Kontokorrent: Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung
Kontokorrent bezeichnet ein laufendes Verrechnungsverhältnis, in dem wechselseitige Geldforderungen fortlaufend gebucht, miteinander verrechnet und in regelmäßigen Abständen zu einem Saldo zusammengefasst werden. Dieser Saldo ersetzt die bis dahin einzelnen Posten als eigenständige Zahlungsansprüche. Das Kontokorrent ist sowohl im Bankverkehr (Kontokorrentkonto) als auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr (Kontokorrentabrede) verbreitet.
Doppelte Bedeutung: Bankkonto und kaufmännische Kontokorrentabrede
Im Bankverkehr wird die Bezeichnung Kontokorrent häufig für ein laufendes Geschäftskonto mit Verrechnungsfunktion und möglichem Kreditrahmen verwendet. Im kaufmännischen Verkehr versteht man darunter eine Abrede zwischen Geschäftspartnern, wiederkehrende Forderungen aus laufenden Leistungen nicht einzeln, sondern über ein Verrechnungskonto abzuwickeln und periodisch einen Saldo zu ziehen.
Grundprinzip des laufenden Verrechnungsverhältnisses
Kennzeichnend ist, dass einzelne Forderungen nicht sofort selbstständig durchgesetzt werden, sondern in das laufende Konto eingestellt werden. Mit jeder Abrechnung (Saldoziehung) wird der Zwischenstand festgestellt; erst dieser Saldo ist die maßgebliche Forderung. Einwendungen gegen einzelne Posten sind bis zur wirksamen Saldoanerkennung möglich; nach der Anerkennung verengen sich die Angriffsmöglichkeiten auf den festgestellten Saldo und auf Einwendungen, die durchgreifend den Saldo betreffen.
Kontokorrent im Bankverkehr
Rechtliche Einordnung des Kontokorrentkontos
Das bankübliche Kontokorrentkonto ist ein laufendes Zahlungs- und Verrechnungskonto. Es dient der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, der Verbuchung von Eingängen und Ausgängen sowie der regelmäßigen Abrechnung durch Kontoauszüge. Häufig ist ein Kreditrahmen (Kontokorrentkredit) vereinbart, der Überziehungen bis zu einer bestimmten Grenze zulässt.
Vertragsparteien und Kontoführung
Kontoinhaber und Kreditinstitut stehen in einem Dauerschuldverhältnis. Buchungen erfolgen nach festgelegten Bedingungen. Das Institut stellt periodisch Abrechnungen zur Verfügung; der Kontoinhaber kann diese prüfen und Einwendungen geltend machen.
Überziehung und Kreditrahmen
Ein Kontokorrentkredit erlaubt die Inanspruchnahme eines negativen Saldos innerhalb einer vereinbarten Linie. Eine geduldete Überziehung liegt vor, wenn ohne ausdrücklichen Rahmen vorübergehend ein negativer Saldo hingenommen wird. Für beide Formen gelten regelmäßig besondere Zins- und Entgeltregelungen, die transparent vereinbart sein müssen.
Zinsen, Entgelte und Abrechnung
Guthabenzinsen, Sollzinsen und Entgelte werden kontomäßig erfasst. Zinsen können periodisch dem Konto belastet werden, wodurch Zinseszinswirkungen entstehen können. Die Abrechnung erfolgt regelmäßig durch Kontoauszüge, aus denen der Saldo hervorgeht.
Kontoauszug und Saldoanerkennung
Kontoauszüge dokumentieren die Buchungen und den Saldo. Im Rahmen der vertraglichen Bedingungen kann vorgesehen sein, dass ein Saldo als anerkannt gilt, wenn innerhalb einer bestimmten Frist keine Einwendungen erhoben werden. Mit der Saldoanerkennung wird der festgestellte Betrag zur maßgeblichen Forderung.
Kündigung und Beendigung
Kontokorrentverhältnisse sind Dauerschuldverhältnisse und können grundsätzlich ordentlich oder aus wichtigem Grund beendet werden. Mit der Beendigung sind das Konto abzurechnen und der Endsaldo zu begleichen. Für Verbraucher und Unternehmen können unterschiedliche Schutz- und Informationspflichten gelten.
Pfändung, Verfügungsbeschränkungen und Schutzmechanismen
Eine Kontopfändung erfasst den jeweiligen Guthabensaldo. Negative Salden sind nicht pfändbar. Gesetzliche Schutzmechanismen können vorsehen, dass bestimmte Beträge oder Leistungsarten eingeschränkt pfändbar sind. Verfügungsbeschränkungen können sich aus Pfändungen oder vertraglichen Vereinbarungen ergeben.
Datenschutz und Geheimhaltung
Banken unterliegen besonderen Verschwiegenheits- und Datenschutzpflichten. Verarbeitung und Weitergabe von Kontodaten richten sich nach gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben; Abrechnungen und Mitteilungen müssen nachvollziehbar und für den Kontoinhaber prüfbar sein.
Kaufmännisches Kontokorrent (Kontokorrentabrede)
Zweck und Anwendungsbereich
In laufenden Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen reduziert ein Kontokorrent den Abwicklungsaufwand, indem zahlreiche Einzelansprüche aus Lieferungen und Leistungen in ein Verrechnungskonto eingestellt werden. Erst der periodisch gezogene Saldo ist zu zahlen oder gutzuschreiben.
Entstehung und Voraussetzungen
Erforderlich ist eine Abrede, wechselseitige Forderungen in ein laufendes Konto einzustellen. Typisch ist ein dauerhafter Leistungsaustausch mit wiederkehrenden Forderungen. Die Parteien bestimmen Abrechnungsperioden und Modalitäten der Buchung und Verrechnung.
Buchungen, Verrechnung und Saldoziehung
Jede Forderung wird in das Konto eingestellt. Mit Ende der Abrechnungsperiode wird der Saldo ermittelt. Der Saldo ersetzt die Einzelposten als selbstständige Forderung. Bis zur Saldoziehung können Einwendungen gegen einzelne Buchungen geltend gemacht werden.
Saldoanerkenntnis und Rechtsfolgen
Häufig wird der gezogene Saldo ausdrücklich oder konkludent anerkannt. Mit der Anerkennung wird der Saldo zur neuen, eigenständigen Forderung. Einwendungen aus den einzelnen Posten sind dann nur noch eingeschränkt möglich, soweit sie den Saldo als solchen betreffen oder vorbehalten wurden.
Sicherheiten und Nebenabreden
Zur Absicherung eines Kontokorrentverhältnisses kommen branchenüblich Sicherungsabreden in Betracht, etwa die Sicherungsabtretung von Forderungen oder Eigentumsvorbehalte mit Kontokorrentklausel. Diese Klauseln bezwecken, dass Sicherheiten den jeweils offenen Saldo absichern.
Beendigung, Abrechnung und Verjährung
Mit der Beendigung des Kontokorrents erfolgt eine Schlussabrechnung. Der resultierende Endsaldo ist maßgeblich. Verjährungsfragen richten sich nach den Regeln für die Saldenforderung; die früheren Einzelansprüche treten regelmäßig hinter den Saldo zurück.
Rechtswirkungen des Kontokorrents
Verrechnung und Forderungsidentität
Die laufende Verrechnung führt dazu, dass Einzelansprüche im Kontokorrent ihre selbstständige Durchsetzbarkeit verlieren, solange sie im Konto geführt werden. Maßgeblich ist der jeweils festgestellte Saldo. Gegenseitige Ansprüche werden im Kontokorrent fortlaufend neutralisiert, statt einzeln beglichen zu werden.
Zinsen und Zinseszinsen
Zinsen werden dem Konto periodisch gutgeschrieben oder belastet. Durch die Einbeziehung in das laufende Konto können sie Teil des Saldos werden, was Zins-auf-Zins-Effekte bewirken kann, sofern dies vereinbart und transparent abgerechnet ist.
Abtretung, Pfändung und Insolvenz
Die Abtretung des Saldoanspruchs ist möglich. Einzelposten sind während des laufenden Kontokorrents nur eingeschränkt abtretbar, weil sie nicht gesondert durchsetzbar sind. Pfändungen erfassen den jeweiligen Guthabensaldo. In der Insolvenz wird regelmäßig nach Stichtagen getrennt: Forderungen bis zur Verfahrenseröffnung unterliegen der Verrechnung im Rahmen der anerkannten Regeln; spätere Forderungen werden gesondert behandelt. Anfechtungs- und Aufrechnungsfragen können eine Rolle spielen und sind nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen.
Abgrenzungen
Gegenüber dem einfachen Darlehen
Beim Darlehen steht eine einzelne Auszahlung mit Rückzahlungsanspruch im Vordergrund. Das Kontokorrent ist hingegen ein dynamisches Verrechnungsverhältnis mit laufenden Buchungen und periodischer Saldoziehung.
Gegenüber der bloßen laufenden Rechnung
Eine laufende Rechnung fasst zwar Forderungen auf, lässt aber die Einzelansprüche regelmäßig selbstständig bestehen. Im Kontokorrent werden Einzelansprüche durch den Saldo ersetzt.
Gegenüber dem Einlagengirokonto für Verbraucher
Ein reines Girokonto für Verbraucher dient dem Zahlungsverkehr, ohne notwendigerweise einen Kreditrahmen oder eine Kontokorrentabrede zu enthalten. Ein bankübliches Kontokorrentkonto ist regelmäßig auf den geschäftlichen Einsatz und auf Verrechnung mit möglichem Kreditrahmen ausgerichtet.
Dokumentation und Beweis
Kontoauszüge und Saldenbestätigungen
Kontoauszüge, Buchungsbelege und Saldenbestätigungen sind zentrale Beweismittel für das Bestehen und die Höhe eines Saldos. Sie dokumentieren die Einstellung der einzelnen Posten und die Ergebnisse der periodischen Abrechnung.
Einwendungen und Korrekturen
Einwendungen gegen einzelne Buchungen sind innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Prüf- und Rügefristen möglich. Nach Saldoanerkennung beschränken sich Einwendungen regelmäßig auf den Saldo selbst, vorbehaltene oder verdeckte Fehler sowie auf Fälle, in denen die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vorlagen.
Häufig gestellte Fragen zum Kontokorrent
Was ist der rechtliche Kern des Kontokorrents?
Der rechtliche Kern ist die laufende Verrechnung wechselseitiger Forderungen mit periodischer Saldoziehung. Einzelansprüche werden durch den Saldo als neue, einheitliche Forderung ersetzt, die fortan maßgeblich ist.
Worin unterscheidet sich die Kontokorrentabrede von einer einfachen Verrechnung?
Die Kontokorrentabrede begründet ein dauerhaftes Verrechnungsverhältnis mit fortlaufender Einstellung von Forderungen und periodischer Saldoziehung. Bei der einfachen Verrechnung werden nur einzelne, fällige Forderungen gegeneinander aufgerechnet, ohne ein laufendes Konto zu führen.
Welche Rechtswirkung hat die Saldoanerkennung?
Mit der Saldoanerkennung wird der festgestellte Betrag zur selbstständigen Forderung. Einwendungen gegen einzelne Posten sind danach regelmäßig ausgeschlossen, sofern sie nicht vorbehalten oder erst nachträglich erkennbar wurden. Angreifbar bleibt der Saldo selbst unter den allgemeinen Voraussetzungen für die Anfechtung von Anerkenntnissen und Abrechnungen.
Wie werden Zinsen im Kontokorrent behandelt?
Zinsen werden als Posten in das laufende Konto eingestellt und mit dem nächsten Saldo erfasst. Dadurch können sie Bestandteil der Saldoforderung werden; Zinseszinswirkungen sind möglich, wenn sie vertraglich vorgesehen und ordnungsgemäß abgerechnet sind.
Kann ein Kontokorrent gepfändet werden?
Gepfändet werden kann der jeweils vorhandene Guthabensaldo. Ein negativer Saldo ist nicht pfändbar. Schutzvorschriften können den Zugriff auf bestimmte Gutschriften oder Beträge einschränken.
Wie wirkt sich die Insolvenz auf ein Kontokorrent aus?
Mit Eröffnung des Verfahrens wird regelmäßig zwischen Forderungen vor und nach dem Stichtag unterschieden. Bis dahin entstandene, wechselseitige Forderungen können dem Kontokorrentmechanismus unterliegen; spätere Forderungen werden separat behandelt. Aufrechnungs- und Anfechtungsregeln sind maßgeblich für die Durchsetzung des Saldos.
Ist die Abtretung einzelner Forderungen aus dem Kontokorrent möglich?
Während des laufenden Kontokorrents sind einzelne Posten regelmäßig nicht isoliert durchsetzbar und daher nur eingeschränkt abtretbar. Möglich ist die Abtretung des Saldos oder die Vereinbarung, dass Sicherheiten den jeweils offenen Saldo absichern.