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Krankengymnast


Begriff und rechtlicher Status des Krankengymnasten

Der Begriff Krankengymnast bezeichnet in Deutschland eine Berufsbezeichnung, die mit dem Inkrafttreten des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes (MPhG) im Jahr 1994 durch die Bezeichnung Physiotherapeut abgelöst wurde. Dennoch findet der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch sowie in älteren Rechtsvorschriften weiterhin Verwendung. Der Krankengymnast ist ein Heilberuf, dessen Tätigkeitsfeld insbesondere die Anwendung von Bewegungstherapie und weiteren physikalischen Therapieformen zur Prävention, Behandlung und Rehabilitation von Erkrankungen umfasst.

Historische Entwicklung

Ursprünge und Entwicklung des Berufsbildes

Das Berufsbild des Krankengymnasten entwickelte sich ab Anfang des 20. Jahrhunderts aus der medizinischen Gymnastik und wurde im Jahr 1959 durch das Gesetz über die Ausübung der Krankengymnastik erstmals rechtlich geregelt. Im Vordergrund standen Bewegungstherapie und die Anwendung physikalischer Maßnahmen.

Ablösung durch das Berufsbild des Physiotherapeuten

Mit der Verabschiedung des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes (MPhG) vom 26. Mai 1994 wurde die Ausbildung neu geregelt, der Begriff „Krankengymnast“ durch „Physiotherapeut“ ersetzt und bestehende Fachkräfte über Übergangsvorschriften den Physiotherapeuten gleichgestellt.

Ausbildung und staatliche Zulassung

Ausbildungsinhalte und -dauer

Vor Einführung des MPhG umfasste die Ausbildung zum Krankengymnasten eine schulische Ausbildung an staatlich anerkannten Schulen für Krankengymnastik mit einer Dauer von drei Jahren. Inhalte der Ausbildung waren Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre, Bewegungslehre, Trainings- und Übungslehre sowie verschiedene Techniken der physikalischen Therapie.

Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung

Die Führung der Bezeichnung Krankengymnast ist nach § 1 des inzwischen außer Kraft getretenen Gesetzes über die Ausübung der Krankengymnastik ausschließlich Personen gestattet, die eine staatliche Prüfung mit Erfolg abgelegt haben und eine entsprechende staatliche Erlaubnis erhalten haben. Unbefugte Führung der Berufsbezeichnung war und ist eine Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat gemäß den jeweils geltenden Vorschriften.

Übergangsvorschriften bei Einführung des MPhG

Das MPhG enthält Übergangsvorschriften, wonach Inhaber der früheren Erlaubnis als Krankengymnast ohne weitere Prüfung die Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ führen dürfen (§ 25 Abs. 2 MPhG).

Berufsausübung und Tätigkeitsfeld

Tätigkeitsbereich

Der Krankengymnast ist primär im Bereich der Bewegungstherapie tätig. Die Maßnahmen dienen der Vorbeugung (Prävention), Behandlung (Therapie) und Nachsorge (Rehabilitation) von Störungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates und weiterer Organsysteme.

Heilkundliche Tätigkeit

Krankengymnasten dürfen Heilbehandlungen nur auf ärztliche Verordnung durchführen. Die eigenständige Ausübung der Heilkunde ist nach § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz untersagt, sofern keine Heilpraktikererlaubnis vorliegt. Die eigenverantwortliche Ausübung physiotherapeutischer Maßnahmen ist auf den Rahmen ärztlicher Anordnungen beschränkt.

Schweigepflicht und Datenschutz

Wie alle im Gesundheitswesen tätigen Personen unterliegen Krankengymnasten der Schweigepflicht nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) und den Datenschutzbestimmungen, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Verstöße gegen diese Pflichten können straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Berufliche Selbstständigkeit und Zulassung zur Abrechnung mit Kostenträgern

Selbstständigkeit und Berufsausübung

Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit war und ist nach § 124 SGB V an eine Zulassung durch die gesetzlichen Krankenkassen gebunden. Voraussetzung hierfür ist u.a. das Vorhandensein der staatlichen Berufsurkunde und die Einhaltung weiterer gesetzlicher und vertraglicher Rahmenbedingungen (Räumlichkeiten, Fachpersonal etc.).

Kassenzulassung

Für die Zulassung zur Behandlung und Abrechnung mit gesetzlichen Krankenkassen mussten Krankengymnasten schon vor Einführung des MPhG die Anforderungen der Krankenkassen-Zulassungsverordnung für Vertragsheilmittelerbringer (Zulassungs- und Rahmenverträge) erfüllen. Die Abrechnung von gesetzlich versicherten Patienten ohne Kassenzulassung ist unzulässig und kann Sanktionen nach sich ziehen.

Berufsrechtliche Aspekte und Berufspflichten

Berufsverbände und Interessenvertretung

Vor und nach Umbenennung in Physiotherapeut können Krankengymnasten/Physiotherapeuten Mitglieder von Berufsverbänden (z.B. Deutscher Verband für Physiotherapie) werden. Diese Verbände setzen sich für die beruflichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Berufsangehörigen ein und wirken an der Gestaltung von Normen für die Berufsausübung mit.

Fortbildungspflichten

Mit der Berufszulassung ist eine stetige Fortbildungspflicht verbunden, um die Qualität therapeutischer Leistungen zu sichern. Dies ist insbesondere für die Behandlung gesetzlich Krankenversicherter eine Voraussetzung.

Haftung

Krankengymnasten haften im Rahmen ihrer Berufsausübung bei Behandlungsfehlern für daraus resultierende Personen- oder Sachschäden. Die berufliche Haftung bezieht sich sowohl auf vertragliche wie auf deliktische Ansprüche und erfordert üblicherweise den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung.

Berufsbezeichnung im internationalen und europäischen Kontext

Die deutsche Berufsbezeichnung Krankengymnast ist im Ausland oft wenig gebräuchlich. International, insbesondere im europäischen Raum, ist die Bezeichnung „Physiotherapeut“ oder entsprechende Übersetzungen (z.B. physiotherapist im englischsprachigen Raum, kinésithérapeute im französischsprachigen Raum) üblich. Die Anerkennung deutscher Berufsqualifikationen im Ausland erfolgt auf Basis der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie.

Rechtslage nach Abschaffung der Bezeichnung „Krankengymnast“

Mit Inkrafttreten des MPhG am 1. Juni 1994 dürfen neue Berufsangehörige nur noch die Berufsbezeichnung Physiotherapeut führen. Die Bezeichnung „Krankengymnast“ darf weiterhin von Personen geführt werden, die vor diesem Stichtag die entsprechende Berufsausbildung und staatliche Anerkennung erworben haben. Neue Urkunden werden ausschließlich für die Berufsbezeichnung Physiotherapeut ausgestellt.

Zusammenfassung

Der Begriff Krankengymnast bezeichnet einen staatlich geprüften Heilmittelerbringer für Bewegungstherapie, dessen Ausbildung und Berufsausübung bis zur Ablösung durch das Berufsbild des Physiotherapeuten im Jahr 1994 in Deutschland detailliert gesetzlich geregelt war. Wesentliche rechtliche Regelungsbereiche betreffen die Zugangsvoraussetzungen, Ausbildungsinhalte, staatliche Anerkennung, Schweigepflicht und Datenschutz, Begrenzung heilkundlicher Befugnisse, Zulassung zur Abrechnung mit gesetzlichen Kostenträgern sowie Fortbildungs- und Haftungspflichten. Im heutigen Recht ist die Berufsbezeichnung zwar auslaufend, unterliegt aber weiterhin rechtlichen Übergangsvorschriften. Die rechtliche Fortentwicklung hat das Berufsbild an europäische Standards angepasst und stärker auf interdisziplinäre Heilmittelerbringung ausgerichtet.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf die Berufsbezeichnung „Krankengymnast“ rechtlich führen?

Die Berufsbezeichnung „Krankengymnast“ ist in Deutschland rechtlich geschützt. Nach dem Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG) dürfen nur Personen diese Bezeichnung führen, die die staatlich anerkannte Prüfung zum Krankengymnasten erfolgreich abgelegt haben und eine entsprechende Erlaubnisurkunde besitzen. Seit Inkrafttreten des MPhG im Jahr 1994 wird die Ausbildung unter der Bezeichnung „Physiotherapeut“ geführt, wobei Krankengymnast und Physiotherapeut als gleichwertig anerkannt sind. Wer die Berufsbezeichnung unberechtigt führt, riskiert strafrechtliche Konsequenzen nach § 132a StGB (Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen). Auch eine Verwendung ausländischer Berufsabschlüsse ist zulassungspflichtig und setzt eine behördliche Anerkennung voraus. Arbeitgeber müssen im Beschäftigungsfall sicherstellen, dass Mitarbeitende die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen.

In welchem rechtlichen Rahmen dürfen Krankengymnasten tätig werden?

Krankengymnasten dürfen ausschließlich im Rahmen ihrer Berufs- und Fachkompetenzen arbeiten, wie sie im MPhG und in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) festgelegt sind. Sie sind verpflichtet, ihre Tätigkeit nach anerkannten aktuellen wissenschaftlichen Standards und unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben (z.B. Datenschutz, Patientenschutz) auszuüben. Eigenständige Diagnosen oder das Verordnen von Heilmitteln ist ihnen untersagt; sie führen ärztlich verordnete Therapien durch und dürfen keine heilkundlichen Maßnahmen ohne ärztliche Anordnung vornehmen. Auch bei einer freiberuflichen Tätigkeit sind die berufsrechtlichen Grenzen zu beachten. Zuwiderhandlungen können berufsrechtliche oder sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche gesetzlichen Aufklärungspflichten bestehen gegenüber Patienten?

Krankengymnasten sind verpflichtet, ihre Patienten umfassend über die geplanten Maßnahmen, deren Ziele, mögliche Risiken und Alternativen zu informieren. Diese Aufklärungspflicht ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 630e BGB (Aufklärungspflichten beim Behandlungsvertrag). Die Information muss verständlich, rechtzeitig und schriftlich oder mündlich erfolgen. Patienten müssen die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen, und ihre Einwilligung in die Behandlung muss dokumentiert werden. Eine mangelhafte oder unterlassene Aufklärung kann sowohl zivilrechtliche (Haftung auf Schadensersatz) als auch berufsrechtliche sowie strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Wann haften Krankengymnasten für Behandlungsfehler?

Die Haftung von Krankengymnasten für Behandlungsfehler richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Behandlungsvertrag gemäß §§ 630a ff. BGB. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die Behandlung nicht den anerkannten fachlichen Standards entspricht oder bei Pflichtverletzungen im Rahmen der Aufklärung, Dokumentation oder Sorgfalt. Im Falle eines Schadensersatzprozesses trägt zunächst der Patient die Beweislast, durch die sogenannte Beweislastumkehr kann diese jedoch auf den Therapeuten übergehen, etwa bei groben Fehlern oder lückenhafter Dokumentation. Zudem besteht die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung, die im Schadensfall eingreift. Neben zivilrechtlicher Haftung können berufsrechtliche oder strafrechtliche Maßnahmen erfolgen.

Dürfen Krankengymnasten selbstständig Rezepte ausstellen oder Heilmittel verordnen?

Nein, Krankengymnasten dürfen rechtlich keine Rezepte ausstellen oder Heilmittel verordnen. Die Verordnung von physiotherapeutischen Behandlungen ist ausschließlich approbierten Ärzten oder, in einigen Fällen, Heilpraktikern vorbehalten. Krankengymnasten sind jedoch berechtigt, im Rahmen einer ärztlichen Verordnung tätig zu werden und die jeweils vorgesehenen Heilmittel selbstständig auszuwählen und anzuwenden. Ein eigenmächtiges Handeln ohne ärztliche Anordnung stellt einen Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz und das MPhG dar und kann sowohl straf- als auch berufsrechtliche Konsequenzen haben.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Dokumentation der Behandlung?

Krankengymnasten sind nach § 630f BGB und berufsrechtlichen Vorgaben verpflichtet, jede Behandlung ordnungsgemäß zu dokumentieren. Die Dokumentation muss zeitnah, vollständig, nachvollziehbar und für mindestens zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung aufbewahrt werden, sofern nicht nach anderen Rechtsvorschriften längere Fristen gelten (z.B. Abrechnung mit gesetzlichen Kostenträgern). Dokumentiert werden müssen insbesondere Behandlungsmaßnahmen, anamnestische Daten, Reaktionen auf die Therapie und relevante Zwischenfälle. Die Dokumentation dient der Patientensicherheit, der Nachvollziehbarkeit im Streitfall sowie der Qualitätssicherung und ist zudem Bestandteil der Nachweispflicht gegenüber Krankenkassen und Behörden.

Welche Schweigepflichten haben Krankengymnasten?

Krankengymnasten unterliegen gemäß § 203 StGB einer strengen Schweigepflicht. Sie dürfen ohne ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Patienten keine personenbezogenen oder gesundheitsbezogenen Daten an Dritte weitergeben, es sei denn, es besteht eine gesetzliche Offenbarungspflicht (z. B. bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten). Die Schweigepflicht gilt gegenüber anderen Arbeitgebern, Kollegen und selbst gegenüber Familienangehörigen der Patienten. Verstöße können strafrechtliche, berufliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Auch im Rahmen elektronischer Datenverarbeitung sind die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einzuhalten.

Wie ist die berufliche Weiterbildung rechtlich geregelt?

Es besteht nach derzeitiger Rechtslage keine gesetzliche Pflicht zur regelmäßigen Weiterbildung für Krankengymnasten, jedoch kann sich aus verschiedenen berufsrechtlichen Vorgaben (u.a. Heilmittel-Richtlinien, Empfehlungen der Landesberufsverbände) eine Fortbildungspflicht ergeben, insbesondere wenn neue Behandlungsmethoden eingesetzt werden oder um die Abrechnung mit gesetzlichen Krankenkassen sicherzustellen. Weiterbildungen, die mit einer Erlaubnis zum Führen von Zusatzbezeichnungen (z. B. Manuelle Therapie, Bobath) einhergehen, bedürfen einer behördlichen Anerkennung und entsprechen spezifischen gesetzlichen Vorgaben. Bei fehlender oder mangelhafter Weiterbildung kann die Berufsausübung eingeschränkt oder untersagt werden.