Definition und Zweck der Kurzarbeit
Kurzarbeit ist eine vorübergehende, rechtlich geregelte Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit in Betrieben, die von einem erheblichen, aber voraussichtlich nur zeitlich begrenzten Arbeitsausfall betroffen sind. Ziel ist es, Arbeitsplätze zu erhalten und Personalabbau zu vermeiden, indem der Ausfall der Vergütung teilweise durch eine staatliche Lohnersatzleistung ausgeglichen wird. Das Arbeitsverhältnis besteht fort; Pflichten und Rechte bleiben grundsätzlich bestehen, werden aber in Umfang und Vergütung zeitweise angepasst.
Rechtliche Einordnung und Abgrenzung
Charakter des Instruments
Kurzarbeit ist ein kollektives und individualrechtliches Gestaltungsinstrument: Sie setzt einerseits eine kollektive Regelung im Betrieb (oder eine arbeitsvertragliche Grundlage) voraus, andererseits wirkt sie sich auf das einzelne Arbeitsverhältnis in Form verringerter Arbeitszeit und Vergütung aus. Das Entgelt wird teilweise durch eine Lohnersatzleistung aufgefangen, die an gesetzlich definierte Voraussetzungen und Verfahren gebunden ist.
Abgrenzung zu anderen Maßnahmen
Von Kurzarbeit zu unterscheiden sind der vollständige Betriebsstillstand ohne rechtliche Flankierung, unbezahlte Freistellungen, der Abbau von Überstunden oder der alleinige Einsatz von Arbeitszeitkonten. Ebenfalls abzugrenzen ist die Überführung von Beschäftigten in Qualifizierungs- oder Transfergesellschaften, die eigenen Regeln folgt.
Voraussetzungen für die Einführung
Betriebliche Voraussetzungen
Voraussetzung ist ein erheblicher und vorübergehender Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, der auf wirtschaftlichen Gründen oder unabwendbaren Ereignissen beruht. Der Ausfall muss betrieblich unvermeidbar sein; zuvor sind organisatorisch zumutbare Gegenmaßnahmen (etwa der Abbau positiver Arbeitszeitguthaben) zu prüfen. Kurzarbeit ist auf betriebliche Einheiten oder bestimmte Abteilungen begrenzbar, sofern dort die Voraussetzungen erfüllt sind.
Persönliche Voraussetzungen der Beschäftigten
Betroffen sein können regelmäßig Beschäftigte in fortbestehenden, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Ausgenommen sind typischerweise Personen, deren Arbeitsverhältnis ruht oder die nicht dem Kreis der förderfähigen Beschäftigten angehören. Eine vollständige Suspendierung des Arbeitsverhältnisses liegt bei Kurzarbeit nicht vor.
Mitbestimmung und Rechtsgrundlage
Die Einführung und Ausgestaltung von Kurzarbeit ist mitbestimmungspflichtig. Erforderlich ist eine tragfähige Rechtsgrundlage, etwa durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Vereinbarung. Ohne solche Grundlage kann Kurzarbeit nicht einseitig angeordnet werden. Die Regelung sollte Beginn, Dauer, Umfang, Auswahl der betroffenen Bereiche sowie Kriterien für An- und Abwesenheitstage festlegen.
Gleichbehandlung und Auswahlkriterien
Die Auswahl der betroffenen Beschäftigten muss sachlich erfolgen und darf nicht diskriminierend ausgestaltet sein. Transparente, betriebsbezogene Kriterien (z. B. Tätigkeitsbereiche, Arbeitsaufkommen, Qualifikation) sind zur Vermeidung von Ungleichbehandlung maßgeblich.
Verfahren der Einführung und Durchführung
Information und Vereinbarung
Vor Einführung werden die Gründe, der voraussichtliche Zeitraum und der geplante Umfang der Kurzarbeit im Betrieb kommuniziert. Die konkrete Umsetzung erfolgt über die vereinbarte Rechtsgrundlage, welche die arbeitszeitliche und organisatorische Ausgestaltung regelt.
Anzeige und Bewilligung
Der Arbeitsausfall wird bei der zuständigen Arbeitsverwaltung angezeigt. Die Bewilligung der Lohnersatzleistung setzt die Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen voraus. Für die Dauer der Kurzarbeit sind laufende Nachweise über den tatsächlichen Arbeitsausfall und die Abrechnung zu führen.
Dokumentations- und Nachweispflichten
Arbeitgeber dokumentieren die Ursachen des Arbeitsausfalls, die betroffenen Zeiträume, die Arbeitszeitreduzierung und die Entgeltdifferenzen. Diese Unterlagen dienen der Abrechnung, Prüfung und etwaigen Nachschau.
Arbeitszeitgestaltung
Die Reduzierung kann in Form verkürzter täglicher oder wöchentlicher Arbeitszeit oder in arbeitsfreien Kurzarbeitsphasen erfolgen. Dienst- oder Einsatzpläne bilden die veränderte Arbeitszeit ab und müssen mit der vereinbarten Regelung übereinstimmen.
Umfang, Dauer und Gestaltungsmöglichkeiten
Reduzierungsgrad und Kurzarbeit Null
Die Arbeitszeit kann teilweise reduziert werden oder vollständig entfallen (Kurzarbeit Null). Auch wechselnde Intensitäten sind möglich, sofern sie von der Rechtsgrundlage und den tatsächlichen Verhältnissen gedeckt sind.
Dauer der Kurzarbeit
Kurzarbeit ist zeitlich befristet. In der Regel ist eine Inanspruchnahme bis zu zwölf Monaten möglich; in besonderen Lagen kann eine Verlängerung durch Verordnungen vorgesehen werden. Eine vorzeitige Beendigung ist möglich, wenn die Voraussetzungen wegfallen.
Wechselnde Kurzarbeitsphasen
Der Umfang kann sich über die Zeit verändern. Anpassungen richten sich nach den betrieblichen Verhältnissen und der zugrunde liegenden Regelung, einschließlich der Mitbestimmung.
Vergütung und Kurzarbeitergeld
Grundmechanik des Kurzarbeitergeldes
Bei Kurzarbeit mindert sich das Arbeitsentgelt entsprechend der reduzierten Arbeitszeit. Für den entstehenden Nettoentgeltausfall wird eine Lohnersatzleistung gewährt. Diese beträgt regelmäßig 60 Prozent des pauschalierten Nettoentgeltausfalls; bei Beschäftigten mit mindestens einem Kind im Haushalt sind es 67 Prozent.
Berechnung in Grundzügen
Die Berechnung erfolgt auf Grundlage eines pauschalierten Nettoentgelts, das aus dem regulären Bruttoentgelt abgeleitet wird. Es gelten Bemessungsgrenzen. Zuschläge, Einmalzahlungen und variable Vergütungsbestandteile werden je nach Ausgestaltung und Regelwerk unterschiedlich berücksichtigt.
Aufstockungen durch den Arbeitgeber
Arbeitgeber können das Entgelt freiwillig aufstocken. Solche Leistungen sind arbeits- oder kollektivrechtlich zu regeln und beeinflussen je nach Ausgestaltung die Anrechnung auf die Lohnersatzleistung.
Steuerliche Behandlung
Die Lohnersatzleistung ist grundsätzlich steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt: Sie erhöht den Steuersatz, der auf das übrige zu versteuernde Einkommen angewendet wird. Dies kann im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu Nach- oder Erstattungsbeträgen führen.
Auswirkungen auf die Sozialversicherung
Sozialversicherungsschutz bleibt grundsätzlich bestehen. Beiträge werden auf das reduzierte Entgelt erhoben; für den Ausfallteil gelten besondere fiktive Bemessungsgrundlagen, deren Beiträge überwiegend vom Arbeitgeber getragen werden. In besonderen Konjunkturlagen können Erstattungsregelungen vorgesehen sein. Zeiten der Kurzarbeit werden rentenrechtlich berücksichtigt, wenn Beiträge aus fiktivem Entgelt entrichtet werden.
Weitere arbeitsrechtliche Auswirkungen
Urlaub und Kurzarbeit
Urlaub kann auch während Kurzarbeit genommen werden. Bei vollständigem Arbeitsausfall (Kurzarbeit Null) ist eine zeitanteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs grundsätzlich möglich. Urlaubsentgelt richtet sich nach den allgemeinen Regeln; die Lohnersatzleistung wird für Urlaubstage nicht zusätzlich gezahlt.
Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit
Arbeitsunfähigkeit während Kurzarbeit lässt den grundsätzlichen Anspruch auf die Lohnersatzleistung unberührt; die Entgeltfortzahlung orientiert sich an der reduzierten Arbeitszeit. Während Mutterschutzfristen und in Elternzeit gelten eigenständige Leistungs- und Entgeltregeln; Schutzrechte bleiben gewahrt.
Nebentätigkeit und Anrechnung
Einkünfte aus einer Nebentätigkeit können auf die Lohnersatzleistung angerechnet werden, insbesondere wenn die Nebentätigkeit erst während der Kurzarbeit aufgenommen wird. Bereits zuvor ausgeübte Nebenbeschäftigungen werden in der Regel anders behandelt als neu aufgenommene Tätigkeiten.
Qualifizierung während Kurzarbeit
Kurzarbeit kann mit beruflicher Weiterbildung verbunden werden. Für Zeiten der Qualifizierung gelten besondere arbeits- und förderrechtliche Rahmenbedingungen.
Beendigung und Wechselwirkungen mit Kündigung
Ende der Kurzarbeit
Die Kurzarbeit endet, wenn die betrieblichen Voraussetzungen wegfallen, die bewilligte Dauer ausgeschöpft ist oder die zugrunde liegende Vereinbarung ausläuft. Eine geordnete Rückkehr zur regulären Arbeitszeit ist vorzusehen.
Kündigungen während Kurzarbeit
Kündigungen sind während Kurzarbeit nicht generell ausgeschlossen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt die Inanspruchnahme der Lohnersatzleistung mit dessen Ende. Während einer laufenden Kündigungsfrist kann unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin eine Leistung gewährt werden.
Rechtliche Risiken und Kontrolle
Rückforderungen und Sanktionen
Bei unzutreffenden Angaben, fehlenden Voraussetzungen oder fehlerhafter Abrechnung können Rückforderungen entstehen. Bei schwerwiegenden Pflichtverstößen kommen weitergehende rechtliche Konsequenzen in Betracht. Eine sorgfältige Dokumentation und ordnungsgemäße Umsetzung sind daher wesentlich.
Datenschutz und Dokumentation
Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Kurzarbeit richtet sich nach den allgemeinen Datenschutzgrundsätzen. Erforderlich sind zweckgebundene, transparente Verarbeitung und angemessene Aufbewahrungsfristen der Nachweise.
Häufig gestellte Fragen
Kann Kurzarbeit ohne Zustimmung der Beschäftigten eingeführt werden?
Nein. Es bedarf einer Rechtsgrundlage, etwa durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder eine arbeitsvertragliche Regelung. Ohne eine solche Grundlage ist eine einseitige Anordnung nicht wirksam.
Wird der Urlaubsanspruch während Kurzarbeit gekürzt?
Bei teilweiser Arbeitszeitreduzierung bleibt der Urlaubsanspruch grundsätzlich unberührt. Bei vollständigem Arbeitsausfall (Kurzarbeit Null) ist eine zeitanteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs grundsätzlich möglich.
Wie lange kann Kurzarbeit dauern?
Üblicherweise ist die Bezugsdauer auf bis zu zwölf Monate begrenzt. In besonderen wirtschaftlichen Lagen kann eine Verlängerung durch Verordnungen vorgesehen werden.
Wie wirkt sich Kurzarbeit auf die Sozialversicherung und die Rente aus?
Der Sozialversicherungsschutz bleibt grundsätzlich bestehen. Auf den Ausfallteil werden Beiträge aus einem fiktiven Entgelt erhoben, überwiegend vom Arbeitgeber getragen. Dadurch werden Zeiten der Kurzarbeit rentenrechtlich berücksichtigt.
Sind betriebsbedingte Kündigungen während Kurzarbeit zulässig?
Sie sind nicht per se ausgeschlossen. Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen folgen unterschiedlichen Voraussetzungen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet der Bezug der Lohnersatzleistung mit dem Beschäftigungsverhältnis.
Werden Einkünfte aus Nebentätigkeiten angerechnet?
Grundsätzlich ja, wenn die Nebentätigkeit während der Kurzarbeit aufgenommen wird. Bereits vor Beginn ausgeübte Nebentätigkeiten werden in der Regel anders behandelt; eine Anrechnung kann dann entfallen.
Was gilt bei Krankheit während Kurzarbeit?
Arbeitsunfähigkeit führt nicht zum generellen Wegfall der Lohnersatzleistung. Entgeltfortzahlung und Leistungsgewährung richten sich nach den reduzierten Arbeitszeiten und den einschlägigen Krankheitsregelungen.
Welche Rolle hat der Betriebsrat?
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Einführung und Ausgestaltung der Kurzarbeit. Umfang, Beginn, Dauer und Auswahlkriterien sind mitbestimmungspflichtig.