Legal Lexikon

Lagebericht


Rechtliche Grundlagen und Definition des Lageberichts

Der Lagebericht ist ein zentrales Instrument der Unternehmensberichterstattung im deutschen Handelsrecht. Er dient dazu, ergänzend zum Jahresabschluss ein umfassendes Bild von Geschäftsverlauf, Lage und den voraussichtlichen Entwicklungen des Unternehmens zu vermitteln. Die rechtliche Grundlage für die Pflicht zur Erstellung eines Lageberichts findet sich primär in den §§ 264, 264a, 289 und 315 Handelsgesetzbuch (HGB). Der Lagebericht bildet einen integralen Bestandteil der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter und bestimmter weiterer Unternehmen, wobei sowohl inhaltliche Vorgaben als auch Anforderungen an Form und Prüfung bestehen.

Geltungsbereich und Pflicht zur Erstellung

Gemäß § 264 Abs. 1 HGB sind Kapitalgesellschaften und bestimmte Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, verpflichtet, einen Lagebericht zu erstellen. Bei Mutterunternehmen betrifft dies gemäß § 315 HGB den Konzernlagebericht. Ausnahmeregelungen und Erleichterungen bestehen für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB), die grundsätzlich keinen Lagebericht vorlegen müssen.

Erweiterte Anwendungsbereiche

Neben kapitalmarktorientierten Unternehmen sind auch Institute und Versicherungsunternehmen nach spezialgesetzlichen Vorschriften verpflichtet, einen Lagebericht oder einen vergleichbaren Bericht zu erstellen. Maßgeblich sind hier ergänzend die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG), des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sowie internationaler Rechnungslegungsvorschriften, sofern diese angewendet werden.

Inhaltliche Anforderungen an den Lagebericht

Die gesetzlichen Mindestanforderungen an den Inhalt des Lageberichts sind in den §§ 289 und 315 HGB definiert. Der Lagebericht erstreckt sich sowohl auf historische Daten als auch auf zukunftsorientierte Aussagen („Forward-Looking Statements“).

Pflichtinhalte nach § 289 HGB

  • Geschäftsverlauf und Lage des Unternehmens: Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse, einschließlich Angaben zur wirtschaftlichen Entwicklung und zu bedeutenden Ereignissen während des Geschäftsjahres.
  • Risiken und Chancen: Einschätzung der mit der Geschäftstätigkeit verbundenen Risiken und Chancen, einschließlich einer Erläuterung bedeutsamer Unsicherheiten.
  • Prognosebericht: Berichterstattung über voraussichtliche Entwicklungen, einschließlich wesentlicher Annahmen und Methoden.
  • Interne Kontroll- und Risikomanagementsysteme: Erläuterungen zu Struktur und Funktionsweise hinsichtlich des Rechnungslegungsprozesses.
  • Forschungs- und Entwicklungstätigkeit: Soweit relevant, Beschreibung der F&E-Aktivitäten.
  • Vergleich der Entwicklung mit den Prognoseaussagen des Vorjahres: Analyse, ob die tatsächliche Entwicklung den Prognosen entsprochen hat, sowie Begründung von Abweichungen.
  • Diversity-Bericht: Erklärung zur Förderung von Vielfalt in Leitungsorganen (§ 289f HGB).
  • Nichtfinanzielle Erklärung: Unter gewissen Voraussetzungen Angabe zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Menschenrechten und Korruptionsprävention (§ 289b, 289c HGB).

Anforderungen an die Berichterstattung bei Konzernen

Der Konzernlagebericht nach § 315 HGB entspricht inhaltlich weitgehend den Anforderungen an den Einzelabschluss-Lagebericht. Hinzu treten konsolidierende Angaben, etwa zur Entwicklung und Lage des Gesamtkonzerns, und Regelungen zur Segmentberichterstattung bei international agierenden Unternehmensgruppen.

Form, Sprache und Veröffentlichung

Der Lagebericht ist gemäß § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB in deutscher Sprache zu verfassen. Er bildet zusammen mit dem Jahresabschluss eine einheitliche Berichtsgrundlage und ist gemeinsam mit diesem im elektronischen Bundesanzeiger offenzulegen (§ 325 HGB). Maßgeblich ist eine klare, übersichtliche und nachvollziehbare Berichterstattung; Verweise und Querverbindungen zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung müssen eindeutig nachvollziehbar sein.

Prüfung des Lageberichts

Der Lagebericht unterliegt entsprechend § 317 HGB bei prüfungspflichtigen Unternehmen der Jahresabschlussprüfung durch einen Abschlussprüfer. Die Prüfung erstreckt sich auf die Vereinbarkeit des Lageberichts mit dem Jahresabschluss, die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und darauf, ob der Lagebericht insgesamt ein zutreffendes Bild von Geschäftsverlauf und Lage des Unternehmens vermittelt (Prüfungsurteil). Falschangaben oder Lücken im Lagebericht können zivilrechtliche und strafrechtliche Haftungsfolgen nach sich ziehen (§ 331 HGB).

Sanktionen bei Verstößen

Fehlerhafte, unvollständige oder nicht fristgerecht veröffentlichte Lageberichte können zu empfindlichen Ordnungsgeldern durch das Bundesamt für Justiz gemäß § 335 HGB führen. Darüber hinaus kann bei unrichtigen Angaben eine persönliche Haftung der Organmitglieder nach § 93 Aktiengesetz (AktG) bzw. § 43 GmbH-Gesetz (GmbHG) eintreten.

Bedeutung und Funktion im Unternehmens- und Kapitalmarktrecht

Der Lagebericht besitzt zentrale Bedeutung für Anteilseigner, Gläubiger und andere Stakeholder, da er entscheidungsrelevante Informationen enthält, die über die reine Zahlenberichterstattung hinausgehen. Im Kontext des Kapitalmarktrechts unterstützt der Lagebericht die Transparenz und Vertrauensbildung am Markt und ist damit wesentlicher Bestandteil der Unternehmens-Compliance.

Internationale Regulierung

Im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Rechnungslegung finden sich vergleichbare Berichtspflichten in europäischen und internationalen Normen, etwa in der EU-Bilanzrichtlinie (2013/34/EU) und den IFRS (International Financial Reporting Standards). Insbesondere kapitalmarktorientierte Unternehmen unterliegen hier zusätzlichen Berichtsvorschriften.

Zusammenfassung

Der Lagebericht ist ein umfassend reglementiertes Berichtsinstrument, das über die reine Bilanzberichterstattung hinausgehende qualitative und quantitative Informationen zur Unternehmenslage, Prognose, Risiken sowie bedeutenden Entwicklungen liefert. Relevante rechtliche Vorgaben, Prüfungspflichten sowie Offenlegungs- und Haftungsregelungen dienen der Sicherstellung einer transparenten und vollständigen Information aller interessierten Adressaten.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Erstellung des Lageberichts in Deutschland?

Die gesetzlichen Anforderungen an die Erstellung des Lageberichts sind maßgeblich im Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere in § 289 HGB für Einzelkaufleute und Kapitalgesellschaften, sowie in § 315 HGB für Konzernlageberichte geregelt. Ergänzend kommen ggf. branchenspezifische Vorgaben zur Anwendung. Der Lagebericht ist verpflichtend für Kapitalgesellschaften, bestimmte Personengesellschaften und Konzerne, die entsprechende Größenmerkmale erreichen. Hinzu kommen europarechtliche Vorgaben, etwa aus der Bilanzrichtlinie (2013/34/EU), die in nationales Recht umgesetzt wurden. Bei börsennotierten Unternehmen greifen zusätzlich Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und der EU-Transparenzrichtlinie. Im Lagebericht müssen insbesondere der Geschäftsverlauf, die Lage der Gesellschaft sowie die voraussichtliche Entwicklung ausführlich dargestellt werden. Verstöße gegen die gesetzlichen Offenlegungspflichten können zur Unwirksamkeit des Jahresabschlusses, zu Bußgeldern oder sogar zur strafrechtlichen Verfolgung führen.

Welche Prüfpflichten bestehen im Zusammenhang mit dem Lagebericht?

Der Lagebericht unterliegt bei prüfungspflichtigen Unternehmen der gesetzlichen Abschlussprüfung (§ 317 HGB). Der Abschlussprüfer muss nicht nur die inhaltliche Übereinstimmung zwischen Lagebericht und Jahresabschluss prüfen, sondern auch bewerten, ob der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Darstellung der Lage und der voraussichtlichen Entwicklung gibt. Seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ist dies als eigenständige Prüfungsaufgabe ausgestaltet. Verstöße, wie unvollständige Angaben oder Fehldarstellungen, werden im Prüfungsbericht und gegebenenfalls im Bestätigungsvermerk vermerkt. Für börsennotierte Unternehmen verlangt das WpHG zudem spezielle Angaben zur Unternehmensführung, deren Prüfung Teil des Lageberichts ist.

Wer ist für die inhaltliche Richtigkeit des Lageberichts verantwortlich?

Für die inhaltliche und formale Richtigkeit sowie Vollständigkeit des Lageberichts ist grundsätzlich die Geschäftsleitung des berichtspflichtigen Unternehmens verantwortlich, bei Kapitalgesellschaften also der Vorstand (AG) oder die Geschäftsführung (GmbH). Der Aufsichtsrat hat den Bericht zu prüfen und, soweit erforderlich, zu billigen. Im Konzern ist die Konzernleitung, in der Regel der Vorstand der Muttergesellschaft, verantwortlich. Eine Verletzung der Sorgfaltspflichten kann haftungsrechtliche Konsequenzen für die Geschäftsleitung nach sich ziehen. Sofern bei börsennotierten Unternehmen durch fehlerhafte Informationen im Lagebericht beispielsweise Anleger geschädigt werden, können Schadensersatzansprüche (Haftung nach § 823 BGB oder § 331 HGB) entstehen.

Welche Mindestinhalte sind gesetzlich im Lagebericht vorgegeben?

Nach § 289 HGB muss der Lagebericht mindestens folgende Inhalte abdecken: den Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens, die voraussichtliche Entwicklung samt wesentlicher Chancen und Risiken, die Forschung und Entwicklung, Angaben zu bestehenden Zweigniederlassungen sowie branchenspezifische Entwicklungen. Zusätzlich sind nichtfinanzielle Leistungsindikatoren und bei größeren Unternehmen eine Berichterstattung zu Corporate Social Responsibility (nichtfinanzielle Erklärung, § 289b HGB) erforderlich. Für börsennotierte Gesellschaften sind darüber hinaus die Corporate Governance-Erklärung und Angaben zur Vergütung der Organe vorzuhalten. Der Gesetzgeber schreibt ferner eine Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unter Verwendung relevanter Finanzkennzahlen vor.

Welche Folgen drohen bei einem fehlerhaften oder unvollständigen Lagebericht?

Ein fehlerhafter oder unvollständiger Lagebericht kann verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zunächst besteht das Risiko der Versagung des Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer, was die Vorlagepflicht gegenüber Gesellschaftern oder die Publizitätspflicht der Gesellschaft beeinträchtigen kann. Ferner drohen Bußgelder durch das Bundesamt für Justiz nach dem Publizitätsgesetz (§ 335 HGB). Strafrechtlich kann eine Verletzung, etwa die Angabe falscher Tatsachen (Bilanzfälschung, §§ 331 ff. HGB), mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Zivilrechtlich können Gläubiger, Investoren oder Aktionäre Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn ihnen infolge eines mangelhaften Lageberichts ein Vermögensschaden entsteht.

Wie sind Prognose- und Risikoberichterstattung im Lagebericht rechtlich ausgestaltet?

Gemäß § 289 Abs. 1 HGB hat der Lagebericht Aussagen zur voraussichtlichen Entwicklung unter Berücksichtigung zugleich bestehender Chancen und Risiken zu enthalten. Insbesondere muss die Unternehmensleitung die wahrscheinlichen Entwicklungen des Unternehmens sowie wesentliche Risikopotenziale offenlegen. Rechtlich sind dabei sowohl quantitative als auch qualitative Angaben gefragt. Die Aussagen müssen objektiv nachvollziehbar und transparent sein. Laut höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es nicht aus, lediglich allgemeine, unverbindliche Aussagen zu treffen; vielmehr wird eine plausible und nachvollziehbare Prognose- und Risikoanalyse verlangt. Die Darstellung muss sich zudem auf die für das Unternehmen wesentlichen Risiken konzentrieren und auch außerbilanzielle Umstände und Einflüsse berücksichtigen.

Inwiefern gelten Unterschiede für den Lagebericht im Konzernvergleich (Konzernlagebericht)?

Der Konzernlagebericht unterliegt gemäß § 315 HGB gesonderten Anforderungen. Er muss auf den gesamten Konsolidierungskreis (die Muttergesellschaft und sämtliche in den Konzernabschluss einbezogene Tochterunternehmen) Bezug nehmen. Die Darstellungspflichten entsprechen weitgehend denen des Einzelabschlusses, sind aber auf die Konzernsicht bezogen. Bestimmte Angaben, insbesondere zu Forschung und Entwicklung, Corporate Social Responsibility sowie Chancen und Risiken, sind entsprechend für den Konzern zu erläutern. Darüber hinaus sind konzernspezifische Themen wie konzernweite Steuerungsinstrumente, Gruppenrisiken und Synergieeffekte darzustellen. Die Verantwortung für den Konzernlagebericht trägt die Konzernleitung. Bei Fehlern haften neben den Organen der Muttergesellschaft auch unter bestimmten Bedingungen die Tochtergesellschaften subsidiär.