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Landesverbände der Krankenkassen


Begriff und Rechtsstellung der Landesverbände der Krankenkassen

Landesverbände der Krankenkassen sind nach deutschem Sozialversicherungsrecht zentrale Selbstverwaltungseinrichtungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf der Landesebene. Sie dienen der regionalen Organisation und Wahrnehmung gemeinschaftlicher Aufgaben mehrerer Krankenkassen, insbesondere gegenüber Vertragspartnern des Gesundheitswesens, den Aufsichtsbehörden und weiteren Beteiligten der Krankenversicherung. Die rechtliche Grundlage für die Landesverbände der Krankenkassen findet sich primär im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Regelungen

Die Landesverbände der Krankenkassen sind gemäß § 219 SGB V gesetzlich geschaffen und verfügen über den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsorganisation. Sie unterliegen der Rechtsaufsicht durch die jeweiligen Landesministerien für Gesundheit. Die konkreten Rahmenbedingungen ihrer Aufgaben, Organisation und Finanzierung ergeben sich aus den einschlägigen Vorschriften des SGB V.

Körperschaftsrecht und Selbstverwaltung

Als Körperschaften öffentlichen Rechts besitzen die Landesverbände eigene Organe der Selbstverwaltung und eine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Die Selbstverwaltung steht unter staatlicher Rechtsaufsicht, wobei der Staat insbesondere die Rechtmäßigkeit der Verwaltungstätigkeit überprüft (§ 87 SGB IV). Die Organe der Landesverbände werden demokratisch durch Vertreterversammlung und Vorstand gebildet.

Aufgaben und Funktionen der Landesverbände

Repräsentation und Interessenvertretung

Die Landesverbände vertreten die angeschlossenen Krankenkassen auf Landesebene gegenüber staatlichen Stellen, weiteren Sozialversicherungsträgern sowie sonstigen Akteuren des Gesundheitssystems. Die Mitwirkung an gesetzlichen Beratungs- und Beteiligungsverfahren auf Landesebene zählt zu ihren Kernaufgaben.

Vertragsabschlüsse im Gesundheitswesen

Eine der zentralen Aufgaben der Landesverbände ist der Abschluss und die Ausgestaltung von Verträgen nach dem SGB V mit den Leistungserbringern. Dazu zählen insbesondere:

  • Verträge mit Krankenhäusern nach § 112 SGB V (Versorgungsverträge)
  • Verträge mit Ärzten, Zahnärzten, Apothekern und anderen Heilberufsguppen
  • Verträge zur Qualitätssicherung, Datenübermittlung und Abrechnung

Die Landesverbände handeln hierbei gemeinschaftlich für die angeschlossenen Krankenkassen, um eine einheitliche Versorgung zu gewährleisten.

Förderung und Koordination von Prävention und Versorgung

Landesverbände koordinieren landesweite Maßnahmen zur Prävention, Qualitätsförderung und Gesundheitsförderung. Sie fördern die Kooperation zwischen Leistungserbringern und Patienten und leisten einen Beitrag zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung.

Einzug und Verteilung von Finanzmitteln

Landesverbände nehmen Aufgaben im Bereich der finanziellen Leistungen wahr, insbesondere im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich zwischen den Krankenkassenkliniken, der Zuweisung von Mitteln an die Gesundheitsförderung und ähnlichen Aufgabenstellungen.

Organisation und Aufbau

Organe und Gremien

Landesverbände sind von einer repräsentativen Selbstverwaltung geprägt. Die wesentlichen Organe sind:

  • Vertreterversammlung: Die gewählte Versammlung der Mitgliederformiert das oberste Kontroll- und Beschlussfassungsorgan des Landesverbandes.
  • Vorstand: Der Vorstand leitet den Landesverband und vollzieht die Beschlüsse der Vertreterversammlung; er wird regelmäßig von dieser gewählt oder bestätigt.

Die Zusammensetzung orientiert sich am Prinzip der paritätischen Mitbestimmung, wobei Vertreter von Versicherten und Arbeitgebern in den Organen sitzen.

Mitgliedschaft und Zuständigkeit

Grundsätzlich sind alle Krankenkassen einer Kassenart im jeweiligen Bundesland verpflichtet, Mitglied im entsprechenden Landesverband zu sein. Es gibt Landesverbände für die unterschiedlichen Kassenarten:

  • Allgemeine Ortskrankenkassen (AOK)
  • Betriebskrankenkassen (BKK)
  • Innungskrankenkassen (IKK)
  • Ersatzkassen (über die Landesvertretungen des Verbandes der Ersatzkassen)

Die räumliche Zuständigkeit erstreckt sich auf das jeweilige Bundesland, in dem der Verband besteht. Für Krankenkassen mit bundesweiter Zuständigkeit gelten Sonderregelungen.

Verhältnis zum GKV-Spitzenverband und weiteren Gremien

Mit Inkrafttreten des Wettbewerbsstärkungsgesetzes zum 1. Juli 2008 wurden zahlreiche Aufgaben auf den bundesweiten GKV-Spitzenverband übertragen (§ 217 ff SGB V). Nichtsdestotrotz verbleiben relevante Aufgaben der Landesverbände im Bereich des Vertragswesens und der Vertretung auf Landesebene. Das Verhältnis zum GKV-Spitzenverband ist durch die klare Aufgabenteilung zwischen Bundes- und Landesebene gekennzeichnet.

Landesverbände kooperieren regelmäßig mit regionalen Arbeitsgemeinschaften, Landesärztekammern und weiteren Vertretungsorganen im Gesundheitswesen.

Aufsicht und Kontrolle

Landesverbände unterliegen der staatlichen Aufsicht, die sich nach der landesrechtlichen Zuordnung richtet. Die Aufsichtsbehörde ist in der Regel das jeweilige Landesministerium für Gesundheit. Die Aufsicht beschränkt sich auf die Überprüfung von Rechtmäßigkeit und Zweckerfüllung der Verbandsarbeit (§§ 87 bis 89 SGB IV). Finanzielle Prüfungen, Prüfungen der Einhaltung von Haushalt und Wirtschaftlichkeit gehören ebenfalls dazu.

Historische Entwicklung

Die Landesverbände entstanden im Zuge der Reichsversicherungsordnung (RVO) und wurden seither mehrfach reformiert. Ihr Stellenwert und Aufgabenbereich haben sich im Laufe der Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung verändert, insbesondere durch die Einführung des GKV-Spitzenverbandes und die Neustrukturierung der Kassenlandschaft.

Bedeutung und aktuelle Entwicklungen

Landesverbände der Krankenkassen haben wesentliche Bedeutung für die Gestaltung, Koordination und Umsetzung der gesetzlichen Krankenversicherung im regionalen Kontext. Sie gewährleisten die Zusammenarbeit und Abstimmung innerhalb der Kassenarten und mit anderen Akteuren des Gesundheitssystems. Der fortschreitende Strukturwandel im Gesundheitswesen, Digitalisierung und Vernetzung stellen die Landesverbände vor neue Herausforderungen. Anpassungen gesetzlicher Vorgaben, etwa im Vertragswesen und bei der Qualitätssicherung, führen zu einer fortlaufenden Weiterentwicklung ihrer Funktionen.

Literatur

  • Sozialgesetzbuch (SGB) IV und V
  • Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG)
  • Handbuch der Gesetzlichen Krankenversicherung (Liebold, Rosenbrock, 2022)
  • Sodan/Ziekow, Kommentierung zu SGB V

Hinweis zur Nutzung: Dieser Artikel bietet einen umfassenden und aktuellen Überblick zur rechtlichen Bedeutung der Landesverbände der Krankenkassen. Für detaillierte Einzelfragen empfiehlt sich die Konsultation der einschlägigen Gesetzestexte sowie der jeweils zuständigen Behörden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben nehmen die Landesverbände der Krankenkassen rechtlich wahr?

Landesverbände der Krankenkassen kommen nach § 207 SGB V insbesondere der Aufgabe nach, die Interessen der ihnen zugehörigen Krankenkassen auf Landesebene zu bündeln und zu vertreten. Rechtlich sind sie eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, die u. a. die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung im jeweiligen Bundesland organisieren und hierfür Verträge mit Leistungserbringern (z. B. Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen) abschließen. Sie führen Verhandlungen mit den Landesverbänden der Leistungserbringer, nehmen Interessen gegenüber den Landesbehörden wahr und wirken an der Landeskrankenhausplanung sowie Qualitätssicherung mit. Ebenso obliegen ihnen umfassende Prüf- und Kontrollbefugnisse im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Pflichten der Vertragspartner. Darüber hinaus koordinieren die Landesverbände die Meinungsbildung der Mitgliedskassen auf Landesebene und vertreten diese auch gerichtlich und außergerichtlich in landesrechtlichen Angelegenheiten.

Wie ist die Rechtsaufsicht über Landesverbände der Krankenkassen geregelt?

Die Rechtsaufsicht über die Landesverbände der Krankenkassen ist in § 89 SGB IV geregelt. Danach üben die Landesbehörden die Aufsicht über die Landesverbände aus. Diese Aufsicht beschränkt sich auf die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung („Rechtsaufsicht“) und schließt die Fachaufsicht, also eine Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitskontrolle, aus. Die Landessozialministerien können im Rahmen der Aufsicht Maßnahmen anordnen, sollten Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben festgestellt werden. Komplexe Fälle werden nach vorheriger Information der Aufsichtsbehörde des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) klargestellt. Ein Weisungsrecht der Aufsicht besteht nicht, vielmehr handelt es sich um eine nachträgliche Kontrolle.

Welche Mitwirkungsrechte haben Landesverbände der Krankenkassen gegenüber den Landesbehörden?

Landesverbände der Krankenkassen besitzen umfangreiche Mitwirkungs- und Anhörungsrechte, insbesondere im Rahmen der Landeskrankenhausplanung und des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Nach § 90 SGB V sind sie obligatorisch bei der Krankenhausplanung, der Zulassung und Aufsicht von Leistungserbringern sowie bei der Gestaltung landesrechtlicher Vorschriften über die Gesundheitsversorgung einzubeziehen. Dies beinhaltet die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben, Anhörungen durchzuführen und Vorschläge zu unterbreiten. Darüber hinaus können Landesverbände Beratungsaufgaben übernehmen, um die Behörden bei Entscheidungsprozessen und der Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung zu unterstützen.

Inwieweit können Landesverbände der Krankenkassen Verträge mit Leistungserbringern abschließen?

Die Vertragskompetenz der Landesverbände der Krankenkassen ist umfangreich und explizit gesetzlich geregelt (u. a. in § 112 SGB V für strukturierte Versorgungsverträge, § 73 Abs. 2 SGB V für Hausarztverträge). Sie führen die Vertragsverhandlungen für die ihnen angehörenden Krankenkassen auf Landesebene und schließen beispielsweise Verträge über die medizinische und pflegerische Versorgung, Abrechnungsmodalitäten, Qualitätsziele sowie Vergütungsregelungen mit den jeweiligen Landesorganisationen der Leistungserbringer ab (z. B. Krankenhausgesellschaften, Ärztekammern). Die abgeschlossenen Verträge binden alle Mitgliedskassen auf Landesebene und sind wesentliche Instrumente zur Sicherstellung einheitlicher Versorgung und Wettbewerbsneutralität.

Wie ist die Gremienstruktur der Landesverbände der Krankenkassen rechtlich ausgestaltet?

Gemäß § 207 SGB V verfügen die Landesverbände der Krankenkassen über eine eigene Selbstverwaltungsstruktur, die regelmäßig aus einer Vertreterversammlung und einem Vorstand besteht. Die Vertreterversammlung ist das oberste Organ des Landesverbandes, das aus von den Mitgliedskassen entsandten Vertretern besteht und über Grundsatzangelegenheiten, Haushalt, Satzung und wesentliche Rechtsgeschäfte entscheidet. Der gewählte Vorstand ist für die laufende Verwaltung und die Umsetzung der Beschlüsse der Vertreterversammlung zuständig. Die Amtszeiten, Wahlmodalitäten und Zuständigkeiten sind in Satzungen der Landesverbände detailliert geregelt und unterliegen der Rechtsaufsicht der Landesbehörden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für Landesverbände der Krankenkassen bei Meinungsverschiedenheiten mit Leistungserbringern?

Bei Meinungsverschiedenheiten im Rahmen von Vertragsverhandlungen oder bei Auslegungsfragen vorhandener Verträge bieten gesetzliche Regelungen die Möglichkeit, Schiedsverfahren einzuleiten (vgl. §§ 112 ff. SGB V). Ein unabhängiger Landesschiedsausschuss, dessen Zusammensetzung und Verfahren gesetzlich festgelegt sind, entscheidet verbindlich. Die Schiedssprüche unterliegen nur eingeschränkt der gerichtlichen Überprüfung. Daneben steht der ordentliche Rechtsweg zu den Sozialgerichten offen, insbesondere bei Streitigkeiten über Vertragsauslegung, Abrechnungsstreitigkeiten oder Pflichten der Vertragspartner.

Welche Regelungen bestehen hinsichtlich der Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen?

Die Finanzierung der Landesverbände der Krankenkassen erfolgt nach § 218 SGB V durch Umlagen, die von den Mitgliedskassen erhoben werden. Die Umlagen werden nach einem gesetzlich geregelten Schlüssel auf Basis der Versichertenzahlen und gegebenenfalls weiterer Faktoren berechnet. Die Haushaltsführung der Landesverbände unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben, insbesondere der Haushaltsführungsvorschriften der Sozialversicherung, und steht unter der Kontrolle der zuständigen Rechtsaufsicht. Die Verwendung der Mittel ist auf die Erfüllung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben beschränkt, mit Transparenz- und Prüfpflichten nach innen wie außen.