Begriff und rechtliche Grundlagen des Konzernbetriebsrats
Der Konzernbetriebsrat ist in Deutschland ein zentrales Organ der betrieblichen Mitbestimmung auf Ebene eines Konzerns. Er dient der Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer im gesamten Konzern, insbesondere in Angelegenheiten, die mehrere Unternehmen oder Betriebe des Konzerns betreffen und nicht durch einzelne Betriebsräte gelöst werden können. Die rechtliche Grundlage für die Bildung und Arbeit des Konzernbetriebsrats bildet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), insbesondere §§ 54 bis 59a BetrVG.
Voraussetzungen für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats
Konzernbegriff und Anwendbarkeit
Die Möglichkeit zur Bildung eines Konzernbetriebsrats setzt das Vorliegen eines Konzerns im Sinne des § 18 Aktiengesetz (AktG) voraus. Ein Konzern liegt vor, wenn juristisch selbständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind. Dies kann sowohl in der Form eines Unterordnungskonzerns als auch eines Gleichordnungskonzerns gegeben sein.
Voraussetzungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz
Nach § 54 Abs. 1 BetrVG kann ein Konzernbetriebsrat unter folgenden Bedingungen gebildet werden:
- Im Konzern müssen wenigstens zwei Unternehmen einen Gesamtbetriebsrat haben (§ 54 Abs. 2 BetrVG)
- Die Errichtung ist verbindlich, sofern mindestens zwei Tochterunternehmen über einen Gesamtbetriebsrat verfügen
- Die Konzerngesellschaften müssen ihren Sitz im Inland (Deutschland) haben
Zuständigkeit und Aufgaben des Konzernbetriebsrats
Aufgabenbereich
Der Konzernbetriebsrat ist zuständig für Angelegenheiten, die:
- den gesamten Konzern oder mehrere Unternehmen des Konzerns betreffen und
- nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte oder Betriebsräte geregelt werden können (§ 58 Abs. 1 BetrVG).
Zu den typischen Aufgaben gehören beispielsweise:
- Konzernweite Personalplanungen
- Sozialpläne bei konzernübergreifenden Umstrukturierungen
- Grundsatzfragen der Arbeitsorganisation, die mehrere Unternehmen des Konzerns betreffen
Abgrenzung zu anderen Vertretungsorganen
Der Konzernbetriebsrat hat keine gesetzlichen Mitbestimmungsrechte, die über die Kompetenzen der Betriebs- und Gesamtbetriebsräte hinausgehen. Seine Zuständigkeit ist auf Fälle beschränkt, in denen eine konzernweite Regelung erforderlich ist und Einzelvertretungen nicht ausreichen.
Bildung und Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats
Wahl und Bestellung der Mitglieder
Mitglieder des Konzernbetriebsrats werden von den jeweiligen Gesamtbetriebsräten der Konzernunternehmen aus deren Mitte entsandt. Die Zusammensetzung richtet sich nach der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer im jeweiligen Unternehmen. Gemäß § 55 BetrVG gilt:
- Jeder Gesamtbetriebsrat entsendet mindestens zwei seiner Mitglieder
- Für je angefangene 3.000 Arbeitnehmer kann je ein weiteres Mitglied entsandt werden
Leitung und Geschäftsführung
Der Konzernbetriebsrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter. Er kann zur Wahrnehmung seiner Aufgaben einen Betriebsausschuss sowie weitere Ausschüsse bilden (§ 56 BetrVG).
Rechte und Pflichten des Konzernbetriebsrats
Informationsrechte
Der Konzernbetriebsrat ist berechtigt, vom herrschenden Unternehmen (i.d.R. Muttergesellschaft) Informationen über alle Angelegenheiten zu verlangen, die den Konzern oder mehrere Unternehmen betreffen (§ 58 Abs. 2 BetrVG).
Beratungsrechte
Das Gremium besitzt das Recht, über die Angelegenheiten, die in seine Zuständigkeit fallen, mit dem Unternehmer oder der Konzernleitung zu beraten und ggf. Verhandlungen aufzunehmen.
Initiativrechte und Mitwirkungsrechte
Der Konzernbetriebsrat hat ein Initiativrecht bei der Schaffung von Regelungen, die konzernübergreifend sind. Allerdings bestehen die Mitbestimmungsrechte analog zu den Bestimmungen für Betriebsräte; eine weitergehende Mitbestimmung ist nicht vorgesehen. Seine Teilnahme an Einigungsstellen ist möglich, sofern die Zuständigkeit berührt wird.
Verhältnis zu anderen Arbeitnehmervertretungen
Zusammenarbeit mit Gesamtbetriebsrat und Betriebsrat
Die Arbeitnehmervertretungsorgane arbeiten hierarchisch zusammen. Der Betriebsrat ist auf Betriebsebene tätig, die Gesamtbetriebsräte auf Unternehmensebene und der Konzernbetriebsrat auf der Konzernebene. Zuständigkeiten werden nach dem Über- und Unterordnungsprinzip abgegrenzt. Einzelne Betriebsratsangelegenheiten gehen dem Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat vor; erst wenn eine Angelegenheit auf Konzernebene geregel werden muss, wird der Konzernbetriebsrat tätig.
Rechte gegenüber Gewerkschaften
Gewerkschaften sind berechtigt, an Sitzungen des Konzernbetriebsrats beratend teilzunehmen (§ 31 BetrVG i.V.m. § 58 BetrVG).
Geschäftsführung und Kosten
Geschäftsführung
Der Konzernbetriebsrat führt seine Geschäfte selbständig und ist zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet. Er kann regelmäßige Sitzungen einberufen und Arbeitsgruppen einrichten, um spezielle Themen zu bearbeiten (§ 58 Abs. 1, § 57 BetrVG).
Kostentragung
Die Kosten der Tätigkeit des Konzernbetriebsrats trägt das herrschende Unternehmen, das als Konzernspitze fungiert (§ 40 Abs. 1 BetrVG). Dazu zählen Sach- und Personalkosten, Schulungen, Reise- und Übernachtungskosten, soweit sie zur Ausübung der ordnungsgemäßen Tätigkeit notwendig sind.
Beendigung und Auflösung des Konzernbetriebsrats
Der Konzernbetriebsrat endet mit Auflösung des Konzerns oder wenn die Voraussetzungen für seine Bildung nach § 54 BetrVG entfallen. Die Auflösung kann sich insbesondere durch Umstrukturierungen, Wegfall von Tochtergesellschaften oder dem Abbau der Konzernstruktur ergeben.
Sonderregelungen und aktuelle Entwicklung
Europäischer Betriebsrat
Bei grenzüberschreitenden Konzernen kann parallel ein Europäischer Betriebsrat eingerichtet werden. Die Kompetenzen überschneiden sich teilweise, sind jedoch auf europäischer bzw. konzerninterner Ebene unterschiedlich ausgestaltet.
Reformbestrebungen
Das Recht des Konzernbetriebsrats ist Gegenstand regelmäßiger Reformüberlegungen, insbesondere zur Stärkung der Mitwirkungsrechte im Zuge zunehmender Internationalisierung und Digitalisierung der Unternehmensstrukturen.
Literatur und weiterführende Informationen
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
- § 18 Aktiengesetz (AktG)
- Kommentarliteratur zum Betriebsverfassungsrecht
- Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
Der Konzernbetriebsrat ist damit ein bedeutendes Instrument der kollektiven Interessenvertretung von Arbeitnehmern in großen Unternehmensverbünden und trägt zu einheitlichen Regelungen innerhalb eines Konzerns bei, soweit dies erforderlich und gesetzlich vorgesehen ist.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Errichtung eines Konzernbetriebsrats zuständig?
Die Errichtung eines Konzernbetriebsrats erfolgt gemäß § 54 BetrVG durch Beschluss der Gesamtbetriebsräte der zum Konzern gehörenden Unternehmen. Voraussetzung ist, dass in mindestens zwei Konzernunternehmen ein Gesamtbetriebsrat besteht. Die Initiative kann entweder von den bestehenden Gesamtbetriebsräten oder auch von einer im Konzern vertretenen Gewerkschaft ausgehen. Die Beschlussfassung erfolgt jeweils im Gesamtbetriebsrat durch die dort vertretenen Mitglieder, wobei jedes Konzernunternehmen im späteren Konzernbetriebsrat mit mindestens einem Vertreter präsent ist, sofern dort ein Gesamtbetriebsrat besteht. Die betrieblichen Arbeitnehmer werden dabei unmittelbar nicht eingebunden; es finden keine Urwahlen statt, da der Konzernbetriebsrat ein reines Vertretergremium ist, das sich aus den bestehenden Gesamtbetriebsräten zusammensetzt. Die rechtlichen Anforderungen an die Errichtung sind streng formalisiert und die Gründung ist beim Konzernspitzenunternehmen, oftmals der Muttergesellschaft, anzuzeigen.
Welche gesetzlichen Zuständigkeiten hat der Konzernbetriebsrat?
Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ist auf sogenannte konzernweite Angelegenheiten beschränkt, die nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte geregelt werden können (§ 58 Abs. 1 BetrVG). Typische Beispiele sind die Einführung konzernweiter Vergütungsmodelle, die Gestaltung konzernübergreifender Arbeitszeitregelungen oder Sicherheitsstandards, sowie Regelungen zu konzernweiten Sozialplänen bei übergreifenden Restrukturierungsmaßnahmen. Voraussetzung für die Zuständigkeit ist stets, dass das Thema mehrere Konzernunternehmen betrifft und eine unternehmensübergreifende Regelung erforderlich ist. Angelegenheiten, die durch einen einzelnen Gesamtbetriebsrat gelöst werden können, fallen hingegen nicht in das Aufgabengebiet des Konzernbetriebsrats.
Wie ist die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats geregelt?
Die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats richtet sich nach § 55 BetrVG. Jeder Gesamtbetriebsrat der zum Konzern gehörenden Unternehmen entsendet Delegierte in den Konzernbetriebsrat. Dabei entsendet der Gesamtbetriebsrat eines jeden Konzernunternehmens mindestens zwei seiner Mitglieder, wobei die Anzahl der Delegierten durch Vereinbarung der Gesamtbetriebsräte und unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerzahl angepasst werden kann. Die Delegierten müssen Mitglieder der jeweiligen Gesamtbetriebsräte sein. Sollte sich die Zusammensetzung der entsendenden Gesamtbetriebsräte ändern, so wirkt sich das auch auf die Zusammensetzung des Konzernbetriebsrats aus.
Welche Mitbestimmungsrechte stehen dem Konzernbetriebsrat zu?
Die Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats sind denen des Betriebsrats und Gesamtbetriebsrats vergleichbar, beschränken sich jedoch auf die genannten konzernweiten Angelegenheiten. Ihm stehen insbesondere das Initiativrecht, das Informationsrecht, das Beratungsrecht sowie bei bestimmten Sachverhalten das erzwingbare Mitbestimmungsrecht zu (zum Beispiel nach § 87 BetrVG, sofern eine Angelegenheit konzernweit zu regeln ist). Kommt in bestimmten Mitbestimmungsangelegenheiten keine Einigung zustande, kann auch beim Konzernbetriebsrat die Einigungsstelle angerufen werden. Seine Rechte sind jedoch stets auf Dinge beschränkt, die den gesamten Konzern oder mehrere Konzerngesellschaften betreffen und von den einzelnen Gesamtbetriebsräten nicht eigenständig geregelt werden können.
Welche Rolle spielen Tarifverträge im Kontext des Konzernbetriebsrats?
Tarifverträge haben auch im Zusammenhang mit dem Konzernbetriebsrat eine übergeordnete Bedeutung, indem tarifliche Regelungen den Handlungsspielraum des Konzernbetriebsrats begrenzen können. Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Betriebsvereinbarungen, die vom Konzernbetriebsrat abgeschlossen werden, keine Angelegenheiten regeln, die üblicherweise tariflich bestimmt werden. Sind entsprechende Tarifverträge existent oder wird eine Angelegenheit tariflich geregelt oder vorbehalten, verliert der Konzernbetriebsrat insoweit seine Regelungskompetenz. Allerdings können in konzernweiten sozialpartnerschaftlichen Prozessen Verhandlungen zwischen Konzernbetriebsrat und Arbeitgeber auch Empfehlungen für die Tarifvertragsparteien enthalten.
Wie verhält sich der Konzernbetriebsrat zum Europäischen Betriebsrat?
Der Konzernbetriebsrat ist ein reines deutsches Gremium nach dem Betriebsverfassungsgesetz, während der Europäische Betriebsrat (EBR) auf europarechtlicher Grundlage (Richtlinie 2009/38/EG, deutsches EBR-Gesetz) agiert und für grenzüberschreitende Angelegenheiten innerhalb der EU zuständig ist. Die beiden Gremien existieren organisatorisch unabhängig voneinander, können jedoch bei Entscheidungen, die sowohl deutsche als auch andere europäische Konzernteile betreffen, Informations- und Abstimmungsprozesse koordinieren. Gesetzlich ist jedoch eine formell festgelegte Koordination bislang nicht vorgesehen, sondern ergibt sich aus der praktischen Notwendigkeit, wenn Angelegenheiten sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene relevant werden.
Wie werden Beschlüsse im Konzernbetriebsrat gefasst und wer vertritt ihn rechtlich?
Beschlüsse im Konzernbetriebsrat werden nach den Grundsätzen der Mehrheitsentscheidung (§ 59 Abs. 1 BetrVG) getroffen. Jedes Konzernbetriebsratsmitglied hat eine Stimme; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des/der Vorsitzenden den Ausschlag. Die rechtliche Vertretung des Konzernbetriebsrats obliegt seinem oder seiner Vorsitzenden, in seiner Verhinderung dem/der stellvertretenden Vorsitzenden (§ 59 Abs. 2 BetrVG). Die Vertretung umfasst sowohl gerichtliche als auch außergerichtliche Angelegenheiten. Der Vorsitzende handelt hierbei im Rahmen der gefassten Beschlüsse und ist grundsätzlich an deren Inhalt gebunden.