Begriff und Rechtsgrundlagen der Kreisverordnung
Die Kreisverordnung ist ein normatives Regelungsinstrument im deutschen Verwaltungsrecht. Sie bezeichnet eine von der Kreisverwaltung, oft vertreten durch den Kreistag oder den Landrat, erlassene Rechtsverordnung auf Grundlage entsprechender Ermächtigungen durch Bundes- oder Landesgesetze. Kreisverordnungen dienen zur Regelung von Angelegenheiten im eigenen oder übertragenen Wirkungskreis eines Landkreises und knüpfen an die gesetzlich eingeräumten Befugnisse der kommunalen Selbstverwaltung an.
Rechtliche Einordnung der Kreisverordnung
Kreisverordnungen zählen zu den untergesetzlichen Normen und stehen im Rang unter dem förmlichen Gesetz, aber über Verwaltungsakten. Sie werden zur Konkretisierung und Umsetzung bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften im Hinblick auf regionale Besonderheiten eingesetzt. Die Ermächtigungsgrundlage, verbunden mit dem Bestimmtheitsgrundsatz, bildet die rechtliche Grenze für den Regelungsgehalt und die Zulässigkeit einer Kreisverordnung.
Abgrenzung zu kommunalen Satzungen
Die Kreisverordnung ist von kommunalen Satzungen zu unterscheiden. Während Satzungen überwiegend das Innenverhältnis und die Selbstverwaltung betreffen, entfaltet die Kreisverordnung Außenwirkung und konkretisiert gesetzliche Vorgaben für den gesamten Kreisbereich oder dessen Teilgebiete. Die Kreisverordnung kann hoheitliche Regelungsinhalte haben und gegebenenfalls gegenüber jedermann gelten.
Gesetzliche Grundlagen
Verfassungsrechtliche Basis
Die Kreisverordnung steht im Kontext des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 2 GG), das den Landkreisen das Recht auf Selbstverwaltung garantiert. Die Befugnis zum Erlass von Kreisverordnungen und die Form ihrer Verabschiedung sind regelmäßig im entsprechenden Kommunalverfassungsrecht der Länder sowie in speziellen Fachgesetzen geregelt.
Landesrechtliche Ausgestaltung
In den jeweiligen Gemeinde- und Kreisordnungen oder Kommunalverfassungen der Bundesländer wird die Befugnis zum Erlass von Kreisverordnungen konkretisiert. Diese Vorschriften regeln insbesondere:
- Das Verfahren zum Erlass einer Kreisverordnung
- Die Veröffentlichungspflicht und das In-Kraft-Treten
- Die inhaltlichen Grenzen und Kontrollen
Beispiele für einschlägige Normen sind § 17 Kreisordnung Nordrhein-Westfalen (KrO NRW) oder die entsprechenden Vorschriften der Kommunalverfassungen anderer Bundesländer.
Inhalt und Anwendungsbereiche der Kreisverordnung
Typische Regelungsgebiete
Kreisverordnungen werden regelmäßig in folgenden Bereichen erlassen:
- Öffentliche Sicherheit und Ordnung (z.B. Gefahrenabwehr, Katastrophenschutz)
- Straßen- und Verkehrsrecht (z.B. Nutzung von Kreisstraßen, Verkehrsregelungen)
- Umweltschutz und Abfallrecht
- Gesundheitsschutz, insbesondere Infektionsschutz auf Landkreisebene
- Gestaltung und Einrichtung von kommunalen Einrichtungen oder Anlagen
Die Kreisverordnung kann dabei allgemeine und abstrakte Regelungen enthalten, die eine Vielzahl von Sachverhalten und Personen betreffen.
Verfahren zum Erlass einer Kreisverordnung
Der Weg zur Kreisverordnung beginnt mit dem Vorliegen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Das Verfahren umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Entwurf einer Verordnung durch die Kreisverwaltung
- Beteiligung des Kreistages bzw. des Landrats als beschlussfassendem Organ
- Veröffentlichung und Inkrafttreten, meist im amtlichen Verkündungsblatt des Kreises
- Gegebenenfalls aufsichtsrechtliche Kontrolle durch staatliche Behörden
Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz
Bei bestimmten Verordnungen, etwa im Umweltrecht, besteht eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung. Betroffene Personen oder Institutionen haben die Möglichkeit, gegen eine Kreisverordnung vorzugehen, beispielsweise mittels Normenkontrollklage nach den Verwaltungsgerichtsordnungen der Länder.
Rechtskontrolle und Aufhebung
Kontrolle auf Rechtmäßigkeit
Kreisverordnungen unterliegen einer umfassenden Rechtskontrolle, insbesondere hinsichtlich
- der Einhaltung der Ermächtigungsgrundlage
- des Bestimmtheitsgebotes
- der Verhältnismäßigkeit
Zuständig für die Kontrolle der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit sind die Verwaltungsgerichte. Auch eine aufsichtsrechtliche Beanstandung oder Aufhebung durch die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde ist möglich.
Außerkrafttreten und Aufhebung
Eine Kreisverordnung kann entweder durch eine Nachfolgeverordnung, formale Aufhebung oder Zeitablauf (soweit vorgesehen) außer Kraft treten. Änderungen oder Aufhebungen müssen im gleichen Verfahren wie der ursprüngliche Erlass erfolgen.
Bedeutung der Kreisverordnung für die Praxis
Die Kreisverordnung hat für die Verwaltungspraxis hohe Bedeutung, da sie den Spielraum der Kreise bei der Ausgestaltung gesetzlicher Vorgaben nutzt und regionale Besonderheiten berücksichtigt. Sie trägt zum flexiblen Verwaltungshandeln und zur rechtsstaatlichen Konkretisierung gesetzlicher Rahmenbedingungen im lokalen Kontext bei.
Bedeutung für Bürgerinnen und Bürger
Für die Einwohner des betroffenen Landkreises stellen Kreisverordnungen verbindliche Regelungen dar. Verstöße können mit Bußgeldern oder anderen Sanktionen geahndet werden, sofern hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht.
Quellen und weiterführende Informationen
- Kommunalverfassungen und Kreisordnungen der Bundesländer
- Grundgesetz (GG), insbesondere Art. 28 Abs. 2
- Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
- Veröffentlichungen amtlicher Bekanntmachungsorgane der Landkreise
Durch die klare Regelungskompetenz und Verfahrensstrukturen ist die Kreisverordnung ein zentrales Instrument der rechtsstaatlich organisierten kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist zur Umsetzung einer Kreisverordnung verpflichtet?
Zur Umsetzung einer Kreisverordnung sind in erster Linie die Stellen und Personen verpflichtet, die im Regelungsbereich der Verordnung ausdrücklich genannt werden. Das sind in der Regel die Einwohner und Unternehmen des betroffenen Landkreises, auf deren Handlungen oder Unterlassungen sich die jeweilige Verordnung bezieht. Gleichzeitig obliegt die Durchsetzung der Kreisverordnung der Kreisverwaltung beziehungsweise den nachgeordneten Behörden, wie beispielsweise dem Ordnungsamt oder den Bauaufsichtsbehörden. Sie überwachen nicht nur die Einhaltung der angeordneten Maßnahmen, sondern verhängen im Falle von Verstößen auch Sanktionen, wie etwa Bußgelder oder andere Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen. Rechtsgrundlage hierfür sind die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften, häufig im Kommunalrecht oder in spezifischeren Fachgesetzen.
In welchem Verfahren wird eine Kreisverordnung erlassen?
Das Verfahren zum Erlass einer Kreisverordnung richtet sich grundsätzlich nach den Vorgaben der Gemeinde- und Kreisordnungen der jeweiligen Bundesländer. Der Erlass erfolgt durch den Kreistag oder durch den Landrat als gesetzliches Organ, sofern dies die Geschäftsordnung oder spezifische Landesgesetze vorsehen. Zunächst ist die Erarbeitung eines Entwurfs erforderlich, der innerhalb der Kreisverwaltung abgestimmt wird. Regelmäßig folgt eine Beteiligung verschiedener öffentlicher Stellen oder beratender Gremien. Anschließend wird der Entwurf dem zuständigen Ausschutz des Kreistags zur Beratung vorgelegt, bevor die Abstimmung im Kreistag, dem beschlussfassenden Organ, erfolgt. Eine wirksame Veröffentlichung, beispielsweise im Amtsblatt, ist für das Inkrafttreten zwingend erforderlich. Darüber hinaus gelten, je nach Regelungsmaterie, gegebenenfalls besondere Beteiligungs- oder Anhörungsverfahren, etwa wenn Grundrechte berührt werden.
Welche rechtlichen Schranken bestehen für Kreisverordnungen?
Kreisverordnungen unterliegen strengen rechtlichen Schranken. Primär dürfen sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere nicht gegen Bundes- und Landesgesetze sowie Verfassungsrecht und das Europarecht. Die Ermächtigungsgrundlage, also das zugrundeliegende Gesetz oder die Verordnung, muss eindeutig vorliegen und der Kreisverwaltung ausdrücklich die Befugnis zum Erlass der Regelung verleihen. Die Verordnung muss zudem das Gebot der Verhältnismäßigkeit, Bestimmtheit und Normenklarheit einhalten. Das bedeutet, sie darf keine unverhältnismäßigen Eingriffe in Rechte Dritter vorsehen und muss so formuliert sein, dass die Betroffenen erkennen können, welche Pflichten oder Verbote für sie bestehen. Kommt es zu einem Verstoß gegen diese Schranken, ist die Verordnung ganz oder teilweise rechtswidrig und damit nichtig.
Wie kann gegen eine Kreisverordnung vorgegangen werden?
Betroffene können sich auf dem Rechtsweg gegen Kreisverordnungen zur Wehr setzen. Grundsätzlich ist hierfür der Weg einer sogenannten Normenkontrollklage vorgesehen, sofern das jeweilige Landesrecht eine solche vorsieht. Damit kann die Rechtmäßigkeit der Verordnung durch das zuständige Verwaltungsgericht überprüft werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Einzelfallanordnungen, die auf Grundlage einer Kreisverordnung ergehen – z. B. Bußgeldbescheide – mit Widerspruch und anschließender Anfechtungsklage anzugreifen, sofern keine aufschiebende Wirkung ausgeschlossen ist. Besonders bei gravierenden Verstößen gegen übergeordnete Rechte sind einstweilige Anordnungen oder Eilanträge zur Aussetzung der Vollziehung möglich.
Welches Verhältnis besteht zwischen Kreisverordnung und Gemeindesatzung?
Kreisverordnungen und Gemeindesatzungen sind beides Instrumente des Ortsrechts, unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer rechtlichen Stellung und des Geltungsbereichs. Während eine Satzung von einer Gemeinde für ihr eigenes Gebiet erlassen wird, gilt eine Kreisverordnung für den gesamten Landkreis. Gemeindesatzungen dürfen nicht im Widerspruch zu einer wirksamen Kreisverordnung stehen; umgekehrt darf eine Kreisverordnung auch nicht in den Regelungsbereich der Selbstverwaltung der Gemeinden eingreifen, sofern nicht höherrangiges Recht dies ausdrücklich erlaubt. In der Rangfolge steht das Geschehen nach dem Prinzip der Spezialität und Subsidiarität: Spezifische Regelungen auf Gemeindeebene gehen allgemeinen kreislichen Vorschriften vor, wenn sie für den betroffenen Sachverhalt einschlägig und rechtmäßig sind.
Wann wird eine Kreisverordnung unwirksam oder aufgehoben?
Die Unwirksamkeit einer Kreisverordnung kann von Anfang an (Nichtigkeit) oder nachträglich (Aufhebung) eintreten. Eine Nichtigkeit ist gegeben, wenn sie formelle oder materielle Fehler aufweist, etwa wenn die erforderliche Ermächtigungsgrundlage fehlt, das Verfahren nicht eingehalten wurde, oder sie erheblich gegen höherrangiges Recht verstößt. Eine Aufhebung erfolgt durch Beschluss des Kreistags oder des Landrats, sofern dieser nach der Geschäftsordnung zuständig ist. Auch eine ausdrücklich im Text der Verordnung festgelegte Befristung kann deren Außerkrafttreten bewirken. Hinzu kommt, dass höherrangige Gesetze oder Verordnungen die Kreisverordnung aufheben oder verdrängen können. Schließlich ist im Falle einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit die Kreisverordnung für unwirksam zu erklären.
Inwiefern sind Kreisverordnungen einer gerichtlichen Überprüfung unterworfen?
Kreisverordnungen unterliegen der sogenannten Normenkontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnungen der Länder können Betroffene oder die Kommunalaufsichtsbehörde die Überprüfung auf Rechtmäßigkeit beantragen. Das Gericht prüft, ob die gesetzlichen Grundlagen beachtet, das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und die inhaltlichen Anforderungen eingehalten wurden. Besonders relevant ist die Wahrung der Grundrechte Betroffener, die klare Begrenzung der delegierten Befugnisse sowie das Verbot eines Rückwirkungsverbots. Wird eine Kreisverordnung für rechtswidrig erklärt, entfällt ihre Bindungswirkung für die Verwaltung und die Bürger rückwirkend (ex tunc).