Begriff und Wesen des Konzerns
Der Begriff „Konzern“ bezeichnet im rechtlichen Sinne einen Zusammenschluss mehrerer rechtlich selbstständiger Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung. Die rechtlichen Grundlagen für die Konzernbildung und -steuerung sind insbesondere im Aktiengesetz (AktG) geregelt. Konzernrechtliche Regelungen finden sich vor allem in den §§ 15 bis 19 AktG und in weiteren spezialgesetzlichen Bestimmungen. Ziel der Konzernbildung ist regelmäßig, wirtschaftliche Vorteile beziehungsweise eine einheitliche strategische Führung zu erzielen, wobei die rechtliche Selbstständigkeit der einzelnen Unternehmen erhalten bleibt.
Rechtliche Grundlagen des Konzerns
Definition und Abgrenzung
Nach § 18 Abs. 1 AktG liegt ein Konzern vor, wenn „eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft (Muttergesellschaft) auf ein oder mehrere andere rechtlich selbständige Unternehmen (Tochtergesellschaften) einen einheitlichen Einfluss ausübt.“ Die Leitungsbefugnis sorgt für die Abgrenzung zu Beteiligungen, bei denen weder Beherrschung noch einheitliche Leitung besteht. Maßgebend ist die tatsächliche Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften.
Arten von Konzernen
Die deutsche Rechtsordnung unterscheidet mehrere Arten von Konzernen, abhängig von der Gestaltung der Beherrschung und der Leitungsbefugnis:
- Unterordnungskonzern: Hier beruht die einheitliche Leitung auf dem Willen der Muttergesellschaft, die unmittelbare oder mittelbare Beherrschungsmacht über die Tochterunternehmen ausübt. Rechtsgrundlage sind Beherrschungsverträge (§ 291 AktG) oder Mehrheitsbeteiligungen (§ 16 AktG).
- Gleichordnungskonzern: Bei dieser Form schließen sich rechtlich selbstständige Unternehmen durch einen Vertrag (Konzernvertrag) zur einheitlichen Leitung zusammen, ohne dass ein Unternehmen eine beherrschende Stellung hat (§ 18 Abs. 2 AktG).
Zustandekommen des Konzerns
Die Entstehung eines Konzerns kann durch verschiedene Rechtsakte erfolgen:
- Konzernverträge: Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge regeln die Organschaft und Rechte sowie Pflichten der beteiligten Gesellschaften (§§ 291-307 AktG).
- Mehrheitsbeteiligungen: Eine Gesellschaft hält die Mehrheit der Stimmrechte oder eine Beteiligung von über 50 %, was zu einer faktischen Beherrschung führen kann.
- Faktische Einflussnahme: Auch ohne einen formalen Beherrschungsvertrag kann eine Unternehmensgruppe durch tatsächlichen Einfluss als Konzern qualifiziert werden.
Organisatorische Struktur eines Konzerns
Mutter- und Tochtergesellschaft
Die grundlegende Struktur eines Konzerns besteht aus einer Muttergesellschaft (Obergesellschaft) und mindestens einer Tochtergesellschaft. Die Muttergesellschaft übt die einheitliche Leitung auf die nachgeordneten Unternehmen aus, deren operative Geschäfte häufig weiterhin eigenständig geführt werden.
Gleichordnungskonzern im Detail
Im Gleichordnungskonzern sind die verbundenen Unternehmen rechtlich und wirtschaftlich unabhängig, stehen aber unter gemeinsamer Führung. Hierzu schließen die beteiligten Unternehmen regelmäßig einen Konsortial- oder Kooperationsvertrag ab, in welchem die Führungskompetenzen auf verschiedene Unternehmen verteilt sind.
Organe und Leitungskompetenzen
Die Leitungskompetenz in einem Konzern wird oft mittels Weisungsrechten, Bestimmung der Unternehmenspolitik oder zentralisierter Finanzplanung wahrgenommen. Häufig nimmt der Aufsichtsrat oder Vorstand der Muttergesellschaft wesentlichen Einfluss auf die strategische Ausrichtung des Konzerns.
Haftung und Schutzvorschriften im Konzernrecht
Haftungsverhältnisse
Im Konzern bleibt die rechtliche Selbstständigkeit der Tochterunternehmen grundsätzlich erhalten. Dennoch kommen spezielle Haftungsvorschriften zur Anwendung:
- Durchgriffshaftung: Grundsätzlich haften Mutter- und Tochtergesellschaften nicht automatisch füreinander. In Ausnahmefällen kann eine Durchgriffshaftung im Falle des Missbrauchs der Konzernstruktur oder bei Unterkapitalisierung einer Tochter erfolgen.
- Spezialregelungen: Nach § 322 AktG kann die Muttergesellschaft zur Erstattung von Ausgleichszahlungen verpflichtet werden, wenn Gläubiger durch die Konzernsteuerung benachteiligt sind.
Minderheitenschutz
Das Konzernrecht sieht umfassende Schutzmechanismen für Minderheitsaktionäre und Gläubiger vor. Diese umfassen insbesondere:
- Ausgleichs- und Abfindungsregelungen: Minderheitsaktionäre erhalten im Rahmen von Beherrschungsverträgen einen angemessenen Ausgleich (§ 304 AktG) oder Entschädigung für den Verlust ihrer Rechtsstellung (§ 305 AktG).
- Informations- und Kontrollrechte: Gesteigerte Berichtspflichten und Transparenzanforderungen sichern die Mitspracherechte und den Informationszugang.
Gewinn- und Verlustzurechnung
Bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist die Tochtergesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an die Muttergesellschaft abzuführen. Korrespondierend ist der Mutterkonzern zum Verlustausgleich verpflichtet (§ 302 AktG).
Rechnungslegung und Konsolidierungspflichten
Konzernrechtliche Vorschriften verpflichten Muttergesellschaften regelmäßig zur Erstellung eines Konzernabschlusses (§§ 290 ff. HGB). Ziel ist eine konsolidierte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der gesamten Unternehmensgruppe aus Sicht des Konzerns.
Bestandteile des Konzernabschlusses
Ein Konzernabschluss besteht aus:
- Konzernbilanz,
- Konzern-Gewinn- und Verlustrechnung,
- Konzernanhang,
- Konzernlagebericht (in bestimmten Fällen).
Zusätzlich können weitere Regelungen aus IFRS oder US-GAAP einschlägig sein, sofern Unternehmen am Kapitalmarkt notiert sind oder besondere Vorgaben erfüllen müssen.
Konzern im internationalen Recht
Internationale Sachverhalte werden zunehmend durch europäische und internationale Vorschriften beeinflusst. Die EU-Konzernrichtlinien sowie internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS) harmonisieren die konzernrechtlichen Vorgaben und fördern die grenzüberschreitende Vergleichbarkeit und Transparenz.
Bedeutung und wirtschaftliche Rolle von Konzernen
Konzernstrukturen sind in zahlreichen Branchen verbreitet und gewinnen unter dem Einfluss der Globalisierung sowie der Digitalisierung weiter an Bedeutung. Sie ermöglichen Synergien, Effizienzsteigerungen und erhebliche Marktmacht durch gebündelte Ressourcen.
Dieser Artikel vermittelt einen fundierten Überblick über die umfassenden rechtlichen Aspekte des Konzerns. Er schließt die zentralen Regelungsbereiche von der Gründung und Organisation über das Haftungsregime und den Minderheitenschutz bis zu den Anforderungen an die Rechnungslegung und die internationalen Dimensionen ein.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte und Pflichten haben die Leitungsorgane eines herrschenden Unternehmens gegenüber den abhängigen Unternehmen desselben Konzerns?
Im rechtlichen Kontext ergeben sich aus dem Konzernverhältnis besondere Rechte und Pflichten für die Leitungsorgane des herrschenden Unternehmens (Muttergesellschaft), insbesondere im Hinblick auf die Leitung des Konzernverbundes. Die Leitungsorgane sind verpflichtet, die Geschäftsführung der abhängigen (Tochter-)Unternehmen im Einklang mit dem Interesse des Gesamtkonzerns auszuüben (§ 308 AktG). Sie dürfen den abhängigen Gesellschaften Weisungen erteilen, soweit dies zur Verfolgung des Konzerninteresses erforderlich ist. Dabei sind sie jedoch verpflichtet, die Belange der abhängigen Unternehmen angemessen zu berücksichtigen und diese nicht unverhältnismäßig zu benachteiligen. Das herrschende Unternehmen haftet für Schäden, die den abhängigen Gesellschaften aufgrund pflichtwidriger Weisungen entstehen können (§ 311 AktG). Zudem besteht eine Berichtspflicht über konzerninterne Vorgänge (Abhängigkeitsbericht, § 312 AktG), was eine erhöhte Transparenz- und Kontrollanforderung begründet. Schließlich kann das herrschende Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen für die Verbindlichkeiten des abhängigen Unternehmens haften (Durchgriffshaftung), insbesondere dann, wenn die Weisungen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Tochtergesellschaften einschränken und zu deren Nachteil sind.
Wie schützt das deutsche Aktiengesetz (AktG) Minderheitsaktionäre in einem Konzern?
Das deutsche Aktiengesetz sieht mehrere Schutzmechanismen für Minderheitsaktionäre innerhalb eines Konzerns vor, da diese durch die beherrschende Stellung des Mutterunternehmens benachteiligt werden könnten. Zentral ist hierbei das sogenannte „Minderheitenausschlussverbot“, wonach grundlegende Maßnahmen wie der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages von der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft mit einer qualifizierten Mehrheit (mindestens 75 % des vertretenen Kapitals) beschlossen werden müssen (§ 293 AktG). Darüber hinaus ist der herrschende Aktionär verpflichtet, im Rahmen eines Beherrschungsvertrages den außenstehenden Aktionären der abhängigen Gesellschaft eine angemessene Ausgleichszahlung („Garantiedividende“, § 304 AktG) sowie auf deren Verlangen eine Abfindung anzubieten (§ 305 AktG). Bei nachteiligen Maßnahmen ist zudem die Möglichkeit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage vorgesehen (§§ 243 ff. AktG). Der Abhängigkeitsbericht (§ 312 AktG) bietet weiteren Schutz durch die Offenlegung relevanter Vorgänge, und bei Schädigung haben Minderheitsaktionäre einen direkten Schadensersatzanspruch (§ 317 AktG).
Was ist die rechtliche Bedeutung eines Beherrschungsvertrags im Konzernrecht?
Ein Beherrschungsvertrag nach §§ 291 ff. AktG ist ein schuldrechtlicher Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien verpflichtet, der Leitung eines anderen Unternehmens (meist der Muttergesellschaft) zu unterstellen. Damit erhält das herrschende Unternehmen umfassende Weisungsbefugnisse gegenüber der abhängigen Gesellschaft, was einer faktischen Verschmelzung auf Leitungsebene entspricht. Die abhängige Gesellschaft bleibt jedoch rechtlich selbständig. Der Abschluss des Beherrschungsvertrages bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft und muss ins Handelsregister eingetragen werden. Rechtlich ergeben sich daraus weitreichende Auswirkungen: beispielsweise verschärfte Haftungsregelungen (§ 308 AktG), Pflicht zur Ausgleichszahlung und Abfindung der außenstehenden Aktionäre (§§ 304, 305 AktG), sowie umfangreiche Berichtspflichten. Ferner ist die Gewinnabführung im Regelfall mit einem Beherrschungsvertrag gekoppelt, was auch steuerliche Wirkungen hat (Organschaft).
Welche Bedeutung hat der sog. „Durchgriff“ im Konzernrecht, und unter welchen Voraussetzungen wird er anerkannt?
Der sogenannte „Durchgriff“ bezeichnet im rechtlichen Konzernkontext die Möglichkeit, die Haftung des herrschenden Unternehmens für die Verbindlichkeiten eines abhängigen Unternehmens (Tochtergesellschaft) durchzusetzen. Grundsätzlich gilt im deutschen Gesellschaftsrecht das Trennungsprinzip, wonach Mutter- und Tochtergesellschaft rechtlich eigenständig sind und nicht für die Schulden der jeweils anderen Gesellschaft haften. Ein Haftungsdurchgriff wird jedoch ausnahmsweise anerkannt, wenn das herrschende Unternehmen seine Leitungsbefugnis missbraucht, insbesondere durch existenzvernichtenden Eingriff, vorsätzliche sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB), Vermögensvermischung oder faktische Verschmelzung der Unternehmen. Typische Fallkonstellationen sind die Vermögensverschiebung zu Lasten der Tochtergesellschaft, Aushöhlung des Gesellschaftsvermögens oder das Übersteuern der Geschäftsführung entgegen den Gesellschaftsinteressen. Die Rechtsprechung ist hier restriktiv und prüft einen „qualifizierten Machtmissbrauch“ sehr sorgfältig, um das Trennungsprinzip nicht auszuhebeln.
Welche Berichtspflichten bestehen für abhängige Unternehmen im Konzern?
Das Aktiengesetz verpflichtet die gesetzlichen Vertreter der abhängigen Gesellschaften zur jährlichen Erstellung eines sog. Abhängigkeitsberichts (§ 312 AktG), sofern ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem herrschenden Unternehmen besteht. Darin sind alle Rechtsgeschäfte, Maßnahmen und Unterlassungen, die auf Veranlassung oder im Interesse des herrschenden Unternehmens oder eines verbundenen Unternehmens vorgenommen wurden, ausführlich darzustellen. Der Bericht muss aufzeigen, ob die abhängige Gesellschaft bei den betreffenden Maßnahmen angemessen entschädigt wurde oder Nachteile entstanden sind. Weiterhin ist ein sachverständiger Abschlussprüfer verpflichtet, die Vollständigkeit und Richtigkeit des Berichts zu prüfen. Der Bericht wird anschließend dem Aufsichtsrat vorgelegt, der seinerseits gesondert darüber berichten muss. Die Veröffentlichungspflichten sollen Transparenz herstellen und dienen insbesondere dem Schutz der Minderheitsgesellschafter und Gläubiger, indem sie potenzielle Benachteiligungen offenlegen.
Welche Rolle spielt die kartellrechtliche Kontrolle bei der Bildung von Konzernen?
Die kartellrechtliche Kontrolle durch das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht hat bei der Bildung von Konzernen (z.B. durch Fusionen, Übernahmen) erhebliche Bedeutung. Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bedürfen Zusammenschlüsse bestimmter Größenordnung einer vorherigen Anmeldung beim Bundeskartellamt (§§ 35 ff. GWB). Das Amt prüft, ob durch die Bildung des Konzerns eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, die dem Wettbewerb schaden könnte. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Freigabe des Zusammenschlusses versagt oder mit Auflagen versehen werden. Parallel gelten die Fusionskontrollvorschriften der Europäischen Kommission (Fusionskontrollverordnung), wenn die beteiligten Unternehmen bestimmte Umsatzschwellen überschreiten. Die kartellrechtliche Kontrolle dient nicht dem Schutz der Gesellschafter, sondern der Sicherung des freien Wettbewerbs und der Verhinderung marktbeherrschender Strukturen. Neben dem eigentlichen Zusammenschluss können auch konzerninterne Vereinbarungen (z.B. über Preise, Geschäftsbedingungen) kartellrechtlich relevant sein und einer Prüfung unterliegen.
Wie ist die Verantwortlichkeit der Organmitglieder im Konzern bei Pflichtverletzungen ausgestaltet?
Die Haftung von Organmitgliedern (Vorstand, Aufsichtsrat, Geschäftsführer) im Konzern ist sowohl gesellschaftsrechtlich als auch deliktsrechtlich strikt geregelt. Im Rahmen des aktienrechtlichen Konzerns haften die Mitglieder des Vorstands der abhängigen Gesellschaft gegenüber der Gesellschaft selbst, falls sie Pflichten verletzen (Business Judgement Rule, § 93 AktG). Besonderheiten ergeben sich, wenn sie einer Weisung des herrschenden Unternehmens nachkommen: Zwar müssen sie diese umsetzen, sind aber zur Verweigerung verpflichtet, wenn die Weisung offenkundig gegen das Gesetz, Satzung oder die Belange der abhängigen Gesellschaft verstößt. Werden pflichtwidrige Weisungen umgesetzt, haften sie auf Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft (§ 309 AktG). Auch die Organmitglieder des herrschenden Unternehmens können haften, etwa bei missbräuchlicher Einflussnahme (existenzvernichtender Eingriff). In schwerwiegenden Fällen, etwa bei betrügerischem Verhalten, kann zudem eine persönliche strafrechtliche Haftung bestehen.