen Krankenkassen auf der wirtschaftlichen Größe des Betriebs. Auch hinsichtlich der Betriebshilfe und spezieller Leistungen besteht ein Unterschied, der der Sicherung des landwirtschaftlichen Lebens- und Arbeitsumfeldes dient.

Fazit und Bedeutung

Die Landwirtschaftlichen Krankenkassen sind ein zentrales Element der sozialen Sicherung im landwirtschaftlichen Sektor Deutschlands. Sie gewährleisten, dass land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie deren Familienangehörige einen ihren besonderen Arbeits- und Lebensbedingungen entsprechenden Schutz im Krankheitsfall erhalten. Die gesetzliche Ausgestaltung trägt den spezifischen Anforderungen der Branche Rechnung und stellt sicher, dass auch in Krisenzeiten der Fortbestand landwirtschaftlicher Betriebe gesichert werden kann.

Literatur und weiterführende Links

  • Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung
  • Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989)
  • Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG)
  • Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)
  • Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsbarkeit (SGG)
  • Website der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG): www.svlfg.de

Häufig gestellte Fragen

Welche Personen sind rechtlich verpflichtet, Mitglied in einer landwirtschaftlichen Krankenkasse zu sein?

Die Pflichtmitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Krankenkasse basiert in Deutschland auf dem Sozialgesetzbuch (SGB VII) und dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Zu den rechtlich verpflichteten Mitgliedern zählen vor allem selbständige Landwirte sowie deren mitarbeitende Familienangehörige. Maßgeblich für die Pflichtversicherung sind neben der Bewirtschaftung eines land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmens auch die Mindestgrößengrenzen, die im jeweiligen Bundesland unterschiedlich geregelt sein können. Die Verpflichtung erstreckt sich ferner auf Personen, die eine land- oder forstwirtschaftliche Nebenerwerbstätigkeit ausüben, sofern diese Tätigkeit einen wesentlichen Umfang erreicht. Rechtskräftige Ausnahmen und besondere Konstellationen, zum Beispiel bei Mehrfachversicherungen oder bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit außerhalb der Landwirtschaft, sind im Gesetz ebenfalls detailliert normiert und werden durch die Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung einzelfallbezogen geprüft.

Wie gestaltet sich die Beitragsbemessung in der landwirtschaftlichen Krankenkasse aus rechtlicher Sicht?

Die Beitragserhebung in landwirtschaftlichen Krankenkassen richtet sich nicht ausschließlich nach dem Einkommen des Versicherten, sondern wird gesetzlich gemäß den sogenannten Beitragsklassen festgelegt, die sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren. Maßgebliche Grundlage bietet das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989), welches die Heranziehung des sogenannten „Einheitswerts“ des landwirtschaftlichen Unternehmens vorsieht. Dieser Einheitswert wird durch das Finanzamt auf Grundlage des Bewertungsgesetzes festgestellt und bildet die zentrale Berechnungsgrundlage für die Einstufung in eine Beitragsklasse. Neben diesem Wert werden einzelne Sozialdaten, wie beispielsweise die familiäre Situation und das Alter, bei der konkreten Beitragshöhe berücksichtigt. Rechtlich bindend sind dabei sowohl Mindest- als auch Höchstbeiträge, deren Höhe regelmäßig durch Verordnungen angepasst wird. Streitigkeiten über die Höhe der Beiträge können im Rahmen des sozialgerichtlichen Rechtswegs überprüft werden.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Familienversicherung in der landwirtschaftlichen Krankenkasse?

Die Familienversicherung ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 10 SGB V geregelt, wobei für landwirtschaftliche Krankenkassen ergänzende Spezialregelungen nach dem KVLG 1989 gelten. Familienangehörige, also insbesondere Ehegatten und Kinder des versicherungspflichtigen Landwirts, können unter bestimmten Voraussetzungen beitragsfrei mitversichert werden. Maßgebliche Kriterien sind hier unter anderem das Alter des Kindes, der Ausbildungsstatus sowie das Einkommen der mitzuversichernden Person. Überschreitet das Einkommen des Familienmitglieds bestimmte, gesetzlich geregelte Grenzen, endet die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung automatisch. Das Recht auf Familienversicherung ist dabei streng an die jeweiligen Nachweis- und Meldepflichten gebunden; Versäumnisse führen zu Nachforderungen der Beiträge und gegebenenfalls zum rückwirkenden Erlöschen des Versicherungsschutzes.

Welche besonderen Regeln gelten für die landwirtschaftliche Krankenversicherung im Falle der Betriebsabgabe oder -aufgabe?

Beim Übergang eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen Nachfolger (Betriebsabgabe) oder bei vollständiger Betriebsaufgabe greifen besondere rechtliche Übergangsregelungen aus dem KVLG 1989 und dem ALG. Für abgebende Landwirte besteht in der Regel die Möglichkeit oder sogar Pflicht, in eine sogenannte „Nachversicherung“ einzutreten. Der Versicherungsschutz kann hierbei für einen begrenzten Zeitraum fortgeführt werden, sofern bestimmte Voraussetzungen – beispielsweise ein Mindestalter oder die Zahlung von Mindestbeiträgen – erfüllt sind. Im Falle der Betriebsaufgabe endet in aller Regel die Pflichtmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Krankenkasse, es sei denn, der Betroffene erfüllt die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung. Dies ist rechtlich innerhalb von drei Monaten nach Aufgabe des Betriebs zu beantragen, um einen lückenlosen Schutz zu gewährleisten.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen ist ein Wechsel aus der landwirtschaftlichen Krankenkasse in eine andere gesetzliche Krankenkasse möglich?

Ein Wechsel aus der landwirtschaftlichen Krankenkasse in eine andere gesetzliche Krankenkasse richtet sich nach den Vorschriften des SGB V sowie nach den spezifischen Vorschriften des KVLG 1989. Die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Krankenkasse ist grundsätzlich statusgebunden: Nur soweit der Versicherte die entsprechenden Voraussetzungen, insbesondere die selbständige land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeit, nicht mehr erfüllt, endet die Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kasse. Ein darüber hinausgehender freiwilliger Wechsel aus Gründen der besseren Leistungen oder Beitragssätze ist rechtlich ausgeschlossen. Erst mit Wegfall der Einstufung als land- oder forstwirtschaftlicher Unternehmer – beispielsweise durch dauerhafte Aufgabe oder Wechsel in eine komplett andere Erwerbstätigkeit – ist ein Wechsel in die allgemeine gesetzliche Krankenversicherung oder gegebenenfalls in die private Krankenversicherung zulässig. Maßgeblich ist hierbei stets das Fortbestehen der Tatbestandsvoraussetzungen, die von den Versicherungsträgern überprüft werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen zur Anfechtung eines Bescheids der landwirtschaftlichen Krankenkasse?

Gegen einen Bescheid der landwirtschaftlichen Krankenkasse, beispielsweise bezüglich der Beitragseinstufung oder des Versicherungsschutzes, stehen den Betroffenen die gleichen Rechtsmittel wie in der allgemeinen Sozialversicherung offen. Maßgeblich sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuches, insbesondere §§ 84 ff. SGG (Sozialgerichtsgesetz). Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids kann Widerspruch eingelegt werden, über den der Versicherungsträger zu entscheiden hat. Bleibt der Widerspruch erfolglos, besteht die Möglichkeit der Klage zum zuständigen Sozialgericht. Wichtig ist, dass die Einhaltung der formalen Vorgaben und der Fristen zwingend erforderlich ist, da andernfalls Rechtsverluste drohen. Das Verfahren ist für Versicherte grundsätzlich gerichtskostenfrei, wobei unter Umständen Anwaltskosten oder Kosten für Gutachten entstehen können.

Welche besonderen Rechtsvorschriften gelten bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit von Landwirten?

Bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit gelten für landwirtschaftliche Krankenkassen spezielle Leistungsvorschriften, die im KVLG 1989 geregelt sind. Wesentlich ist, dass für Landwirte eine sogenannte Betriebshilfe als gesetzliche Leistung verankert wurde. Diese unterscheidet sich von der klassischen Lohnfortzahlung, wie sie bei abhängig Beschäftigten üblich ist. Landwirte erhalten im Krankheitsfall, sofern die Arbeitsfähigkeit durch ärztliches Attest aufgehoben ist, eine Ersatzkraft für die Bewirtschaftung des Betriebs oder – falls dies im Einzelfall nicht möglich ist – ein Krankengeld. Die Anspruchsdauer, Höhe sowie Voraussetzungen für den Bezug regelt das Gesetz detailliert, und auch Pflichten wie etwa die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit sind zwingend einzuhalten. Das Ziel dieser besonderen Regelungen ist es, die Weiterführung des landwirtschaftlichen Betriebs auch im Krankheitsfall sicherzustellen und drohende wirtschaftliche Nachteile durch Arbeitsausfall zu minimieren.