Begriff und allgemeine Definition der Krankenbehandlung
Die Krankenbehandlung ist ein zentraler Begriff im deutschen Gesundheits- und Sozialrecht. Sie umfasst sämtliche Maßnahmen, die darauf abzielen, Krankheiten zu erkennen, zu heilen, zu lindern oder deren Verschlimmerung zu verhüten. Die Krankenbehandlung ist sowohl aus ärztlicher, zahnärztlicher als auch psychotherapeutischer Sicht relevant und unterliegt klaren rechtlichen Vorgaben, insbesondere im Sozialgesetzbuch (SGB V), im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in weiteren einschlägigen Gesetzeswerken.
Rechtsgrundlagen der Krankenbehandlung
Krankenbehandlung im Sozialgesetzbuch (SGB V)
Die maßgebliche Vorschrift zur Krankenbehandlung findet sich im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), das die gesetzliche Krankenversicherung regelt. Gemäß § 27 SGB V umfasst die Krankenbehandlung alle medizinisch notwendigen Leistungen zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten. Das Leistungsspektrum erstreckt sich auf folgende Maßnahmen:
- ärztliche und zahnärztliche Behandlung,
- Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln,
- häusliche Krankenpflege,
- Krankenhausbehandlung,
- Rehabilitation,
- Psychotherapie.
Alle Leistungen müssen nach § 12 SGB V „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Privatversicherungsrechtliche Grundlagen
Im Bereich der privaten Krankenversicherung werden Umfang und Kostenübernahme der Krankenbehandlung durch die jeweiligen vertraglichen Versicherungsbedingungen und das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt (§§ 192 ff. VVG). Hier liegt ein Schwerpunkt auf der vertraglich geschuldeten Heilbehandlung sowie den Leistungsbeschreibungen und Ausschlüssen der einzelnen Policen.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Die Krankenbehandlung im schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Patient und Behandelndem basiert auf dem sogenannten Behandlungsvertrag nach §§ 630a ff. BGB. Gemäß § 630a Abs. 1 BGB verpflichtet sich ein Behandelnder (z. B. eine Ärztin oder Zahnarzt), eine medizinisch fachgerechte Behandlung nach aktuellem Standard zu erbringen. Hierbei sind insbesondere das Gebot der Sorgfalt, die Informationspflichten (§ 630c BGB) sowie die Einwilligung (§ 630d BGB) zu beachten.
Umfang und Inhalt der Krankenbehandlung
Ärztliche Behandlung
Die ärztliche Behandlung umfasst alle Tätigkeiten, die der Feststellung, Heilung, Linderung oder Prävention einer Krankheit dienen. Dies schließt Untersuchungen, Therapien, Operationen und Beratungsleistungen mit ein.
Psychotherapeutische Behandlung
Im Zuge entsprechender Indikation gehören psychotherapeutische Maßnahmen zur Krankenbehandlung, deren Durchführung und Umfang durch die Psychotherapierichtlinie und die einschlägigen Vorschriften des SGB V geregelt sind.
Zahnärztliche Behandlung
Die zahnärztliche Krankenbehandlung teilt sich in konservierende, prothetische und chirurgische Maßnahmen. Die konkreten Leistungen werden im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA) für die gesetzliche Krankenversicherung und in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) für privatversicherte Personen bestimmt.
Ergänzende Leistungen
Zu einer umfassenden Krankenbehandlung zählen weitere Leistungen, etwa:
- Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel (§ 33 ff. SGB V)
- Häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V)
- Stationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V)
- Soziotherapie (§ 37a SGB V)
- Rehabilitationsmaßnahmen
Voraussetzungen und Grenzen der Krankenbehandlung
Medizinische Notwendigkeit
Für den Anspruch auf Krankenbehandlung ist die medizinische Notwendigkeit entscheidend. Leistungen sind nur dann zu erbringen, wenn sie zur Behandlung einer bestehenden Krankheit erforderlich und nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft angemessen sind (§ 27 Abs. 1 SGB V).
Wirtschaftlichkeitsgebot
Sowohl im gesetzlichen als auch privaten Versicherungsbereich ist das Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen. Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Unwirtschaftliche oder nicht notwendige Behandlungen werden von den Leistungsträgern regelmäßig nicht übernommen.
Dokumentations- und Aufklärungspflichten
Der Behandelnde ist verpflichtet, die Behandlung sorgfältig zu dokumentieren (§ 630f BGB) und dem Patienten alle wesentlichen Umstände der Behandlung zu erläutern. Die Patientenaufklärung ist Grundlage für eine wirksame Einwilligung in die Maßnahmen (§ 630e BGB).
Ansprüche und Rechtsfolgen bei mangelhafter Krankenbehandlung
Haftung für Behandlungsfehler
Kommt es zu einem Behandlungsfehler und dadurch zu einem Schaden, kann der Patient Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche geltend machen (§§ 630a ff., §§ 280, 823 BGB). Für die Beweislast gelten besondere Grundsätze, insbesondere bei groben Behandlungsfehlern.
Leistungsausschlüsse
Bestimmte Methoden und Maßnahmen sind von der Krankenbehandlung ausgenommen. So können etwa nicht allgemein anerkannte oder experimentelle Behandlungen abgelehnt werden, ebenso wie Maßnahmen zur bloßen Steigerung des Wohlbefindens, die keinen Krankheitsbezug aufweisen.
Krankenbehandlung bei besonderen Personengruppen
Kinder und Jugendliche
Für Minderjährige gelten insbesondere bei der Einwilligung besondere Schutz- und Vertretungsregelungen. Die Sorgeberechtigten müssen in die Behandlung einwilligen, es sei denn, das Kind ist einsichtsfähig.
Menschen mit Behinderungen
Bei Menschen mit Behinderungen greifen ergänzende Vorschriften und Maßnahmen, um eine diskriminierungsfreie Behandlung und gleichberechtigte Teilhabe am medizinischen Versorgungsprozess zu gewährleisten (u. a. SGB IX).
Spezialfragen und gerichtliche Überprüfung
Begutachtungs- und Prüfverfahren
Im Rahmen von Streitigkeiten über Art und Umfang der Krankenbehandlung werden häufig medizinische Gutachten eingeholt. Darüber hinaus existieren spezielle Schlichtungsstellen und Prüfverfahren, insbesondere bei den Kassenärztlichen Vereinigungen.
Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit
Die gerichtliche Überprüfung von Ansprüchen auf Krankenbehandlung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt vorrangig vor den Sozialgerichten. Hier werden insbesondere Fragen zur Notwendigkeit, zum Umfang und zur Art der Krankenbehandlung geklärt.
Zusammenfassung
Die Krankenbehandlung ist ein vielschichtiger Rechtsbegriff und umfasst sämtliche Maßnahmen zur Behandlung und Prävention von Krankheiten. Dabei unterliegt sie klaren gesetzlichen Vorgaben, die sowohl die Rechte und Pflichten der Betroffenen als auch die Leistungserbringer und -träger präzise regeln. Von zentraler Bedeutung sind das Wirtschaftlichkeitsgebot, die medizinische Notwendigkeit sowie die umfassenden Dokumentations- und Aufklärungspflichten. Im Falle von Streitigkeiten über die Krankenbehandlung finden differenzierte Prüf- und Klärungsverfahren Anwendung, die den Patientenschutz stärken und Rechtssicherheit schaffen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Anspruch auf Krankenbehandlung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) erfüllt sein?
Um einen Anspruch auf Krankenbehandlung im Sinne des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) zu haben, müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder die familienversicherte Angehörigkeit zu einer versicherten Person notwendig (§ 2, § 10 SGB V). Weiterhin muss die Leistung medizinisch notwendig, wirtschaftlich und zweckmäßig sein (§ 12 SGB V). Dies schließt aus, dass Maßnahmen, deren medizinische Wirksamkeit nicht belegt ist oder unverhältnismäßige Kosten verursachen, von der Leistungsgewährung ausgeschlossen sind. Die Krankenbehandlung darf zudem keine andere zumutbare Leistung ersetzen, also besteht keine Doppelleistungspflicht. Des Weiteren sind formale Anforderungen wie die Inanspruchnahme zugelassener Leistungserbringer und die Einhaltung vorgeschriebener Antrags- und Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen (§§ 13, 39 SGB V). In manchen Fällen, wie bei Heil- und Hilfsmitteln oder bestimmten Therapien, kann eine vorherige Genehmigung der Krankenkasse erforderlich sein. Werden all diese rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, besteht ein Anspruch auf Krankenbehandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung.
In welchem Umfang sind Angehörige bei der Krankenbehandlung mitversichert?
Die gesetzliche Krankenversicherung sieht unter bestimmten Voraussetzungen die Familienversicherung vor (§ 10 SGB V). Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder (einschließlich Adoptiv-, Stief- oder Pflegekinder) eines Mitglieds können beitragsfrei mitversichert werden, sofern sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Für Kinder gilt die Mitversicherung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, während ein Anspruch für Studierende bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres oder im Fall einer Behinderung darüber hinaus bestehen kann. Voraussetzung ist ferner, dass die mitzuversichernden Angehörigen nicht anderweitig versichert oder von Versicherungspflicht ausgeschlossen sind. Der Umfang der Krankenbehandlung für mitversicherte Angehörige entspricht demjenigen des versicherten Mitglieds.
Welche rechtlichen Einschränkungen bestehen bei der Wahl des behandelnden Arztes?
Gemäß § 76 SGB V haben Versicherte einen freien Zugang zu allen zugelassenen Ärzten und Einrichtungen, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Einschränkungen ergeben sich jedoch beispielsweise im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung, bei welcher sich der Versicherte verpflichtet, im Regelfall zunächst den Hausarzt aufzusuchen und Überweisungen zu Fachärzten zu erhalten (§ 73b SGB V). Bei Fachärzten, Zahnärzten oder Psychotherapeuten muss es sich zusätzlich um Kassenärzte bzw. zugelassene Leistungserbringer handeln. Darüber hinaus kann die Wahl durch wohnortnahe Leistungen oder zumutbare Erreichbarkeit begrenzt werden, insbesondere bei stationärer Behandlung (§ 39 SGB V). Versicherte haben keinen Anspruch darauf, von nicht zugelassenen privaten Anbietern auf Kassenkosten behandelt zu werden, es sei denn, eine Notfallversorgung macht dies im Einzelfall erforderlich.
Wann ist eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherung ausgeschlossen oder eingeschränkt?
Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten der Krankenbehandlung nur im Rahmen der Leistungspflicht, das heißt sie prüft anhand von Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und medizinischer Notwendigkeit (§ 12 SGB V). Leistungen zu Luxus- oder Bequemlichkeitszwecken (z. B. Chefarztbehandlung, Einzelzimmer) und solche, die außerhalb des GKV-Leistungskatalogs liegen, werden grundsätzlich nicht übernommen. Eine Kostenübernahme ist auch dann ausgeschlossen, wenn Behandlungen ohne ärztliche Verordnung oder bei nicht zugelassenen Leistungserbringern erfolgen. Einschränkungen bestehen weiterhin bei Behandlungen im Ausland, die nur unter strengen rechtlichen Voraussetzungen oder einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse übernommen werden (§ 18 SGB V). Ebenfalls geltend machen kann die Kasse Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen bei bestimmten Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln (§ 61ff. SGB V).
Wie sind die Krankenbehandlungsansprüche im Falle einer Arbeitsunfähigkeit geregelt?
Im Fall einer durch Krankheit bedingten Arbeitsunfähigkeit tritt neben der Behandlungspflicht der Krankenkasse auch die Pflicht zur Zahlung von Krankengeld ein, sofern die AU länger als sechs Wochen andauert (§ 44 SGB V). Die Anspruchsvoraussetzung hierfür ist die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertragsarzt, die unverzüglich der Krankenkasse zu melden ist (§ 49 SGB V). Während der Arbeitunfähigkeit hat der Versicherte Anspruch auf umfassende medizinisch notwendige Behandlung, einschließlich ambulanter und stationärer Versorgung, Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittelbeschaffung. Der Anspruch auf medizinische Rehabilitation regelt sich nach § 40 SGB V und kann, abhängig von der Prognose und Notwendigkeit, die Wiederherstellung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit zum Ziel haben.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Kostenübernahme neuartiger Behandlungsmethoden?
Bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erfolgt die Übernahme der Kosten grundsätzlich erst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) deren Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit positiv bewertet und die Methode in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen wurde (§ 135 SGB V). Während laufender Bewertungsverfahren ist die Kostenübernahme nur im Rahmen kontrollierter Studien oder auf expliziten Antrag bei besonders schwerwiegenden Erkrankungen als Einzelfallentscheidung möglich (§ 137e SGB V). Leistungserbringer dürfen ohne entsprechende Entscheidung des G-BA keine neuen Methoden zu Lasten der GKV abrechnen. Auch bei bereits zugelassenen Methoden kann im Einzelfall eine erneute Prüfung durch die Krankenkasse erfolgen, insbesondere wenn Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit bestehen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen zur Durchsetzung eines Leistungsanspruchs bei Ablehnung durch die Krankenkasse?
Wird ein Antrag auf Krankenbehandlung von der Krankenkasse abgelehnt, besteht zunächst die Möglichkeit des Widerspruchs. Der Versicherte kann gegen den ablehnenden Bescheid innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen (§ 84 SGG). Wird auch der Widerspruch abgelehnt, ist der Klageweg vor dem Sozialgericht zulässig. In besonders eilbedürftigen Fällen, etwa bei lebensbedrohlichen Erkrankungen, kann der Versicherte eine einstweilige Anordnung beim Sozialgericht beantragen (§ 86b SGG), um die Leistung vorläufig zu sichern. Für die rechtliche Durchsetzung empfiehlt sich oft die Unterstützung durch Beratungsstellen oder spezialisierten Rechtsbeistand. Bei grundsätzlichen Fragen kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) oder die Schlichtungsstelle der GKV angerufen werden. Entscheidungen der Sozialgerichte sind für die Krankenkassen bindend.