Legal Lexikon

Kreistag


Definition und Funktion des Kreistags

Der Kreistag ist das zentrale Beschlussorgan eines Landkreises in Deutschland und stellt eine kommunale Vertretung der Bürgerinnen und Bürger auf Landkreisebene dar. Er ist vergleichbar mit einem Gemeinderat in kreisfreien Städten oder den Stadtverordnetenversammlungen, unterscheidet sich jedoch hinsichtlich der Aufgaben und Zuständigkeiten auf der Gebietskörperschaft Landkreisebene. Das Gremium ist maßgeblich für die kommunale Selbstverwaltung und die Kontrolle der Kreisverwaltung verantwortlich.

Rechtliche Grundlagen

Verfassungsrechtliche Einordnung

Die Existenz und Ausgestaltung des Kreistags wurzelt im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Artikel 28 Abs. 1 GG garantiert die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände, wozu auch die Landkreise zählen. Aus diesem Selbstverwaltungsrecht ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Einwohner eines Landkreises eine Vertretung wählen können, die vom Landrat als Verwaltungschef organisatorisch getrennt ist.

Landesrechtliche Regelungen

Die Rechtsstellung und das Verfahren der Kreistagstätigkeit werden auf Ebene der Bundesländer durch die jeweiligen Kommunal- und Kreisordnungen (z. B. Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – KrO NW) geregelt. Wesentliche Aspekte hierbei sind:

  • Zusammensetzung und Wahl des Kreistags
  • Zuständigkeiten und Aufgabenverteilung
  • Verfahrensvorschriften für Beschlussfassung und Sitzungen
  • Rechte und Pflichten der Mitglieder
  • Kontrollmechanismen gegenüber der Verwaltung (Landrat und Kreisverwaltung)

Diese Regularien können von Bundesland zu Bundesland variieren, wobei das Grundprinzip der gewählten Vertretungskörperschaft stets gewahrt bleibt.

Zusammensetzung und Wahlverfahren

Wahl des Kreistags

Die Mitglieder des Kreistags – im allgemeinen Sprachgebrauch Kreistagsabgeordnete genannt – werden in regelmäßigen Turnus gemäß den jeweiligen Landeswahlgesetzen, meist alle fünf Jahre, in unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis gewählt. Das Wahlsystem ist in aller Regel ein Verhältniswahlsystem, das eine Sitzverteilung nach Parteien und Wählergruppen ermöglicht. Die Größe des Kreistags richtet sich nach der Einwohnerzahl des betreffenden Landkreises und ist in den jeweiligen Kreisordnungen genau festgelegt.

Zusammensetzung

Der Kreistag besteht aus den gewählten Mitgliedern sowie dem Landrat/der Landrätin, der/die je nach Landesrecht entweder direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird oder dem Kreistag angehört. In einigen Bundesländern ist der Landrat stimmberechtigtes Mitglied, in anderen nur beratendes Mitglied und Verwaltungschef.

Aufgaben und Zuständigkeiten des Kreistags

Übertragene und eigene Angelegenheiten

Die Aufgabenbereiche des Kreistags gliedern sich in eigene und übertragene Angelegenheiten:

  • Eigene Angelegenheiten: Entscheidungen über die Selbstverwaltungsaufgaben, z. B. Haushaltsplanung, Bau und Unterhaltung von Schulen und Krankenhäusern, Abfallwirtschaft, öffentliche Daseinsvorsorge.
  • Übertragene Angelegenheiten: Wahrnehmung staatlicher Aufgaben, die dem Kreis von Landes- oder Bundesbehörden zur Erfüllung in Weisungsbindung übertragen wurden (z. B. Ordnungsaufgaben, Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden).

Einzelne Zuständigkeiten

Zu den maßgeblichen Zuständigkeiten des Kreistags zählen:

  • Erlass der Satzungen des Landkreises (Rechtsnormen)
  • Beschluss über den Haushaltsplan und die Festsetzung der Kreisumlage
  • Bestellung und Abberufung des Landrats (je nach Landesrecht)
  • Abschluss von bedeutenden Verträgen und Genehmigung von Ausgaben oberhalb der Zuständigkeitsgrenzen des Landrats
  • Entscheidung über Organisation und Struktur der Kreisverwaltung
  • Kontrolle und Überwachung der Kreisverwaltung sowie des Landrats hinsichtlich der Umsetzung der Kreistagsbeschlüsse

Übertragbarkeit und Ausschüsse

Zur effizienten Aufgabenwahrnehmung kann der Kreistag Ausschüsse einsetzen, die mit bestimmten Aufgabenbereichen oder Kontrollfunktionen betraut werden (z. B. Finanzausschuss, Kreisausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss). Bestimmte Entscheidungsbefugnisse können auf diese Ausschüsse delegiert werden, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist.

Rechte und Pflichten der Kreistagsmitglieder

Kreistagsmitglieder erfüllen ein öffentliches Ehrenamt und unterliegen spezifischen Rechte und Pflichten gemäß den Kreisordnungen und Geschäftsordnungen. Zu den wichtigsten Rechten zählen das Antragsrecht, Rederecht, Stimmrecht, das Recht auf Information und Akteneinsicht sowie das Initiativrecht. Pflichten umfassen die Teilnahme an Sitzungen, die Verschwiegenheit in nichtöffentlichen Angelegenheiten, die Beachtung von Interessenkollisionen und die Einhaltung der gesetzlichen Compliance-Anforderungen.

Ablauf und Organisation der Sitzungen

Einberufung und Öffentlichkeit

Die Sitzungen des Kreistags werden grundsätzlich öffentlich abgehalten, soweit nicht ausnahmsweise gesetzliche Gründe für eine nichtöffentliche Beratung vorliegen (z. B. Schutz personenbezogener Daten, Geheimhaltungsinteressen des Allgemeinwohls). Die Einberufung erfolgt durch den Landrat unter Angabe der Tagesordnung und mit angemessener Ladungsfrist, die in den jeweiligen Geschäftsordnungen konkretisiert wird.

Beschlussfassung

Beschlüsse fasst der Kreistag grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder, sofern keine qualifizierte Mehrheit gesetzlich vorgeschrieben ist. Über die gefassten Beschlüsse wird eine Niederschrift gefertigt, die der Kontrolle und späteren Nachprüfung dient.

Kontrollfunktion und Verhältnis zur Kreisverwaltung

Der Kreistag nimmt eine wesentliche Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung des Landkreises und insbesondere gegenüber dem Landrat wahr. Zu den Instrumenten der Kontrolle zählen Anfragen, Akteneinsicht, die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen sowie das Recht, Beschlüsse zu revidieren oder Verwaltungshandeln zu beanstanden. Auch die Entlastung des Landrates nach Abschluss des Haushaltsjahres gehört zu den Kontrollinstrumentarien.

Rechtsmittel und Rechtsschutz

Beschlüsse des Kreistags unterliegen dem gemeindlichen Kommunalaufsichtsrecht. Betroffene, die sich durch Kreistagsentscheidungen in ihren Rechten verletzt sehen, können die Kommunalaufsichtsbehörde anrufen oder – bei Verletzung von subjektiven öffentlichen Rechten – den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Interne Konflikte innerhalb des Kreistags werden nach Maßgabe der jeweiligen Geschäftsordnung und der einschlägigen kommunalrechtlichen Vorschriften behandelt.

Literatur und Quellen

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Art. 28 GG)
  • Kommunalverfassungen und Kreisordnungen der jeweiligen Bundesländer (z. B. KrO NW)
  • Kommunalwahlgesetze der Länder
  • Kommentierungen zum Kommunalrecht und zur Selbstverwaltung
  • Veröffentlichungen und Leitlinien der kommunalen Spitzenverbände

Zusammenfassung:
Der Kreistag ist das zentrale Willensbildungs- und Kontrollorgan eines deutschen Landkreises, mit umfassenden, gesetzlich geregelten Aufgaben und Befugnissen. In seiner Funktion als Vertretungskörperschaft tritt er als Garant der kommunalen Selbstverwaltung auf und sichert demokratische Mitwirkung auf Ebene der Landkreise. Seine Rechtsgrundlagen finden sich im Zusammenspiel von Grundgesetz, Landes- und Kommunalrecht wieder, was eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Ausgestaltung in den Ländern erfordert.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben zur Wahl des Kreistags wahlberechtigt?

Das Wahlrecht zum Kreistag ist im Wesentlichen in den Kommunalwahlgesetzen der jeweiligen Bundesländer geregelt. In der Regel sind wahlberechtigt alle Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen und seit einer bestimmten Zeit, meist mindestens drei Monate, ihren Hauptwohnsitz im Kreisgebiet haben. Weiterhin dürfen keine Ausschlussgründe gemäß § 13 Bundeswahlgesetz (bzw. entsprechender landesrechtlicher Vorschriften) vorliegen, beispielsweise wegen richterlich festgestellt fehlender Geschäftsfähigkeit oder infolge bestimmter Straftaten. Das Wahlrecht wird in Wählerverzeichnissen geführt, deren Einsicht und Berichtigung ebenfalls detailliert gesetzlich geregelt ist.

Wie wird die Sitzverteilung im Kreistag rechtlich bestimmt?

Die Sitzverteilung im Kreistag unterliegt den Vorgaben des Kommunalwahlrechts des jeweiligen Bundeslandes. In Deutschland wird dabei vorwiegend das Verhältniswahlrecht angewandt, oftmals mit Elementen der personalisierten Wahl. Nach Auszählung der Stimmen werden die Sitze in der Regel nach einem Divisorverfahren (wie dem Hare/Niemeyer- oder Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren) proportional auf die angetretenen Parteien und Wählergruppen verteilt. Es gelten Sperrklauseln, etwa eine 5%-Hürde, sofern diese in der jeweiligen Kommunalverfassung vorgesehen ist. Über die Zuteilung der Sitze an die einzelnen Bewerber innerhalb einer Liste entscheiden üblicherweise die jeweilige Listenplatzierung und gegebenenfalls Kumulieren und Panaschieren, sofern diese Wahltechniken zugelassen sind.

Welche rechtsverbindlichen Aufgaben hat der Kreistag?

Die Aufgaben und Zuständigkeiten des Kreistags sind in den jeweiligen Kommunalverfassungen und Kreisordnungen der Bundesländer abschließend geregelt. Der Kreistag ist das Hauptorgan des Landkreises und trifft in Form von Satzungen, Verordnungen und Beschlüssen alle wesentlichen Entscheidungen in sogenannten „Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung“. Hierzu zählt insbesondere die Beschlussfassung über den Haushalt, die Festlegung von Kreisumlagen, die Bestellung und Überwachung des Landrats, die Einrichtung, Änderung oder Schließung öffentlicher Einrichtungen, aber auch die Kontrolle der Verwaltung. Bestimmte Aufgaben können jedoch durch Gesetz dem Landrat oder anderen Ausschüssen übertragen werden (Delegationsbefugnis).

Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Geschäftsordnung des Kreistags?

Die Geschäftsordnung des Kreistags ist ein Element der inneren Organisation des Gremiums und unterliegt den Regelungen der Kommunalverfassung und der entsprechenden Kreisordnung des Bundeslandes. Sie muss grundlegende Prinzipien wie Transparenz, Gleichbehandlung, Demokratie, Unparteilichkeit sowie die Berücksichtigung der Rechte und Pflichten der Kreistagsmitglieder gewährleisten. Inhaltlich sind insbesondere die Einberufung und Durchführung von Sitzungen, das Rede- und Antragsrecht, Abstimmungsverfahren sowie Regelungen zum Protokollführen zu beachten. Unzulässige Regelungen, wie z. B. Einschränkungen gesetzlich garantierter Minderheitenrechte, können von Kommunalaufsichtsbehörden beanstandet und für nichtig erklärt werden.

In welchem rechtlichen Rahmen sind Kreistagssitzungen öffentlich?

Die Öffentlichkeit der Kreistagssitzungen ist gemäß dem Demokratieprinzip festgelegt und in den Kommunalverfassungen sowie den einzelnen Kreisordnungen der Bundesländer verankert. Danach sind Kreistagssitzungen grundsätzlich öffentlich durchzuführen, es sei denn, es greifen bestimmte gesetzliche Ausnahmetatbestände, etwa wenn persönliche oder vertrauliche Angelegenheiten oder Belange des Datenschutzes oder schutzwürdige Interessen Dritter betroffen sind. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist formell zu begründen und bedarf eines Kreistagsbeschlusses. Verstöße gegen die Pflicht zur Öffentlichkeit können zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen.

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen und Folgen eines Kreistagsbeschlusses?

Rechtlich verbindlich werden Kreistagsbeschlüsse durch ordnungsgemäße Beschlussfassung in einer rechtmäßig einberufenen und beschlussfähigen Sitzung. Die Voraussetzungen hierfür umfassen u. a. die frist- und formgerechte Einladung aller Kreistagsmitglieder, die Einhaltung der Tagesordnung, das Erreichen des notwendigen Quorums (Mehrheit der Mitglieder) und die Einhaltung gesetzlicher Stimmrechtsvorschriften. Beschlüsse, die unter Missachtung rechtlicher Grundlagen zustande gekommen sind, können von der Kommunalaufsicht beanstandet oder vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden. Rechtskräftige Kreistagsbeschlüsse entfalten Bindungswirkung für die Verwaltung und sind grundsätzlich zu vollziehen, es sei denn, sie werden ausgesetzt oder aufgehoben.

Wie regelt das Kommunalrecht den Umgang mit Interessenkonflikten von Kreistagsmitgliedern?

Kreistagsmitglieder unterliegen im Zusammenhang mit ihren Aufgaben und Befugnissen strengen Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten (sog. Befangenheitsrecht). Gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Kommunalverfassungen und Kreisordnungen dürfen Mitglieder nicht an Beratungen und Entscheidungen teilnehmen, wenn sie persönlich betroffen sind oder ihnen ein unmittelbarer Vorteil oder Nachteil entstehen könnte. Dies gilt auch für die Mitwirkung bei Vorberatungen in Ausschüssen. Die Verpflichtung, eine potenzielle Befangenheit offenzulegen, und das Verfahren zu deren Feststellung sind gesetzlich präzise geregelt. Verstöße führen zur Ungültigkeit der betreffenden Entscheidungen und können dienst- bzw. strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.