Begriff und Definition des Küstenmeers
Das Küstenmeer (auch Territorialmeer genannt) bezeichnet im internationalen und nationalen Recht das Seegebiet, das sich unmittelbar an die Landflächen eines Küstenstaates einschließlich seiner Inseln anschließt und zentraler Bestandteil der staatlichen Hoheitsgewalt über die Meeresgebiete ist. Die genaue Ausdehnung sowie die völkerrechtlichen und innerstaatlichen Vorschriften betreffend das Küstenmeer sind maßgeblich in internationalen Übereinkommen, insbesondere dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ; engl. United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) geregelt.
Rechtliche Grundlagen
Völkerrechtliche Regelungen
Definition durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ)
Nach Art. 2 Abs. 1 SRÜ erstreckt sich die Souveränität eines Küstenstaates über sein Landgebiet, seine Binnengewässer und den Luftraum darüber hinaus auch auf das angrenzende Küstenmeer sowie dessen Untergrund und Meeresboden. Gemäß Art. 3 SRÜ kann das Küstenmeer die Breite von bis zu 12 Seemeilen (ca. 22,224 km) von der Basislinie – in der Regel der Niedrigwasserlinie entlang der Küste – nicht überschreiten. Jede Erweiterung bzw. Veränderung dieser Breite ist ohne internationale Akzeptanz völkerrechtlich nicht zulässig.
Abgrenzung zu angrenzenden Seezonen
Das Küstenmeer grenzt seewärts an die Anschlusszone und auf diese folgt die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ). Staatsrechtlich unterschieden werden das Küstenmeer, die interne Gewässer (Binnengewässer) sowie das Gebiet jenseits des Küstenmeers, die sogenannte Hohe See.
Souveränitätsrechte und Beschränkungen
Die Souveränität des Küstenstaates über das Küstenmeer ist grundsätzlich vollumfänglich, unterliegt jedoch internationalen Beschränkungen, insbesondere durch das Recht der friedlichen Durchfahrt (Art. 17 SRÜ). Dieses erlaubt es Schiffen aller Staaten, das Küstenmeer auf einer Voraussetzung der Nichtschädigung durch friedliche Durchfahrt zu nutzen.
Nationale Umsetzung
Deutschland: Küstenschifffahrtsrecht und Seeaufenthaltsgesetz
In Deutschland sind die völkerrechtlichen Vorgaben insbesondere durch das Gesetz über die Ausdehnung der Hoheitsgewalt über das Küstenmeer sowie das Seeaufenthaltsgesetz und das Seeaufgabengesetz innerstaatlich umgesetzt. Auch hier wird das Küstenmeer mit einer Breite von 12 Seemeilen bemessen. Staatliche Hoheitsbefugnisse, etwa in Bezug auf polizeiliche, fischereiliche, umweltrechtliche oder sicherheitstechnische Maßnahmen, richten sich nach nationalem sowie internationalem Recht.
Nutzung und Nutzungsbeschränkungen im Küstenmeer
Zugang und Durchfahrt
Schiffe aller Staaten – ob zivil oder kommerziell – genießen das Recht auf unschädliche Durchfahrt. Dieses umfasst die Navigation im Küstenmeer ohne Anlaufen der inneren Gewässer oder Häfen des Küstenstaates, sofern keine friedensstörenden, gesetzeswidrigen oder umweltgefährdenden Handlungen erfolgen (Art. 18-19 SRÜ).
Ressourcennutzung
Im Küstenmeer hat der Küstenstaat das ausschließliche Recht zur Exploration, Nutzung, Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen von Meeresboden, Untergrund und Wassersäule. Hierzu zählen insbesondere Fischerei, Mineralienförderung und sonstige wirtschaftliche Aktivitäten. Die Nutzung ist jedoch an völkerrechtliche Vorgaben, wie den Schutz der Meeresumwelt, gekoppelt.
Polizeiliche und Sicherheitsmaßnahmen
Der Küstenstaat darf im Küstenmeer Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Ordnung, Sicherheit und zur Verhütung von Straftaten treffen. Grenzüberwachung und Kontrolle von zivilen wie auch militärischen Schiffen sind im Rahmen der internationalen Vorgaben zulässig.
Umweltschutz
Das Recht und die Pflicht des Küstenstaates erstrecken sich dabei auch auf präventive und repressive Maßnahmen zum Umweltschutz. Illegale Entsorgung von Abfällen, Verschmutzungen durch Schiffe oder andere Eingriffe können nach nationalem und internationalem Recht geahndet werden.
Rechtlicher Status besonderer Schiffe
Staatliche und Kriegsschiffe
Grundsätzlich unterliegen auch staatliche Schiffe, insbesondere Kriegsschiffe, den Vorschriften des Küstenstaates hinsichtlich der Durchfahrt, genießen aber besondere Immunitäten. Bei Missachtung der Durchfahrtsregeln darf der Küstenstaat verlangen, das Küstenmeer unverzüglich zu verlassen.
Forschungsschiffe
Wissenschaftliche, insbesondere meereswissenschaftliche Forschung im Küstenmeer unterliegt grundsätzlich der Zustimmung des Küstenstaates (Art. 245 SRÜ). Ohne ausdrücklich erteilte Erlaubnis ist Forschung fremder Staaten in der Regel unzulässig.
Rechtsvergleich und internationale Streitbeilegung
Konflikte über den Verlauf der Basislinie, die Abgrenzung benachbarter Küstenmeere oder die Ausübung von Souveränitätsrechten werden in der Regel durch bilaterale Vereinbarungen, internationale Schiedsgerichte oder durch den Internationalen Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg geregelt.
Zusammenfassung
Das Küstenmeer stellt einen maßgeblichen Meeresbereich dar, in dem der angrenzende Staat weitgehende, jedoch international begrenzte Souveränitätsrechte ausübt. Dieses Seegebiet ist detailliert durch das internationale Seerecht geregelt und in dessen Zentrum stehen Fragen der Hoheitsgewalt, des Umweltschutzes, der legitimen Nutzung, aber auch des friedlichen Ausgleichs widerstreitender Interessen zwischen verschiedenen Staaten. Die Beachtung und Umsetzung der einschlägigen Regelungen hat hohe Bedeutung für die Rechtsklarheit sowie die Stabilität des internationalen maritimen Zusammenlebens.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Überwachung und Durchsetzung des Rechts im Küstenmeer zuständig?
Im Küstenmeer ist grundsätzlich der Küstenstaat für die Überwachung und Durchsetzung der Gesetze zuständig. Gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ/UNCLOS) hat der angrenzende Staat das souveräne Recht, seine Hoheitsgewalt hinsichtlich der Nutzung, des Schutzes der natürlichen Ressourcen, des Meeresumweltschutzes und der Durchführung von Straf- und Verwaltungsvorschriften auszuüben. Zur effektiven Durchsetzung dieser Rechte unterhält der Küstenstaat spezielle Behörden wie Küstenwachen, Grenzpolizei und Umweltbehörden, die regelmäßig Patrouillen durchführen, insbesondere zur Kontrolle der Schifffahrt, Fischerei, Umweltverschmutzung und anderer wirtschaftlicher Aktivitäten. In speziellen Fällen, etwa bei internationalen Streitigkeiten oder der Verfolgung von Straftaten über die Seegrenzen hinweg (sog. Hot Pursuit), kann es zu Kooperationen mit internationalen Organisationen oder anderen Staaten kommen. Die Exekutivgewalt des Küstenstaates findet jedoch im Rahmen des internationalen Rechts statt, insbesondere unter Achtung der legitimen Rechte anderer Staaten, wie dem Recht auf friedliche Durchfahrt.
Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Durchfahrt fremder Schiffe im Küstenmeer?
Fremde Schiffe genießen im Küstenmeer gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen das Recht auf „friedliche Durchfahrt“ (innocent passage). Dies bedeutet, dass Schiffe fremder Staaten das Küstenmeer anderer Staaten durchqueren dürfen, jedoch unter bestimmten Auflagen. Die Durchfahrt gilt nur dann als friedlich, wenn sie weder die Sicherheit noch die Ordnung des Küstenstaates stört. Illegale Tätigkeiten wie Spionage, Schmuggel, Fischerei ohne Erlaubnis oder das Starten/Landen von Flugzeugen sind untersagt. Der Küstenstaat darf von ausländischen Schiffen verlangen, dass sie sein Küstenmeer unter bestimmten Bedingungen befahren – etwa das Einhalten bestimmter Navigationswege – und kann vorübergehende Sperrgebiete einrichten. Atomgetriebene Schiffe oder solche mit gefährlichen Ladungen können besonderen Melde- und Warnpflichten unterliegen, wobei derartige Vorschriften nicht diskriminierend sein dürfen und im Einklang mit dem internationalen Recht stehen müssen. Kriegsschiffe unterliegen besonderen Regelungen, dürfen jedoch grundsätzlich ebenfalls das Recht auf friedliche Durchfahrt nutzen, sofern sie sich an die geltenden Vorschriften halten.
Welche Ressourcenrechte besitzt ein Küstenstaat im Küstenmeer?
Im Küstenmeer übt der Küstenstaat volle Souveränität über die dort vorhandenen natürlichen Ressourcen aus, sowohl über die lebenden (wie Fische und Meeresfrüchte) als auch die nicht-lebenden Ressourcen (wie Öl, Gas und Mineralien auf und unter dem Meeresboden). Das bedeutet, dass allein der Küstenstaat die Nutzung dieser Ressourcen regeln, kontrollieren und wirtschaftlich verwerten darf. Fremde Staaten oder deren Staatsangehörige dürfen diese Ressourcen nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Küstenstaates nutzen. Die Ressourcenhoheit erstreckt sich bis zur äußeren Grenze des Küstenmeeres, in der Regel 12 Seemeilen von der Basislinie entfernt. Die Regelungen umfassen auch Maßnahmen zum Schutz der Ressourcen, wie Fangquoten, Schonzeiten oder technische Vorschriften. Verstöße gegen diese Vorschriften können durch den Küstenstaat nach nationalem Recht verfolgt und sanktioniert werden.
Wie verhält sich das Küstenmeer zu angrenzenden Staaten bei sich überschneidenden Ansprüchen?
Kommt es zwischen benachbarten Küstenstaaten zu sich überschneidenden Ansprüchen auf das Küstenmeer, etwa aufgrund geografischer Nähe oder gegenüberliegenden Küstenlinien, so regelt das internationale Seerecht diese Fälle durch das Prinzip der Äquidistanz, sofern keine andere Vereinbarung zwischen den Staaten besteht. Grundsätzlich wird dabei die Seegrenze durch eine Linie bestimmt, die jeweils den gleichen Abstand von den nächstgelegenen Punkten der Basislinien beider Staaten hat. Dieses Verfahren ist jedoch flexibel, da maßgebliche Umstände wie geografische Besonderheiten, historische Rechte und wirtschaftliche Interessen ebenfalls zu berücksichtigen sind. Im Streitfall sieht das Seerechtsübereinkommen eine friedliche Beilegung durch Verhandlungen, internationale Schiedsgerichte oder den Internationalen Seegerichtshof (ITLOS) vor. Temporäre Regelungen oder gemeinsame Nutzungszonen sind ebenfalls möglich und werden häufig als Übergangslösung vereinbart.
Welche Kontroll- und Strafbefugnisse hat ein Küstenstaat gegenüber ausländischen Schiffen im Küstenmeer?
Der Küstenstaat hat grundsätzlich das Recht, im Küstenmeer Kontrollen durchzuführen und bei Verstößen ausländischer Schiffe gegen seine Gesetze und Vorschriften Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten. Dies umfasst insbesondere die Befugnis zur Inspektion, Befragung, Ingewahrsamnahme des Schiffes und im Bedarfsfall auch zur Festnahme der Besatzung. Diese Maßnahmen müssen aber verhältnismäßig sein und dürfen das Recht auf friedliche Durchfahrt nicht unangemessen beeinträchtigen. Bei schwerwiegenden Verstößen, etwa im Umwelt- oder Sicherheitsbereich, kann der Küstenstaat das Schiff anhalten und in seinen Hafen umlenken. Im Bereich der Strafverfolgung gibt es jedoch Einschränkungen: Bei Straftaten an Bord fremder Handelsschiffe, die allein die innere Ordnung des Schiffes betreffen und keine Auswirkungen auf den Küstenstaat haben, soll dieser nach dem SRÜ von Maßnahmen absehen. Anders verhält es sich bei Auswirkungen auf den Küstenstaat, z.B. illegale Müllentsorgung oder Gefahr für Personen an Land.
Welche besonderen Regelungen gelten für Umwelt- und Meeresschutz im Küstenmeer?
Der Küstenstaat ist verpflichtet, den Schutz und die nachhaltige Nutzung der marinen Umwelt im Küstenmeer sicherzustellen. Dies schließt die Verhütung und Bekämpfung von Verschmutzungen durch Schiffe, industrielle Einleitungen und sonstige menschengemachte Belastungen ein. Nationale Gesetze regeln detailliert die zulässigen Aktivitäten, wie etwa den Umgang mit Abwässern, Abfällen und gefährlichen Substanzen. Neben der Durchsetzung eigener Umweltvorschriften ist der Staat auch zur Umsetzung internationaler Konventionen verpflichtet, insbesondere dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) sowie regionalen Abkommen, etwa zum Schutz des Wattenmeeres. Der Küstenstaat kann dafür bestimmte Zonen ausweisen, in denen restriktive Umweltbestimmungen gelten (z. B. besonders empfindliche Meeresgebiete, sogenannte PSSA). Verstöße gegen Umweltvorschriften können mit empfindlichen Strafen verfolgt werden, wobei internationale Schiffe Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren haben.
Inwieweit kann das Küstenmeer von internationalen Organisationen reguliert werden?
Zwar fällt das Küstenmeer grundsätzlich in die Souveränität des Küstenstaates, jedoch bestehen auch gewisse Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten internationaler Organisationen. Insbesondere die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) setzt globale Standards für die Schifffahrtssicherheit, Umweltstandards und Navigationsregeln, die von den Vertragsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Auch das Internationale Übereinkommen zur Kontrolle und Bewirtschaftung von Ballastwasser, und andere multilaterale Abkommen, wirken unmittelbar auf den Rechtsrahmen im Küstenmeer. Darüber hinaus können regionale Organisationen oder Abkommen, wie die Helsinki-Kommission (HELCOM) für die Ostsee, verbindliche Vorschriften zum Schutz bestimmter Meeresgebiete im Küstenmeer durchsetzen. Streitigkeiten über die Auslegung internationaler Normen im Küstenmeer können vor internationale Gerichte oder Schiedsstellen gebracht werden.