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Landgericht

Begriff und Stellung des Landgerichts

Das Landgericht ist ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland. Es steht hierarchisch zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht. Seine Aufgaben umfassen die Entscheidung über Zivil- und Strafsachen sowie die Überprüfung von Entscheidungen der Amtsgerichte. Landgerichte sind Gerichte der Bundesländer; jedes Land unterhält mehrere Landgerichte mit eigenem Bezirk, der in der Regel mehrere Amtsgerichte umfasst.

Zuständigkeiten

Zivilsachen

In Zivilsachen ist das Landgericht erstinstanzlich zuständig, wenn der Streitwert in der Regel über 5.000 Euro liegt oder wenn bestimmte Sachgebiete von Gesetz oder landesrechtlicher Zuständigkeitskonzentration dem Landgericht zugewiesen sind. Dazu zählen beispielsweise komplexe Haftungsfälle, Wettbewerbssachen, Presse- und Äußerungsrecht, Bank- und Kapitalanlagesachen oder Bau- und Versicherungssachen. Zudem verhandelt das Landgericht Berufungen und Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte in Zivilsachen.

Strafsachen

Im Strafrecht verhandelt das Landgericht erstinstanzlich schwere Straftaten, bei denen eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten ist oder die wegen ihrer Bedeutung dem Landgericht zugewiesen werden. Hierzu zählt insbesondere die Schwurgerichtsbarkeit bei Taten mit Tötungsdelikten. Daneben existieren große und kleine Strafkammern sowie Wirtschaftsstrafkammern. Das Landgericht entscheidet außerdem als Berufungsinstanz über Strafsachen, die in erster Instanz vor dem Amtsgericht verhandelt wurden, und prüft Beschwerden in bestimmten Ermittlungs- und Vollstreckungsfragen. Für Fragen der Strafvollstreckung bestehen an vielen Landgerichten spezielle Strafvollstreckungskammern. Für Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende ist die Jugendkammer zuständig, sofern die Sache aufgrund ihrer Schwere oder besonderen Bedeutung vor das Landgericht gehört.

Rechtsmittelinstanz

Als Rechtsmittelgericht überprüft das Landgericht Entscheidungen der Amtsgerichte in Zivil- und Strafsachen (Berufung und Beschwerde). Entscheidungen des Landgerichts selbst werden in Zivilsachen regelmäßig vom Oberlandesgericht überprüft. In Strafsachen sind Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Landgerichts in der Regel beim Bundesgerichtshof anhängig; gegen Entscheidungen des Landgerichts als Berufungsgericht ist regelmäßig das Oberlandesgericht zuständig.

Aufbau und Besetzung

Spruchkörper

Zivilkammern

Zivilsachen werden von Zivilkammern entschieden. Diese sind typischerweise mit drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern besetzt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Sache einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter übertragen werden. Viele Landgerichte verfügen über spezialisierte Zivilkammern, etwa für Bau-, Versicherungs-, Banken-, Presse- oder Wettbewerbssachen.

Kammern für Handelssachen

Für handelsrechtliche Streitigkeiten bestehen Kammern für Handelssachen. Diese sind mit einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Handelsrichterinnen oder Handelsrichtern aus der Wirtschaft besetzt. Dadurch fließt praktische Erfahrung aus dem Wirtschaftsleben in die Entscheidung ein.

Strafkammern und Schwurgerichtskammern

Strafsachen verhandeln Strafkammern. Je nach Bedeutung und Schwere der Tat entscheiden kleine oder große Strafkammern. Bei bestimmten Kapitaldelikten ist die Schwurgerichtskammer zuständig. In Strafkammern wirken in der Hauptverhandlung neben Berufsrichterinnen und Berufsrichtern auch Schöffinnen und Schöffen mit.

Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter

In Strafsachen wirken am Landgericht ehrenamtliche Richterinnen und Richter (Schöffinnen und Schöffen) mit vollem Stimmrecht an der Entscheidungsfindung mit. In Kammern für Handelssachen sind ehrenamtliche Handelsrichterinnen und Handelsrichter beteiligt. In Zivilsachen ohne Handelssachen entscheiden Zivilkammern in der Regel ohne ehrenamtliche Mitwirkung.

Gerichtsorganisation

Das Landgericht wird von einer Präsidentin oder einem Präsidenten geleitet. Die interne Zuständigkeitsverteilung regelt der jährlich festgelegte Geschäftsverteilungsplan. Jedem Spruchkörper sind Geschäftsstellen zugeordnet, die den Verfahrensablauf organisatorisch unterstützen. Bei jedem Landgericht ist eine Staatsanwaltschaft eingerichtet, die in Strafverfahren Anklage erhebt und den Vollzug von Entscheidungen überwacht; sie ist jedoch organisatorisch eigenständig.

Verfahren und Verfahrensablauf

Grundzüge im Zivilverfahren

Das Zivilverfahren vor dem Landgericht ist vom Beibringungsgrundsatz geprägt: Die Parteien tragen Tatsachen vor und beantragen Beweise. Typische Schritte sind Klageeinreichung, schriftlicher Austausch der Standpunkte, mündliche Verhandlung, Beweisaufnahme und Entscheidung. Häufig wird nach einer Erörterung des Streitstoffs auf eine gütliche Einigung hingewirkt. In Zivilsachen besteht vor dem Landgericht grundsätzlich Vertretungspflicht durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. Die Gerichtskosten richten sich regelmäßig nach dem wirtschaftlichen Interesse (Streitwert); in geeigneten Fällen können staatliche Kostenhilfen beantragt werden.

Grundzüge im Strafverfahren

Strafsachen gelangen durch Anklage der Staatsanwaltschaft zum Landgericht. Nach Prüfung der Anklage wird das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich; es gilt der Unmittelbarkeitsgrundsatz mit mündlicher Beweisaufnahme. Je nach Kammer wirken Schöffinnen und Schöffen mit. Nach Abschluss der Beweisaufnahme erfolgt die Entscheidung. Rechtsmittel sind je nach Instanz und Art der Entscheidung möglich.

Öffentlichkeit, Sprache und Barrierefreiheit

Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich. Ausnahmen bestehen insbesondere zum Schutz von Jugendlichen, Persönlichkeitsrechten und Geschäftsgeheimnissen. Gerichtssprache ist Deutsch; Dolmetscherinnen und Dolmetscher können hinzugezogen werden. Viele Gerichtsgebäude verfügen über barrierearme Zugänge; Details hängen vom jeweiligen Standort ab.

Gerichtsbezirk und Standorte

Der Bezirk eines Landgerichts umfasst mehrere Amtsgerichte. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnsitz, dem Ort des Geschehens oder speziellen Zuweisungsregeln. Landgerichte tragen üblicherweise den Namen der Stadt, in der sie ihren Sitz haben. Zahl und Zuschnitt der Landgerichte unterscheiden sich je nach Bundesland.

Abgrenzung zu anderen Gerichtsbarkeiten

Das Landgericht gehört zur ordentlichen Gerichtsbarkeit und ist damit für Zivil- und Strafsachen zuständig. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten außerhalb des Strafrechts sind hingegen die Verwaltungs-, Finanz-, Sozial- und Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig. Bestimmte Materien wie Kartell- oder Staatsschutzsachen sind höherinstanzlich gebündelt und fallen regelmäßig nicht in die Eingangsinstanz des Landgerichts.

Kosten und Vertretung

Die Gerichtsgebühren in Zivilsachen orientieren sich regelmäßig am Streitwert. Hinzu kommen Auslagen (zum Beispiel Sachverständigen- und Übersetzungskosten) sowie gegebenenfalls die Vergütung der anwaltlichen Vertretung. Die Tragung der Kosten bestimmt sich nach dem Ausgang des Verfahrens. In Zivilsachen gilt vor dem Landgericht grundsätzlich Vertretungspflicht durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. In Strafsachen kann in schweren Fällen oder bei bestimmten persönlichen Voraussetzungen eine Pflichtverteidigung erforderlich sein.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wofür ist das Landgericht zuständig?

Das Landgericht entscheidet in Zivilsachen regelmäßig ab einem Streitwert von über 5.000 Euro und in bestimmten zugewiesenen Sachgebieten. In Strafsachen verhandelt es schwere Straftaten erstinstanzlich. Außerdem überprüft es als Rechtsmittelgericht Entscheidungen der Amtsgerichte.

Wie ist ein Landgericht besetzt?

Zivilkammern sind typischerweise mit drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern besetzt; unter Voraussetzungen kann eine Einzelrichterin oder ein Einzelrichter entscheiden. Kammern für Handelssachen setzen sich aus einer Berufsrichterin oder einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Handelsrichterinnen oder Handelsrichtern zusammen. In Strafkammern wirken je nach Fall Schöffinnen und Schöffen mit.

Gibt es vor dem Landgericht Vertretungspflicht durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt?

In Zivilsachen besteht vor dem Landgericht grundsätzlich Vertretungspflicht durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. In Strafsachen kann eine Verteidigung verpflichtend sein, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Welche Rechtsmittel gibt es gegen Entscheidungen des Landgerichts?

In Zivilsachen werden Entscheidungen des Landgerichts regelmäßig vom Oberlandesgericht überprüft. In Strafsachen sind gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Landgerichts in der Regel Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof eröffnet; Entscheidungen des Landgerichts als Berufungsgericht werden regelmäßig vom Oberlandesgericht überprüft.

Sind Verhandlungen am Landgericht öffentlich?

Grundsätzlich ja. Ausnahmen gelten insbesondere zum Schutz Jugendlicher, der Privatsphäre oder von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Über Ausnahmen wird im Einzelfall entschieden.

Welche Rolle haben Schöffinnen und Schöffen am Landgericht?

Schöffinnen und Schöffen sind ehrenamtliche Richterinnen und Richter, die in Strafkammern an der Hauptverhandlung und an der Entscheidung mit vollem Stimmrecht mitwirken. In Zivilsachen wirken ehrenamtliche Richterinnen und Richter nur in Kammern für Handelssachen mit.

Wie ordnet sich das Landgericht in die Gerichtsstruktur ein?

Es steht zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht. Zivilsachen und Strafsachen beginnen je nach Bedeutung und Streitwert am Amts- oder Landgericht. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Landgerichts führen regelmäßig zum Oberlandesgericht, in bestimmten Strafsachen zum Bundesgerichtshof.