Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Verwaltungsrecht»Landesversorgungsamt

Landesversorgungsamt


Landesversorgungsamt

Das Landesversorgungsamt ist eine Landesbehörde in Deutschland, die für die Durchführung und Verwaltung bestimmter Sozialleistungen, insbesondere im Bereich des sozialen Entschädigungsrechts, zuständig ist. Die Aufgaben, Organisation und rechtlichen Grundlagen der Landesversorgungsämter sind maßgeblich durch das Sozialgesetzbuch, insbesondere das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und das Bundesversorgungsgesetz (BVG), bestimmt. Landesversorgungsämter existieren in den einzelnen Bundesländern, wobei sie in unterschiedlicher organisatorischer Ausgestaltung auftreten können.

Rechtsgrundlagen des Landesversorgungsamts

Bundesversorgungsgesetz (BVG)

Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) bildet die wesentliche rechtliche Grundlage für die Arbeit der Landesversorgungsämter. Das BVG regelt insbesondere die Entschädigung für Kriegsopfer, Wehrdienstbeschädigte, Gewaltopfer sowie deren Hinterbliebene. Nach § 3 BVG sind die Landesversorgungsämter für die Durchführung der Versorgungsverwaltung auf Landesebene zuständig. Sie entscheiden dabei über Anerkennung, Feststellung von Versorgungsansprüchen und deren Umfang sowie die Bewilligung von Leistungen.

Weitere einschlägige Gesetze

Neben dem BVG sind die Landesversorgungsämter auch für die Durchführung weiterer Gesetze zuständig, darunter insbesondere:

  • Opferentschädigungsgesetz (OEG)
  • Soldatenversorgungsgesetz (SVG)
  • Zivildienstgesetz (ZDG)
  • Infektionsschutzgesetz (IfSG)
  • Schwerbehindertenrecht nach dem SGB IX

Die Aufgabenverteilung und Zuständigkeiten leiten sich direkt aus diesen gesetzlichen Vorschriften ab.

Aufgaben und Zuständigkeiten des Landesversorgungsamts

Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)

Eine zentrale Aufgabe der Landesversorgungsämter liegt in der Durchführung des Feststellungsverfahrens nach dem Schwerbehindertenrecht (§ 69 SGB IX). Betroffene Personen beantragen beim zuständigen Amt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) und eventuell weiterer gesundheitlicher Merkmale (z. B. Merkzeichen für Nachteilsausgleiche). Das Landesversorgungsamt führt dazu ein verwaltungsrechtliches Verfahren durch, bei dem die gesundheitlichen Beeinträchtigungen begutachtet und dokumentiert werden.

Entschädigungsleistungen für Kriegs- und Gewaltopfer

Das Landesversorgungsamt prüft im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts Ansprüche auf Leistungen nach dem BVG und OEG. Zu den Leistungen zählen u. a.:

  • Heil- und Krankenbehandlung
  • Körperersatzstücke (z. B. Prothesen)
  • Hilfsmittel
  • Rente wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Schädigung
  • Hinterbliebenenrenten

Das Amt entscheidet auf Antrag über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen, holt gegebenenfalls medizinische Gutachten ein und setzt die Leistungsansprüche fest.

Verwaltung und Kontrolle bei Nachteilsausgleichen

Im Bereich des Schwerbehindertenrechts sind die Landesversorgungsämter dafür zuständig, Nachteilsausgleiche (steuerliche Vorteile, Vergünstigungen im öffentlichen Verkehr usw.) zu bescheinigen. Sie stellen auf Antrag die besonderen Merkzeichen für die Inanspruchnahme entsprechender Vorteile aus.

Aufsicht und Koordination der Versorgungsverwaltung

Über die individuellen Leistungsgewährungen hinaus üben die Landesversorgungsämter eine Fachaufsicht und Kontrollfunktion über nachgeordnete Versorgungsbehörden, z. B. Versorgungsämter oder Kreisverwaltungen, aus. Sie sind für die Grundsatzfragen und die rechtssichere Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich.

Aufbau und Organisation der Landesversorgungsämter

Behördengliederung auf Länderebene

Die Organisation der Landesversorgungsämter ist Ländersache und kann im Verwaltungsaufbau variieren. In vielen Bundesländern sind die Versorgungsämter entweder direkt als Landesversorgungsamt organisiert oder Teil eines übergeordneten Landesamts für Soziales, Gesundheit oder Familie.

Zuständigkeit innerhalb der Landesstruktur

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit regelt sich nach dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers. Im bundesweiten Kontext sind die Landesversorgungsämter für ihren jeweiligen Landesbereich zuständig. Die genaue Abgrenzung kann per Landesrecht unterschiedlich ausgestaltet sein.

Zusammenarbeit mit anderen Behörden

Landesversorgungsämter arbeiten eng mit anderen Behörden wie Gesundheitsämtern, Integrationsämtern, Rentenversicherungsträgern und Pflegekassen zusammen, um eine umfassende und koordinierte Versorgung der Leistungsberechtigten zu gewährleisten.

Verfahren, Widerspruch und Rechtsschutz

Verwaltungsverfahren

Die Bearbeitung von Anträgen erfolgt im Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches (insb. SGB X). Die Entscheidung erfolgt in Form eines schriftlichen Verwaltungsakts.

Rechtsmittel

Gegen Bescheide der Landesversorgungsämter gibt es die Möglichkeit der Einlegung von Widerspruch. Über den Widerspruch entscheidet die Widerspruchsstelle des Amtes. Bleibt der Widerspruch erfolglos, steht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) offen.

Reformen und Entwicklungen

Neuregelung des sozialen Entschädigungsrechts

Mit Inkrafttreten des SGB XIV (Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts) wird das bislang im Bundesversorgungsgesetz und anderen Spezialgesetzen geregelte Entschädigungsrecht in einem neuen Gesamtsystem zusammengefasst. Dies hat Auswirkungen auf Aufgabenbereich und Zuständigkeiten der Landesversorgungsämter. Die Umstellung erfolgt schrittweise, wobei viele Regelungen zeitlich gestaffelt in Kraft treten.

Digitalisierung und Verfahrensmodernisierung

Im Zuge der Verwaltungsdigitalisierung werden auch bei den Landesversorgungsämtern zunehmend elektronische Antragsstellen, digitale Aktenführung und automatisierte Bearbeitungsprozesse implementiert, um eine effizientere und bürgernähere Verwaltung zu gewährleisten.

Zusammenfassung

Das Landesversorgungsamt nimmt eine zentrale Rolle im sozialen Entschädigungsrecht Deutschlands ein. Es ist nach Maßgabe bundes- und landesrechtlicher Bestimmungen zuständig für die Feststellung von Behinderungen, die Bewilligung von Entschädigungsleistungen, die Koordination nachgeordneter Versorgungsbehörden sowie für die rechtssichere Umsetzung des Opfer- und Behindertenrechts. Die Aufgaben und die Organisation unterliegen bundesweit einheitlichen, jedoch in den einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzten gesetzlichen Vorgaben. Reformen wie das neue SGB XIV und fortschreitende Digitalisierung prägen die aktuelle Entwicklung dieser Behördenstruktur.


Siehe auch:

  • Opferentschädigungsgesetz (OEG)
  • Sozialgesetzbuch SGB IX und SGB XIV
  • Bundesversorgungsgesetz (BVG)
  • Schwerbehindertenrecht
  • Versorgungsamt

Weblinks:

Literatur:

  • Krohne, Versorgungsverwaltung und soziales Entschädigungsrecht, 2021.
  • SGB IX: Kommentar zum Schwerbehindertenrecht, aktuelle Ausgabe.

Häufig gestellte Fragen

Wie läuft das Widerspruchsverfahren gegen einen Bescheid des Landesversorgungsamtes ab?

Gegen einen Bescheid des Landesversorgungsamtes, beispielsweise im Rahmen des Sozialen Entschädigungsrechts, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde einzureichen, die den Bescheid erlassen hat. Das Verfahren ist kostenlos. Mit dem Widerspruch beginnt die Behörde das Verwaltungsverfahren erneut zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf neue Tatsachen, Beweismittel oder rechtliche Einwände seitens des Antragstellers. Im Rahmen dieser Überprüfung kann das Amt den Bescheid abändern, zurücknehmen oder bestätigen. Bleibt der Widerspruch erfolglos, erlässt die Behörde einen sogenannten Widerspruchsbescheid, gegen den binnen vier Wochen Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden kann. Das Verfahren ist an die §§ 84 ff. SGG (Sozialgerichtsgesetz) gebunden. In bestimmten Fällen kann das Landesversorgungsamt während des laufenden Widerspruchsverfahrens bereits vorläufige Maßnahmen anordnen, etwa in besonders dringenden Angelegenheiten.

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Zuständigkeit des Landesversorgungsamtes?

Die Zuständigkeit des Landesversorgungsamtes ist überwiegend in spezialgesetzlichen Vorschriften geregelt. Maßgeblich sind das Sozialgesetzbuch – SGB XIV (Soziale Entschädigung), das Bundesversorgungsgesetz (BVG), das Opferentschädigungsgesetz (OEG) sowie diverse landesrechtliche Ausführungsbestimmungen. Das Landesversorgungsamt übernimmt dabei vorrangig Aufgaben der Durchführung und Gewährung von Entschädigungsleistungen bei Gesundheitsschäden infolge von Krieg, Wehr- oder Zivildienst, Impfschäden oder Gewaltopferleistungen. Daneben ist es befugt, Verwaltungsakte im jeweiligen Fachbereich zu erlassen. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Wohnsitz beziehungsweise Aufenthaltsort des Antragstellers, sowie den konkreten Lebenssachverhalten des jeweiligen Falls.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen im Verwaltungsverfahren beim Landesversorgungsamt?

Beim Verwaltungsverfahren vor dem Landesversorgungsamt gelten die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I. Antragsteller sind verpflichtet, alle relevanten Informationen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben und die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Beweismittel vorzulegen. Dazu zählen insbesondere ärztliche Atteste, Gutachten, Nachweise über Einkünfte und besondere Belastungen. Die Mitwirkung erstreckt sich auch auf die Teilnahme an medizinischen Untersuchungen, die vom Amt veranlasst werden. Kommt der Betroffene den Mitwirkungspflichten nicht nach, kann das Amt Leistungen ganz oder teilweise versagen oder den Antrag ablehnen. Bestehen Zweifel an der Mitwirkung, ist das Amt verpflichtet, über die Folgen der unterlassenen Mitwirkung rechtskonform zu informieren (§ 66 SGB I).

Welche Rechte haben Antragsteller auf Akteneinsicht beim Landesversorgungsamt?

Antragsteller haben ein Recht auf Akteneinsicht gemäß § 25 SGB X. Dieses Recht erlaubt es ihnen, alle Unterlagen einzusehen, die das Landesversorgungsamt im Rahmen des Verwaltungsverfahrens über ihre Person gesammelt hat. Ein Antrag auf Akteneinsicht muss in der Regel schriftlich gestellt werden. Die Behörde bestimmt dann Ort und Zeit der Einsichtnahme. In bestimmten Fällen kann die Einsichtnahme beschränkt oder abgelehnt werden, etwa wenn schutzwürdige Interessen Dritter oder die öffentliche Sicherheit gefährdet wären. Medizinische Unterlagen dürfen in sensiblen Fällen nur mit Einverständnis eines Arztes oder im Beisein einer sachkundigen Person eingesehen werden. Die Versagung der Akteneinsicht ist ein eigenständig anfechtbarer Verwaltungsakt.

Wie erfolgt die Berechnung und Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) durch das Landesversorgungsamt?

Die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) erfolgt durch das Landesversorgungsamt gemäß §§ 152 ff. SGB IX. Grundlage sind medizinische Gutachten und Berichte, die den gesundheitlichen Zustand und die Funktionsbeeinträchtigungen dokumentieren. Der GdB wird basierend auf den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VersMedV) in Zehnergraden von 20 bis 100 festgesetzt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen erfolgt eine Gesamtwürdigung, wobei Einzel-GdB-Werte nicht linear addiert, sondern im Rahmen einer Gesamtschau bewertet werden. Die Behörde orientiert sich dabei an den Auswirkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Nach Feststellung des GdB ergeht ein Feststellungsbescheid mit Rechtsbehelfsbelehrung. Gegen die Entscheidung kann Widerspruch eingelegt werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, gegen Entscheidungen des Landesversorgungsamts vorzugehen?

Gegen Entscheidungen des Landesversorgungsamtes kann grundsätzlich Widerspruch eingelegt werden (siehe erste Frage). Ist der Widerspruch erfolglos oder bleibt er ganz oder teilweise unbeantwortet, besteht die Möglichkeit, Klage zum Sozialgericht zu erheben. Die Klage ist gemäß § 87 SGG binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides zu erheben. Das Sozialgericht prüft sodann die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts einschließlich der zugrunde liegenden Tatsachen. Darüber hinaus besteht im Ausnahmefall das Recht, vorläufigen Rechtsschutz mittels Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht zu beantragen, etwa bei drohender existenzieller Notlage. Entscheidungen in Eilfällen regelt § 86b SGG. Das gerichtliche Verfahren ist gerichtskostenfrei. Bei weiteren Instanzen gelten die Vorschriften der Beschwerde zum Landessozialgericht bzw. der Revision zum Bundessozialgericht.