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künstliche Fortpflanzung


Definition und Grundlagen der künstlichen Fortpflanzung

Die künstliche Fortpflanzung bezeichnet alle Methoden und Verfahren, bei denen eine Schwangerschaft nicht ausschließlich durch natürlichen Geschlechtsverkehr, sondern durch medizinisch-technische Maßnahmen herbeigeführt wird. Ziel ist die Erzeugung einer Schwangerschaft unter Verwendung von Techniken wie der In-vitro-Fertilisation (IVF), der intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), der intrauterinen Insemination (IUI) und verwandten Methoden. Insbesondere in Fällen von Unfruchtbarkeit oder genetischen Risiken erhalten betroffene Personen und Paare auf diese Weise eine Möglichkeit zur Realisierung eines Kinderwunsches.

Künstliche Fortpflanzung umfasst sowohl homologe als auch heterologe Verfahren: Bei homologen Verfahren stammen Eizelle und Samenzelle von den potenziellen Eltern, während bei heterologen Verfahren zumindest eine Keimzelle oder Embryonen von Dritten bereitgestellt werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anwendung, Durchführung, Aufklärung, Dokumentation und Nachsorge künstlicher Fortpflanzungsmethoden sind in Deutschland besonders umfangreich geregelt.


Rechtsgrundlagen der künstlichen Fortpflanzung in Deutschland

Embryonenschutzgesetz (ESchG)

Ein zentrales Gesetz, das die rechtlichen Aspekte der künstlichen Fortpflanzung regelt, ist das Embryonenschutzgesetz (ESchG). Es trat am 1. Januar 1991 in Kraft und enthält zahlreiche Strafbestimmungen zum Schutz menschlicher Embryonen. Das ESchG regelt unter anderem:

  • Erlaubte und verbotene Verfahren: Bestimmte Methoden, wie die Embryonenspende, Eizellspende und Leihmutterschaft, sind nach deutschem Recht verboten.
  • Begriff des Embryos: Embryo ist in Deutschland bereits jede befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle ab dem Zeitpunkt der Kernverschmelzung (Syngamie).
  • Anzahl der zu transferierenden Embryonen: Die sogenannte „Dreier-Regelung“ schreibt vor, dass im Rahmen der IVF bis zu drei Embryonen transferiert werden dürfen.
  • Missbrauchs- und Handelsschutz: Handel mit Embryonen, deren gezielte Erzeugung zu nicht fortpflanzungsbezogenen Zwecken sowie das Klonen sind explizit untersagt.

Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) und das Gesetz über die Adoption (AdoptionsG)

Das Adoptionsrecht wird relevant, wenn bei künstlicher Fortpflanzung heterologe Samenzellen oder Embryonen beteiligt sind. Im Fall der Embryonenspende oder der Verwendung von Spendersamen kann zwischen genetischer und rechtlicher Elternschaft unterschieden werden. Das Abstammungsrecht, geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sieht vor, dass die Mutter des Kindes immer die Frau ist, die das Kind geboren hat (sog. Gebärmutterschaft).

Gewebegesetz (Transplantationsgesetz, TPG)

Das TPG trägt zur rechtlichen Kontrolle bei der Weitergabe und Verwendung von Samen- und Eizellen bei und stellt sicher, dass die Spende von Keimzellen transparent, nachvollziehbar und dokumentiert erfolgt. Es schreibt Bedingungen für die Anonymisierung, Freigabe und Abläufe von Spenden vor.

Richtlinien ärztlicher Fachgesellschaften

Ergänzend zu den gesetzlichen Vorschriften sind Richtlinien wie die der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion maßgeblich. Sie konkretisieren medizinethische und medizinrechtliche Mindeststandards zur Behandlung und Beratung.


Zulässige und verbotene Verfahren der künstlichen Fortpflanzung

Erlaubte Verfahren

  • In-vitro-Fertilisation (IVF) und ICSI: Die künstliche Befruchtung im Rahmen einer Ehe oder festen Partnerschaft ist in Deutschland rechtlich erlaubt.
  • Samen- und Embryonenspende: Die heterologe Samenspende ist zulässig, Eizell- und Embryonenspenden hingegen sind nach § 1 ESchG untersagt.
  • Kryokonservierung: Die Konservierung von Keimzellen und Embryonen ist unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.

Verbotene Verfahren

  • Leihmutterschaft: Nach § 1 ESchG ist die Leihmutterschaft in Deutschland nicht erlaubt; auch Vermittlung und Werbung für Leihmutterschaft sind strafbewehrt.
  • Eizellspende und Embryonenspende: Beide Verfahren sind grundsätzlich verboten und unterliegen empfindlichen Strafen.
  • Klonen und Manipulation am Embryo: Jede Form des „reproduktiven Klonens“ und die gezielte genetische Veränderung von Embryonen vor der Geburt sind untersagt.

Rechtliche Herausforderungen und Diskussionspunkte

Abstammungsrechtliche Konsequenzen

Ein zentrales Thema ist die Feststellung der Elternschaft bei Kindern, die durch künstliche Befruchtung geboren werden. Im Gesetz ist geregelt:

  • Die gebärende Frau ist rechtlich die Mutter (§ 1591 BGB).
  • Der Ehepartner gilt als rechtlicher Vater, wenn er der Behandlung im Vorfeld zugestimmt hat (§ 1592 BGB).

Im Falle heterologer Samenspende hat das Kind ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Seit dem Inkrafttreten des Spermienregistergesetzes (SaRegG) im Juli 2018 müssen Angaben zu Spendern in einem bundesweiten Register erfasst und aufbewahrt werden. Spenderkinder können Auskunft über ihre genetische Herkunft verlangen.

Haftungsfragen

Kommt es im Rahmen einer künstlichen Befruchtung zu gesundheitlichen Schäden beim Kind oder bei den Elternteilen, können zivilrechtliche Haftungsfragen bestehen – etwa im Hinblick auf Aufklärungspflichten, Auswahl und Weitergabe von Spenderprofilen sowie bei Laborfehlern.

Datenschutz und Dokumentation

Medizinische Einrichtungen sind verpflichtet, sensible Daten zur künstlichen Fortpflanzung sicher zu verwalten (§ 630f BGB, DSGVO). Das Spermienregistergesetz regelt explizit die Dokumentation und Auskunftserteilung gegenüber Kindern, die durch Samenspende gezeugt wurden.


Künstliche Fortpflanzung: Europarechtliche Regelungen und internationales Recht

Da die Rechtslage zu einzelnen Methoden innerhalb Europas stark variiert, kommt es zunehmend zu sogenannten „Reproduktionstourismus“: Parteien aus Ländern mit restriktiven Regeln nehmen Leistungen im Ausland wahr. Innerhalb der EU koordinieren Vorgaben wie die Richtlinie 2004/23/EG Mindeststandards für Sicherheit und Qualität bei der Gewinnung und Verarbeitung menschlicher Zellen und Gewebe.

Streitigkeiten hinsichtlich Elternschaft und Staatsangehörigkeit von durch künstliche Reproduktion geborenen Kindern sind auch Teil internationaler Rechtsfragen und betreffen das Kollisionsrecht.


Reformdiskussion und Ausblick

Der medizinische Fortschritt sowie gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass das Rechtsgebiet rund um die künstliche Fortpflanzung stetig im Wandel ist. In Deutschland wird insbesondere diskutiert:

  • Die Legalisierung und Regulierung der Eizellspende
  • Die Anpassung des Abstammungsrechts an moderne Familienformen
  • Die Einbindung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Alleinerziehender in den vollumfänglichen Zugang zu reproduktionsmedizinischen Dienstleistungen

Europäische und internationale Entwicklungen, gerichtliche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und neue medizinisch-technische Entwicklungen (z. B. Gen-Editing) werden die rechtliche Landschaft weiter prägen.


Fazit

Die künstliche Fortpflanzung ist in Deutschland umfassend geregelt. Die gesetzlichen Bestimmungen und angrenzenden Regelungen dienen dem Schutz der beteiligten Personen, sichern die Transparenz und verhindern Missbrauch. Gleichzeitig führen internationale Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen immer wieder zu Diskussionen über eine Anpassung des rechtlichen Rahmens. Die rechtlichen Aspekte der künstlichen Fortpflanzung bleiben komplex und praxisrelevant.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich als Elternteil eines durch künstliche Befruchtung geborenen Kindes anzusehen?

Im deutschen Recht wird die Elternschaft nach einer künstlichen Befruchtung durch verschiedene Gesetze geregelt, insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Embryonenschutzgesetz (ESchG). Die Mutter eines durch künstliche Befruchtung geborenen Kindes ist gemäß § 1591 BGB immer die Frau, die das Kind geboren hat („Geburtsmutter“), unabhängig davon, ob eine Eizellspende oder Leihmutterschaft im Ausland erfolgte (letztere ist in Deutschland ohnehin untersagt und wird rechtlich nicht anerkannt). Der Ehegatte der Mutter, der der künstlichen Befruchtung mit Samen eines dritten Mannes zugestimmt hat (§ 1592 Nr. 1 BGB), gilt rechtlich als Vater. Liegt keine Ehe vor, kann eine wirksame Vaterschaftsanerkennung erfolgen. Der biologische Samenspender hat keine rechtlichen Elternrechte und -pflichten, sofern er nicht mit der Empfängerin verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt. Diese Regeln sollen vor allem Klarheit über die rechtlichen Beziehungen zwischen Kind und Eltern schaffen und Rechtsstreitigkeiten minimieren.

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine künstliche Befruchtung erfüllt sein?

Paare, die sich in Deutschland einer künstlichen Befruchtung unterziehen möchten, müssen verschiedene gesetzliche Vorgaben einhalten. Nach § 27a SGB V haben heterosexuelle Ehepaare Anspruch auf Leistungen der Krankenkasse für bestimmte Behandlungen, sofern eine medizinische Indikation und eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehen. Eingetragene Lebenspartnerschaften und alleinstehende Frauen sind derzeit nicht im gleichen Umfang anspruchsberechtigt. Eine schriftliche Einwilligung beider beteiligter Partner ist nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 ESchG zwingend erforderlich. Die Durchführung der Behandlung darf zudem nur durch einen zugelassenen Arzt gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer erfolgen. Unzulässig und strafbewehrt sind insbesondere Eizellspende, Leihmutterschaft und die künstliche Befruchtung zu nicht-medizinischen Zwecken.

Welche Rechte und Pflichten hat ein Samenspender im Rahmen der künstlichen Befruchtung?

Ein Samenspender hat nach deutschem Recht grundsätzlich keine elterlichen Rechte oder Pflichten gegenüber dem durch künstliche Befruchtung gezeugten Kind, sofern die Zeugung mit Zustimmung des sozialen Vaters erfolgte und keine anderslautende individuelle Vereinbarung besteht. Die rechtliche Vaterschaft liegt in diesen Fällen beim Ehemann der Mutter oder dem Partner, der die Vaterschaft anerkennt. Das Kind hat jedoch nach dem Gesetz (§ 1600d BGB, § 10 Samenspenderregistergesetz – SaRegG) ein Recht auf Auskunft über die Identität des Samenspenders, sobald es 16 Jahre alt ist. Der Samenspender kann jedoch nicht zum Unterhalt oder Sorgerecht verpflichtet werden, außer es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die die Vaterschaftsanfechtung rechtfertigen.

Wie wird die Anonymität von Samenspendern rechtlich geregelt?

Mit Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes (SaRegG) im Jahr 2018 wird die Anonymität von Samenspendern in Deutschland aufgehoben. Jede durch ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung entstandene Schwangerschaft muss an ein zentrales Register gemeldet werden, in dem die Daten des Spenders für mindestens 110 Jahre gespeichert werden. Das auf diese Weise gezeugte Kind erhält spätestens mit Erreichen des 16. Lebensjahres ein Recht auf Auskunft über die Identität des Spenders. Infolge der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28.01.2015) wurde damit das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung über das Persönlichkeitsrecht gestärkt.

Welche Bedeutung hat das Embryonenschutzgesetz bei der künstlichen Befruchtung?

Das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG) schützt nicht nur die Würde und das Recht des ungeborenen Lebens, sondern regelt auch klar, welche Verfahren in Deutschland zulässig oder verboten sind. So ist beispielsweise die künstliche Befruchtung mittels Eizellspende, die Leihmutterschaft, die Embryonenselektion sowie das Klonen menschlicher Embryonen in jeglicher Form strafbar. Auch der Vorrat an Embryonen („Embryonendeponie“) ist untersagt. Das Gesetz regelt außerdem ausdrücklich, dass nur so viele Eizellen befruchtet werden dürfen, wie innerhalb eines Zyklus der Frau übertragen werden sollen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG). Verstöße gegen das Gesetz können zu Freiheits- oder Geldstrafen führen.

Wie wird der Umgang mit Auslandsspenden (z.B. Eizellspende oder Leihmutterschaft) rechtlich bewertet?

In Deutschland sind sowohl die Eizellspende als auch die Leihmutterschaft ausdrücklich verboten und stehen unter Strafe (§ 1 ESchG). Reisen Paare ins Ausland und lassen dort eine entsprechende Behandlung durchführen, können sie nach Rückkehr erhebliche rechtliche Probleme bekommen, insbesondere bei der Anerkennung von ausländischen Geburtsurkunden und der Elternschaft. Während das deutsche Recht an der Geburtsmutter- und sozialem Vater-Konstellation festhält, müssen die deutschen Standesämter meist prüfen, ob eine im Ausland durchgeführte Leihmutterschaft deutschen Grundwerten entspricht. In der Regel werden in Deutschland geborene Kinder von Leihmüttern daher nicht den Bestimmungen entsprechend ins hiesige Register eingetragen.

Welche Informationsrechte hat das durch künstliche Befruchtung gezeugte Kind bezüglich seiner Abstammung?

Das Kind hat ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf Kenntnis seiner Abstammung, das durch das SaRegG explizit konkretisiert wird. Ab dem 16. Lebensjahr kann das Kind beim Samenspenderregister Auskunft über die Identität des Spenders verlangen (§ 10 SaRegG). Auch vorher haben Sorgeberechtigte ein Auskunftsrecht aus Gründen des Kindeswohls. Die medizinische Einrichtung ist zudem verpflichtet, die für eine spätere Auskunftserteilung notwendigen Daten ordnungsgemäß und sicher zu verwahren. Bei anderen Formen künstlicher Fortpflanzung (z.B. Embryonenspende) gilt dieses Recht sinngemäß, soweit eine Dokumentation erfolgt ist.