Landgericht: Definition, Aufgaben und rechtliche Einordnung
Begriffserklärung und rechtliche Einordnung
Ein Landgericht (Abkürzung: LG) ist in Deutschland ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Es steht in der gerichtlichen Hierarchie sowohl über dem Amtsgericht als Eingangsinstanz für bestimmte Rechtsstreitigkeiten als auch unter dem Oberlandesgericht. Die Landgerichte sind Teil der dreistufigen Gerichtsorganisation, zu der Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte gehören.
Aufbau und Organisation
Gerichtsaufbau
Landgerichte sind an verschiedenen Standorten der Bundesländer eingerichtet. Jedes Landgericht besitzt einen eigenen Gerichtsbezirk, der in der Regel mehrere Amtsgerichte umfasst. Die genaue Anzahl, der Zuschnitt sowie die Standorte der Landgerichte werden durch die Landesgesetzgebung bestimmt.
Die Landgerichte bestehen in der Regel aus verschiedenen Zivil- und Strafkammern, wobei die Anzahl und Spezialisierung der Kammern je nach Größe des Landgerichts variieren kann.
Besetzung
Die Besetzung einer Kammer am Landgericht erfolgt regelmäßig mit drei Berufsrichtern. In bestimmten Konstellationen, beispielsweise bei Verfahren mit geringerem Streitwert oder geringerer Bedeutung, kann eine Kammer auch mit nur einem Einzelrichter besetzt werden. In Strafverfahren wird bei der Großen Strafkammer und der Schwurgerichtskammer neben Berufsrichtern auch durch Schöffen als ehrenamtliche Richter ergänzt.
Zuständigkeit des Landgerichts
Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit von Landgerichten in der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit ist im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie in weiteren Verfahrensordnungen geregelt.
- Zivilsachen: In Zivilsachen ist das Landgericht erstinstanzlich zuständig für Streitigkeiten, bei denen der Streitwert über 5.000 Euro liegt, für bestimmte Rechtsgebiete (zum Beispiel Staatshaftung, Wettbewerbssachen) sowie in besonderen Fällen, etwa bei Klagen gegen den Staat.
- Familiensachen und andere besondere Gebiete: Hier ist grundsätzlich das Amtsgericht zuständig, es gibt jedoch Ausnahmebereiche, bei denen das Landgericht tätig wird.
- Strafsachen: Das Landgericht ist in erster Instanz zuständig für besonders schwere Straftaten, insbesondere, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren oder eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist. Hierzu zählen beispielsweise Mord, Totschlag, schwere Raubdelikte und andere Verbrechen. Das Landgericht fungiert im Strafrecht auch als Berufungs- oder Revisionsinstanz gegen Urteile der Amtsgerichte.
Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen prozessualen Regeln, beispielsweise nach dem Wohnsitz der Parteien in Zivilsachen oder dem Tatort im Strafverfahren.
Verfahren am Landgericht
Zivilverfahren
Das Landgericht entscheidet in Zivilsachen grundsätzlich in Kammern, wobei ein Vorsitzender Richter und zwei Beisitzer tätig sind. In einfachen Fällen kann die Kammer einem Einzelrichter die Entscheidung übertragen. Das Verfahren richtet sich nach der Zivilprozessordnung (ZPO). Die Parteien sind vor dem Landgericht zwingend durch einen Rechtsanwalt zu vertreten (Anwaltszwang).
Strafverfahren
Im Strafverfahren unterscheidet man am Landgericht zwischen der Kleinen Strafkammer (zuständig für Berufungen gegen Urteile des Strafrichters am Amtsgericht) und der Großen Strafkammer (zuständig für schwere Straftaten und Schwurgerichtssachen). Das Strafverfahren richtet sich nach der Strafprozessordnung (StPO). Die Besetzung orientiert sich an der Schwere der Tat. Schöffen wirken bei der Urteilsfindung mit.
Instanzenzug
Das Landgericht kann sowohl als Eingangs- als auch als Rechtsmittelinstanz fungieren.
- Erste Instanz: In bestimmten Zivil- und Strafsachen sind Landgerichte das erstinstanzliche Gericht.
- Zweite Instanz: Im Berufungs- und Beschwerdeverfahren überprüft das Landgericht Entscheidungen der Amtsgerichte, soweit gesetzlich vorgesehen.
- Übergeordnete Instanzen: Gegen Urteile des Landgerichts ist das Rechtsmittel der Berufung oder Revision zum nächsthöheren Gericht (Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof) möglich, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Bedeutung und Funktion im deutschen Rechtssystem
Landgerichte nehmen eine zentrale Rolle in der Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips ein. Sie gewährleisten sowohl den Zugang zu höherer richterlicher Überprüfung als auch die spezialisierte Behandlung bestimmter Rechtsmaterien. Durch die Vielfalt an Kammern und Schwerpunkten wird eine sachgerechte und effiziente Rechtsprechung sichergestellt.
Übersicht der Landgerichte in Deutschland
Deutschland ist in etwa 115 Landgerichtsbezirke untergliedert, wobei die konkrete Anzahl und Verteilung der einzelnen Landgerichte von den jeweiligen Bundesländern festgelegt wird. Die Landgerichte sind überwiegend in den größeren Städten angesiedelt und jeweils für mehrere Amtsgerichte zuständig.
Literatur und weiterführende Informationen
- Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
- Zivilprozessordnung (ZPO)
- Strafprozessordnung (StPO)
- Deutscher Richterbund (DRB)
- Bundesministerium der Justiz: Gerichtsorganisation in Deutschland
Der Begriff Landgericht bezeichnet somit eine essentielle Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland, die insbesondere durch ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit, ihre differenzierten Verfahrensarten sowie die Möglichkeit zur Überprüfung gerichtlicher Erstentscheidungen eine tragende Funktion im Rechtsschutzsystem übernimmt.
Häufig gestellte Fragen
Welche Aufgaben übernimmt das Landgericht im Zivilprozess?
Das Landgericht ist in Zivilprozessen für eine Vielzahl komplexer und bedeutender Streitigkeiten zuständig. Seine Aufgaben umfassen insbesondere die Verhandlung und Entscheidung erster Instanz bei Zivilstreitigkeiten mit einem Streitwert von über 5.000 Euro, soweit nicht das Amtsgericht zuständig ist (§ 71 GVG). Ausgenommen hiervon sind Angelegenheiten, die gesetzlich ausdrücklich dem Amtsgericht vorbehalten sind, wie z.B. Mietstreitigkeiten über Wohnraum oder Familiensachen. Das Landgericht entscheidet zudem in Fällen der sogenannten besonderen sachlichen Zuständigkeit, etwa bei Amtshaftung oder bei Klagen gegen den Staat. Über die Funktion als Eingangsinstanz hinaus agiert das Landgericht auch als Berufungsinstanz: Es prüft amtsgerichtliche Urteile im Zivilrecht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (§§ 511 ff. ZPO). Die Parteien werden beim Landgericht grundsätzlich von Anwälten vertreten, da Anwaltszwang besteht (§ 78 ZPO). Die Kammern des Landgerichts sind mit mehreren Berufsrichtern und teils auch mit ehrenamtlichen Richtern besetzt, was eine differenzierte und fundierte Entscheidungsfindung gewährleistet.
Was unterscheidet das Landgericht von anderen Gerichtsbarkeiten wie Amtsgericht oder Oberlandesgericht?
Das Landgericht unterscheidet sich vor allem hinsichtlich der sachlichen und funktionalen Zuständigkeit sowie der Besetzung von Gremien von anderen Gerichten. Während das Amtsgericht vor allem für einfachere und weniger umfangreiche Streitigkeiten sowie für erstinstanzliche Strafverfahren bei geringeren Straftaten zuständig ist, befasst sich das Landgericht vorrangig mit anspruchsvolleren und umfangreicheren Fällen. In den meisten Zivilprozessen ist das Landgericht bei einem Streitwert über 5.000 Euro die Eingangsinstanz, im Strafrecht erstinstanzlich zuständig für schwerwiegende Delikte, die mit mehr als vier Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind oder besonderer Bedeutung unterliegen (§ 74 GVG). Das Oberlandesgericht hingegen ist im Regelfall Berufungs- oder Beschwerdeinstanz gegen Entscheidungen des Landgerichts, sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen. Strukturell sind Landgerichte in Zivil-, Straf- und Schöffenkammern sowie größere Spruchkörper untergliedert; demgegenüber arbeiten am Amtsgericht meist Einzelrichter oder kleine Spruchkörper. Am Landgericht besteht außerdem vorwiegend Anwaltszwang, was bei den meisten Verfahren am Amtsgericht nicht erforderlich ist.
Wie läuft ein Verfahren vor dem Landgericht typischerweise ab?
Ein Verfahren vor dem Landgericht beginnt in der Regel mit der Einreichung einer Klageschrift durch einen zugelassenen Anwalt, da Parteien sich nicht selbst vertreten dürfen (§ 78 ZPO). Nach Prüfung der Zuständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Klage wird die Klageschrift dem Beklagten zugestellt, der dann binnen gesetzter Frist eine Klageerwiderung einreichen muss. Es folgt in der Regel ein schriftliches Vorverfahren, in dem das Gericht die Sach- und Rechtslage sondiert, etwaige Vergleichsbemühungen anstellt und den Streitstoff eingrenzt. Im Anschluss daran setzt das Gericht in einem persönlichen Termin zur mündlichen Verhandlung eine Hauptverhandlung an, in der die Parteien, ihre Anwälte sowie gegebenenfalls Zeugen und Sachverständige angehört werden. Am Ende steht ein Urteil oder – im Falle eines vorherigen Vergleichs – eine entsprechende gerichtliche Protokollierung. Das Verfahren ist geprägt von den Grundsätzen der Öffentlichkeit, der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit der Verhandlung. Im Strafprozess unterscheidet sich das Vorgehen insbesondere in der Beweisaufnahme und der Beteiligung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung.
In welchen Fällen ist das Landgericht im Strafverfahren erstinstanzlich zuständig?
Im Strafverfahren kommt dem Landgericht erhebliche Bedeutung als Eingangsinstanz zu, wenn es um besonders schwere Straftaten geht. Nach § 74 Abs. 1 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) ist das Landgericht erstinstanzlich zuständig, wenn die zu erwartende Freiheitsstrafe die Grenze von vier Jahren überschreitet, bei Verbrechen mit besonderer Bedeutung (z.B. schwere Sexualstraftaten, Raubdelikte, Tötungsdelikte ohne Mord) sowie bei Strafsachen, bei denen die Staatsanwaltschaft wegen deren Schwere, der besonderen Bedeutung oder der Komplexität ein besonderes öffentliches Interesse bejaht und daher Anklage direkt beim Landgericht erhebt. Das Landgericht entscheidet dann entweder durch die große Strafkammer (drei Berufsrichter und zwei Schöffen) oder die kleine Strafkammer (ein Berufsrichter, zwei Schöffen), wobei insbesondere bei Kapitaldelikten die Schwurgerichtskammer als besondere Formation der Strafkammer berufen ist.
Welche Rechtsmittel gibt es gegen Urteile des Landgerichts?
Gegen Urteile des Landgerichts bestehen verschiedene Rechtsmittel; Art und Zulässigkeit richten sich nach der jeweiligen Verfahrensart. Im Zivilrecht ist gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts grundsätzlich die Berufung zum Oberlandesgericht eröffnet, sofern der Beschwerdewert über 600 Euro liegt oder das Landgericht sie zugelassen hat (§ 511 ZPO). Gegen Berufungsurteile des Landgerichts (also in zweiter Instanz) kann Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt werden, wenn das Berufungsgericht den Fall zur Revision zulässt oder der Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde für begründet hält (§§ 542 ff. ZPO). Im Strafrecht ist gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts die Revision zum Bundesgerichtshof das hauptsächliche Rechtsmittel (§ 333 StPO). Gegen strafrechtliche Berufungsurteile des Landgerichts gibt es unter bestimmten Umständen auch die Möglichkeit der Revision oder weiterer Beschwerdemöglichkeiten, abhängig von der Strafhöhe und Fallgestaltung.
Wie ist die Besetzung eines Landgerichts in Zivil- und Strafsachen geregelt?
Die Besetzung des Landgerichts erfolgt je nach Verfahrensart und Bedeutung der Sache durch unterschiedliche Spruchkörper. In Zivilsachen entscheidet in der Regel die Zivilkammer, bestehend aus drei Berufsrichtern, wobei jedoch häufig aufgrund der darauf gerichteten gesetzlichen Regelungen (vgl. § 348 ZPO) der Vorsitzende Richter alleine entscheidet, es sei denn, das Verfahren ist besonders umfangreich oder bedeutend. Besonders bedeutende oder komplexe Fälle können im Spruchkörper mit mehreren Richtern behandelt werden. In Strafsachen entscheidet das Landgericht als große Strafkammer – bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen – über schwerwiegende Delikte. Bei Verbrechen, insbesondere Kapitaldelikten, kommt die Schwurgerichtskammer mit ebenfalls drei Berufsrichtern und zwei Schöffen zum Einsatz. In der kleinen Strafkammer, welche als Berufungsinstanz gegen Urteile des Amtsgerichts tätig wird, sitzen ein Berufsrichter und zwei Schöffen (§ 76 GVG).
Ist im Verfahren vor dem Landgericht Anwaltspflicht vorgeschrieben?
In nahezu allen Verfahren vor dem Landgericht gilt der Anwaltszwang (§ 78 ZPO). Das bedeutet, dass die Parteien, mit Ausnahme bestimmter Prozesshandlungen wie der Rücknahme einer Klage, nur zur Sache verhandeln oder Anträge stellen können, wenn sie durch einen beim Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten werden. Diese Regelung dient dem Ziel, qualitativ hochwertige und rechtssichere Verfahren zu gewährleisten, da die Komplexität vor dem Landgericht regelmäßig hoch ist. Im Strafverfahren haben die Angeklagten in bestimmten schweren Fällen (sog. notwendige Verteidigung, § 140 StPO) ebenfalls zwingend einen Verteidiger beizuordnen, z.B. bei schweren Verbrechen oder wenn eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr zu erwarten ist; ansonsten können sie sich selbst verteidigen, haben jedoch stets das Recht, einen Verteidiger zu wählen.