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Kündigungsfristen im Arbeitsrecht


Definition und Bedeutung von Kündigungsfristen im Arbeitsrecht

Kündigungsfristen im Arbeitsrecht bezeichnen die gesetzlichen oder vertraglich geregelten Zeiträume, die zwischen dem Zugang einer Kündigungserklärung und der tatsächlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses liegen. Sie dienen dem Schutz beider Vertragsparteien, indem sie sowohl Arbeitnehmerinnen als auch Arbeitgeberinnen Planungssicherheit und einen angemessenen Zeitraum zur Neuorientierung oder zur Neubesetzung von Stellen ermöglichen. Die gesetzlichen Vorgaben zu Kündigungsfristen sind im Wesentlichen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, können jedoch durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Arbeitsverträge erweitert oder modifiziert werden.


Gesetzliche Grundlagen der Kündigungsfristen

§ 622 BGB: Zentrale Norm für Kündigungsfristen

Die maßgeblichen Vorschriften zu Kündigungsfristen im Individualarbeitsrecht finden sich in § 622 BGB. Diese Regelungen unterscheiden zwischen der ordentlichen Kündigung seitens des Arbeitgebers und jener durch die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer.

Kündigungsfrist durch den Arbeitnehmer

Gemäß § 622 Absatz 1 BGB beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist für Arbeitnehmerinnen bei einer ordentlichen Kündigung vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats.

Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber

Die Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber ist abhängig von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und staffelt sich wie folgt:

  • 2 Jahre Betriebszugehörigkeit: 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats
  • 5 Jahre Betriebszugehörigkeit: 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats
  • 8 Jahre Betriebszugehörigkeit: 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats
  • 10 Jahre Betriebszugehörigkeit: 4 Monate zum Ende eines Kalendermonats
  • 12 Jahre Betriebszugehörigkeit: 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats
  • 15 Jahre Betriebszugehörigkeit: 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats
  • 20 Jahre Betriebszugehörigkeit: 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats

Maßgeblich für die Berechnung ist das ununterbrochene Bestehen des Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber.

Abweichende Vereinbarungen

Von den gesetzlichen Vorschriften kann durch Tarifverträge oder einzelvertragliche Abreden abgewichen werden, jedoch sind die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen zu beachten. Vertragsklauseln, die zum Nachteil der Arbeitnehmerinnen von den gesetzlichen Vorgaben abweichen, sind in der Regel unwirksam, es sei denn, sie sind durch einen Tarifvertrag geregelt.


Sonderregelungen und Ausnahmen

Probezeit

Während einer vereinbarten Probezeit, die maximal sechs Monate betragen darf, können beide Parteien das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen kündigen (§ 622 Abs. 3 BGB). Eine weitere Verkürzung ist nur unter engen tariflichen Voraussetzungen möglich.

Befristete Arbeitsverhältnisse

Befristete Arbeitsverhältnisse enden in der Regel automatisch mit dem Ablauf der vereinbarten Zeit. Eine ordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn dies individualvertraglich oder tariflich ausdrücklich vereinbart wurde. Für eine außerordentliche Kündigung sind die allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen maßgeblich.

Besondere Personengruppen

Für bestimmte Personengruppen gelten gesonderte Kündigungsfristen oder Kündigungsschutzvorschriften:

  • Schwerbehinderte Menschen: Kündigung nur mit Zustimmung des Integrationsamtes, besondere Verlängerungen der Kündigungsfrist sind möglich.
  • Beamte: Für Beamtinnen gelten gesonderte rechtliche Regelungen außerhalb des BGB.
  • Schwangere und Personen in Elternzeit: Personen mit besonderem Kündigungsschutz unterliegen besonderen Regelungen nach dem Mutterschutzgesetz bzw. Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.

Auswirkungen und Konsequenzen von Kündigungsfristen

Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung

Eine nicht eingehaltene Kündigungsfrist führt im Regelfall zur Unwirksamkeit der Kündigung im Sinne eines vorzeitigen Ausscheidens. Das Arbeitsverhältnis besteht bis zum Ablauf der ordnungsgemäßen Kündigungsfrist fort. Erst dann endet das Arbeitsverhältnis rechtlich.

Schadensersatzansprüche

Verstößt eine Partei gegen die vertraglich oder gesetzlich festgelegte Kündigungsfrist, kann die andere Partei unter Umständen Schadensersatz verlangen. Die Höhe des Schadens bemisst sich regelmäßig am entgangenen Arbeitsentgelt oder an den Kosten einer Ersatzkraft.


Kündigungsfristen in Tarifverträgen und Arbeitsverträgen

Gestaltungsspielräume

Arbeits- und Tarifverträge bieten Gestaltungsspielräume, um Kündigungsfristen über das gesetzliche Maß hinaus zu verlängern. Eine Verkürzung ist regelmäßig nur durch Tarifvertrag und meist nur zugunsten der Arbeitnehmerinnen zulässig.

Tarifvertragliche Regelungen

Tarifverträge gehen den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich vor und können sowohl abweichende als auch spezifisch ausgestaltete Kündigungsfristen enthalten. Dies gilt sowohl für einzelne Branchen als auch für bestimmte Berufsgruppen.


Praktische Hinweise zur Berechnung und Fristwahrung

Zugang der Kündigung

Die Kündigungsfrist beginnt mit dem Zugang der Kündigungserklärung bei der Gegenseite. Der Nachweis für den rechtzeitigen Zugang liegt immer beim Absender. Es empfiehlt sich daher, Kündigungen nachweisbar (z. B. per Einschreiben oder per Boten) zuzustellen.

Fristberechnung

Die Frist wird nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches berechnet (§§ 187 ff. BGB). Fällt das Ende der Frist auf einen gesetzlichen Feiertag oder ein Wochenende, so endet die Kündigungsfrist dennoch an diesem Tag.


Relevanz im Kündigungsschutzrecht

Kündigungsfristen sind ein zentrales Element des Kündigungsschutzrechts und bilden einen wichtigen Mechanismus zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in Deutschland. Sie stehen im engen Zusammenhang mit anderen Schutzvorschriften wie dem Kündigungsschutzgesetz, dem Mutterschutzgesetz und dem Schwerbehindertenrecht.


Schlussbetrachtung

Kündigungsfristen im Arbeitsrecht sind ein grundlegendes Instrument zur Regelung des fairen und gesicherten Endes von Arbeitsverhältnissen. Die gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Normen bilden dabei das rechtliche Fundament und sorgen für Transparenz, Rechtssicherheit und Planungssicherheit auf beiden Seiten des Arbeitsvertrages. Eine genaue Kenntnis und Beachtung der maßgeblichen Regelungen ist für ebenso für Arbeitgeber- wie Arbeitnehmendenseite von hoher Bedeutung, um etwaige rechtliche Nachteile und Folgeansprüche zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Kündigungsfristen gelten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gelten nach § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmte gesetzliche Kündigungsfristen. Grundsätzlich beträgt die gesetzliche Grundkündigungsfrist für Arbeitnehmer vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats. Für Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers stufenweise: ab zwei Jahren auf einen Monat zum Monatsende, ab fünf Jahren auf zwei Monate, ab acht Jahren auf drei Monate und so weiter, bis maximal sieben Monate nach zwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit. Diese längeren Fristen gelten jedoch ausschließlich für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag können jedoch auch andere, meist längere, Fristen vereinbart werden, sofern diese die gesetzlichen Mindestvorgaben nicht unterschreiten und keine Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, da eine Verkürzung grundsätzlich unzulässig ist.

Können im Arbeitsvertrag individuelle Kündigungsfristen vereinbart werden?

Individuelle Kündigungsfristen können grundsätzlich im Arbeitsvertrag geregelt werden. Dabei darf die vertraglich vereinbarte Frist jedoch nicht kürzer sein als die gesetzliche Mindestkündigungsfrist gemäß § 622 BGB. Eine Verlängerung der Kündigungsfristen im Vertrag ist zulässig und üblich, muss jedoch für beide Parteien gleich lang ausgestaltet sein, sofern kein Tarifvertrag abweichende Regelungen vorsieht. Wird nur die Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer verlängert, so ist diese Regelung in der Regel unwirksam, es sei denn, ein Tarifvertrag sieht dies ausdrücklich vor. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist eine ordentliche Kündigung in aller Regel ausgeschlossen, sofern dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde.

Gelten während der Probezeit besondere Kündigungsfristen?

Ja, während einer vereinbarten Probezeit, die maximal sechs Monate dauern darf (§ 622 Abs. 3 BGB), gilt eine verkürzte Kündigungsfrist von zwei Wochen. Diese Frist gilt für beide Vertragsparteien, unabhängig davon, was im Arbeitsvertrag steht, sofern keine noch kürzere Frist tarifvertraglich verankert ist. Auch während der Probezeit muss die Kündigung schriftlich erfolgen, und es müssen alle arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen wie etwa der allgemeine oder besondere Kündigungsschutz beachtet werden.

Welche Fristen gelten bei einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung?

Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung muss kein Ablauf einer regulären Kündigungsfrist abgewartet werden. Die Kündigung ist mit Zugang beim Empfänger sofort wirksam. Allerdings muss der Kündigungsgrund so schwerwiegend sein, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist (§ 626 BGB). Der Kündigende muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme des Kündigungsgrundes aussprechen. Nach Ablauf dieser Ausschlussfrist kann sich der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer nicht mehr auf diesen Grund berufen.

Wie wirken sich tarifvertragliche Regelungen auf die gesetzlichen Kündigungsfristen aus?

Tarifverträge haben Vorrang vor gesetzlichen Regelungen, sofern sie für das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbar sind. Sie können sowohl längere als auch kürzere Kündigungsfristen als das Gesetz vorsehen, sofern sie den Schutz des Arbeitnehmers nicht wesentlich unterschreiten (§ 622 Abs. 4 BGB). Die im Tarifvertrag festgelegten Fristen sind für tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbindlich. Ist der Arbeitsvertrag weder tariflich gebunden noch enthält er individualrechtliche Abreden zu Kündigungsfristen, gelten die gesetzlichen Fristen.

Gibt es Sonderkündigungsfristen bei bestimmten Personengruppen (z.B. Schwerbehinderte, Schwangere)?

Für besondere Personengruppen existieren zusätzliche Schutzvorschriften bezüglich der Kündigung, die Einfluss auf die Kündigungsfristen und die Zulässigkeit der Kündigung selbst haben können. So genießen beispielsweise Schwangere, Personen in Elternzeit und schwerbehinderte Menschen einen besonderen Kündigungsschutz. Bei Schwerbehinderten ist gemäß § 168 SGB IX vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Erst nach erteilter Zustimmung beginnt die Kündigungsfrist zu laufen. Auch bei Schwangeren gilt: Die Kündigung bedarf der behördlichen Zustimmung und ist ohne diese unwirksam, sodass eine Kündigungsfrist nicht in Gang gesetzt wird.

Wann gilt eine Kündigung als zugegangen und ab wann beginnt die Kündigungsfrist?

Eine Kündigung gilt rechtlich als zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Dies ist bei einer persönlichen Übergabe sofort der Fall. Bei Zustellung per Post gilt die Kündigung in der Regel am nächsten Werktag nach Einwurf oder Übergabe beim Empfänger als zugegangen. Die Kündigungsfrist beginnt am Tag nach dem Zugang der Kündigung zu laufen. Kann der Zugang der Kündigung nicht eindeutig nachgewiesen werden, trägt der Kündigende das Risiko. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Kündigung mit Empfangsbestätigung oder als Einschreiben zu versenden.