Legal Lexikon

Kurzarbeit


Begriff und Definition der Kurzarbeit

Kurzarbeit bezeichnet im deutschen Arbeitsrecht eine vorübergehende, kollektive Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit in einem Betrieb oder Unternehmen aufgrund eines erheblichen Arbeitsausfalls. Die Maßnahme soll Entlassungen vermeiden und Beschäftigungsverhältnisse während wirtschaftlicher Krisen, Auftragsrückgängen oder unvorhersehbarer Ereignisse sichern. Während dieser Zeit erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer üblicherweise Kurzarbeitergeld als Ausgleich für das reduzierte Entgelt durch die Arbeitszeitverkürzung. Rechtsgrundlagen, Voraussetzungen sowie Durchführung und Folgen der Kurzarbeit sind detailliert in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelt.


Rechtliche Grundlagen der Kurzarbeit

Sozialgesetzbuch III (SGB III)

Die zentrale gesetzliche Regelung zur Kurzarbeit und zum Kurzarbeitergeld findet sich im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB III). Dort sind insbesondere in den §§ 95 ff. SGB III die Bedingungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sowie das Antrags- und Bewilligungsverfahren festgelegt.

Weitere rechtliche Grundlagen

  • Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen: Reduzierte Arbeitszeiten durch Kurzarbeit bedürfen einer rechtlichen Grundlage im Unternehmen. Häufig werden entsprechende Regelungen in Tarifverträgen oder über Betriebsvereinbarungen getroffen.
  • Individualarbeitsvertrag: In seltenen Fällen kann eine Regelung zur Einführung von Kurzarbeit direkt im Arbeitsvertrag vereinbart sein.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Das BGB findet ergänzend Anwendung, insbesondere bezüglich der Änderung von Arbeitsverträgen und bei Fragen zum Annahmeverzug.

Voraussetzungen und Einführung der Kurzarbeit

Erheblicher Arbeitsausfall

Ein erheblicher Arbeitsausfall ist gesetzliche Voraussetzung (§ 96 SGB III). Dieser muss

  • wirtschaftlichen Ursachen oder einem unabwendbaren Ereignis zugrunde liegen,
  • vorübergehend sein,
  • unvermeidbar sein und
  • zu einem Entgeltausfall von mindestens 10 % der beschäftigten Arbeitnehmer und deren Bruttoentgelt um mehr als 10 % mindern.

Typische Ursachen sind Auftragsmangel, Lieferengpässe, Naturkatastrophen oder behördlich angeordnete Maßnahmen (wie z.B. während der Corona-Pandemie).

Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats

Die Einführung von Kurzarbeit unterliegt der Mitbestimmungspflicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Ein Unternehmen darf Kurzarbeit nur einführen, wenn der Betriebsrat zuvor zustimmt.

Vereinbarungserfordernis

In Betrieben ohne Betriebsrat ist eine Vereinbarung mit allen betroffenen Beschäftigten notwendig, sofern keine entsprechende Regelung bereits im Arbeitsvertrag vorliegt. Die einseitige Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber ist rechtlich nicht zulässig.


Verfahren und Ablauf der Kurzarbeit

Anzeigepflicht bei der Agentur für Arbeit

Arbeitgeber sind verpflichtet, den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen (§ 99 SGB III). Die Anzeige muss schriftlich erfolgen und die betriebliche Notwendigkeit sowie den Umfang des Arbeitsausfalls darlegen.

Antragstellung für Kurzarbeitergeld

Der Arbeitgeber stellt für die betroffenen Arbeitnehmer einen Antrag auf Kurzarbeitergeld. Voraussetzung ist, dass alle Voraussetzungen nachgewiesen werden. Die Agentur für Arbeit prüft sodann Grund und Umfang des Arbeitsausfalls und bewilligt das Kurzarbeitergeld bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen.


Kurzarbeitergeld (KUG)

Anspruchsberechtigter Personenkreis

Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben grundsätzlich:

  • Arbeitnehmer, einschließlich Auszubildende (mit Ausnahme von geringfügig Beschäftigten)
  • Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist oder durch Aufhebungsvertrag endet

Teilzeitbeschäftigte und befristete Arbeitsverhältnisse können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls Kurzarbeitergeld beziehen.

Höhe und Dauer des Kurzarbeitergeldes

Das Kurzarbeitergeld beträgt in der Regel:

  • 60 % des pauschalierten Nettoentgeltausfalls
  • 67 % für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind im Sinne des Steuerrechts

Die Bezugsdauer ist grundsätzlich auf bis zu zwölf Monate beschränkt. In besonderen Ausnahmesituationen (z.B. während der Corona-Pandemie) kann die Bezugsdauer per Verordnung verlängert werden.


Auswirkungen und Rechtsfolgen der Kurzarbeit

Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis

  • Lohnanspruch: Der Anspruch auf regulären Lohn entfällt für ausfallende Arbeitszeit. Stattdessen wird Kurzarbeitergeld gezahlt.
  • Urlaubsanspruch: Während der Kurzarbeit reduziert sich der Urlaubsanspruch anteilig, sofern gearbeitet wird; bei völliger Freizeit („Kurzarbeit Null“) kann der Urlaubsanspruch im Einzelfall vollständig entfallen.
  • Sozialversicherung: Für ausgefallene Arbeitszeit werden Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung pauschal vom Arbeitgeber und der Bundesagentur für Arbeit getragen.

Kündigung während der Kurzarbeit

Eine Kündigung während der Kurzarbeit ist grundsätzlich möglich. Nach Kündigung oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags endet jedoch der Anspruch auf Kurzarbeitergeld mit Ablauf der Kündigungsfrist oder des Aufhebungsvertrages.


Abrechnung und Erstattung durch die Agentur für Arbeit

Der Arbeitgeber zahlt das Kurzarbeitergeld monatlich vorab an die Beschäftigten aus und erhält es anschließend von der Arbeitsagentur auf Antrag zurückerstattet. Hierbei müssen die Abrechnungen nachvollziehbar und prüfbar dokumentiert werden.


Steuerliche Behandlung des Kurzarbeitergeldes

Das Kurzarbeitergeld ist gemäß § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt. Das bedeutet, es erhöht den Steuersatz für das übrige zu versteuernde Einkommen, wodurch sich im Folgejahr eine Steuernachzahlung ergeben kann.


Melde- und Dokumentationspflichten

Während des Bezugs von Kurzarbeitergeld sind Arbeitgeber verpflichtet, sämtliche relevanten Unterlagen und Abrechnungen aufzubewahren und der Agentur für Arbeit auf Anforderung vorzulegen.


Sanktionen bei Missbrauch

Wer Kurzarbeit unberechtigt einführt oder Missbrauch beim Bezug von Kurzarbeitergeld betreibt, verstößt gegen arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften. Hier drohen Rückforderungen, Bußgelder und im Einzelfall strafrechtliche Konsequenzen.


Zusammenfassung

Kurzarbeit ist ein zentrales Instrument des deutschen Arbeitsrechts zum Erhalt von Arbeitsplätzen in Krisenzeiten. Ihre Durchführung ist an strenge gesetzliche und verfahrensrechtliche Vorgaben gebunden. Die maßgeblichen Regelungen beziehen sich auf den Arbeitsausfall, dessen Anzeige und Beantragung, die Mitbestimmung im Betrieb, die Berechnung und Auszahlung des Kurzarbeitergeldes sowie deren sozial- und steuerrechtliche Folgen. Die Kenntnis der umfangreichen rechtlichen Rahmenbedingungen ist für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen essenziell, um die Kurzarbeit rechtskonform und transparent zu gestalten.

Häufig gestellte Fragen

Wer entscheidet über die Einführung von Kurzarbeit im Unternehmen?

Die Entscheidung über die Einführung von Kurzarbeit liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber, jedoch kann dieser diese Maßnahme nicht einseitig anordnen. Für die rechtliche Wirksamkeit ist eine sogenannte Rechtsgrundlage erforderlich. Diese kann sich entweder aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat oder – falls ein Betriebsrat nicht besteht – aus einzelvertraglichen Kurzarbeitsklauseln im Arbeitsvertrag ergeben. Liegt keine solche Rechtsgrundlage vor, muss der Arbeitgeber mit jedem betroffenen Arbeitnehmer eine individuelle Vereinbarung treffen. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber gemäß § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichtet, vor der Einführung von Kurzarbeit die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen, sofern im Unternehmen ein solcher besteht. Fehlt die entsprechende Zustimmung oder Rechtsgrundlage, ist die Anordnung von Kurzarbeit unwirksam und die Arbeitnehmer haben Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung und Vergütung.

Wie erfolgt die Anzeige und Bewilligung von Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit?

Die Einführung von Kurzarbeit muss durch den Arbeitgeber bei der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt werden. Grundlage hierfür bildet § 99 SGB III. Die Anzeige muss spätestens am letzten Tag des Monats erfolgen, in dem erstmals Arbeitsausfall eintritt. Nach Anzeige prüft die Arbeitsagentur das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere ob erhebliche Arbeitsausfälle mit Entgeltausfall vorliegen (§ 96 SGB III), und ob die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Liegen diese vor, bewilligt die Agentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld für die betroffenen Arbeitnehmer und erstattet dem Arbeitgeber das ausgezahlte Kurzarbeitergeld. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, sämtliche erforderlichen Unterlagen zur Prüfung vorzulegen und auf Anfrage weitere Informationen bereitzustellen. Die Entscheidung der Agentur für Arbeit ist ein Verwaltungsakt, gegen den Arbeitgeber und Arbeitnehmer Widerspruch einlegen können.

Wie lange kann Kurzarbeit rechtlich maximal angeordnet werden?

Die Höchstdauer für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist gesetzlich in § 104 SGB III geregelt. Grundsätzlich kann Kurzarbeitergeld für bis zu zwölf Monate gewährt werden, beginnend mit dem Monat der erstmaligen Anzeige über Arbeitsausfall. In außergewöhnlichen Situationen, wie in wirtschaftlichen Krisenzeiten oder bei Naturkatastrophen, kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Bezugsdauer – auch rückwirkend – auf bis zu 24 Monate verlängern. Voraussetzung hierfür ist, dass eine außergewöhnliche Lage vorliegt, die den Arbeitsmarkt erheblich beeinträchtigt. Nach Ablauf der Bezugsdauer muss der Betrieb erneut Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit anzeigen und eine neue Prüfung veranlassen, sofern weiterhin Bedarf besteht.

Besteht während der Kurzarbeit ein besonderer Kündigungsschutz für Arbeitnehmer?

Ein spezieller, gesetzlich geregelter Kündigungsschutz besteht während der Kurzarbeit nicht. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer können das Arbeitsverhältnis grundsätzlich weiterhin unter Einhaltung der gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Kündigungsfristen beenden. Es gilt jedoch, dass während einer angezeigten Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung widersprüchlich erscheint, denn mit Kurzarbeit soll gerade die Weiterbeschäftigung im Unternehmen ermöglicht werden. Kommt es dennoch zu Kündigungen, prüft die Agentur für Arbeit, ob tatsächlich ein dauerhafter Arbeitsausfall vorliegt, der die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung nach § 1 KSchG erfüllt. Im Falle einer Kündigung endet der Anspruch auf Kurzarbeitergeld mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber während der Kurzarbeit?

Während der Kurzarbeit trifft den Arbeitgeber eine Vielzahl von Pflichten. Zunächst ist er verpflichtet, die Arbeitszeit der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer korrekt zu erfassen und diese Nachweise der Agentur für Arbeit zur Prüfung des Kurzarbeitergeldanspruchs vorzulegen. Weiterhin bleibt der Arbeitgeber grundsätzlich zur Zahlung des anteiligen Arbeitsentgelts für tatsächlich geleistete Arbeit verpflichtet. Er muss das Kurzarbeitergeld berechnen, an die Beschäftigten auszahlen und bei der Arbeitsagentur abrechnen (§ 99 SGB III). Des Weiteren bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge für das fiktive Arbeitsentgelt abzuführen, das die Arbeitnehmer ohne Kurzarbeit erzielt hätten. Bei Fehlern in der Abrechnung oder fehlenden Voraussetzungen kann die Agentur für Arbeit bereits gezahltes Kurzarbeitergeld zurückfordern.

Wie wirkt sich Kurzarbeit auf den Urlaub, das Arbeitsentgelt und die Sozialversicherungsbeiträge aus?

Während der Kurzarbeit kann der Urlaubsanspruch grundsätzlich anteilig gekürzt werden, wenn einzelne Tage vollständig arbeitsfrei gestellt werden und dies arbeitsvertraglich, tariflich oder durch Betriebsvereinbarung geregelt ist. Hinsichtlich des Arbeitsentgelts erhalten Arbeitnehmer während der Kurzarbeit lediglich einen anteiligen Lohn für die verringerte Arbeitszeit sowie das durch die Agentur für Arbeit ausgezahlte Kurzarbeitergeld. Bezüglich der Sozialversicherung verhält es sich so, dass das vom Arbeitgeber gezahlte Entgelt wie üblich beitragspflichtig ist. Für das ausgefallene Arbeitsentgelt ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf Grundlage eines fiktiven Arbeitsentgelts die Sozialversicherungsbeiträge weiterzuzahlen; der Arbeitgeber trägt dabei die Beiträge allein. Dies ist in § 426 SGB III geregelt.

Können Arbeitnehmer während der Kurzarbeit eine Nebentätigkeit ausüben?

Arbeitnehmer können während der Kurzarbeit eine Nebentätigkeit ausüben, müssen jedoch bestimmte rechtliche Vorgaben beachten. Zunächst ist die Anzeige- und ggf. Genehmigungspflicht beim Arbeitgeber zu beachten, die häufig in Arbeits- oder Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen geregelt ist. Verdient ein Arbeitnehmer aus einer während der Kurzarbeit aufgenommenen Nebenbeschäftigung zusätzliches Entgelt, so wird dieses auf das Kurzarbeitergeld angerechnet (§ 106 SGB III). Für Nebenbeschäftigungen, die bereits vor Beginn der Kurzarbeit bestanden, erfolgt hingegen keine Anrechnung auf das Kurzarbeitergeld, solange diese weiterhin im bisherigen Umfang ausgeübt werden. Arbeitnehmer sind darüber hinaus verpflichtet, jegliche Aufnahme einer Nebentätigkeit umgehend dem Arbeitgeber und der Agentur für Arbeit zu melden. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann zur Rückforderung des Kurzarbeitergeldes und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Unter welchen Voraussetzungen kann Kurzarbeit beendet werden?

Die Beendigung der Kurzarbeit kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen. Zum einen kann eine Beendigung durch den Arbeitgeber infolge der Verbesserung der wirtschaftlichen oder betrieblichen Situation ausgesprochen werden – dies unterliegt keiner besonderen Frist, muss aber dem Betriebsrat angezeigt werden, sofern vorhanden, und der Agentur für Arbeit unverzüglich mitgeteilt werden. Zum anderen endet Kurzarbeit automatisch mit Ablauf des durch die Agentur für Arbeit bewilligten Bezugszeitraums, falls keine Verlängerung beantragt oder genehmigt wurde. Darüber hinaus kann die Kurzarbeit durch Aufhebung der entsprechenden Betriebsvereinbarung, durch individuelle Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern oder im Rahmen kollektivrechtlicher Änderungen beendet werden. Im Falle einer zwischenzeitlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses endet Kurzarbeit für den betroffenen Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Beendigung oder Veränderung der Kurzarbeit der Agentur für Arbeit unverzüglich mitzuteilen.