Begriff und Einordnung von Lagergeld
Lagergeld ist das Entgelt für die Aufbewahrung und sachgerechte Behandlung von beweglichen Sachen in einem Lager. Es wird von demjenigen geschuldet, der die Einlagerung veranlasst oder rechtlich für die Waren disponieren darf. Lagergeld kann als eigenständige Vergütung im Rahmen eines Lagervertrags anfallen oder als ergänzendes Entgelt neben Transport-, Umschlags- oder Hafenleistungen, wenn Güter vorübergehend oder längerfristig eingelagert werden.
Im Wirtschaftsleben begegnet Lagergeld in klassischen Lagern, bei Speditions- und Frachtleistungen, in Distributions- und Fulfillmentzentren, in Hafen- und Terminalanlagen sowie in zollrechtlich überwachten Bereichen. Es unterscheidet sich von Entgelten für Standzeiten von Transportmitteln (Standgeld), von Liegegeld/Detention im Containerverkehr und von Miete für Räume oder Stellflächen.
Entstehung und Anspruchsgrundlagen
Vertragliche Vereinbarung
Regelmäßig beruht der Anspruch auf Lagergeld auf einer vertraglichen Abrede. Die Parteien bestimmen Laufzeit, Abrechnungsmodus (z. B. pro Tag, Woche oder Monat), Bemessungsgrundlage (z. B. Gewicht, Volumen, Paletten, Container) und die Leistungen, die vom Entgelt umfasst sind.
Einzelvertrag, Allgemeine Bedingungen und Tarife
- Einzelvertrag: individuell ausgehandelte Konditionen, häufig mit Leistungsbeschreibung, Preisblättern und Abrechnungsmodalitäten.
- Allgemeine Bedingungen: Lager-, Speditions- oder Terminalbedingungen konkretisieren Vergütung, Haftung, Sicherungsrechte und Abläufe.
- Tarife: In bestimmten Infrastrukturen (z. B. Terminals, Hafenbetriebe) gelten veröffentlichte Tarife mit festen Sätzen und Freizeiträumen.
Gesetzliche Anknüpfungen und Gewohnheit
Fehlt eine ausdrückliche Vergütungsabrede, wird Lagergeld häufig nach der üblichen Vergütung am Ort der Lagerung oder nach angemessenen Sätzen bemessen. Es kann auch entstehen, wenn die Einlagerung zur Erhaltung der Güter notwendig ist oder wenn der Empfänger die Annahme verzögert und eine Zwischenlagerung erforderlich wird. Branchenübungen und Gepflogenheiten wirken dabei als Auslegungshilfe.
Öffentliche und terminalgebundene Lagerung
Betreiber von Häfen, Güterterminals oder sonstigen Umschlagsplätzen veröffentlichen regelmäßig Entgelttarife für Lagerzeiten. Diese erfassen oft Freizeiträume, Staffelpreise und Zuschläge für besondere Güter.
Beginn, Dauer und Fälligkeit
Beginn der Berechnung
Der Beginn der Lagergeldberechnung richtet sich nach der Vereinbarung. Üblich sind folgende Anknüpfungspunkte:
- Zugang der Ware im Lager oder auf dem Terminalgelände
- Ablauf vereinbarter Freitage nach dem Eintreffen
- Beginn des Annahmeverzugs oder eines vergleichbaren Zeitpunktes
Abrechnungseinheiten
Lagergeld wird pro Zeitabschnitt abgerechnet. Gängig sind Tages-, Wochen- oder Monatsentgelte, teilweise mit Mindestberechnungen. Die Bemessungsgrundlage kann mengen- oder flächenbezogen sein (z. B. pro Kilogramm, Kubikmeter, Palette, Container, Stellplatz).
Fälligkeit und Zahlungsverzug
Die Fälligkeit ergibt sich aus Vertrag, Bedingungen oder Tarif. Nach Rechnungsstellung wird das Entgelt innerhalb der vereinbarten Frist fällig. Bei Zahlungsverzug können Zinsen und weitere Verzugskosten hinzukommen. Der Lagerhalter kann sich zur Sicherung seiner Forderungen typischer Sicherungsrechte bedienen und die Herausgabe der Ware bis zur Zahlung verweigern, soweit dies vereinbart oder branchenüblich ist.
Höhe und Berechnungsmodelle
Zeit- und mengenabhängige Modelle
- Fixe Sätze pro Zeitabschnitt und Einheit (z. B. pro Tag und Palette)
- Staffelpreise nach Lagerdauer (zunehmende Sätze ab bestimmten Tagen)
- Kapazitäts- oder Saisonzuschläge bei hoher Auslastung
Freimengen und Freizeiträume
Häufig werden Freitage oder Freimengen gewährt. Nach deren Ablauf fällt Lagergeld an, oft mit steigenden Sätzen, um eine zügige Abholung zu fördern.
Nebenkosten und Zusatzentgelte
Neben dem Lagergeld können Kosten für Ein- und Auslagerung, Handling, Kommissionierung, Bestandsführung, Inventuren, besondere Sicherungsmaßnahmen, Gefahrgut, Temperaturführung oder Versicherungen anfallen, soweit vereinbart.
Umsatzsteuerliche Behandlung
Lagergeld stellt regelmäßig ein Entgelt für eine Dienstleistung dar. Es kann der Umsatzsteuer unterliegen; maßgeblich sind Leistungsort, Art der Leistung und der Status der Beteiligten.
Beteiligte und Pflichten
Lagerhalter oder Lagerbetreiber
Der Lagerhalter schuldet die sachgerechte Unterbringung und Obhut über die Waren entsprechend der vereinbarten Lagerart. Er führt Bestandsnachweise, ermöglicht die Auslagerung nach Weisung des Berechtigten und rechnet das Lagergeld nach den vereinbarten Kriterien ab.
Einlagerer und Verfügungsberechtigte
Der Einlagerer stellt zutreffende Informationen zur Ware bereit (Beschaffenheit, Mengen, besondere Anforderungen) und entrichtet das Lagergeld. Er wirkt bei Ein- und Auslagerungen mit und erteilt Weisungen, soweit zulässig.
Spediteur, Frachtführer, Fulfillment-Dienstleister
Im Rahmen kombinierter Leistungen kann Lagergeld als Neben- oder Zusatzentgelt zum Transport anfallen, etwa bei Zwischenlagerungen, Konsolidierung oder Lieferkettensteuerung.
Sicherungsrechte und Durchsetzung
Zurückbehaltungsrecht und Pfandrecht
Zur Sicherung offener Forderungen aus Lagergeld und damit verbundenen Leistungen kann der Lagerhalter an den eingelieferten Waren ein vertraglich oder kraft Übung begründetes Sicherungsrecht haben. Dieses kann ihn berechtigen, die Herausgabe bis zur Zahlung zu verweigern.
Verwertung der Ware
Bleibt die Vergütung trotz Fristsetzung aus, kann der Lagerhalter nach vorheriger Ankündigung eine Verwertung der Ware in Betracht ziehen, um offene Forderungen zu decken. Üblich sind schonende Verwertungsformen, deren Erlös zunächst die Kosten der Verwertung, dann Lagergeld und Nebenkosten abdeckt. Ein Überschuss steht dem Berechtigten zu.
Rangfolge und Umfang
Der Umfang und die Rangfolge der gesicherten Forderungen ergeben sich aus Vereinbarungen, Bedingungen und branchenüblichen Regeln. Erfasst sind in der Regel Lagergeld, Nebenkosten und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Lagerung entstehen.
Abgrenzungen
Lagergeld vs. Standgeld, Liegegeld/Demurrage, Detention
- Lagergeld: Entgelt für die Aufbewahrung von Waren in einem Lager.
- Standgeld: Entgelt für Wartezeiten von Lkw oder anderen Transportmitteln.
- Liegegeld/Demurrage: Entgelt für Überschreitung freier Liegezeiten beim Schiff oder für Container im Terminalkontext.
- Detention: Entgelt für die Nutzung von Equipment (z. B. Container) außerhalb des Terminals über freie Zeiten hinaus.
Lagergeld vs. Miete und Verwahrung
Bei der Miete wird die Gebrauchsüberlassung einer Fläche oder eines Raums vergütet; die Obhutspflichten sind geringer ausgeprägt. Die Verwahrung betrifft die sichere Aufbewahrung einer Sache, die dem Verwahrer übergeben wird; das Lagergeld ist das hierfür bestimmte Entgelt, oft eingebettet in erweitere Logistikleistungen.
Zoll- und Hafenbereich
In zollüberwachten Lagern oder Hafenanlagen richten sich Lagergeld und Lagerbedingungen zusätzlich nach behördlichen Vorgaben und veröffentlichten Tarifen. Fristen, Dokumentationspflichten und besondere Sicherungsanforderungen beeinflussen die Kostenstruktur.
Beendigung der Lagerung
Herausgabe gegen Erfüllung
Mit Beendigung der Lagerung hat der Berechtigte Anspruch auf Herausgabe der Ware. Der Lagerhalter darf die Herausgabe von der Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche abhängig machen, soweit dies vereinbart oder branchenüblich ist.
Mitwirkungs- und Informationspflichten
Für eine geordnete Auslagerung sind Avisierung, Bereitstellung erforderlicher Unterlagen und die Einhaltung vereinbarter Zeitfenster maßgeblich. Zusätzliche Leistungen während der Auslagerung können gesondert vergütet werden.
Unverwertbare oder verderbliche Waren
Bei unverwertbaren, wertlosen oder gefährlichen Waren kommen besondere Maßnahmen in Betracht, etwa Entsorgung oder beschleunigte Verwertung nach Ankündigung. Die hierfür entstehenden Kosten können neben Lagergeld anfallen.
Dokumentation und Nachweise
Belege und Bestandsführung
Üblich sind Einlagerungsbelege, Bestandsberichte, Inventarlisten und gegebenenfalls Traditionspapiere. Sie dokumentieren Menge, Art, Zustand und Lagerorte.
Transparenz über Entgelte
Preislisten, Tarife und Bedingungen sollten klar zugänglich sein. Änderungen werden regelmäßig bekanntgegeben und gelten nach angemessener Vorlaufzeit.
Internationale Aspekte
Lieferbedingungen und Schnittstellen
Internationale Lieferbedingungen beeinflussen, wer das Lagergeld trägt und ab welchem Punkt die Kosten- und Gefahrtragung wechselt. An Schnittstellen zwischen Transportträgern entstehen häufig temporäre Lagerungen.
Rechtswahl und Gerichtsstand
In grenzüberschreitenden Konstellationen wird häufig eine Rechtswahl und ein Gerichtsstand vereinbart, um Zuständigkeiten und maßgebliche Rahmenbedingungen zu klären.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Lagergeld
Wann beginnt die Berechnung von Lagergeld?
Der Beginn richtet sich nach der Vereinbarung. Üblich ist der Start mit Zugang der Ware im Lager oder nach Ablauf vereinbarter Freitage. In Fällen des Annahmeverzugs kann Lagergeld ab dem Verzugseintritt entstehen.
Wer schuldet das Lagergeld?
Schuldner ist der Einlagerer oder der verfügungsberechtigte Auftraggeber der Lagerung. Im Transportkontext kann die Kostentragung je nach Abrede auch beim Empfänger liegen.
Wie wird Lagergeld typischerweise berechnet?
Gängig sind Sätze pro Zeitabschnitt und Einheit (z. B. pro Tag und Palette oder Container), häufig mit Staffeln und Freizeiträumen. Zusätzliche Leistungen können gesondert berechnet werden.
Kann der Lagerhalter die Herausgabe der Ware bei offenen Forderungen verweigern?
Ja, soweit dies vereinbart oder branchenüblich vorgesehen ist, darf der Lagerhalter bis zur Begleichung fälliger Forderungen die Herausgabe zurückhalten. Dies dient der Sicherung des Lagergeldes und verbundener Kosten.
Gibt es Unterschiede zwischen Lagergeld und Standgeld?
Ja. Lagergeld vergütet die Aufbewahrung von Waren im Lager, während Standgeld für Wartezeiten von Transportmitteln anfällt. Beide Entgelte können unabhängig voneinander entstehen.
Fällt Lagergeld auch ohne ausdrückliche Preisvereinbarung an?
Fehlt eine konkrete Abrede, kann Lagergeld nach üblichen örtlichen Sätzen oder in angemessener Höhe verlangt werden, insbesondere wenn die Lagerung erforderlich war oder branchenüblich vergütet wird.
Was passiert, wenn Lagergeld nicht bezahlt wird?
Bei Nichtzahlung können Verzugsfolgen eintreten. Der Lagerhalter kann seine Sicherungsrechte ausüben und nach Ankündigung eine Verwertung der Ware in Betracht ziehen, um offene Forderungen zu decken.