Begriff und Rechtsnatur des Landschaftsverbandes
Ein Landschaftsverband ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft besonderer Art im deutschen Verwaltungsaufbau. Landschaftsverbände existieren insbesondere in Nordrhein-Westfalen und nehmen überörtliche Aufgaben im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung wahr. Ihre rechtliche Stellung und die ihnen zugewiesenen Aufgaben sind in landesgesetzlichen Regelungen verankert und unterliegen dem Kommunalrecht. Ein Landschaftsverband nimmt Aufgaben wahr, die die Leistungsfähigkeit einzelner Kreise und kreisfreier Städte übersteigen, und übernimmt dabei häufig hoheitliche Funktionen mit weitreichender Wirkung für das Gemeinwesen.
Rechtsgrundlagen und gesetzliche Verankerung
Die Grundlage für die Existenz und Tätigkeit der Landschaftsverbände bildet primär das Landesrecht. In Nordrhein-Westfalen sind der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und der Landschaftsverband Rheinland (LVR) durch das „Gesetz über die Kommunalverbände“ (GkV NRW) und das „Gesetz über den Landschaftsverband Rheinland“ sowie ergänzende Ausführungsvorschriften geregelt. Die gesetzliche Grundlage ist somit spezifisch und unterscheidet sich von anderen Bundesländern, in denen keine derartigen Verbände existieren oder andere Formen überörtlicher Zusammenarbeit bestehen.
Landschaftsverbände sind gemäß Art. 78 Abs. 1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalens als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert. Sie sind rechtlich und organisatorisch von den ihnen angehörenden Gemeinden und Kreisen getrennt, gleichwohl üben sie ihre Aufgaben im Zusammenwirken mit diesen Gebietskörperschaften aus.
Aufgaben und Kompetenzen der Landschaftsverbände
Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben
Die wichtigsten Aufgaben von Landschaftsverbänden sind im Gesetz normiert und können in zwei Kategorien unterteilt werden:
- Pflichtaufgaben: Sie umfassen überörtliche Trägeraufgaben wie die Wahrnehmung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, der Jugendhilfe, der Denkmalschutzpflege, Aufgaben der Psychiatrie, der schulischen Förderung von Menschen mit Förderbedarf sowie Aufgaben im Bereich Kulturpflege.
- Freiwillige Aufgaben: Hierzu zählt die Förderung von gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Projekten, welche die Pflichtaufgaben ergänzen und die Lebensqualität im Verbandsgebiet steigern. Die Übernahme freiwilliger Aufgaben kann durch Satzung oder durch Landesgesetz zugelassen oder näher bestimmt werden.
Übertragung weiterer Aufgaben
Landschaftsverbände übernehmen darüber hinaus weitere Aufgaben durch gesetzliche Zuweisung auf Landesebene oder durch Staatsverträge. Dazu zählen beispielsweise Sonderaufgaben im Gesundheitswesen, Verantwortung für Museen, Bibliotheken oder andere Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung.
Organisation und Aufbau
Organe des Landschaftsverbandes
Die innere Organisation eines Landschaftsverbandes wird im Gesetz festgeschrieben und besteht typischerweise aus folgenden Organen:
- Landschaftsversammlung: Das zentrale Beschlussorgan, vergleichbar mit dem Rat einer Kommune. Hier sind Vertreterinnen der Mitgliedskreise und -städte nach dem Grundsatz der kommunalen Demokratie vertreten.
- Landschaftsausschuss: Bereitet die Beschlüsse der Landschaftsversammlung vor und ist mit Kontroll- und Lenkungsfunktionen ausgestattet.
- Direktor/Direktorin des Landschaftsverbandes: Leitet die Verwaltung des Verbandes und ist für die Durchführung der Beschlüsse der Landschaftsversammlung und die laufende Geschäftsführung verantwortlich.
Die Organe werden demokratisch legitimiert, teils durch unmittelbare Wahl und teils durch Delegation aus den kommunalen Organen der Mitgliedskreise und -städte.
Rechtsstellung der Mitglieder und Vertretung
Die Mitgliedschaft im Landschaftsverband ist für die Kreise und kreisfreien Städte kraft Gesetzes verpflichtend. Diese entsenden ihre Vertreterinnen in die Landschaftsversammlung, wobei jede Kommune gemäß ihrer Einwohnerzahl gewichtet ist, um eine angemessene demokratische Repräsentation sicherzustellen. Die Wahl und Bestellung der Vertreterinnen und Vertreter erfolgt auf Grundlage des Kommunalwahlrechts und den Bestimmungen der Hauptsatzung des jeweiligen Verbandes.
Finanzierung und Haushaltswesen
Umlagenfinanzierung
Der Haushalt der Landschaftsverbände wird überwiegend durch Umlagen finanziert, die von den Mitgliedskreisen und kreisfreien Städten zu entrichten sind. Die Höhe der Umlage richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben und den Haushaltsbedarfen des jeweiligen Verbandes. Gleichzeitig erhalten Landschaftsverbände Zuwendungen aus Landesmitteln sowie eigene Einnahmen aus Leistungsentgelten, Gebühren und sonstigen Einnahmequellen.
Haushaltsrechtliche Besonderheiten
Landschaftsverbände sind verpflichtet, ihren Haushalt gemäß den Grundsätzen der kommunalen Haushaltswirtschaft öffentlich aufzustellen, zu bewirtschaften und zu kontrollieren. Sie sind dabei an die Landeshaushaltsordnung, aber auch an spezielle Vorschriften der Landschaftsverbandsgesetze gebunden.
Rechnungsprüfung und Kontrolle
Die ordnungsgemäße Haushalts- und Wirtschaftsführung wird von internen und externen Stellen kontrolliert. Die überörtliche Kontrolle obliegt der jeweiligen Kommunalaufsicht, insbesondere dem Landesrechnungshof und nachgeordneten Prüfinstanzen.
Rechtliche Stellung im System der Selbstverwaltung
Verhältnis zum Land und zu den Kommunen
Landschaftsverbände stehen als überörtliche Kommunalverbände auf der mittleren Stufe zwischen den Gemeinden/Kreisen und dem Land. Sie verfügen über Eigenverantwortung und Selbstverwaltungsgarantie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches, sind jedoch an die Weisungen des Landes gebunden, soweit es sich um staatlich übertragene Aufgaben handelt. Im Falle von Pflichtaufgaben besteht eine unmittelbare Rechtsverpflichtung zur Aufgabenerfüllung.
Aufsicht und Rechtskontrolle
Die Rechtsaufsicht über die Landschaftsverbände wird vom Land ausgeübt, in Nordrhein-Westfalen beispielsweise durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. Die Aufsicht beschränkt sich auf die Rechtskontrolle, das bedeutet, es wird die Gesetzmäßigkeit, nicht aber die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns geprüft (sog. „Rechtsaufsicht“).
Historische Entwicklung und Bedeutung
Die Landschaftsverbände wurden mit dem Inkrafttreten der preußischen Provinzialordnung ab dem 19. Jahrhundert als Bindeglied zwischen lokalen und Landesinteressen geschaffen. Ziel war ursprünglich die Übertragung regionaler Aufgaben auf eine größere Organisationseinheit. Ihre Bedeutung hat sich insbesondere mit der Kommunalreform und dem Ausbau sozialstaatlicher Aufgaben deutlich erweitert. Heute sind Landschaftsverbände wichtige Akteure bei der Erbringung sozialer Dienste, der Kulturpflege und der Umsetzung landespolitisch relevanter Aufgaben.
Rechtsfolgen und Bedeutung für das Verwaltungsrecht
Die Mitgliedschaft der Kommunen im Landschaftsverband ist zwingend; ein Austritt ist ausgeschlossen. Die Rechtsfolgen der Beschlussfassungen der Landschaftsverbände wirken unmittelbar auf die Mitgliedskörperschaften und verpflichten diese zu Beitragszahlungen und zur Mitwirkung in den Gremien. Entscheidungen der Landschaftsverbände können vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf Umlagefestsetzungen oder bei Streitigkeiten zu Pflichtaufgaben.
Literaturhinweise und Weiterführende Quellen
- Gesetz über die Kommunalverbände in Nordrhein-Westfalen (GkV NRW)
- Gesetz über den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL-Gesetz)
- Gesetz über den Landschaftsverband Rheinland (LVR-Gesetz)
- Landesverfassung Nordrhein-Westfalen
- Kommunalverfassungen und Kommunalhaushaltsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen
- Kommentar zum Kommunalrecht NRW (bspw. Schnellenbach/Bühler)
Hinweis: Die rechtliche Ausgestaltung und Aufgabenwahrnehmung der Landschaftsverbände kann landesrechtlich unterschiedlich geregelt sein. Die Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die Lage in Nordrhein-Westfalen, da in anderen Bundesländern Landschaftsverbände in dieser Form nicht existieren.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Arbeit der Landschaftsverbände?
Die rechtliche Grundlage für die Arbeit der Landschaftsverbände ist vor allem im Gesetz über die Kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG NRW) und im Besonderen im Landschaftsverbandsgesetz Nordrhein-Westfalen (LVerbG NRW) verankert. Diese Bestimmungen definieren die Aufgaben, Organisationsstruktur, Finanzierung und Aufsicht der beiden Landschaftsverbände (LVR und LWL) in Nordrhein-Westfalen. Ferner werden Kompetenzen und Zusammensetzung der Verbandsversammlung sowie die Zuständigkeit bei der Aufgabenerfüllung präzisiert. Die gesetzlichen Vorschriften regeln auch das Haushaltsrecht, die Eingriffsrechte des Landes und die rechtlichen Kontrollmechanismen, denen die Landschaftsverbände unterliegen, wie Kommunalaufsicht und Prüfungspflichten durch den Landesrechnungshof. Darüber hinaus sind verbindliche Transparenz- und Beteiligungsrechte für Kommunen sowie Regelungen zur Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Rechtsträgern normiert. Auch Datenschutz, Personalvertretungsrechte und Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge ergeben sich zum Teil direkt gesetzlich oder durch Verweis auf allgemeingültige kommunalrechtliche Vorschriften.
Wie erfolgt die rechtliche Kontrolle und Aufsicht über die Landschaftsverbände?
Die Landschaftsverbände unterliegen mehreren Ebenen der Kontrolle. Zunächst gibt es die Kommunalaufsicht durch das zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, das die Gesetzmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Handelns überwacht. Grundlage hierfür bilden § 13 ff. LVerbG NRW. Dabei werden sowohl die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung als auch die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorgaben regelmäßig geprüft. Zusätzlich erfolgt eine Rechnungsprüfung durch den Landesrechnungshof nach den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung. Die Verbandsversammlung als zentrales Organ der Selbstverwaltung und die auf kommunaler Ebene entsandten Vertreter kontrollieren zudem das Verwaltungshandeln intern. Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen nach § 113 Abs. 1 GO NRW zudem für Mitgliedskörperschaften, falls sie in ihren Rechten durch Maßnahmen des Landschaftsverbandes verletzt werden.
Welche rechtlichen Pflichten haben die Mitglieder der Verbandsversammlung?
Die Mitglieder der Verbandsversammlung unterliegen den allgemeinen beamten- und dienstrechtlichen Pflichten der Kommunalverfassung NRW und speziellen Vorgaben aus dem LVerbG NRW. Hierzu gehören insbesondere die Treuepflicht gegenüber dem Verband, Verschwiegenheitspflichten (§ 30 GO NRW) und Mitwirkungspflichten bei Beschlussfassungen. Ferner besteht eine Interessenkollision, wonach bei Interessensüberschneidungen ein Mitwirkungsverbot gem. § 31 GO NRW greift. Bei Verstößen gegen diese Pflichten drohen disziplinar- und haftungsrechtliche Konsequenzen. Gleichzeitig müssen die Mandatsträger darauf achten, dass die Beschlüsse mit Gesetz und Satzung sowie haushaltsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehen. Die Teilnahme an Sitzungen und die gewissenhafte Vorbereitung sind rechtlich zwingend eingefordert.
In welchen Fällen sind Satzungsänderungen des Landschaftsverbandes erforderlich und wie ist das Verfahren?
Satzungsänderungen sind immer dann erforderlich, wenn organisatorische, aufgabenbezogene oder verfahrensrechtliche Vorgaben geändert werden sollen, soweit sie nicht abschließend im Gesetz geregelt sind. Beispiele sind Regelungen zur Zusammensetzung der Organe, Geschäftsordnungen, Regelungen zur Haushaltsführung oder Gebührenordnungen. Das satzungsändernde Verfahren ist in § 7 LVerbG NRW i.V.m. den entsprechenden kommunalrechtlichen Vorschriften geregelt. Eine Satzungsänderung bedarf regelmäßig der Mehrheit der Mitglieder der Verbandsversammlung, die Satzung ist anschließend öffentlich bekannt zu machen und der Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Für bestimmte Satzungsinhalte kann das Gesetz eine qualifizierte Mehrheit oder die Zustimmung der Aufsichtsbehörde vorsehen.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Finanzierung und Haushaltsführung der Landschaftsverbände?
Die Finanzierung der Landschaftsverbände erfolgt nach den Vorgaben aus den §§ 16-18 LVerbG NRW, der Gemeindeordnung NRW sowie der Landeshaushaltsordnung. Die Verbände sind berechtigt, Umlagen von ihren Mitgliedskörperschaften zu erheben, wobei die Umlagehöhe nach gesetzlichen Schlüsseln berechnet wird und eine wirtschaftliche Verwendung nach Haushaltsrecht garantiert werden muss. Die Haushaltsführung unterliegt detaillierten Vorschriften: Es gilt das Prinzip der Gesamtdeckung, der Jährlichkeit und Sparsamkeit. Haushaltssatzung und Haushaltsplan werden von der Verbandsversammlung beschlossen und unterliegen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung. Größere Investitionsmaßnahmen und Kreditaufnahmen sind genehmigungspflichtig. Darüber hinaus werden Prüfungspflichten durch eigene Rechnungsprüfungseinrichtungen und den Landesrechnungshof vorgeschrieben.
Wer ist für die rechtliche Vertretung des Landschaftsverbandes nach außen zuständig?
Die rechtliche Vertretung des Landschaftsverbandes richtet sich nach § 9 LVerbG NRW bzw. den einschlägigen Satzungsbestimmungen. In der Regel ist der Verbandsdirektor (bzw. die Verbandsdirektorin) für alle Geschäfte und die gerichtliche wie außergerichtliche Vertretung nach außen verantwortlich. Bei wichtigen Entscheidungen, etwa dem Abschluss von Verträgen mit erheblicher finanzieller Tragweite, kann eine Zustimmung der Verbandsversammlung erforderlich sein. Im Innenverhältnis wird die Vertretungsmacht durch Geschäftsordnungen und weitere satzungsrechtliche Regelungen präzisiert. Bei Klagen gegen oder durch den Landschaftsverband ist erstinstanzlich regelmäßig das Verwaltungsgericht örtlich zuständig.