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Kreisfreie Städte


Begriff und Rechtsstellung der kreisfreien Städte

Kreisfreie Städte sind im deutschen Kommunalrecht eigenständige Gebietskörperschaften, die – im Gegensatz zu kreisangehörigen Städten und Gemeinden – keinem Landkreis angehören. Sie nehmen die Aufgaben des Landkreises und der Gemeinde zugleich wahr. Die rechtliche Stellung, die historischen Entwicklungen sowie die Rechtsgrundlagen der kreisfreien Städte sind wesentlich für das Verständnis des kommunalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland.

Definition und rechtlicher Rahmen

Kreisfreie Städte sind gemäß den jeweiligen Kommunalverfassungen der Bundesländer Körperschaften des öffentlichen Rechts. Rechtsgrundlage ist vorrangig das Landesrecht, da die Bundesrepublik Deutschland nach dem Prinzip des Föderalismus die Ausgestaltung des Kommunalwesens den Ländern überlässt. Die Gemeindeverfassungen der Länder kennen unterschiedliche Bezeichnungen für die kreisfreie Stadt, wie zum Beispiel „kreisfreie Stadt“, „Stadtkreis“ (Baden-Württemberg), „Kreisstadt“ (Saarland bis 1974), oder „kreisunmittelbare Stadt“ (in Brandenburg).

Abgrenzung zu anderen kommunalen Gebietskörperschaften

Eine kreisfreie Stadt unterscheidet sich von einer kreisangehörigen Stadt oder Gemeinde durch die Wahrnehmung der Aufgaben sowohl der Gemeinde- wie der Kreisebene. Während kreisangehörige Gemeinden einem übergeordneten Landkreis zugehören, der Aufgaben wie Abfallbeseitigung, Gesundheitsdienste oder Schulträgerschaft zentral wahrnimmt, obliegen diese Kompetenzen in kreisfreien Städten der Stadt selbst. Sie erfüllen somit alle kreislichen und gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben autark.

Historische Entwicklung

Ursprünge und Einführung

Die Entwicklung der kreisfreien Städte resultiert aus dem städtischen Selbstverwaltungsrecht, das seinen Ursprung im 19. Jahrhundert hat. Insbesondere die Preußische Städteordnung von 1808 und die Kreisordnung von 1872 legten die Grundlagen für die Eigenständigkeit größerer Städte. Die Regelungen variierten nach den einzelnen deutschen Ländern, wurden jedoch im Kern mit der Weimarer Reichsverfassung weiterentwickelt und nach 1945 im Grundgesetz durch Art. 28 GG geschützt.

Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Abgrenzung und Anzahl der kreisfreien Städte wurden in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 im Zuge von Verwaltungs- und Gebietsreformen in den Ländern mehrfach angepasst. Ziel war dabei häufig, die Verwaltungseffizienz zu steigern und die Aufgabenverteilung zu optimieren. In mehreren Bundesländern wurde die Mindestgröße für die Erhebung zur kreisfreien Stadt schrittweise erhöht, um leistungsfähige Verwaltungseinheiten zu gewährleisten.

Zuständigkeiten und Aufgaben

Selbstverwaltungsaufgaben

Kreisfreie Städte haben die Pflicht, alle gemeindlichen und kreislichen Selbstverwaltungsaufgaben eigenständig wahrzunehmen. Dies umfasst insbesondere:

  • Ordnungsverwaltung (z.B. Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht)
  • Sozialwesen und Jugendhilfe
  • Gesundheitsdienste (Gesundheitsämter)
  • Organisation und Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs
  • Abfallwirtschaft und Abwasserentsorgung
  • Infrastrukturaufgaben (Straßenbau, Stadtentwicklung)
  • Schulträgerschaft und Kindertagesstätten

Pflichtaufgaben und Auftragsangelegenheiten

Neben den freiwilligen Aufgaben erledigen kreisfreie Städte eine große Anzahl gesetzlich übertragener Pflichtaufgaben sowie staatlicher Auftragsangelegenheiten. Hierzu zählen beispielsweise die Durchführung von Bundes- und Landtagswahlen, das Meldewesen, Aufgaben im Bereich des öffentlichen Rechts sowie Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden z.B. als Bauaufsichtsbehörde oder untere Naturschutzbehörde.

Finanzhoheit und Finanzverfassung

Kreisfreie Städte verfügen über eigene Einnahmequellen (z.B. Grundsteuern, Gewerbesteuern, Gebühren, Zuweisungen vom Land) und sind Träger des städtischen Haushaltsrechts. Ihre finanzverfassungsrechtliche Stellung entspricht hierbei der Summe der Rechte von Gemeinden und Kreisen. Die kommunalen Finanzausgleichsgesetze der Länder sehen gesonderte finanzielle Bemessungsgrößen und Schlüsselzuweisungen für kreisfreie Städte vor.

Rechtsgrundlagen

Landesrechtliche Regelungen

Die konkrete Ausgestaltung der kreisfreien Städte erfolgt durch die Gemeindeordnungen und die Kreisordnungen der Bundesländer. Diese bestimmen Voraussetzungen für die Erhebung einer kreisfreien Stadt (z. B. Einwohnerzahlen, Leistungsfähigkeit oder Verwaltungsstruktur), den Umfang der Aufgabenwahrnehmung und die Organisation der städtischen Selbstverwaltung.

Grundgesetzliche Verankerung

Art. 28 Abs. 2 GG sichert das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände einschließlich der kreisfreien Städte. Die Länder sind verpflichtet, diese Selbstverwaltung im eigenen Wirkungskreis zu garantieren und die sachliche und finanzielle Ausstattung der Körperschaften sicherzustellen.

Ober- und Sonderbehörden

Einige kreisfreie Städte erhalten zudem die Rechtsstellung als Sonderbehörde, beispielsweise als untere staatliche Verwaltungsbehörde oder gar mit erweiterten Aufsichts- und Genehmigungskompetenzen. Hier regeln spezielle Landesgesetze etwa den Umfang der staatlichen Aufsicht und die Zuständigkeit der Kommunalaufsicht.

Erhebung zur kreisfreien Stadt und Verlust der Kreisfreiheit

Voraussetzungen und Verfahren der Erhebung

Die Erhebung einer Gemeinde zur kreisfreien Stadt wird im Regelfall durch Gesetz oder Rechtsverordnung des jeweiligen Bundeslandes mit Zustimmung der kommunalen Organe durchgeführt. Die wichtigste Voraussetzung stellt eine bestimmte Einwohnerzahl dar. Diese variiert je nach Bundesland, liegt aber meist im Bereich von 100.000 Einwohnern. Weiter hinzukommt die wirtschaftliche und verwaltungsorganisatorische Leistungsfähigkeit.

Verlust der Kreisfreiheit

Die Kreisfreiheit kann durch Gebietsreformen oder Änderungen landesgesetzlicher Vorschriften entzogen werden. Der Entzug erfolgt durch Gesetz, wobei regelmäßig Interessenabwägungen zwischen dem Land und den Betroffenen sowie eine Beteiligung der betroffenen Kommune stattfinden müssen. Die Schaffung von Einheitskreisen oder Metropolregionen führte in mehreren Ländern zur Integration vormalig kreisfreier Städte in neue Verwaltungseinheiten.

Aufsicht und Kontrolle

Kommunalaufsicht

Kreisfreie Städte unterliegen der staatlichen Kommunalaufsicht, die von obersten oder oberen Landesbehörden ausgeübt wird. Die Aufsicht erstreckt sich auf die Einhaltung der Rechtmäßigkeit und teilweise auch der Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns.

Rechnungsprüfung

Die kommunalen Eigenbetriebe, Betriebe und die gesamte Haushaltsführung unterliegen der regelmäßigen Prüfung durch kommunale oder teilweise auch staatliche Rechnungsprüfungsämter. Ziel ist es, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu sichern.

Bedeutende Beispiele und aktuelle Entwicklung

Aktuell (Stand 2024) existieren in Deutschland 107 kreisfreie Städte. Darunter sind Städte mit historisch gewachsenen Strukturen wie Hamburg, Bremen, Berlin oder München, aber auch zahlreiche Mittelstädte und größere Städte in den Flächenstaaten. Die Entwicklung der kommunalen Strukturen bleibt ein Prozess, der an Anforderungen der Bürgernähe, Wirtschaftskraft und Verwaltungsmodernisierung ausgerichtet wird.

Zusammenfassung

Kreisfreie Städte stellen im deutschen Kommunalverfassungsrecht eine besondere Form der Gebietskörperschaft dar, die sowohl die Aufgaben einer Gemeinde als auch eines Kreises eigenverantwortlich wahrnimmt. Die umfassende rechtliche Ausgestaltung basiert vorrangig auf Landesrecht, ist aber grundgesetzlich geschützt. Die Bedeutung kreisfreier Städte liegt insbesondere in ihrer Verwaltungsautonomie, ihrer umfassenden Zuständigkeit und ihrer Funktion für die kommunale Selbstverwaltung. Veränderungen durch Gebietsreformen und gesetzgeberische Entwicklungen machen die rechtliche Struktur der kreisfreien Stadt zu einem zentralen Element jeder kommunalrechtlichen Betrachtung.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln den Status einer kreisfreien Stadt in Deutschland?

Der rechtliche Status kreisfreier Städte ist im Wesentlichen durch die jeweiligen Gemeinde- und Kreisordnungen der Bundesländer sowie durch ergänzende landesrechtliche Vorschriften geregelt. Während das Grundgesetz die Kommunale Selbstverwaltung in Art. 28 GG allgemein garantiert, obliegt die Ausgestaltung des Kommunalrechts den Ländern. In den Landesgesetzen wird detailliert festgelegt, welche Städte als kreisfrei gelten, wie sie diesen Status erwerben oder verlieren, und welche spezifischen Rechte und Pflichten aus diesem Status folgen. Besonders bedeutsam sind Vorschriften darüber, dass kreisfreie Städte alle Aufgaben des eigenen und übertragenen Wirkungskreises eigenständig wahrnehmen, da sie nicht Teil eines Landkreises sind und somit die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde selbst übernehmen. Änderungen des Status erfolgen meist durch Gesetz oder Rechtsverordnung, häufig im Rahmen von Gebiets- oder Verwaltungsreformen; dabei sind die betroffenen Kommunen anzuhören.

Welche Rechte und Pflichten haben kreisfreie Städte gegenüber kreisangehörigen Gemeinden?

Kreisfreie Städte übernehmen sowohl die Aufgaben der Gemeinden als auch die Aufgaben der Landkreise im Bereich ihres Stadtgebiets. So sind sie beispielsweise für Angelegenheiten der Daseinsvorsorge (wie Schulen, Krankenhäuser, Abfallwirtschaft, Straßenbau und soziale Dienste) zuständig, aber auch für die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörden, wozu etwa das Ordnungs-, Umwelt- und Jugendamt gehören. Die kreisfreien Städte besitzen in diesen Tätigkeitsbereichen volle Rechtsträgerschaft und tragen die alleinige Finanzierungsverantwortung. Im Unterschied zu kreisangehörigen Gemeinden entfällt bei ihnen die übergeordnete Kontrollfunktion eines Landkreises; stattdessen unterliegen sie häufig einer direkten staatlichen Aufsicht auf Regierungspräsidiums- oder Landesebene. Diese Rechtsstellung impliziert umfassende Selbstverwaltungsrechte, aber auch weitreichende Pflichten zur Erfüllung sämtlicher kommunaler und staatlich übertragener Aufgaben innerhalb des Stadtgebiets.

Wie erfolgt die staatliche Aufsicht über kreisfreie Städte?

Kreisfreie Städte unterliegen einer besonderen Form der kommunalen Rechtsaufsicht, da sie – anders als kreisangehörige Gemeinden – nicht der Kontrolle eines Landkreises unterstehen. Die staatliche Aufsicht wird landesrechtlich geregelt und ist in der Regel dem Regierungspräsidium, der Bezirksregierung oder einer vergleichbaren Landesmittelbehörde übertragen. Diese prüft die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, beispielsweise bei Haushaltsgenehmigungen, und kann bei gravierenden Rechtsverstößen einschreiten. Anders als die Fachaufsicht, die in bestimmten übertragenen Aufgabenbereichen (zum Beispiel Standesamt, Meldewesen) weiterhin ausgeübt wird, beschränkt sich die allgemeine Kommunalaufsicht weitgehend auf eine reine Rechtsaufsicht, die das Recht der kreisfreien Stadt auf Selbstverwaltung respektiert. In manchen Bundesländern existieren Sonderregelungen für Großstädte mit besonderer Bedeutung, die auch die Art und Intensität der Aufsicht beeinflussen.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Stadt kreisfrei werden oder ihren Status verlieren?

Die Voraussetzungen für den Erwerb oder Verlust der Kreisfreiheit sind in den Gemeinde- und Kreisordnungen der jeweiligen Bundesländer geregelt. Regelmäßig wird dabei ein bestimmter Schwellenwert der Einwohnerzahl als maßgeblich angesehen, häufig in der Größenordnung von 100.000 Einwohnern, jedoch existieren auch Ausnahmen aufgrund historisch gewachsener Verwaltungsstrukturen. Der Prozess der Statusänderung erfolgt i.d.R. durch ein Parlamentsgesetz oder eine Rechtsverordnung der Landesregierung im Rahmen einer Verwaltungsstrukturreform. Dabei ist meist ein Beteiligungsverfahren vorgesehen, bei dem die betroffenen Städte und Kreise sowie oft auch die Bürger angehört werden müssen. Die Aufhebung der Kreisfreiheit ist häufig mit einer Neuordnung von Aufgaben und Vermögensregelungen sowie der Übernahme von Personal durch den zuständigen Landkreis verbunden. Rechtsgrundlage ist stets das jeweilige Landesrecht, sodass Verfahren und Kriterien zwischen den Bundesländern variieren können.

Welche finanzrechtlichen Besonderheiten gelten für kreisfreie Städte?

Kreisfreie Städte müssen ihre Finanz- und Haushaltsführung unabhängig und umfassend regeln, da sie sowohl die Aufgaben der Gemeinde- als auch der Kreisebene erfüllen. Entsprechend verfügen sie über eine erweiterte kommunale Haushaltsautonomie, allerdings sind sie auch Empfänger bestimmter Finanzzuweisungen, um die ihnen übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können. Die kommunalen Haushaltsgesetze der Länder sehen oft spezielle Schlüsselzuweisungen vor, die die höhere finanzielle Belastung der kreisfreien Städte ausgleichen sollen. Sie müssen sämtliche gesetzlichen Aufgaben aus eigenen Einnahmen (zum Beispiel Steuern, Gebühren) finanzieren und erhalten gleichzeitig einen Anteil an allgemeinen Landeszuweisungen, jedoch ohne Anspruch auf Leistungen eines Landkreises. Besonderheiten bestehen auch hinsichtlich der Umlagen, da kreisfreie Städte keine Kreisumlage zahlen, aber ggf. an landesweiten Finanzausgleichssystemen teilnehmen.

In welchem Verhältnis stehen Aufgaben- und Gebietszuständigkeit bei kreisfreien Städten?

Aus rechtlicher Sicht erstreckt sich der Aufgabenbereich der kreisfreien Städte immer auf ihr gesamtes Gemeindegebiet. Sie sind auch für staatliche Aufgaben zuständig, die an sich kreisangehörigen Gemeinden nur über den Landkreis zukommen würden, beispielsweise für Aufgaben im Bau- oder Ordnungsrecht, im Bereich der Gesundheitsvorsorge oder der Jugendhilfe. Das bedeutet, dass die kreisfreie Stadt in ihrem Gebiet sämtliche Kompetenzen der unteren Verwaltungsbehörde wahrnimmt, welche bei kreisangehörigen Gemeinden auf den Landkreis entfielen. Bei Gebietsveränderungen, wie Eingemeindungen oder Abspaltungen, wird der Aufgabenbereich entsprechend nach den gesetzlichen Vorgaben angepasst, was nicht selten komplexe rechtliche und organisatorische Neuordnungen nach sich zieht.

Können kreisfreie Städte eigene Satzungen und Rechtsverordnungen erlassen?

Kreisfreie Städte sind kraft ihrer kommunalen Selbstverwaltung berechtigt, unter Beachtung der einschlägigen Landesvorschriften eigene Satzungen und – soweit die landesrechtliche Ermächtigung besteht – auch Rechtsverordnungen zu erlassen. Diese umfassen etwa Bebauungspläne, Polizeiverordnungen, Gebührenordnungen oder Regelungen zur Ordnung und Sicherheit im Stadtgebiet. Die Satzungshoheit der kreisfreien Städte geht dabei über die einer kreisangehörigen Gemeinde hinaus, da sie für Bereiche gilt, die sonst in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises fallen würden. Die Rechtsaufsichtsbehörden überwachen allerdings die Rechtmäßigkeit dieser Normsetzungen und können bei Verstößen die Aufhebung oder Abänderung verlangen.