Begriff und Grundlagen des Kurzarbeitergelds
Das Kurzarbeitergeld (KUG) ist eine Leistung nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht, die darauf abzielt, den wirtschaftlichen Nachteil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Falle eines erheblichen, vorübergehenden Arbeitsausfalls auszugleichen. Gesetzliche Grundlage für das Kurzarbeitergeld ist hauptsächlich das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), insbesondere die §§ 95 ff. SGB III. Durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld wird eine Reduzierung der Arbeitszeit zum Teil kompensiert, sodass betroffene Arbeitsverhältnisse aufrechterhalten werden können und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.
Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld
Betrieblichen Voraussetzungen
Kurzarbeitergeld kann nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Betrieben oder Betriebsabteilungen gewährt werden, bei denen ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Zu den betrieblichen Voraussetzungen gehören:
- Betriebe oder Betriebsabteilungen sind berechtigt, wenn mindestens ein/e Arbeitnehmer/in von dem Arbeitsausfall betroffen ist (§ 95 Abs. 1 SGB III).
- Der Arbeitsausfall muss auf wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen (§ 96 Abs. 1 SGB III).
Arbeitnehmerbezogene Voraussetzungen
Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ungekündigte, versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unterhalten. Folgende Bedingungen sind zu beachten:
- Der oder die Beschäftigte darf das 65. Lebensjahr (bzw. die jeweilige Regelaltersgrenze) noch nicht erreicht haben.
- Geringfügig Beschäftigte (sog. „Minijobber“) sind vom Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausgeschlossen.
- Das Arbeitsverhältnis darf nicht gekündigt sein oder durch Aufhebungsvertrag enden (§ 98 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
Umfang und Dauer des Arbeitsausfalls
Der Arbeitsausfall muss erheblich sein. Laut Gesetz besteht dies dann, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten im Betrieb von einem Entgeltausfall von mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoeinkommens betroffen sind (temporäre Sonderregelung, zuvor lag die Schwelle bei einem Drittel der Beschäftigten).
Zudem muss der Arbeitsausfall vorübergehend und nicht vermeidbar sein (§ 96 SGB III). Arbeitsausfälle, die durch den Abbau von Überstunden oder Resturlaub vermieden werden können, begründen keinen Anspruch.
Anzeige und Bewilligung
Die Zahlung von Kurzarbeitergeld setzt eine ordnungsgemäße Anzeige des Arbeitsausfalls bei der zuständigen Agentur für Arbeit voraus (§ 99 SGB III). In der Anzeige sind die Ursachen sowie die voraussichtliche Dauer des Arbeitsausfalls anzugeben. Der Antrag auf Kurzarbeitergeld erfolgt anschließend durch den Arbeitgeber und muss monatlich für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingereicht werden.
Die Bewilligung ergeht durch die Bundesagentur für Arbeit in Form eines Verwaltungsaktes. Sie kann unter Auflagen erteilt oder befristet werden.
Berechnung und Höhe des Kurzarbeitergelds
Bemessungsgrundlage
Die Berechnung des Kurzarbeitergeldes erfolgt auf Grundlage des Nettoentgeltausfalls (§ 106 SGB III). Maßgebend ist das pauschalierte Nettoentgelt, das dem individuellen monatlichen Bruttoarbeitsentgelt entspricht, welches ohne Arbeitsausfall erzielt worden wäre.
Leistungshöhe
Das Kurzarbeitergeld beträgt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Kinder grundsätzlich 60 % der Nettoentgeltdifferenz. Beschäftigte mit mindestens einem Kind erhalten 67 % (§ 105 SGB III).
Während krisenbedingter Sonderregelungen (bspw. während der Corona-Pandemie) sind diese Sätze zeitweise auf bis zu 80 % bzw. 87 % gestiegen, abhängig von der Bezugsdauer.
Steuer- und Sozialversicherungsrechtliche Behandlung
Kurzarbeitergeld ist steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt im Sinne des § 32b EStG und erhöht das zu versteuernde Einkommen für die Bestimmung des persönlichen Steuersatzes. Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung werden zu großen Teilen weitergeleistet: Der Arbeitgeber zahlt die Sozialversicherungsbeiträge, erhält diese aber während bestimmter Regelungen anteilig oder vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet.
Dauer und Beendigung des Bezugs
Der Leistungszeitraum ist gemäß § 104 SGB III grundsätzlich auf 6 Monate begrenzt. Bei außergewöhnlichen Notlagen und durch Rechtsverordnung kann der Zeitraum auf bis zu 24 Monate ausgedehnt werden. Der Anspruch endet, wenn die Voraussetzungen für den Arbeitsausfall entfallen, das Arbeitsverhältnis beendet wird oder die maximale Bezugsdauer überschritten ist.
Rechtsfolgen fehlerhafter Angaben und Rückforderung
Werden unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, kann dies gemäß § 330 SGB III zu Rückforderungen von zu Unrecht gewährtem Kurzarbeitergeld führen. In besonders schweren Fällen ist ein Strafverfahren wegen Betrugs möglich. Die Rückforderungsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährung nach den §§ 45, 50 SGB X.
Kurzarbeitergeld in besonderen Situationen
Insolvenz des Arbeitgebers
Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers bleibt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld grundsätzlich bestehen, sofern der Betrieb weitergeführt wird. Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Bundesagentur für Arbeit und damit nicht von der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers abhängig.
Auswirkungen auf andere Leistungen
Der Bezug von Kurzarbeitergeld hat Auswirkungen auf andere Sozialleistungen. So wird das Kurzarbeitergeld auf Leistungen wie das Arbeitslosengeld II (Bürgergeld) als Einkommen angerechnet.
Reformen und aktuelle Entwicklungen
Das Kurzarbeitergeld ist politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Reformen unterworfen. Insbesondere im Zuge wirtschaftlicher Krisen, wie z.B. während der COVID-19-Pandemie, wurden durch Rechtsverordnungen befristete Sonderregelungen geschaffen, um die Zugangsvoraussetzungen zu erleichtern und die Bezugsdauer sowie die Leistungshöhe anzupassen.
Literatur und weiterführende Vorschriften
- §§ 95 bis 109 SGB III (Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung)
- Sozialgesetzbuch (SGB) Gesamtausgabe, Bundesministerium der Justiz
- Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld
Überblick und Lesbarkeit wurden mit größtmöglicher Präzision und Tiefe gestaltet, um ein umfassendes Nachschlagewerk zur rechtlichen Bedeutung und Ausgestaltung des Kurzarbeitergelds zu erstellen. Traditionell richtet sich diese Beschreibung an Betriebe, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie an Interessierte mit Bedarf an verlässlichen Informationen zum Arbeitsförderungsrecht.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat rechtlich Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben grundsätzlich dann einen rechtlichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (KUG), wenn die Voraussetzungen nach § 95 SGB III erfüllt sind. Hierzu zählt zunächst, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Der Arbeitsausfall muss vorübergehend sein, darf jedoch nicht vermeidbar sein und mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer muss von einem Entgeltausfall von mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoarbeitsentgelts betroffen sein (§ 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Weiterhin muss der Betrieb oder die Betriebsabteilung, in dem/der Kurzarbeit eingeführt werden soll, mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigen. Arbeitnehmer in ungekündigten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen haben Anspruch auf KUG, während geringfügig Beschäftigte, Arbeitnehmer während bestimmter Auszeiten (z. B. Elternzeit) und freie Mitarbeiter keinen Anspruch besitzen. Für Leiharbeitnehmer gilt der Anspruch ebenfalls seit 2012. Außerdem muss der Arbeitgeber die Kurzarbeit ordnungsgemäß bei der Agentur für Arbeit anzeigen und die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen (kollektive oder individuelle Zustimmung, Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) erfüllen.
Wie erfolgt die arbeitsrechtliche Einführung von Kurzarbeit im Betrieb?
Zur rechtmäßigen Einführung von Kurzarbeit ist stets eine arbeitsrechtliche Grundlage erforderlich. Ohne ausdrückliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags kann Kurzarbeit nicht wirksam eingeführt werden. In Betrieben mit Betriebsrat ist dieser nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zwingend zu beteiligen, da die vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit ein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand ist. Liegt kein Betriebsrat vor, muss mit jedem betroffenen Arbeitnehmer eine schriftliche Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag getroffen werden, in der Umfang und Dauer der Kurzarbeit geregelt werden. Auch tarifliche Regelungen können Kurzarbeit ermöglichen. Ohne entsprechende rechtliche Grundlage ist eine einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber unzulässig und führt zur Unwirksamkeit der Kurzarbeit nebst etwaigen Vergütungsausfällen. Die Nichtbeachtung kann zudem Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
In welchem zeitlichen Rahmen und für welche Dauer kann Kurzarbeitergeld bezogen werden?
Die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld ist gesetzlich in § 104 SGB III geregelt und beträgt grundsätzlich bis zu zwölf Monate. Eine Verlängerung auf bis zu 24 Monate ist durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales möglich, wenn außergewöhnliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt dies erfordern. Die Bezugsdauer beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den KUG geleistet wird, unabhängig davon, ob in diesem Monat durchgehend oder nur sporadisch KUG bezogen wird. Nach dem Ausschöpfen des Bezugszeitraums muss vor einem neuen Anspruch auf KUG eine Karenzzeit von mindestens drei Monaten ohne Kurzarbeit eingehalten werden, es sei denn, es liegen erneut außergewöhnliche Umstände vor und der Gesetzgeber erlässt erneut eine Ausnahmeregelung. Die tatsächliche Anspruchsdauer hängt jedoch vom fortbestehenden erheblichen Arbeitsausfall und den weiteren Anspruchsvoraussetzungen ab.
Welche Pflichten obliegen dem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Beantragung und Auszahlung des Kurzarbeitergelds?
Rechtlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsausfall unverzüglich schriftlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen (§ 99 Abs. 1 SGB III). Die Anzeige dient der Prüfung, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach erfolgter Anzeige muss der Arbeitgeber für jeden Abrechnungszeitraum einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld geltend machen und die entsprechenden Abrechnungslisten (Entgeltnachweise) bei der Agentur für Arbeit einreichen. Er ist verpflichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Beteiligung des Betriebsrats bzw. der arbeitsvertraglichen Zustimmung der Arbeitnehmer, einzuhalten und bei jeder Abrechnung nachzuweisen. Zudem muss der Arbeitgeber das KUG zunächst auszahlen und erhält die entsprechenden Beträge nach Prüfung durch die Agentur auf Antrag zurück erstattet (Erstattungsprinzip nach § 320 SGB III). Darüber hinaus trifft den Arbeitgeber eine Nachweispflicht gegenüber der Agentur über die tatsächliche Lage (Arbeitszeitausfall, Lohnkürzungen etc.) und er muss Aufzeichnungen über Arbeitszeiten und Entgelte führen.
Wie wirken sich Nebeneinkünfte und weitere Einkommen auf das Kurzarbeitergeld aus?
Im rechtlichen Kontext sind Einkünfte aus einer während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Nebenbeschäftigung grundsätzlich auf das KUG anzurechnen, sofern die Beschäftigung nach Beginn der Kurzarbeit aufgenommen wurde (§ 106 SGB III). Das bedeutet, dass Nebeneinkommen, das in der Kurzarbeitsphase erzielt wird, auf das KUG angerechnet und dieses entsprechend gekürzt wird. Ausgenommen hiervon sind nur solche Nebenjobs, die bereits vor Beginn der Kurzarbeit aufgenommen und ausgeübt wurden; diese bleiben bei der Berechnung des KUG außer Betracht. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden bestimmte steuerfreie Nebenverdienste (z. B. Ehrenämter). Zustehende Sozialleistungen oder Entgeltersatzleistungen (wie z. B. Krankengeld oder Elterngeld) mindern das KUG, wobei spezifische Anrechnungsregelungen zu beachten sind. Falsche oder unterlassene Angaben hinsichtlich Nebeneinkünften können Rückforderungsansprüche und ggf. strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Müssen während der Kurzarbeit weiterhin Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt werden?
Während der Kurzarbeit ist die Sozialversicherungspflicht für das ausfallende Entgelt nach § 26 SGB III weiterhin gegeben: Auf das während der Kurzarbeit tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt fallen die regulären Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen an. Für das ausgefallene Arbeitsentgelt, für das KUG gezahlt wird, sind anteilige pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber zu entrichten. In besonderen Fällen kann – befristet durch Gesetz oder Verordnung (z.B. während der COVID-19-Pandemie) – die volle oder anteilige Erstattung der von Arbeitgebern allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge durch die Agentur für Arbeit erfolgen (§ 27 SGB III). Auch das Kurzarbeitergeld selbst ist sozialversicherungsfrei, jedoch unterliegt es dem Progressionsvorbehalt für die Einkommensteuer. Arbeitnehmer erwerben für die Zeiten der Kurzarbeit weiterhin Rentenanwartschaften, wenngleich auf Basis des abgesenkten Kurzarbeitsentgelts.