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Kumulative Schuldübernahme


Kumulative Schuldübernahme

Die kumulative Schuldübernahme ist ein Begriff aus dem deutschen Schuldrecht und beschreibt einen besonderen Typ der Schuldübernahme gemäß §§ 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Im Rahmen einer solchen Übernahme tritt neben den Alt-Schuldner eine weitere Person als zusätzlicher Schuldner in das bestehende Schuldverhältnis ein – ohne dass hierbei eine Schuldentlassung des ursprünglichen Schuldners erfolgt. Beide Schuldner haften nebeneinander für dieselbe Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger.

Rechtsgrundlagen der kumulativen Schuldübernahme

Die kumulative Schuldübernahme ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sie wird jedoch aus den allgemeinen Regeln über Verträge sowie aus den Vorschriften zur Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) hergeleitet. Die Praxis unterscheidet dabei zwischen der kumulativen Schuldübernahme und anderen Formen, wie etwa der einfachen Schuldübernahme und dem Schuldbeitritt.

Abgrenzung zur befreienden Schuldübernahme

Bei der befreienden Schuldübernahme (§ 414 BGB) scheidet der ursprüngliche Schuldner aus dem Schuldverhältnis aus. Im Gegensatz dazu bleibt beim kumulativen Schuldbeitritt (auch Schuldbeitritt genannt) der ursprüngliche Schuldner neben dem neuen Schuldner weiterhin verpflichtet. Dadurch haftet der Gläubiger aus einer Forderung gegen zwei Schuldner. Die kumulative Schuldübernahme ist dem Schuldbeitritt sehr ähnlich, weshalb die Begriffe im Sprachgebrauch häufig synonym verwendet werden.

Voraussetzungen der kumulativen Schuldübernahme

Für die wirksame kumulative Schuldübernahme müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Ein wirksames Schuldverhältnis: Es muss eine bestehende, wirksame Forderung gegenüber dem ursprünglichen Schuldner bestehen.
  • Vertragliche Vereinbarung: Die kumulative Schuldübernahme erfolgt durch Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem neuen Schuldner; häufig geschieht dies auch im Wege des dreiseitigen Vertrages unter Einbeziehung des Alt-Schuldners.
  • Keine Befreiung des bisherigen Schuldners: Der Alt-Schuldner bleibt auch nach der Übernahme weiterhin verpflichtet.
  • Formvorschriften: Für die Übernahme muss, sofern das zu übernehmende Schuldverhältnis einer bestimmten Form unterliegt (z. B. Schriftform bei Bürgschaften gemäß § 766 BGB), diese Form eingehalten werden. Ansonsten gilt Formfreiheit.

Rechtsfolgen der kumulativen Schuldübernahme

Haftung der Schuldner

Beide Schuldner haften dem Gläubiger gegenüber auf Erfüllung der Verbindlichkeit. Die Ausgestaltung der Haftung kann – je nach Vereinbarung – als Gesamtschuld (§§ 421 ff. BGB) oder als Teilschuld erfolgen. In der Regel wird eine Gesamtschuld angenommen, sofern nichts anderes vereinbart ist.

Wirkung gegenüber dem Gläubiger

Der Gläubiger erhält durch die kumulative Schuldübernahme einen zusätzlichen Schuldner und somit eine erhöhte Sicherheit für die Erfüllung seines Anspruchs. Er kann nach Belieben von jedem der Schuldner die vollständige Leistung fordern.

Innenregress zwischen den Schuldnern

Kommt es zur Inanspruchnahme eines Schuldners, stellt sich oft die Frage des Ausgleichs im Innenverhältnis. Besteht eine Gesamtschuld, kann ein Schuldner vom anderen, entsprechend deren Anteil, Ausgleich verlangen (§ 426 BGB). Die Verteilung des Innenausgleichs richtet sich nach der vertraglichen Vereinbarung oder, falls diese fehlt, nach dem Gesetz.

Unterschiede zu verwandten Rechtsinstituten

Abgrenzung zum Schuldbeitritt

Der Begriff „kumulative Schuldübernahme“ wird in vielen Quellen synonym mit dem Schuldbeitritt verwendet. Rechtstechnisch liegt in beiden Fällen die Situation vor, dass ein Dritter ohne Entlassung des bisherigen Schuldners dessen Verpflichtungen übernimmt. Im engeren Sinne bezeichnet man den Vorgang als Schuldbeitritt, wenn ein Dritter lediglich als weiterer Gesamtschuldner beitritt.

Abgrenzung zur Bürgschaft

Bei einer Bürgschaft (§ 765 BGB) verpflichtet sich der Bürge lediglich für den Fall der Nichtleistung des Hauptschuldners einzustehen. Im Gegensatz dazu ist der kumulativ übernehmende Schuldner Hauptschuldner und haftet unabhängig vom Verhalten des bisherigen Schuldners.

Abgrenzung zur Sicherungsübernahme

Die kumulative Schuldübernahme unterscheidet sich von der Sicherungsübernahme dadurch, dass bei letzterer die Leistungspflicht des neuen Schuldners nur für den Sicherungsfall eintritt. Die kumulative Schuldübernahme betrifft das originäre Schuldverhältnis und begründet die volle Haftung.

Praktische Anwendung und Bedeutung

Die kumulative Schuldübernahme findet insbesondere in der Wirtschaft zahlreiche Anwendungsfelder. Typische Beispiele sind:

  • Unternehmenskäufe: Im Rahmen von Unternehmensübertragungen kann der Erwerber neben dem Alt-Unternehmer bestimmte Verbindlichkeiten als Mitschuldner übernehmen.
  • Privatrechtliche Sicherheiten: Dritte erklären sich bereit, als Mitschuldner neben dem ursprünglichen Schuldner am Kredit zu haften, um den Kreditgeber zu einer Kreditvergabe zu bewegen.
  • Schuldensanierung: Bei Umschuldungen tritt regelmäßig ein weiterer Mitschuldner auf Wunsch des Gläubigers hinzu.

Risiken und Schutzmechanismen

Die Beteiligten sollten die Rechtsfolgen einer kumulativen Schuldübernahme sorgfältig abwägen. Insbesondere für den neu eintretenden Schuldner ergibt sich das Risiko der gesamtschuldnerischen Haftung für die volle Forderung. Der Schutz vor ungewollten Folgen kann durch Vereinbarungen zur Haftungsaufteilung und durch vertragliche Beschränkungen erreicht werden.

Rechtsfolgen bei Leistungsstörungen

Im Falle von Leistungsstörungen (z. B. Verzug, Unmöglichkeit) besteht das Risiko, dass der Gläubiger frei wählen kann, welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Zahlt einer der Schuldner, erlischt die Forderung gegenüber beiden (§ 422 BGB). Im Innenverhältnis kann ein Ausgleichsanspruch bestehen, soweit vertraglich nichts anderes geregelt ist.

Beendigungs- und Änderungsmöglichkeiten

Eine Entlassung eines der Schuldner aus dem Schuldverhältnis kann nur mit Zustimmung des Gläubigers erfolgen. Möglich ist auch eine Änderung des Innenverhältnisses zwischen den Schuldnern durch gesonderte Vereinbarungen.

Zusammenfassung

Die kumulative Schuldübernahme ist ein bedeutsames Instrument im deutschen Schuldrecht, das dem Gläubiger eine zusätzliche Sicherheit durch einen weiteren Schuldner verschafft. Im Gegensatz zur befreienden Schuldübernahme bleibt der bisherige Schuldner verpflichtet. Der Vorgang ist mit wichtigen rechtlichen Folgen für alle Beteiligten verbunden und kommt in der Praxis vielfach vor. Ein vertieftes Verständnis der rechtlichen Besonderheiten, Abgrenzungen und praktischen Anwendungsbereiche ist im Rahmen von Vertragsgestaltungen unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse müssen bei einer kumulativen Schuldübernahme eingehalten werden?

Bei einer kumulativen Schuldübernahme sind die Formerfordernisse abhängig von der Art der zugrundeliegenden Forderung. Grundsätzlich unterliegt die Schuldübernahme nach deutschem Recht zwar keinem gesetzlichen Schriftformerfordernis (§ 415 BGB), jedoch kann sich ein solches aus den allgemeinen Vorschriften über das Verpflichtungsgeschäft oder aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben. Beispielsweise bedarf die Übernahme einer Hypothek derselben Form wie die zugrundeliegende Forderung (öffentliche oder notarielle Beglaubigung gemäß § 1154 BGB). Bei Übernahme von Bürgschaften oder Verbraucherdarlehen kann ebenfalls Schriftform gemäß §§ 766, 492 BGB verlangt werden. Eine Nichteinhaltung der Form kann regelmäßig zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Zudem sollte auch beachtet werden, dass aus Beweiszwecken schriftliche Vereinbarungen ratsam sind, selbst wenn das Gesetz keine spezielle Form vorschreibt.

Welche Rolle spielt die Zustimmung des Gläubigers bei der kumulativen Schuldübernahme?

Die Zustimmung des Gläubigers ist für die Wirksamkeit der kumulativen Schuldübernahme unabdingbar. Nach deutschem Recht (§ 415 Abs. 1 BGB) kann eine Schuldübernahme ohne die ausdrückliche Zustimmung des Gläubigers nicht stattfinden. Diese Zustimmung kann entweder ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, muss jedoch zweifelsfrei erkennbar sein. Eine schlichte Kenntnisnahme des Gläubigers reicht nicht aus, vielmehr muss er aktiv zustimmen. Wird die Zustimmung erst nach Abschluss des Übernahmevertrags erteilt, wirkt sie rückwirkend (ex tunc). Ohne Zustimmung bleibt der Übernahmevertrag zwischen Schuldner und Übernehmer zwar wirksam, entfaltet jedoch keine Wirkung gegenüber dem Gläubiger, der weiterhin frei ist, nur vom ursprünglichen Schuldner Erfüllung zu verlangen.

Welche Rechtsfolgen ergeben sich für die beteiligten Parteien bei einer kumulativen Schuldübernahme?

Bei einer kumulativen Schuldübernahme tritt der neue Schuldner nicht an die Stelle, sondern neben den bisherigen Schuldner. Es entsteht insoweit eine Gesamtschuld im Sinne der §§ 421 ff. BGB. Beide Schuldner haften dem Gläubiger gegenüber in voller Höhe, jedoch darf kein Schuldner mehr als einmal in Anspruch genommen werden. Der Gläubiger kann sich aussuchen, von wem er die Leistung fordert oder beide Schuldner gleichzeitig oder nacheinander in Anspruch nehmen. Im Innenverhältnis zwischen altem und neuem Schuldner kann eine Rückgriffsmöglichkeit bestehen, falls einer von beiden die gesamte Schuld beglichen hat. Zusätzlich können Vereinbarungen zur Lastenverteilung zwischen den Schuldnern getroffen werden, die jedoch keine Auswirkung auf das Verhältnis zum Gläubiger entfalten.

Was passiert mit Sicherheiten bei einer kumulativen Schuldübernahme?

Sicherheiten, die zur Sicherung der Forderung bestellt wurden, bleiben im Grundsatz bestehen, da der Gläubiger auch weiterhin seine Ansprüche aus der ursprünglichen Forderung geltend machen kann. Da die Schuld fortbesteht und lediglich der Kreis der Schuldner erweitert wird, bleiben eventuell bestellte Sicherheiten (wie Bürgschaften, Hypotheken oder Pfandrechte) erhalten. Eine Ausnahme gilt für akzessorische Sicherheiten, sofern die Grundlage für diese mit dem Schuldverhältnis in Zusammenhang steht und durch die Übernahme keine Veränderung im Bestand der Forderung eintritt. In der Regel führt die kumulative Schuldübernahme daher nicht zur Freigabe oder Reduzierung von Sicherheiten, es sei denn, die Parteien treffen ausdrücklich eine anderweitige Vereinbarung.

Können Einwendungen und Einreden von Seiten des neuen Schuldners geltend gemacht werden?

Der neue Schuldner kann grundsätzlich alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die sich aus dem Schuldverhältnis gegenüber dem Gläubiger ergeben, soweit diese auch dem bisherigen Schuldner zustanden. Dazu zählen etwa die Verjährung, Erfüllung sowie eventuelle Gestaltungsrechte (Kündigung, Rücktritt). Allerdings kann der neue Schuldner keine höchstpersönlichen Einwendungen oder solche, die ausschließlich im Verhältnis des Gläubigers zum bisherigen Schuldner bestehen, für sich in Anspruch nehmen. Ebenso wenig kann er Einreden aus dem Innenverhältnis zwischen Gläubiger und ursprünglichem Schuldner geltend machen, die keine Wirkung auf das übernommene Schuldverhältnis entfalten.

Welche Unterschiede bestehen zur Vertragsübernahme oder Schuldmitübernahme?

Bei der kumulativen Schuldübernahme entsteht eine Gesamtschuld, bei der zwei selbständige Schuldner nebeneinander haften, ohne dass ein Schuldner aus dem Schuldverhältnis ausscheidet. Im Gegensatz dazu tritt bei der Vertragsübernahme regelmäßig ein Gesamtschuldner aus dem gesamten Vertragsverhältnis aus und ein neuer Vertragspartner übernimmt sämtliche Rechte und Pflichten, was eine weitergehende Änderung des Schuldverhältnisses darstellt. Die Schuldmitübernahme ist eine Sonderform, bei der der Übernehmende nur für einen Teil der Verpflichtungen mit haftet, während bei der kumulativen Schuldübernahme stets die volle Haftung für die gesamte Forderung übernommen wird. Die Rechtsfolgen und das Maß der Haftung unterscheiden sich daher deutlich.

Welche steuerlichen Aspekte sind bei einer kumulativen Schuldübernahme zu beachten?

Die kumulative Schuldübernahme kann auch steuerliche Konsequenzen für die beteiligten Parteien haben. Insbesondere im Bereich der Ertragsteuern kann es aufgrund der Übernahme von Verbindlichkeiten zu einer verdeckten Einlage oder zu einem Entgelt für die Übernahme der Schuld zwischen den Parteien kommen. Tritt die kumulative Schuldübernahme im Rahmen eines entgeltlichen Geschäfts auf, so muss geprüft werden, ob ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt, etwa im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer bei Unternehmenskäufen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Ebenso spielt die Frage nach der Bewertung und Bilanzierung der übernommenen Verbindlichkeiten eine Rolle, etwa nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) und den einschlägigen handels- und steuerrechtlichen Vorschriften. Eine genaue steuerliche Würdigung sollte stets im Einzelfall erfolgen und ggf. mit einem Steuerberater abgestimmt werden.