Kündigungssperre
Die Kündigungssperre ist ein zentraler Begriff im deutschen Zivil- und Arbeitsrecht und bezeichnet das im Gesetz oder durch vertragliche Vereinbarung geregelte Verbot, ein bestehendes Vertragsverhältnis für eine bestimmte Zeit durch Kündigung zu beenden. Kündigungssperren spielen insbesondere im Mietrecht, Arbeitsrecht, bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum und im Sozialrecht eine bedeutende Rolle. Sie dienen dem Schutz von Vertragsparteien vor nachteiligen Konsequenzen durch die vorzeitige Beendigung von Verträgen. Im Folgenden werden die verschiedenen rechtlichen Aspekte der Kündigungssperre im Detail erläutert.
Definition und Charakteristik
Die Kündigungssperre bewirkt eine vorübergehende oder dauerhafte Einschränkung oder den Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit eines Vertragsverhältnisses. Innerhalb des Sperrzeitraums entfällt das Recht zur ordentlichen Kündigung vollständig; ordentliche Kündigungen, die gleichwohl erklärt werden, sind nichtig. Außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund bleiben allerdings in der Regel von einer Kündigungssperre unberührt, sofern nicht ausdrücklich auch diese ausgeschlossen wurden.
Kündigungssperre im Mietrecht
Kündigungssperre bei Umwandlung in Wohnungseigentum
Im Mietrecht ist die Kündigungssperre vor allem im Kontext der Umwandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum gesetzlich geregelt. Gemäß § 577a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besteht für Erwerber einer in Wohnungseigentum umgewandelten Wohnung eine mehrjährige Kündigungssperre zugunsten der Mietenden.
Gesetzliche Regelung (§ 577a BGB)
Wird ein Mietshaus in Eigentumswohnungen aufgeteilt und verkauft, so darf der neue Eigentümer eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs oder zur wirtschaftlichen Verwertung frühestens nach Ablauf von drei Jahren aussprechen. Die Frist kann durch Rechtsverordnung auf bis zu zehn Jahre verlängert werden (Sonderregelung vieler Großstädte mit angespannter Wohnungslage).
Zielsetzung
Die Regelung schützt Mietende vor Eigenbedarfskündigungen kurz nach Umwandlung der Wohnung und bezweckt den Erhalt bestehender Mietverhältnisse in angespannten Wohnungsmärkten. Die Kündigungssperrfrist beginnt mit der erstmaligen Veräußerung der Wohnung nach der Umwandlung.
Ausnahmefälle und Rechtsfolgen
Kündigungen, die innerhalb der Sperrfrist ausgesprochen werden, sind unwirksam. Die Gründe für eine außerordentliche, fristlose Kündigung bleiben jedoch von der Sperrklausel unberührt.
Kündigungssperre im Mietvertrag
Darüber hinaus können Vermieter und Mieter einvernehmlich im Mietvertrag eine individuelle Kündigungssperre – sogenannte Kündigungsverzichtsklausel – vereinbaren, beispielsweise für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren (§ 573c Abs. 4 BGB). Während dieser Zeit ist die ordentliche Kündigung beider Parteien oder einer Partei ausgeschlossen.
Kündigungssperre im Arbeitsrecht
Tarifliche Kündigungssperre
Im Arbeitsrecht existieren Kündigungssperren überwiegend als tariflich oder einzelvertraglich vereinbarte Regelungen. Häufig enthalten Tarifverträge Kündigungssperrfristen, etwa nach einer Betriebsübernahme oder im Zusammenhang mit Interessenausgleichen und Sozialplänen.
Beispiel: Betriebsübergang (§ 613a BGB)
Nach einem Betriebsübergang ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Übergangs auf einen neuen Inhaber gemäß § 613a Abs. 4 BGB unzulässig. Ergänzend regeln viele Tarifverträge, dass für bestimmte Zeiträume betriebsbedingte Beendigungen ausgeschlossen sind.
Vereinbarte Kündigungssperre
Im individuellen Arbeitsvertrag können befristete Kündigungsausschlüsse enthalten sein. Sie sind zulässig, sofern sie nicht zu einer unzulässigen unangemessenen Benachteiligung führen oder gegen gesetzliche Mindeststandards (beispielsweise das Recht auf außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB) verstoßen.
Kündigungssperre im Sozialrecht
Mietkündigungssperre bei Sozialbindungen
Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus bestehen Kündigungssperren kraft Gesetzes oder aufgrund der Förderbestimmungen. Diese Sperrfristen betreffen typischerweise öffentlich geförderte Mietwohnungen und können lange Zeiträume – von fünf bis zu 15 Jahre – umfassen.
Inanspruchnahme von sozialen Leistungen
Kündigungssperrzeiten existieren auch im Bereich des Arbeitsförderungsrechts, etwa bei Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld nach Eigenkündigung (§ 159 SGB III). In diesem Zusammenhang ist jedoch die Verwendung des Begriffs Kündigungssperre nicht mit der materiellen Kündigungssperre im Zivilrecht gleichzusetzen, sondern bezeichnet einen Zeitraum, in dem Ansprüche ruhen.
Dingliche Kündigungssperre im Sachenrecht
Auch im Sachenrecht finden sich Fälle von Kündigungssperren, beispielweise bei vertraglich vereinbarten Rentenpachtverträgen oder Nießbrauchvereinbarungen, die für eine gewisse Zeitdauer von beiden Vertragsparteien nicht ordentlich kündbar sind. Hier dient die Kündigungssperre der Verlässlichkeit und Beständigkeit der vereinbarten Nutzungsrechte.
Rechtsprechung und Wirksamkeit
Zulässigkeit und Grenzen
Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt strenge Anforderungen an die Vereinbarung und Auslegung von Kündigungssperren. Zu lange Kündigungssperrfristen, die das grundsätzliche Kündigungsrecht aushöhlen, werden als sittenwidrig oder unangemessen angesehen und sind nichtig.
Beispielhafte Rechtsprechung
- Bundesgerichtshof (BGH), 08.12.2004 – VIII ZR 218/03: Kündigungsverzichtsklauseln von bis zu vier Jahren können individualvertraglich als zulässig angesehen werden.
- Bei formularmäßigen, unbefristeten Kündigungsausschlüssen besteht die Gefahr der Unwirksamkeit wegen unangemessener Benachteiligung gemäß §§ 305 ff. BGB.
Folgen der Kündigungssperre
Die Vereinbarung oder gesetzliche Anordnung einer Kündigungssperre führt dazu, dass während des Sperrzeitraums Kündigungen entweder insgesamt oder für bestimmte Parteien unwirksam sind. Wird dennoch eine Kündigung erklärt, so hat diese keine Rechtswirkung. Eine Umgehung durch Beendigung der Vertragsverhältnisse auf alternativen Wegen (z.B. durch Aufhebungsvertrag) bleibt hingegen möglich, sofern keine weiteren Einschränkungen greifen.
Zusammenfassung
Die Kündigungssperre ist ein vielseitiges Rechtsinstitut mit hoher praktischer Bedeutung. Sie dient dem Bestandsschutz von Vertragsverhältnissen, insbesondere im Miet- und Arbeitsrecht sowie im Sozial- und Sachenrecht. Kündigungssperren können sich aus Gesetz, Rechtsprechung oder vertraglicher Vereinbarung ergeben und sind stets im Spannungsfeld zwischen Vertragsfreiheit und dem Bedürfnis nach planbarer Rechtsbindung zu betrachten. Die Beachtung der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und möglichen Ausnahmen ist bei der Gestaltung und Prüfung von Kündigungssperren und den daraus resultierenden Rechtsfolgen unbedingt erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
Welche Personengruppen sind in Deutschland durch eine Kündigungssperre besonders geschützt?
Bestimmte Personengruppen genießen in Deutschland einen besonderen Kündigungsschutz, der über den allgemeinen Kündigungsschutz hinausgeht und teils mit expliziten Kündigungssperren verknüpft ist. Hierzu zählen unter anderem Schwangere und Mütter während der Elternzeit nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) und dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), schwerbehinderte Menschen gemäß Sozialgesetzbuch IX (SGB IX), Mitglieder von Betriebs- und Personalräten gemäß Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) nach der Probezeit. Bei diesen Personen ist eine Kündigung grundsätzlich während bestimmter Fristen oder unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich, beispielsweise mit vorheriger Zustimmung einer zuständigen Behörde, wie dem Integrationsamt im Falle schwerbehinderter Menschen oder der Aufsichtsbehörde bei schwangeren Arbeitnehmerinnen. Zusätzlich können auch tarifvertragliche oder einzelvertragliche Regelungen eine Kündigungssperre vorsehen.
Wie lang kann eine Kündigungssperre andauern und wovon hängt ihre Dauer ab?
Die Dauer einer Kündigungssperre ist abhängig von der jeweiligen gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Regelung, die sie begründet. Beispielsweise gilt bei Schwangeren eine Kündigungssperre von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung (§ 17 MuSchG). Bei der Inanspruchnahme von Elternzeit besteht die Sperre in der Regel für die Dauer der Elternzeit, maximal bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes (§ 18 BEEG). Im Fall schwerbehinderter Menschen besteht ein besonderer Kündigungsschutz grundsätzlich während des gesamten Beschäftigungsverhältnisses, wobei eine Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamtes zulässig ist (§ 168 SGB IX). Bei Betriebsratsmitgliedern besteht der Schutz während ihrer Amtszeit und einen gewissen Zeitraum darüber hinaus (§ 15 KSchG). Die Kündigungssperre kann also zeitlich begrenzt oder an die Ausübung eines Mandats oder einen bestimmten Status gekoppelt sein.
Gibt es Möglichkeiten, eine Kündigung trotz bestehender Kündigungssperre auszusprechen?
Eine ordentliche Kündigung ist während einer Kündigungssperre grundsätzlich ausgeschlossen, es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen eine Kündigung unter bestimmten Voraussetzungen dennoch möglich sein kann. Die häufigste Ausnahme ist die außerordentliche (fristlose) Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB. So kann einem Mitarbeiter trotz Kündigungssperre dann gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht zumutbar ist, etwa bei schweren Pflichtverletzungen. Auch hier gelten jedoch erhöhte Anforderungen, und in den meisten Fällen ist vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung einer Behörde (z. B. des Integrationsamtes bei schwerbehinderten Beschäftigten oder der Aufsichtsbehörde bei Schwangeren) einzuholen. Zudem können die jeweils geltenden Schutzgesetze weitere Einschränkungen oder Verfahrensvorschriften enthalten.
Welche behördlichen Genehmigungen sind bei der Kündigung während einer Sperrfrist erforderlich?
Wird während einer Kündigungssperre eine Kündigung beabsichtigt, bedarf es in vielen Fällen der vorherigen Zustimmung einer zuständigen Behörde. Bei schwerbehinderten Menschen ist das Integrationsamt zuständig (§ 168 SGB IX); eine Kündigung ohne diese Zustimmung ist unwirksam. Bei schwangeren Frauen oder Frauen in Mutterschutzzeiten ist eine Zustimmung der zuständigen Arbeitsschutzbehörde erforderlich (§ 17 MuSchG). Bei Mitgliedern des Betriebsrates ist die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich, und im Falle einer außerordentlichen Kündigung muss diese durch das Arbeitsgericht ersetzt werden, wenn der Betriebsrat nicht zustimmt (§ 103 BetrVG). Diese behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren dienen dem besonderen Schutz der Betroffenen und stellen eine hohe formale Hürde für die Kündigung dar.
Kann eine Kündigungssperre vertraglich vereinbart werden, und ist diese rechtlich bindend?
Neben den gesetzlichen und tariflichen Regelungen zur Kündigungssperre besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, individuelle Kündigungssperren im Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Solche vertraglichen Regelungen sind rechtlich bindend, sofern sie nicht gegen zwingende gesetzliche Schutzvorschriften verstoßen oder den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Typisch sind z. B. Klauseln, die eine Mindestbeschäftigungsdauer vorschreiben oder eine Kündigung für einen bestimmten Zeitraum ausschließen (Befristung, sog. Kündigungsverzicht). Die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen hängt jedoch davon ab, dass sie beiden Parteien gleiche Rechte einräumen (gleichzeitiger Verzicht von Arbeitgeber und Arbeitnehmer) und die vereinbarte Sperrfrist in einem angemessenen Verhältnis zu den Interessen der Parteien steht. Zu lange Kündigungssperren können gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) verstoßen und somit unwirksam sein.
Welche Rechtsfolgen hat eine unwirksam ausgesprochene Kündigung während einer Kündigungssperre?
Wird eine Kündigung während einer bestehenden Kündigungssperre ohne Einhaltung der erforderlichen gesetzlichen Vorschriften oder ohne erforderliche behördliche Zustimmung ausgesprochen, ist diese Kündigung grundsätzlich nichtig und damit rechtlich unwirksam. Das Arbeitsverhältnis bleibt in diesem Fall fortbestehen, und der betroffene Arbeitnehmer kann weiterhin seine Arbeitsleistung anbieten und Anspruch auf Arbeitsvergütung erheben. Der Arbeitnehmer hat das Recht, gegen eine solche Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung zu erheben (§ 4 KSchG). Erfolgt keine Klage innerhalb dieser Frist, gilt die Kündigung als wirksam, es sei denn, sie ist offensichtlich nichtig (z. B. fehlende behördliche Zustimmung bei gesetzlich vorgeschriebener Genehmigung).
Müssen Arbeitgeber den Arbeitnehmer über bestehende Kündigungssperren informieren?
Eine allgemeine, gesetzliche Pflicht, Arbeitnehmer ausdrücklich über bestehende Kündigungssperren aufzuklären, besteht nicht. Allerdings sind Arbeitgeber verpflichtet, die einschlägigen Schutzrechte einzuhalten und dürfen nicht irrtümlich oder wider besseren Wissens eine Kündigung aussprechen, die gegen eine gesetzliche Sperre verstößt. Kommt es dennoch zu einer Kündigung, trägt der Arbeitgeber das Risiko der Unwirksamkeit, und er kann sich nicht darauf berufen, dass der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig informiert hat (bspw. bei einer erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses mitgeteilten Schwangerschaft). In einzelnen Fällen, wie bei Betriebsübergängen (§ 613a BGB), besteht eine Informationspflicht über Kündigungsschutzregelungen, die bei Nichtbeachtung zu Schadensersatzpflichten führen kann.