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Kurzzeitpflege


Begriff und rechtlicher Rahmen der Kurzzeitpflege

Die Kurzzeitpflege ist eine vorübergehende stationäre Pflegeleistung im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Sie ermöglicht Versicherten, die für eine begrenzte Zeit auf vollstationäre Pflege angewiesen sind, eine entsprechende Versorgung in einer geeigneten Einrichtung. Ziel der Kurzzeitpflege ist es, pflegebedürftige Personen nach einem Krankenhausaufenthalt, bei einer Krisensituation im häuslichen Umfeld oder im Falle der Verhinderung der häuslichen Pflegeperson adäquat zu unterstützen.

Gesetzliche Grundlagen der Kurzzeitpflege

SGB XI – Sozialgesetzbuch Elftes Buch

Die Kurzzeitpflege ist insbesondere in § 42 SGB XI geregelt. Dieser Paragraph definiert, unter welchen Voraussetzungen Anspruch auf Kurzzeitpflege besteht, welche Leistungen die Pflegekassen erbringen und wie die Abgrenzung zu anderen Leistungen – etwa zur Verhinderungspflege – vorgenommen wird.

Voraussetzungen für die Inanspruchnahme

Ein Anspruch auf Kurzzeitpflege besteht, wenn eine häusliche Pflege vorübergehend nicht, noch nicht oder nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden kann. Typische Fallgestaltungen sind:

  • Nachbehandlung im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt
  • Vorübergehende Verschlechterung des Gesundheitszustands
  • Überbrückung der Pflege im Fall von Verhinderung oder Überforderung der pflegenden Person

Voraussetzung ist stets, dass mindestens der Pflegegrad 2 vorliegt.

Leistungsumfang und -dauer

Die Kurzzeitpflege kann für bis zu acht Wochen pro Kalenderjahr beantragt werden (§ 42 Abs. 2 SGB XI). Der Höchstbetrag, den die Pflegekassen für die pflegebedingten Aufwendungen und die Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie für die medizinische Behandlungspflege erstatten, beträgt derzeit 1.774 Euro pro Kalenderjahr (Stand: 2024). Die Pflegekasse übernimmt zusätzlich die Kosten für die medizinische Behandlungspflege, wenn diese im Einzelfall notwendig ist.

Nicht übernommen werden die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten, welche von den Betroffenen selbst zu tragen sind.

Verknüpfung mit der Verhinderungspflege

Nach § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB XI können nicht ausgeschöpfte Beträge der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI für die Kurzzeitpflege verwendet werden. In der Praxis bedeutet dies, dass der kombinierte Höchstbetrag für Kurzzeit- und Verhinderungspflege auf bis zu 3.386 Euro jährlich ansteigen kann, sofern Beträge entsprechend umgewidmet werden.

Pflegegrad und Anspruchsberechtigung

Kurzzeitpflege setzt einen Pflegegrad voraus. Anspruchsberechtigt sind alle Personen mit Pflegegrad 2 bis 5. Versicherte mit Pflegegrad 1 erhalten stattdessen nur einen Entlastungsbetrag, der zur Finanzierung der Kurzzeitpflege herangezogen werden kann. Die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme ist im Regelfall durch ärztliche Bescheinigungen oder Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes (MDK) zu belegen.

Praktische Durchführung und Auswahl der Pflegeeinrichtung

Kurzzeitpflege wird ausschließlich in dafür zugelassenen vollstationären Einrichtungen angeboten. Diese benötigen eine Zulassung nach § 72 SGB XI und müssen die entsprechenden Qualitätsanforderungen erfüllen. Die Unterbringung in einer solchen Einrichtung erfolgt auf Antrag bei der zuständigen Pflegekasse. Die Pflegekasse erteilt nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen eine Kostenübernahme für die gesetzlich festgelegten Leistungen.

Pflichten der Einrichtungen

Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, die pflegebedürftigen Personen während des Kurzzeitpflegeaufenthalts vollumfänglich zu versorgen und zu betreuen. Sie unterliegen den Qualitäts- und Prüfungsanforderungen nach §§ 112 bis 114c SGB XI, die von den Pflegekassen und dem Medizinischen Dienst überwacht werden. Die vertraglichen Grundlagen zwischen der Einrichtung und der versicherten Person werden in einem Pflegevertrag festgehalten.

Finanzierung und Zuzahlung

Während der Kurzzeitpflege fallen für die Versicherten Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten an. Diese sind privat zu zahlen, sofern keine ergänzenden Leistungen aus der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) beantragt werden können. In besonderen Fällen, z.B. bei geringem Einkommen, ist eine Übernahme der Restkosten durch das Sozialamt möglich.

Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen

Auch minderjährige Pflegebedürftige können Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen. Die Finanzierung und Anspruchsvoraussetzungen richten sich hierbei nach den besonderen Bedürfnissen der Betroffenen und können gegebenenfalls durch ergänzende Leistungen, z.B. der Eingliederungshilfe, ergänzt werden.

Rechtliche Abgrenzung zu anderen Pflegeformen

Die Kurzzeitpflege unterscheidet sich von folgenden Leistungsarten:

  • Verhinderungspflege (§ 39 SGB XI): Diese stellt die zeitweise Vertretung der Pflegeperson im häuslichen Bereich sicher, während die Kurzzeitpflege auf eine vollstationäre Unterbringung abzielt.
  • Vollstationäre Dauerpflege (§ 43 SGB XI): Kurzzeitpflege ist befristet und dient der Überbrückung, nicht der dauerhaften Unterkunft in einem Pflegeheim.
  • Tages- und Nachtpflege (§ 41 SGB XI): Diese Leistungen bieten teilstationäre Versorgung und werden in der Regel zur Entlastung der häuslichen Pflege eingesetzt.

Kombination mit anderen Leistungen

Eine Kombination von Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege ist rechtlich zulässig und häufig sinnvoll. Die jeweiligen Höchstbeträge und Anspruchszeiten können teilweise gegenseitig angerechnet werden, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten.

Ansprüche und Verfahren bei der Beantragung

Antragstellung

Der Antrag auf Kurzzeitpflege ist schriftlich bei der zuständigen Pflegekasse einzureichen. Empfohlene Unterlagen sind:

  • Nachweis des Pflegegrades
  • Ärztliches Attest über die Notwendigkeit der Kurzzeitpflege
  • Ggf. Nachweis über die Unmöglichkeit der häuslichen Pflege

Die Pflegekasse entscheidet nach Ermessen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben über die Bewilligung und informiert die/den Versicherten sowie die Pflegeeinrichtung.

Widerspruch und Rechtsmittel

Wird die Leistung abgelehnt oder in geringerem Umfang als beantragt bewilligt, besteht die Möglichkeit zum Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegekasse. Die sozialrechtlichen Rechtswege stehen offen.

Aktuelle Entwicklungen und Reformen

Mit den jüngsten Gesetzesänderungen im Bereich der Pflegeversicherung (insbesondere durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz) wurden die Leistungen zur Kurzzeitpflege zum 1. Januar 2024 dynamisiert. Ein weiterer Ausbau der Kurzzeitpflegeplätze sowie Verbesserungen der Qualitätssicherung sind politisch vorgesehen. Die Kapazitäten in der Kurzzeitpflege stehen gesellschaftlich und rechtlich im Fokus, da sie eine zentrale Rolle in der übergangsweisen Versorgung pflegebedürftiger Menschen spielen.

Fazit

Die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI ist eine zentrale Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung zur vorübergehenden vollstationären Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Der Leistungskatalog, die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Finanzierungsmodalitäten sind detailliert gesetzlich geregelt, um eine sachgerechte und flexible Versorgungslösung in individuellen Pflegesituationen sicherzustellen. Die Kurzzeitpflege bleibt ein Kernelement zur Unterstützung von pflegebedürftigen Personen und deren Angehörigen sowie zur Gewährleistung eines lückenlosen Pflegenetzes im deutschen Sozialrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat einen gesetzlichen Anspruch auf Kurzzeitpflege?

Einen gesetzlichen Anspruch auf Kurzzeitpflege haben nach § 42 SGB XI alle Personen, die mindestens in den Pflegegrad 2 eingestuft wurden und zu Hause gepflegt werden. Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob die Kurzzeitpflege in einer stationären Einrichtung oder – in besonderen Ausnahmefällen – in anderen geeigneten Einrichtungen erbracht wird. Voraussetzung ist, dass eine häusliche oder teilstationäre Pflege zeitweise nicht möglich ist, beispielsweise wegen Urlaub, Krankheit oder Verhinderung der Pflegeperson oder weil sich der Gesundheitszustand verschlechtert hat. Voraussetzung für den Anspruch ist weiterhin, dass die Pflegebedürftigkeit im Rahmen der sozialen oder privaten Pflegeversicherung festgestellt wurde. Versicherte der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversicherung haben somit einen gleichwertigen Anspruch, der sich aus den rechtlichen Vorschriften ergibt.

Wie hoch ist der finanzielle Leistungsanspruch bei Kurzzeitpflege laut Gesetz?

Nach § 42 SGB XI steht Pflegebedürftigen jährlich ein Betrag von bis zu 1.774 Euro für Kurzzeitpflege zur Verfügung. Dieser Betrag kann, sofern im laufenden Kalenderjahr noch nicht verbraucht, anteilig mit nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI aufgestockt werden, wodurch insgesamt bis zu 3.386 Euro pro Kalenderjahr möglich sind. Die Leistungen werden ausschließlich zur Deckung der pflegebedingten Aufwendungen in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung gezahlt. Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten bleiben davon unberührt und sind von der pflegebedürftigen Person oder ihren Angehörigen zu tragen, es sei denn, es bestehen darüber hinaus Sozialleistungsansprüche, etwa nach dem SGB XII.

Wie lange darf eine Kurzzeitpflege laut gesetzlichen Vorgaben dauern?

Gemäß § 42 Abs. 2 SGB XI besteht ein Anspruch auf Kurzzeitpflege für längstens acht Wochen, das heißt insgesamt 56 Tage pro Kalenderjahr. Dieser Zeitraum darf grundsätzlich nicht überschritten werden, auch dann nicht, wenn mehrere Kurzzeitpflegeaufenthalte über das Jahr verteilt werden. Die Leistung kann auf mehrere Zeiträume aufgeteilt werden; sie muss also nicht am Stück in Anspruch genommen werden. Eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ist nur möglich, wenn zuvor nicht genutzte Ansprüche aus der Verhinderungspflege entsprechend umgewidmet werden. Ist die Kurzzeitpflege beendet und besteht weiterhin Pflegebedarf, greift wieder die Regelversorgung, d. h. häusliche Pflege oder stationäre Pflege.

Welche gesetzlichen Anforderungen muss eine Einrichtung für die Kurzzeitpflege erfüllen?

Stationäre Einrichtungen, die Kurzzeitpflege bieten, müssen die Voraussetzungen nach § 71 SGB XI erfüllen, wonach sowohl personelle als auch räumliche Standards einzuhalten sind. Sie bedürfen einer Betriebserlaubnis nach dem jeweiligen Landesrecht und müssen einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI mit den Pflegekassen abgeschlossen haben. Damit wird sichergestellt, dass die Einrichtung alle gesetzlichen Qualitätsanforderungen für Pflege, Unterkunft und Betreuung erfüllt. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird regelmäßig durch den Medizinischen Dienst (MD) beziehungsweise durch andere Prüfbehörden kontrolliert.

Ist eine Kombination von Kurzzeit- und Verhinderungspflege gesetzlich zulässig?

Ja, nach § 42 Abs. 2 SGB XI ist es gesetzlich zulässig, den Anspruch auf Kurzzeitpflege mit nicht in Anspruch genommenen Mitteln der Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI zu kombinieren. Umgekehrt kann auch nicht verbrauchtes Kurzzeitpflegebudget für Verhinderungspflege eingesetzt werden. Wichtig ist, dass die gesamten Ansprüche dem Einzelnen pro Kalenderjahr zustehen, nicht pro Fall. Allerdings dürfen die jeweiligen maximalen Zeiträume dabei nicht überschritten werden: Die aufstockbare Kurzzeitpflege ist auf acht Wochen, die Verhinderungspflege auf sechs Wochen pro Jahr begrenzt.

Besteht während der Kurzzeitpflege Anspruch auf weitere Pflegeleistungen?

Während des Bezugs von Kurzzeitpflegeleistungen, also für die Dauer des Aufenthalts in einer stationären Kurzzeitpflegeeinrichtung, ruht grundsätzlich das Pflegegeld nach § 37 SGB XI. Die Hälfte des bisherigen Pflegegeldes wird aber weiterhin ausgezahlt, sofern die Pflegebedürftigen für höchstens acht Wochen pro Kalenderjahr in einer Einrichtung sind. Sachleistungen, etwa für ambulante Pflegedienste zu Hause, werden während dieser Zeit nicht zusätzlich gewährt, da sie durch die stationäre Leistung abgedeckt sind. Eventuelle Ansprüche auf weitere Leistungen wie zum Beispiel zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI können unter bestimmten Voraussetzungen parallel zur Kurzzeitpflege beantragt werden.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten für die Inanspruchnahme von Kurzzeitpflege im Krankenhaus?

Nach den gesetzlichen Regelungen besteht während eines vollstationären Krankenhausaufenthaltes kein Anspruch auf Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI. Die Leistung ist ausdrücklich für nicht-krankenhauspflichtige Pflegebedürftige gedacht, deren häusliche Pflege zeitweise nicht möglich oder nicht ausreichend sichergestellt ist. Nach einem Krankenhausaufenthalt kann Kurzzeitpflege jedoch in Anspruch genommen werden, um beispielsweise die Überleitung zurück in die häusliche Pflege oder in eine andere Versorgungsform zu organisieren. Hierfür gibt es zudem ergänzend zu § 42 SGB XI spezifische Krankenhaus-Entlassmanagementrechte (§ 39c SGB V), nach denen Anspruch auf Übergangspflege besteht, wenn eine Entlassung ins häusliche Umfeld zunächst nicht möglich ist.