Was sind Krankenunterlagen?
Krankenunterlagen sind die Gesamtheit aller schriftlichen, bildgebenden und digitalen Aufzeichnungen über eine medizinische Behandlung. Sie dokumentieren den Gesundheitszustand, den Verlauf der Versorgung und die Interaktionen zwischen behandelnden Personen und Patientinnen und Patienten. Häufig werden auch die Begriffe Patientenakte, Krankenakte oder Behandlungsdokumentation verwendet. Krankenunterlagen dienen der sicheren Behandlung, der Nachvollziehbarkeit medizinischer Entscheidungen sowie als Beweismittel in rechtlichen Auseinandersetzungen.
Typische Bestandteile von Krankenunterlagen
- Stammdaten, Anamnese und Vorbefunde
- Diagnosen, Befunde, Laborwerte und Bildgebung
- Therapie- und Behandlungspläne, Medikation und Verordnungen
- Operations- und Eingriffsberichte, Narkoseprotokolle
- Pflege- und Verlaufsdokumentation, Vitalparameter
- Aufklärungs- und Einwilligungsdokumente
- Arztbriefe, Überweisungen und Entlassungsberichte
- Kommunikationsvermerke, Konsile und Telemedizin-Dokumente
- Rechnungs- und Abrechnungsdaten (soweit behandlungsbezogen)
Dokumentationspflicht und Qualität der Aufzeichnungen
Behandelnde Personen und Einrichtungen sind verpflichtet, medizinisch relevante Informationen vollständig, wahrheitsgemäß und zeitnah zu dokumentieren. Die Einträge müssen nachvollziehbar, lesbar und geordnet sein. Nachträge sind als solche zu kennzeichnen und dürfen den ursprünglichen Inhalt nicht unkenntlich machen; die Nachvollziehbarkeit des zeitlichen Ablaufs muss erhalten bleiben. Elektronische Systeme müssen Änderungen protokollieren, um Transparenz und Integrität der Daten zu gewährleisten.
Rechtsstellung: Eigentum, Verwahrung und Verfügungsbefugnis
Das Original der Krankenunterlagen verbleibt grundsätzlich bei der behandelnden Person oder der Einrichtung, die die Dokumentation erstellt hat. Patientinnen und Patienten haben kein Eigentum am Original, aber umfassende Rechte auf Einsicht und auf Erstellung von Kopien oder elektronischen Abschriften. Einrichtungen sind zur sicheren Verwahrung verpflichtet und müssen organisatorische und technische Schutzmaßnahmen vorhalten.
Rechte der Patientinnen und Patienten
Einsichts- und Auskunftsrecht
Patientinnen und Patienten haben das Recht, Einsicht in ihre Krankenunterlagen zu erhalten. Die Einsicht kann vor Ort, als Kopie, als Ausdruck oder in einem gängigen elektronischen Format gewährt werden. Die Herausgabe hat innerhalb angemessener Zeit zu erfolgen. Ausnahmsweise dürfen Teile der Unterlagen zurückgehalten werden, wenn schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen oder durch die Einsicht erhebliche Nachteile für die Gesundheit der betroffenen Person zu befürchten sind. Gründe hierfür sind zu dokumentieren.
Kopien, Formate und Kostentragung
Kopien und elektronische Abschriften können herausgegeben werden. Die Kosten für Vervielfältigungen dürfen in angemessenem Umfang in Rechnung gestellt werden. Digitale Übermittlungen müssen sicher erfolgen; die Wahl des Formats hat sich am Stand der Technik und an der Lesbarkeit zu orientieren.
Berichtigung, Ergänzung und Widerspruch
Faktische Fehler in den Unterlagen dürfen berichtigt werden, ohne den ursprünglichen Eintrag zu löschen. Berichtigungen und Ergänzungen sind nachvollziehbar kenntlich zu machen. Subjektive Auffassungen werden nicht rückwirkend „umgeschrieben“, können aber durch Gegendarstellungen und ergänzende Vermerke ergänzt werden. Ein umfassendes Löschungsrecht besteht während gesetzlicher Aufbewahrungsfristen regelmäßig nicht; im Anschluss sind Unterlagen zu löschen oder zu anonymisieren, soweit keine überwiegenden Gründe für eine längere Aufbewahrung bestehen.
Datenschutz und Vertraulichkeit
Krankenunterlagen enthalten besonders sensible Gesundheitsdaten. Deren Verarbeitung unterliegt strengen Anforderungen an Zweckbindung, Datenminimierung, Transparenz und Sicherheit. Zugriff erhalten nur Personen, die ihn für die Behandlung oder für klar bestimmte legitime Zwecke benötigen. Die ärztliche und therapeutische Schweigepflicht schützt die Vertraulichkeit über den Behandlungsrahmen hinaus. Bei elektronischer Verarbeitung sind Verschlüsselung, Zugriffs- und Berechtigungskonzepte sowie Protokollierungen erforderlich.
Aufbewahrung, Archivierung und Löschung
Für Krankenunterlagen gelten Mindestaufbewahrungsfristen, die je nach Art der Dokumente variieren und bei bestimmten Unterlagen deutlich verlängert sein können. Während dieser Zeitspanne dürfen Unterlagen nicht gelöscht werden; sie müssen vor Verlust, Veränderung und unbefugtem Zugriff geschützt archiviert werden. Nach Ablauf der Fristen sind Unterlagen grundsätzlich zu löschen oder zu anonymisieren, es sei denn, überwiegende Gründe sprechen für eine längere Aufbewahrung, etwa bei laufenden Verfahren.
Weitergabe und Übermittlung
Die Weitergabe von Krankenunterlagen an Dritte bedarf grundsätzlich einer wirksamen Einwilligung der betroffenen Person. Ohne Einwilligung kommt eine Übermittlung nur in eng begrenzten gesetzlich vorgesehenen Fällen in Betracht, etwa zur Abrechnung im Gesundheitswesen, bei meldepflichtigen Sachverhalten oder in akuten Notfällen zum Schutz lebenswichtiger Interessen. Bei Forschungsvorhaben sind strenge Anforderungen an Anonymisierung, Pseudonymisierung und Zweckbindung zu beachten.
Besondere Konstellationen
Minderjährige
Bei Minderjährigen richtet sich der Zugang zu Krankenunterlagen nach der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen sowie den Rechten der Sorgeberechtigten. Das Kindeswohl und der Vertrauensschutz in die Behandlung sind zu berücksichtigen; in sensiblen Bereichen kann die Einsicht der Sorgeberechtigten eingeschränkt sein.
Vertretung und Betreuung
Rechtliche Vertreterinnen und Vertreter, Bevollmächtigte oder bestellte Betreuerinnen und Betreuer können Einsicht nehmen, soweit sich ihre Vertretungsmacht auf Gesundheitsangelegenheiten erstreckt und keine überwiegenden Schutzinteressen der betroffenen Person entgegenstehen. Die Vertretungsbefugnis ist nachzuweisen.
Verstorbene
Nach dem Tod kann Einsicht gewährt werden, wenn schutzwürdige Interessen der verstorbenen Person dem nicht entgegenstehen. Häufig kommen nahe Angehörige oder Erben in Betracht. Maßgeblich sind der mutmaßliche Wille der verstorbenen Person und berechtigte Interessen, etwa zur Klärung medizinischer Fragen oder versicherungsrechtlicher Anliegen.
Digitale Krankenunterlagen und elektronische Patientenakte
Neben einrichtungsinternen Akten gewinnen digitale Systeme und vernetzte Lösungen an Bedeutung. Die elektronische Patientenakte ermöglicht die freiwillige, patientengeführte Bündelung von Gesundheitsdaten aus verschiedenen Quellen. Zugriffsrechte können fein gesteuert und protokolliert werden. Interoperabilität, Datensicherheit und Transparenz der Zugriffe sind zentrale Anforderungen.
Beweis- und Haftungsfunktion
Krankenunterlagen haben eine zentrale Beweisfunktion. Vollständige und zeitnahe Dokumentation erhöht die Nachvollziehbarkeit des Behandlungsgeschehens. Manipulationssichere Nachträge, lückenlose Protokollierung und klare Zuordnung von Einträgen sind für die Beurteilung von Abläufen von Bedeutung. Unklare, unleserliche oder fehlende Dokumentation kann die Beweiswürdigung beeinflussen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer ist Eigentümer der Krankenunterlagen?
Das Original der Krankenunterlagen gehört der behandelnden Person oder Einrichtung, die die Dokumente erstellt. Patientinnen und Patienten haben jedoch ein umfassendes Recht auf Einsicht sowie auf Kopien oder elektronische Abschriften.
Wie und in welcher Form kann Einsicht gewährt werden?
Einsicht kann vor Ort, als Papierkopie, als Ausdruck oder in einem gängigen elektronischen Format erfolgen. Die Übermittlung muss datenschutzgerecht erfolgen und binnen angemessener Zeit stattfinden.
Dürfen Einträge nachträglich geändert oder gelöscht werden?
Ursprüngliche Einträge dürfen nicht unkenntlich gemacht werden. Korrekturen und Ergänzungen sind als Nachträge kenntlich zu machen. Während laufender Aufbewahrungsfristen besteht in der Regel kein Anspruch auf Löschung, wohl aber auf Berichtigung fehlerhafter Angaben und auf ergänzende Vermerke.
Wer darf ohne Einwilligung Einsicht erhalten?
Ohne Einwilligung ist Einsicht nur in eng begrenzten gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig, etwa bei Notfällen zur Abwendung erheblicher Gefahren, bei bestimmten Meldepflichten oder zur Durchführung der Abrechnung im Gesundheitswesen, jeweils unter strikter Beachtung von Zweckbindung und Datenminimierung.
Wie lange werden Krankenunterlagen aufbewahrt?
Es gelten gesetzliche Mindestaufbewahrungsfristen, die je nach Dokumentenart unterschiedlich lang sind und in bestimmten Bereichen deutlich verlängert sein können. Nach Ablauf sind die Unterlagen zu löschen oder zu anonymisieren, soweit keine überwiegenden Gründe für eine längere Aufbewahrung bestehen.
Haben Angehörige eines verstorbenen Menschen Zugriff auf die Unterlagen?
Zugriff kann gewährt werden, wenn der mutmaßliche Wille der verstorbenen Person und berechtigte Interessen der Angehörigen dafür sprechen und keine überwiegenden Schutzinteressen entgegenstehen. Nahe Angehörige oder Erben kommen dabei vorrangig in Betracht.
Was gilt bei minderjährigen Patientinnen und Patienten?
Der Zugang richtet sich nach der Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen sowie den Rechten der Sorgeberechtigten. Vertrauen und Kindeswohl können dazu führen, dass bestimmte Inhalte nur eingeschränkt zugänglich sind.
Welche Rolle spielt die elektronische Patientenakte?
Sie bündelt freiwillig ausgewählte Gesundheitsdaten aus verschiedenen Versorgungsbereichen. Zugriffe werden gesteuert und protokolliert. Die Nutzung setzt besondere Anforderungen an Interoperabilität, Transparenz und Datensicherheit.