Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften
Überblick und rechtlicher Rahmen
Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften (LBG) sind als Träger der landwirtschaftlichen Unfallversicherung integrale Bestandteile des deutschen Sozialversicherungssystems. Sie übernehmen als Körperschaften des öffentlichen Rechts die gesetzliche Aufgabe, landwirtschaftliche Unternehmen sowie deren Beschäftigte gegen die Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten abzusichern. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), welches die gesetzliche Unfallversicherung regelt.
Historische Entwicklung
Die Einrichtung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und der zugehörigen Berufsgenossenschaften erfolgte im Zuge der Sozialgesetzgebung Ende des 19. Jahrhunderts, insbesondere durch das Unfallversicherungsgesetz von 1886. Ziel war es, Risiken in der Land- und Forstwirtschaft analog zu anderen Berufsgruppen zentral zu organisieren. Über die Jahrzehnte hinweg wurde die Struktur dieser Körperschaften mehrfach reformiert, zuletzt im Zusammenhang mit der Konsolidierung der Sozialversicherungsträger zur Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) im Jahr 2013.
Aufgaben und Leistungen
Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Die Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sind verpflichtet, umfassende Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Hierzu zählen sicherheitstechnische Beratungen für Betriebe, Organisation und Durchführung von Schulungen sowie regelmäßige Betriebsbegehungen. Diese Maßnahmen dienen der Reduzierung von Gefährdungen und Risiken am Arbeitsplatz.
Rehabilitation und Entschädigung
Wird ein Versicherter Opfer eines Arbeitsunfalls oder an einer anerkannten Berufskrankheit, so übernehmen die Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften die medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation. Sofern die Erwerbsfähigkeit gemindert bleibt, erhält der Versicherte eine Verletztenrente. Zudem werden Leistungen an Hinterbliebene gezahlt, wenn es zu einem Todesfall infolge eines Versicherungsfalls kommt.
Melde- und Beitragspflichten
Mitglieder der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sind alle Unternehmen, die land-, forst- oder gartenbauliche Tätigkeiten im Inland betreiben. Für die Zuordnung und Beitragserhebung ist die Anmeldung des Unternehmens bei der zuständigen LBG zwingend vorgeschrieben. Die Bemessung der Beiträge erfolgt nach Gefahrtarifen, die betriebstypische Risiken berücksichtigen und sich u. a. an Fläche, Tierbestand oder Arbeitsentgelt orientieren.
Trägerschaft und Organisation
Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)
Seit dem 01.01.2013 fungiert die SVLFG als gemeinsame Trägerin der landwirtschaftlichen Sozialversicherung in Deutschland. Die SVLFG bündelt die bisher eigenständigen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Sie ist rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Das zentrale Organ der Selbstverwaltung bildet die Vertreterversammlung, welche wesentliche Regelungen, einschließlich der Festsetzung von Satzungen und Unfallverhütungsvorschriften, beschließt.
Organe und Aufbau
Die wichtigsten Organe bestehen aus der Vertreterversammlung und dem Vorstand. Diese werden regelmäßig von den Mitgliedern gewählt und vertreten deren Interessen in der Organisation, Verwaltung und Satzungsgestaltung. Die Geschäftsführung erledigt die laufenden Verwaltungsaufgaben.
Rechtsgrundlagen
Gesetzliche Grundlage – SGB VII
Das SGB VII (Gesetzliche Unfallversicherung) regelt zentral die Aufgaben, Organisation und Pflichten der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. § 123 SGB VII spezifiziert die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als besondere Unfallversicherungsträger.
Satzungen und Vorschriften
Zur Durchführung der gesetzlichen Aufgaben erlassen die Berufsgenossenschaften Satzungen, die etwa Beitragsmodalitäten, Verfahrensfragen und Unfallverhütungsvorschriften regeln. Anhand dieser Satzungsvorgaben werden die innerorganisatorischen Details sowie die Rahmenbedingungen für die Mitglieder festgelegt. Zusätzlich gelten auf Bundesebene weitere einschlägige Verordnungen und Verwaltungsvorschriften.
Versicherungspflicht und Kreis der Versicherten
Versicherungspflichtige Personen
Pflichtversichert bei den Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sind alle Unternehmer sowie deren mitarbeitende Familienangehörige, Arbeitnehmer und bestimmte selbstständige Unternehmerkreise. Ebenfalls umfasst sind Schüler in landwirtschaftlichen Einrichtungen und bestimmte ehrenamtlich Tätige. Zu den versicherungspflichtigen Unternehmen zählen Land-, Forst- und Gartenbaubetriebe, unabhängig von deren Größe oder Rechtsform.
Freiwillige Versicherung
Zusätzlich zur Pflichtversicherung können bestimmte Personen auf Antrag eine freiwillige Versicherung abschließen. Diese besteht beispielsweise für mitarbeitende Ehegatten, die nicht unter die Pflichtversicherung fallen.
Versicherungsfall und Leistungsanspruch
Tatbestände des Versicherungsfalls
Ein Versicherungsfall liegt vor, wenn ein Arbeitsunfall, Wegeunfall oder eine Berufskrankheit eintritt. Die Leistungsvoraussetzungen sowie der Leistungsumfang sind detailliert im SGB VII geregelt.
Leistungsarten
Zu den Hauptleistungen zählen:
- Heilbehandlungskosten
- Verletztengeld
- Verletztenrente
- Pflegegeld
- Ergänzende Leistungen wie Übergangsgeld, Sterbegeld, Hinterbliebenenrente
Alle Leistungen werden unabhängig von einem Verschulden des Unternehmers oder Arbeitgebers gewährt. Die Versicherung ist damit nach dem Prinzip des gesetzlichen Gefahrenträgers ausgestaltet.
Pflichten der Unternehmen und Sanktionen
Jedes Unternehmen ist verpflichtet, den Betrieb rechtzeitig bei der zuständigen LBG zu melden und regelmäßig die geforderten Angaben zur Beitragsberechnung zu machen. Unterlassungen oder Falschangaben können eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit Bußgeldern belegt werden. Darüber hinaus kann die Berufsgenossenschaft zur Nachentrichtung von Beiträgen, zu Schadensersatzforderungen oder bei schwerwiegenden Verstößen zu weiteren Maßnahmen verpflichtet sein.
Finanzierung
Die Finanzierung der LBG erfolgt grundsätzlich durch Beiträge der versicherten Unternehmen. Eine Besonderheit der landwirtschaftlichen Unfallversicherung besteht darin, dass der Bund in bestimmten Fällen Zuschüsse leistet, um besonders schadensträchtige Risiken (beispielsweise im Pflanzenbau oder in der Tierhaltung) zu kompensieren.
Relevanz im deutschen Sozialversicherungsrecht
Die Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sichern als eigenständige Säule der gesetzlichen Unfallversicherung die besonderen Risiken in der Land-, Forst- und Gartenbaubranche ab. Sie gewährleisten somit nicht nur Schutz für die Erwerbstätigen, sondern auch Prävention und Rehabilitation auf einem hohen einheitlichen Standard, was sie zu einem zentralen Element im sozialen Netz für den ländlichen Bereich macht.
Literatur und weiterführende Quellen
- Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)
- Satzungen und Unfallverhütungsvorschriften der SVLFG
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Gesetzliche Unfallversicherung
Hinweis: Die dargestellten Informationen geben einen rechtlich umfassenden Überblick zum Thema Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften. Für genaue Angaben zur Versicherungspflicht und individuelle Fragen lohnt die direkte Kontaktaufnahme mit der SVLFG.
Häufig gestellte Fragen
Wie ist die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gesetzlich geregelt?
Die Mitgliedschaft in einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) ist kraft Gesetzes gemäß § 2 SGB VII vorgesehen. Das bedeutet, dass Unternehmen, die in der Land- und Forstwirtschaft tätig sind, wie beispielsweise landwirtschaftliche Betriebe, Weinbaubetriebe oder auch bestimmte Gartenbaubetriebe, automatisch Pflichtmitglieder der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaft werden. Eine gesonderte Beitrittserklärung ist hierbei nicht erforderlich. Die Zugehörigkeit begründet sich allein durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit im Sinne des § 123 SGB VII. Maßgeblich für die Zuordnung ist dabei die Art der ausgeübten Tätigkeit und nicht die Rechtsform des Betriebs. Dies betrifft sowohl juristische als auch natürliche Personen. Die LBG prüft regelmäßig auf Basis von Informationen, z. B. aus Handels- und Melderegistern, ob ein Betrieb unter die Pflichtmitgliedschaft fällt und nimmt ihn bei Bedarf in die Versicherungsgemeinschaft auf.
Welche gesetzlichen Pflichten haben Mitglieder gegenüber der Berufsgenossenschaft?
Mitglieder der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft unterliegen einer Vielzahl rechtlicher Pflichten. Sie sind insbesondere verpflichtet, der LBG alle zur Feststellung der Versicherungspflicht und zur Berechnung der Beiträge notwendigen Auskünfte zu erteilen (§ 165 SGB VII, § 192 SGB VII). Dazu gehört insbesondere die fristgerechte Meldung von Unternehmensdaten wie Flächengröße, Tierbestand oder Beschäftigtenzahl. Die Mitglieder müssen zudem den Jahreslohnnachweis einreichen, welcher für die Beitragsermittlung maßgeblich ist. Auch Unfälle oder Berufskrankheiten, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit auftreten, sind unverzüglich zu melden (§ 193 SGB VII). Außerdem haben die Mitglieder die Verpflichtung, die Vorschriften zur Arbeitssicherheit umzusetzen und entsprechende Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, da die Berufsgenossenschaft auch die Aufsicht über den Arbeitsschutz in den angeschlossenen Betrieben ausübt.
Wie werden landwirtschaftliche Unternehmen von der Berufsgenossenschaft veranlagt und verbeitragt?
Die Beitragsberechnung der LBG erfolgt nach den Regelungen des § 167 ff. SGB VII in Verbindung mit der jeweiligen Satzung der Berufsgenossenschaft. Maßgebend sind vor allem die Fläche des bewirtschafteten Landes, die Art und Anzahl der im Betrieb gehaltenen Tiere sowie der versicherungspflichtige Entgeltnachweis. Die genaue Beitragsformel kann je nach Berufsgenossenschaft variieren, da das Satzungsrecht teilweise Spielräume lässt. Die erhobenen Beiträge dienen der Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung. Zudem erfolgt die Veranlagung regelmäßig – in der Regel jährlich – und kann nachträglich angepasst werden, wenn sich betriebliche Gegebenheiten ändern oder nachträgliche Korrekturen (zum Beispiel aufgrund von Betriebsprüfungen) notwendig sind. Bei Streitigkeiten bezüglich der Beitragshöhe besteht die Möglichkeit des Widerspruchsverfahrens nach § 78 SGG.
Welche Versicherungsleistungen werden gesetzlich durch die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften gewährt?
Die LBG als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist verpflichtet, im Rahmen des SGB VII ein umfassendes Leistungsspektrum zur Verfügung zu stellen. Hierzu zählen insbesondere die Heilbehandlung und medizinische Rehabilitation nach Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten, die Zahlung von Verletztengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit, sowie Rentenleistungen bei Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 44 ff. SGB VII). Zusätzlich werden Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen übernommen. Im Todesfall erhalten Hinterbliebene, wie Ehegatten oder Kinder, Leistungen in Form von Hinterbliebenenrenten (§§ 63-71 SGB VII). Die konkreten Leistungsvoraussetzungen und -umfänge sind gesetzlich detailliert geregelt, um Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit für die Versicherten zu gewährleisten.
Inwieweit sind Familienangehörige in landwirtschaftlichen Betrieben durch die Berufsgenossenschaft abgesichert?
Auch mitarbeitende Familienangehörige sind grundsätzlich kraft Gesetzes bei der jeweiligen LBG versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Dies betrifft insbesondere Ehegatten, Lebenspartner, Kinder und andere Verwandte, sofern sie tatsächlich im landwirtschaftlichen Unternehmen tätig werden. Die Versicherung ist dabei unabhängig von der Höhe einer eventuellen Vergütung oder vom Umfang der Mitarbeit. Allerdings bedarf es einer tatsächlichen Mitarbeit; rein wohnende oder nur gelegentlich helfende Familienmitglieder fallen in der Regel nicht unter die Versicherungspflicht. Die rechtliche Bewertung kann je nach Einzelfall variieren und ist gegebenenfalls durch die LBG zu prüfen und zu bescheiden. Meldungen über mitarbeitende Familienangehörige sind fristgerecht einzureichen, da hiervon Versicherungsschutz und Beitragshöhe beeinflusst werden.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen im Falle von Meinungsverschiedenheiten mit der Berufsgenossenschaft?
Gegen Verwaltungsakte der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, etwa zur Feststellung der Mitgliedschaft, zur Beitragshöhe oder zu Leistungsansprüchen, kann das betroffene Mitglied im Rahmen gesetzlich geregelter Rechtsmittel vorgehen. Das ordentliche Verfahren beginnt in der Regel mit einem schriftlichen Widerspruch gegen den Bescheid gemäß § 78 SGG. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann eine Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden. Die Fristen für Widerspruch und Klage sind im Bescheid ausdrücklich zu nennen und betragen in der Regel einen Monat. Darüber hinaus besteht das Recht auf Akteneinsicht (§ 25 SGB X) sowie auf die Beteiligung im Verwaltungsverfahren. Die konkreten rechtlichen Verfahrensvorschriften ergeben sich aus dem Sozialgesetzbuch, insbesondere dem SGB X und SGG.
Welche besonderen Regelungen gelten für die Unfallverhütung im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft?
Die LBG ist nicht nur Unfallversicherungsträger, sondern auch für die Überwachung und Beratung in Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zuständig. Nach Maßgabe von § 209 SGB VII und verschiedener Unfallverhütungsvorschriften (UVV) erlässt sie eigenständige Regelwerke, die für die Mitgliedsbetriebe verbindlich sind (z.B. DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“). Die Einhaltung dieser Vorschriften wird durch Aufsichtsbeamte der Berufsgenossenschaft kontrolliert. Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden und im Schadensfall zu Regressansprüchen führen. Die UVVen konkretisieren die allgemeinen Anforderungen aus dem Arbeitsschutzgesetz und werden regelmäßig an den Stand der Technik und die aktuellen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst. Betriebe sind verpflichtet, diese Vorschriften umzusetzen, Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen und ihre Mitarbeitenden entsprechend zu unterweisen.