Begriff und Abgrenzung
Unter der Krankheit des Arbeitnehmers wird ein gesundheitlicher Zustand verstanden, der vom normalen körperlichen oder seelischen Zustand abweicht und die Fähigkeit beeinträchtigt, die vertraglich geschuldete Arbeit zu verrichten. Rechtlich bedeutsam ist insbesondere die Arbeitsunfähigkeit: Sie liegt vor, wenn die Tätigkeit ganz oder teilweise nicht mehr zumutbar oder möglich ist, weil sich die Krankheit durch die Arbeit verschlimmern würde oder die Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt werden können. Nicht jede Erkrankung führt automatisch zur Arbeitsunfähigkeit; entscheidend ist die konkrete Auswirkung auf die vereinbarte Tätigkeit.
Zu unterscheiden sind allgemeine Krankheiten, Arbeitsunfälle und anerkannte Berufskrankheiten. Letztere können zusätzliche Leistungsansprüche auslösen. Schwangerschaft ist keine Krankheit, unterliegt jedoch besonderen Schutzregeln, die parallel zum allgemeinen Krankheitsrecht bestehen.
Anzeige- und Nachweispflichten
Unverzügliche Mitteilung
Arbeitnehmer sind verpflichtet, eine Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Diese Pflicht besteht unabhängig von der Ursache der Erkrankung und gilt auch bei wiederholter Erkrankung.
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und elektronische Übermittlung
Die Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen. Üblich ist die Ausstellung ab dem dritten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit; der Arbeitgeber kann die Vorlage bereits am ersten Tag verlangen. Mit der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsmeldung werden die relevanten Daten durch die Krankenkasse bereitgestellt, die vom Arbeitgeber abgerufen werden können. Beschäftigte informieren weiterhin über Beginn und Dauer; eine Diagnosenmitteilung ist nicht erforderlich.
Diagnosedaten und Datenschutz
Der Arbeitgeber erhält keine Diagnose. Mitgeteilt werden der Beginn der Arbeitsunfähigkeit, die voraussichtliche Dauer und eine eventuelle Fortsetzung. Gesundheitsdaten unterliegen einem besonders strengen Schutz. Rückfragen dürfen sich nur auf die Arbeitsfähigkeit und organisatorische Punkte beziehen, nicht auf medizinische Details.
Entgeltfortzahlung und Krankengeld
Anspruch auf Fortzahlung
Wer durch Krankheit arbeitsunfähig ist, hat grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung durch den Arbeitgeber für einen begrenzten Zeitraum. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis bereits eine gewisse Mindestdauer besteht und die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet ist. Der Anspruch umfasst das regelmäßige Arbeitsentgelt einschließlich vereinbarter Zulagen, soweit sie ohne Krankheit angefallen wären.
Dauer und Wiederholungsfälle
Die Fortzahlung ist zeitlich begrenzt, üblicherweise auf bis zu sechs Wochen je Arbeitsunfähigkeit. Bei derselben Krankheit kann es zu einer Zusammenrechnung kommen, wenn innerhalb bestimmter Fristen erneut Arbeitsunfähigkeit eintritt. Bei unterschiedlichen Krankheiten beginnt regelmäßig ein neuer Zeitraum.
Ausschlussgründe und Sonderfälle
Ein Anspruch kann entfallen, wenn die Arbeitsunfähigkeit grob selbst verschuldet ist, etwa bei schwerwiegenden, vorwerfbaren Verstößen gegen eigene Schutzpflichten. Solche Fälle sind eng auszulegen. Bei Minijobs, Teilzeit und befristeten Verträgen bestehen grundsätzlich die gleichen Grundsätze; die Höhe der Fortzahlung richtet sich nach dem individuellen Entgelt.
Übergang zum Krankengeld
Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung kann ein Anspruch auf Krankengeld durch die gesetzliche Krankenversicherung entstehen, sofern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Das Krankengeld ist niedriger als das volle Arbeitsentgelt und zeitlich begrenzt. Für privat Versicherte gelten vertraglich vereinbarte Krankentagegeld-Regelungen.
Arbeitsverhältnis während der Krankheit
Nebenbeschäftigung, Reisen, Verhalten
Tätigkeiten, die der Genesung entgegenstehen oder die Arbeitsunfähigkeit in Frage stellen, sind unzulässig. Erlaubt sind Handlungen, die die Genesung nicht beeinträchtigen. Reisen können zulässig sein, wenn sie der Heilung nicht entgegenstehen und organisatorische Pflichten eingehalten werden. Eine gesonderte Erlaubnis zur Genesungsförderung ist grundsätzlich nicht erforderlich; maßgeblich ist die Vereinbarkeit mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.
Kontakt mit dem Arbeitgeber und Erreichbarkeit
Die Pflicht zur Mitteilung von Beginn, Dauer und Änderungen der Arbeitsunfähigkeit bleibt bestehen. Der Arbeitgeber darf in angemessenem Umfang Kontakt aufnehmen, um den betrieblichen Ablauf zu organisieren. Eine permanente Erreichbarkeit besteht nicht; der Schutz der Gesundheit hat Vorrang.
Rückkehr an den Arbeitsplatz und stufenweise Wiedereingliederung
Nach längerer Krankheit ist eine stufenweise Wiedereingliederung möglich. Dabei wird die Arbeitsbelastung über einen bestimmten Zeitraum gesteigert, ohne dass die volle Arbeitsfähigkeit bereits wiederhergestellt sein muss. Die Umsetzung erfolgt einvernehmlich zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber, behandelnden Ärzten und ggf. der Krankenkasse.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Bei längeren oder wiederholten Krankheitszeiten bietet der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement an. Ziel ist es, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten. Die Teilnahme ist freiwillig. Gesundheitsdaten werden nur mit Einwilligung verwendet.
Urlaub und Krankheit
Erkrankung im Urlaub
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs und weist die Arbeitsunfähigkeit nach, werden die betroffenen Tage nicht auf den Urlaub angerechnet. Die Anzeigepflichten gelten auch im Urlaub, ebenso die Pflicht, eine Bescheinigung beizubringen.
Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankung
Urlaub entsteht auch während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Die Übertragung und der Verfall unterliegen besonderen Fristen. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit können Ansprüche über das Kalenderjahr hinaus bestehen, verfallen jedoch nach längerer Zeit, wenn keine Arbeitsfähigkeit eintritt.
Kündigung und Kündigungsschutz bei Krankheit
Kündigung wegen Krankheit
Eine Kündigung ist während der Krankheit nicht pauschal ausgeschlossen. Eine Beendigung wegen Krankheit ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Erforderlich sind in der Regel erhebliche krankheitsbedingte Ausfallzeiten, eine negative Gesundheitsprognose und erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen. Zudem ist eine Interessenabwägung notwendig. Das Angebot eines betrieblichen Eingliederungsmanagements kann hierbei eine Rolle spielen.
Krankheit während der Kündigungsfrist
Erkrankt der Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist, bleiben die Pflichten zur Anzeige und zum Nachweis bestehen. Die Entgeltfortzahlung und der Versicherungsschutz richten sich nach den allgemeinen Regeln. Eine Arbeitsunfähigkeit verlängert die Kündigungsfrist nicht automatisch.
Besondere Schutzrechte
Für bestimmte Personengruppen, etwa Schwerbehinderte, Schwangere oder Betriebsratsmitglieder, gelten gesteigerte Schutzmechanismen. Kündigungen bedürfen dann zusätzlicher Voraussetzungen oder behördlicher Zustimmungen.
Besondere Konstellationen
Teilweise Arbeitsfähigkeit und leichte Tätigkeiten
Ist die bisherige Tätigkeit nicht möglich, können leichtere oder geänderte Aufgaben in Betracht kommen. Eine einseitige Zuweisung über die vertraglichen Grenzen hinaus ist nicht ohne Weiteres zulässig. Bei stufenweiser Wiedereingliederung bleibt das ursprüngliche Arbeitsverhältnis bestehen; die Tätigkeit erfolgt nach einem abgestimmten Stufenplan.
Befristung, Teilzeit und geringfügige Beschäftigung
Arbeitsunfähigkeit betrifft befristete, Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungen gleichermaßen. Fortzahlung und Nachweispflichten gelten entsprechend der allgemeinen Regeln. Endet ein befristetes Arbeitsverhältnis, endet auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung mit dem Vertragsende.
Arbeitsunfall und Berufskrankheit
Bei Arbeitsunfällen und anerkannten Berufskrankheiten bestehen zusätzlich Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber und der anschließende Leistungsbezug richten sich nach speziellen Koordinationsregeln zwischen Kranken- und Unfallversicherung.
Schwangerschaft und Mutterschutz
Schwangerschaft ist keine Krankheit. Dennoch können schwangerschaftsbedingte Beschwerden eine Arbeitsunfähigkeit begründen. Daneben bestehen eigenständige Schutzvorschriften, etwa zu Beschäftigungsverboten, Mutterschutzfristen und Leistungen während dieser Zeiten.
Zuständigkeiten und Kosten
Rolle der Krankenkasse
Die Krankenkasse verarbeitet die elektronische Meldung der Arbeitsunfähigkeit und erbringt Krankengeld, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Sie koordiniert bei Bedarf medizinische und rehabilitative Maßnahmen und prüft die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Rolle des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber organisiert den Abruf der elektronischen Meldungen, zahlt die Entgeltfortzahlung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und prüft betriebliche Maßnahmen zur Wiedereingliederung. Er darf nur die für die Organisation erforderlichen Informationen verarbeiten.
Kosten der Nachweise
Die ärztliche Bescheinigung ist Teil der medizinischen Behandlung. Zusätzliche betriebliche Anforderungen, die über die üblichen Nachweise hinausgehen, dürfen keine unzulässige Belastung darstellen. Gesundheitsdaten sind sparsam zu erheben und sicher zu verwahren.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss die Diagnose dem Arbeitgeber mitgeteilt werden?
Nein. Mitzuteilen sind Beginn, voraussichtliche Dauer und ggf. die Fortsetzung der Arbeitsunfähigkeit. Die Diagnose bleibt vertraulich.
Ab wann ist ein ärztlicher Nachweis erforderlich?
Üblich ist die Vorlage ab dem dritten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber kann die Vorlage bereits am ersten Tag verlangen.
Darf der Arbeitgeber die Bescheinigung am ersten Tag verlangen?
Ja. Es ist zulässig, die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag zu fordern.
Was gilt bei wiederholter Erkrankung mit derselben Ursache?
Bei derselben Krankheit können Zeiten der Entgeltfortzahlung zusammengerechnet werden, wenn die erneute Arbeitsunfähigkeit innerhalb bestimmter Fristen eintritt. Bei unterschiedlichen Krankheiten beginnt in der Regel ein neuer Zeitraum.
Darf während der Krankheit gearbeitet werden oder im Homeoffice gearbeitet werden?
Besteht Arbeitsunfähigkeit, ist die vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht zumutbar oder nicht möglich. Tätigkeiten, die der Genesung nicht entgegenstehen, können zulässig sein. Maßgeblich sind die ärztliche Einschätzung und die Vereinbarkeit mit der Genesung.
Was passiert nach Ablauf der Entgeltfortzahlung?
Es kann ein Anspruch auf Krankengeld durch die Krankenkasse bestehen, sofern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Das Krankengeld ist geringer als das Arbeitsentgelt und zeitlich begrenzt.
Kann während einer Krankheit gekündigt werden?
Eine Kündigung während der Krankheit ist nicht generell ausgeschlossen. Eine Beendigung wegen Krankheit setzt strenge Voraussetzungen voraus, darunter eine negative Prognose, erhebliche Fehlzeiten, betriebliche Beeinträchtigungen und eine Interessenabwägung.