Begriff und Grundlagen der Krankenvergütung
Die Krankenvergütung ist ein zentraler Begriff im deutschen Sozial- und Zivilrecht und bezeichnet die finanzielle Entschädigungsleistung für Arbeitnehmer, die infolge einer Krankheit arbeitsunfähig werden. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage insbesondere im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), spielt jedoch auch im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsrecht, dem Tarifrecht sowie in bestimmten zivilrechtlichen Konstellationen, etwa bei privaten Dienstverhältnissen, eine maßgebliche Rolle. Die Regelungen zur Krankenvergütung umfassen dabei sowohl Rechte wie auch Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und greifen zudem bei besonderen Beschäftigungsformen oder Sondergruppen.
Gesetzliche Regelungen zur Krankenvergütung
Entgeltfortzahlungsgesetz als zentrale Rechtsgrundlage
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) bildet die Hauptquelle der Krankenvergütungsregelungen. Im Kern verpflichtet es Arbeitgeber, ihren Beschäftigten im Fall einer durch Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit weiterhin das Arbeitsentgelt für eine bestimmte Zeit fortzuzahlen (§§ 3-4 EFZG). Die Regelungen gelten für alle Arbeitnehmer, einschließlich Azubis und, unter bestimmten Voraussetzungen, auch für geringfügig Beschäftigte.
Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Die Krankenvergütung wird gewährt, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Der Arbeitnehmer ist durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert.
- Das Arbeitsverhältnis besteht ununterbrochen mindestens vier Wochen.
- Die Krankheit ist nicht selbstverschuldet (z. B. keine grob fahrlässige Selbstgefährdung).
- Die Arbeitsunfähigkeit wurde dem Arbeitgeber ordnungsgemäß gemeldet und ggf. ärztlich attestiert.
Dauer und Höhe der Krankenvergütung
Die Dauer der Entgeltfortzahlung beträgt im Regelfall maximal sechs Wochen je Krankheitsfall. Die Höhe richtet sich nach dem regulären Arbeitsentgelt inklusive variabler Bestandteile, wie Zuschlägen und Provisionen, das in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit verdient worden wäre (§ 4 Abs. 1 EFZG).
Abgrenzungen und Besonderheiten
Abgrenzung zur Krankengeldzahlung
Nach Ablauf des sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraums erhalten gesetzlich Krankenversicherte Krankengeld von ihrer Krankenkasse (§ 44 SGB V). Dieses beträgt in der Regel 70 % des Bruttoarbeitsentgelts (maximal 90 % des Nettoarbeitsentgelts), ist sozialversicherungsfrei, aber unterliegt dem Progressionsvorbehalt (§ 46 SGB V).
Krankenvergütung bei Sonderbeschäftigungsformen
Die Regelungen der Entgeltfortzahlung gelten grundsätzlich auch für Teilzeitkräfte, Minijobber und Auszubildende. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen oder besonderen Arbeitsformen wie Heimarbeit sind jedoch Sonderregelungen zu beachten. Für geringfügig Beschäftigte gilt die Krankenvergütung ebenfalls, sofern ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.
Besonderheiten bei wiederholten Erkrankungen
Kommt es zu mehreren Krankheiten nacheinander oder hintereinander, gilt die sogenannte „Blockfrist“ von sechs Monaten nach § 3 Abs. 1 EFZG. Überschneiden sich Krankheiten oder treten unterschiedliche Krankheitsursachen innerhalb der Frist auf, ist sorgfältig zu prüfen, ob ein erneuter Anspruch auf Krankenvergütung entsteht.
Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers
Anzeige- und Nachweispflichten
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen (§ 5 EFZG). Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage, ist spätestens am vierten Tag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage bereits ab dem ersten Tag zu verlangen.
Obliegenheiten bei fortbestehender Krankheit
Bei länger andauernder oder fortgesetzter Krankheit müssen die Nachweise regelmäßig aktualisiert und lückenlos geführt werden. Für die erneute Erkrankung nach Wiedergenesung innerhalb von sechs Monaten gelten spezielle Regelungen zur Blockfrist.
Krankenvergütungsanspruch bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten gilt Vorrang der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 3 Abs. 2 EFZG). Der Arbeitgeber zahlt sechs Wochen Entgeltfortzahlung, danach übernimmt die Unfallkasse mit der Zahlung von Verletztengeld.
Einfluss von Tarifverträgen und Arbeitsverträgen
Tarifliche und einzelvertragliche Abweichungen
Tarifverträge und individuelle Arbeitsverträge können für die Krankenvergütung günstigere Regelungen vorsehen, z. B. eine längere Bezugsdauer oder spezielle Berechnungsmodalitäten der Entgeltfortzahlung. Verschlechterungen gegenüber den gesetzlichen Mindeststandards sind jedoch nicht zulässig.
Rechtsfolgen bei Unregelmäßigkeiten
Konsequenzen bei Verletzung von Anzeige- oder Nachweispflichten
Unterlässt der Arbeitnehmer die rechtzeitige Mitteilung oder Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kann der Krankenvergütungsanspruch entfallen, bis der erforderliche Nachweis erbracht wird. Bei schuldhaft selbstverschuldeter Krankheit (etwa bei Straftaten, Alkoholmissbrauch o. ä.) kann der Anspruch auf Krankenvergütung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ausgeschlossen sein.
Rückforderung und Aufrechnung
Haben Arbeitnehmer Leistungen zu Unrecht erhalten, kann der Arbeitgeber diese unter bestimmten Voraussetzungen zurückfordern oder mit künftigen Ansprüchen aufrechnen.
Krankenvergütung und Datenschutz
Bei der Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Rahmen der Krankenvergütung sind die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu beachten. Insbesondere sind der Zweckbindungsgrundsatz und die Vertraulichkeit von Gesundheitsdaten zu wahren.
Krankenvergütung im Vergleich: Deutschland und andere Rechtsordnungen
Im internationalen Vergleich bestehen deutliche Unterschiede hinsichtlich Dauer, Höhe und Voraussetzungen der Krankenvergütung. Das deutsche Modell der sechswöchigen Lohnfortzahlung gilt als besonders arbeitnehmerfreundlich.
Fazit
Die Krankenvergütung ist eine komplexe Leistungsschnittstelle zwischen Arbeitsrecht, Sozialrecht und Tarifrecht. Sie schützt Arbeitnehmer vor Einkommensverlust bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und stellt zugleich klare Voraussetzungen und Mitwirkungspflichten auf. Durch zahlreiche Sonderregelungen und die Verzahnung mit anderen Sozialleistungen besitzt der Begriff hohe praktische Relevanz und ist Gegenstand fortlaufender arbeitsrechtlicher Entwicklung.
Hinweis: Dieser Beitrag dient rein informativen Zwecken und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Aktualität.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Ansprüche bestehen auf Krankenvergütung während einer Arbeitsunfähigkeit?
Arbeitnehmende haben bei einer durch Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenvergütung, der in Deutschland primär durch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt ist. Nach § 3 EFZG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen, sofern das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen besteht. Rechtlich maßgeblich ist hierbei, dass die Arbeitsunfähigkeit unverschuldet eingetreten ist; grob fahrlässiges oder vorsätzliches Herbeiführen der Erkrankung kann zum Entfall des Anspruchs führen. Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung wechselt die Zuständigkeit auf die Krankenkasse, die dann Krankengeld nach Maßgabe des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) gewährt. Zu beachten ist weiterhin, dass bestimmte Gruppen – etwa geringfügig Beschäftigte oder Praktikanten – ggf. vom Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausgenommen sein können, wobei dies stets vom individuellen Beschäftigungsverhältnis abhängt. In jedem Fall empfiehlt sich eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls, insbesondere bei Streitigkeiten über die Anspruchsdauer, den Versicherungsstatus oder die Frage der Verschuldensabwägung.
Wann erlischt der Anspruch auf Krankenvergütung rechtlich gesehen?
Der Anspruch auf Krankenvergütung erlischt rechtlich mit Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungsfrist (§ 3 Abs. 1 EFZG) beziehungsweise mit Wiedergenesung und entsprechender Arbeitsaufnahme. Endet das Arbeitsverhältnis jedoch während der Arbeitsunfähigkeit, so besteht der Anspruch nach § 8 EFZG grundsätzlich fort, sofern der Beendigungsgrund nicht eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund durch den Arbeitgeber ist. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Krankengeld durch die Krankenkasse nach § 46 SGB V begründet sein, sobald die Entgeltfortzahlung endet. Rechtlich relevant ist ferner, dass der Anspruch auf Krankenvergütung ebenfalls dann entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch eigenverschuldetes Verhalten (etwa durch einen Straftatbestand oder grob fahrlässiges Handeln) herbeigeführt wurde oder der arbeitsunfähige Arbeitnehmer seinen Mitwirkungspflichten, beispielsweise der ordnungsgemäßen Krankmeldung und Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nicht nachkommt.
Welche Mitwirkungspflichten hat der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Krankenvergütung?
Arbeitnehmer unterliegen im Kontext der Krankenvergütung insbesondere einer unverzüglichen Anzeigepflicht ihrer Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber gemäß § 5 EFZG. Die gesetzliche Vorgabe sieht vor, dass die Mitteilung „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, zu erfolgen hat. Zusätzlich ist spätestens ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) vorzulegen; der Arbeitgeber kann die Vorlage bereits ab dem ersten Tag verlangen. Kommt der Arbeitnehmer diesen Pflichten nicht nach, kann der Anspruch auf Krankenvergütung bis zur Nachholung der Pflichten ausgesetzt oder im Extremfall ganz versagt werden. Die arbeitsrechtliche Pflicht zur Mitteilung und Nachweis umfasst auch die fortdauernde Information, falls die Erkrankung länger als zunächst bescheinigt bestehen bleibt. Darüber hinaus verlangt die Rechtsprechung, dass der Arbeitnehmer alles unterlässt, was seiner Genesung abträglich sein könnte, da sonst eine Obliegenheitsverletzung vorliegt, die zur Reduzierung oder zum Entfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs führen kann.
Können Arbeitgeber die Zahlung der Krankenvergütung verweigern oder zurückfordern?
Arbeitgeber dürfen die Zahlung der Krankenvergütung rechtlich nur verweigern, wenn Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit bestehen oder wenn der Arbeitnehmer seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Im Fall eines begründeten Verdachts können Arbeitgeber den Medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten (§ 275 Abs. 1 SGB V), um die Arbeitsunfähigkeit überprüfen zu lassen. Wird nachträglich festgestellt, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht Krankenvergütung erhalten hat – etwa bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit oder verspäteter Krankmeldung -, besteht ein Recht zur Rückforderung gemäß § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung). Auch können vertragliche oder tarifliche Regelungen im Einzelfall dazu berechtigen, Leistungen zurückzuhalten. Arbeitgeber sind jedoch verpflichtet, im Streitfall die Beweislast zu tragen. Generell empfiehlt sich die Dokumentation sämtlicher Vorgänge, um Unstimmigkeiten über den Anspruchsgrund und -umfang sorgfältig belegen zu können.
Wie wirkt sich eine wiederholte Erkrankung auf den Anspruch auf Krankenvergütung aus?
Die rechtliche Beurteilung wiederholter Erkrankungsfälle im Zusammenhang mit der Krankenvergütung richtet sich nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 EFZG. Hiernach beginnt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung grundsätzlich bei jeder neuen, nicht mit der vorherigen in Zusammenhang stehenden Arbeitsunfähigkeit von Neuem. Tritt jedoch innerhalb von zwölf Monaten nach Beginn der ersten Erkrankung eine erneute, auf derselben Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit ein, werden die Zeiträume zusammengerechnet; der Anspruch besteht dann insgesamt nur für maximal sechs Wochen. Eine anspruchsverlängernde Wirkung tritt nur ein, wenn zwischen den einzelnen Arbeitsunfähigkeiten mindestens sechs Monate liegen oder seit Beginn der ersten Erkrankung zwölf Monate vergangen sind. Bei verschiedenen Grunderkrankungen, die keine ursächliche Verbindung haben, löst jede Arbeitsunfähigkeit einen vollen neuen Entgeltfortzahlungszeitraum aus. Für die genaue rechtliche Bewertung bedarf es im Zweifel einer medizinischen und juristischen Prüfung, insbesondere bei schwer abgrenzbaren oder chronischen Erkrankungen.
Kann die Krankenvergütung auch im Fall einer Schwangerschaft oder eines Arbeitsunfalls beansprucht werden?
Im Fall einer durch Schwangerschaft verursachten Arbeitsunfähigkeit besteht Anspruch auf Krankenvergütung nach den allgemeinen Regeln des EFZG, solange keine Mutterschutzfristen nach § 3 MuSchG (Mutterschutzgesetz) eingreifen. Ab sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin sowie während der Schutzfrist nach der Geburt ruht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da dann Mutterschaftsgeld durch die Krankenkasse gezahlt wird. Bei einem Arbeitsunfall besteht grundsätzlich ebenfalls Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß EFZG; nach Ablauf der sechs Wochen wird jedoch anstelle des Krankengeldes das sogenannte Verletztengeld (§ 45 SGB VII) durch die gesetzliche Unfallversicherung gezahlt. Die rechtliche Differenzierung zwischen Erkrankung, Schwangerschaft und Arbeitsunfall ist entscheidend, da sowohl Anspruchsdauer als auch zuständiger Kostenträger variieren. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich im Zweifelsfall frühzeitig beraten lassen, um die entsprechenden Pflichten und Ansprüche korrekt beurteilen zu können.
Welche Beweislast trifft Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Streitigkeiten um Krankenvergütung?
Im Rahmen von Streitigkeiten über die Krankenvergütung obliegt dem Arbeitnehmer zunächst die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ordnungsgemäßen ärztlichen Bescheinigung. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird im Regelfall als hinreichender Beweis gesehen. Bestreitet der Arbeitgeber jedoch die tatsächliche Krankheit (etwa bei Verdacht auf einen sogenannten „Blaumacher-Fall“), trägt er die sekundäre Darlegungslast und muss konkrete, objektive Umstände vorbringen, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. In solchen Fällen kann zusätzlich eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst erfolgen. Im Ergebnis ist für eine erfolgreiche Geltendmachung oder Verweigerung der Krankenvergütung regelmäßig eine sorgfältige Dokumentation sowohl auf Seiten des Arbeitnehmers (z.B. Krankmeldungen, Nachweise) als auch des Arbeitgebers (z.B. Hinweisschreiben, interne Kommunikation) von zentraler Bedeutung, da die rechtliche Durchsetzung letztlich von der substantiierten Beweisführung abhängt.